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Bad News

von

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Wait and hope

Wait and hope
 

Als Misses Tuckpach wieder Platz genommen hatte, legte sie einen gelben Ordner vor Rob auf den Tisch.

"Hier steht alles drin, was Sie interessiert, Mister Stevensen. Ich hoffe, dass die Aufzeichnungen Ihnen weiterhelfen und dass Vici davon profitieren wird."

Rob sah sie sehr dankbar an, seine kirschbaumbraunen Augen drückten jedoch nur den Wehmut und die Unsicherheit aus, die er innerlich verspürte. Obwohl er verstanden hatte, wie er Vici helfen konnte, war er dennoch weit davon entfernt, dies auch in die Realität umsetzen zu können. Denn einen seelisch verletzten Menschen konnte man nicht so einfach in sein Vertrauen ziehen und ihn davon überzeugen, dass er nicht an dem Tod eines geliebten Menschen schuld sei. Vor allem bereitete es ihm Sorgen, dass Vici noch so jung war und sie noch keine weiteren Erfahrungen in Bezug auf das "wahre Leben" machen konnte. Ihm durfte kein Fehler unterlaufen, der sie eventuell noch tiefer belasten würde als das, was die Situation an sich selbst schon tat.

Schweren Herzens nahm er den Ordner an und verließ mit einem freundlichen "Danke und auf Wiedersehen!" den Raum.
 

/Eine wohltuende Wärme steigt in mir empor,

Durchzuckt meine Adern, erbebt meine Glieder.

Sehnsüchtig warte ich auf mehr und werde nicht enttäuscht,

Die nächste Welle naht voller Glückseligkeit und Freud'.

Ich lasse mich tragen und genieße die Freiheit,

Wie weggeblasen ist die Schuld und all das Leid.

Fernab von Trauer schließe ich meine Augen

Und erblicke endlich die Wahrheit, nach der ich suchte.

Die Offenbarung lässt mich erneut erbeben,

Sie durchdringt mich, erfüllt meine einst'ge Leere.

Von Angesicht zu Angesicht kann ich ihr standhalten,

Ich bin durchtränkt von dieser Kraft.

War ich die ganze Zeit über denn blind gewesen?

Wollte ich sie verkennen oder sie nicht sehen?/
 

Lucy und David luden Rob auf eine Tasse Kaffee ein, denn sie wollten eine vertraulichere Atmosphäre zwischen ihnen schaffen. Ein Krankenhaus war nicht der richtige Ort, um noch mehr persönliche Dinge preiszugeben.

Im Café, das nur wenige Minuten entfernt lag, machten sie es sich gemütlich. Als der Kaffee dampfend vor ihnen stand, brach David das Schweigen, das nach dem Verlassen des Gray-Warrn-Hospitals eingetreten war.

"Mich beschäftigt eine Sache schon die ganze Zeit über. Vielleicht ist es nicht so wichtig, aber wie haben Sie unsere Tochter eigentlich kennengelernt?"

Robby rührte bedächtig mit dem Löffel in seiner Tasse, er erinnerte sich genau an den Tag, an dem er Vici das erste Mal getroffen hatte.

"Mhh..." Ihm fehlten die Worte; er konnte ja nicht sagen, dass er wegen seiner Mutter verzweifelt gewesen war und kurz vor einem Heulkrampf gestanden hatte...das wollte er den Kingsleys nicht offenbaren.

"Ich befand mich auf der Kinderstation und da kam Vici zu mir und sprach mich an. Da ich ihrem süßen Lächeln nicht widerstehen konnte, folgte ich ihrer Aufforderung, mit in ihr Zimmer zu gehen. Naja, ich habe mit ihr gespielt, denn sie wirkte so einsam und..."

/Ups...hätte ich das lieber verschweigen sollen?/

Rob biss sich auf die Zunge, denn er sah, wie bestürzt die Eltern von Vici darauf reagierten. Nun, er wollte ihnen keineswegs unterstellen, dass sie zu wenig Zeit für sie gehabt hätten, denn selbst die eigene Mutter konnte nicht immer präsent und für einen da sein. Ihm war bewusst, dass er besser auf seine Wortwahl achten musste, um keinen negativen Eindruck zu hinterlassen. Denn wie sollte er sonst Vici helfen können?

"Ich denke, es ist nicht leicht für ein kleines Mädchen, eine solche Zeit zu bewältigen. Und da konnte ich sie nicht enttäuschen und einfach gleich wieder gehen... und es hat mir auch nichts ausgemacht, mich ein bisschen mit ihr zu beschäftigen."

Mit einem leichten, aber ehrlich gemeinten, Lächeln sah er auf zu den beiden Elternteilen. Sie erwiderten den Blick mit einer Nettigkeit, die er den ganzen Tag über bei ihnen noch nicht verspürt hatte. Zwar waren sie immer freundlich gewesen, doch eine gewisse Reserviertheit prägte ansonsten ihr Verhalten. Besonders Davids Augen strahlten soviel Sympathie aus, die es Rob ermöglichte, seine Angespanntheit so gut es ging abzulegen.
 

Das Gespräch zwischen Rob und Vicis Eltern dauerte mindestens noch eineinhalb Stunden an. Da David nichts sehnlichster wünschte als dass seine Familie wieder zusammenfand, sprach er ganz offen zu ihm. Zwar musste er ein paar misstrauische Blicke seiner Frau in Kauf nehmen, doch das störte ihn nicht.

Waren sie denn nicht hier, um diesem schmerzenden Erlebnis ein Ende zu bereiten? - Ja, das waren sie, also...

/... akzeptiere, dass ich Rob die Informationen gebe, die er benötigt. Er müsste das ja nicht tun, und tut es trotzdem. Ich weiß nicht warum, aber er nimmt sich unserer Tochter an. Einem solch engagierten jungen Mann werden wir nicht mehr so schnell begegnen, also sollten wir die Situation nutzen!/
 

"Mehr fällt uns nicht mehr ein. Meines Erachtens haben Sie alles erfahren und...", David schluckte, rührte in seiner Tasse und nahm seinen Gegenüber fest in den Blick.

"Ich hoffe aus tiefstem Herzen, dass Sie Vici helfen können."

Seine Augen leuchteten, eine dünne Schicht Tränenwasser überdeckten sie, die jedoch unvergossen blieb.

/Ihr seid gute Eltern, Vici kann sich glücklich schätzen. Solch große Liebe bringen heutzutage nicht mehr viele Eltern auf, denn ihnen liegt eher Karriere und das eigene Wohlbefinden am Herzen. Kinder sind oft ein Übel, das unerwünscht ist oder gar unerträglich. Doch ihr, Lucy und David Kingsley, tragt die Liebe tief in euch, die Liebe zu eurer Tochter, euer ein und alles... das ist wunderschön./

Rob gab beiden die Hand und verabschiedete sich.

"Ich werde mein Bestes geben."
 

Draußen vorm Café warf er noch mal einen Blick hinein.

David hielt Lucy in seinen Armen und sie boten ein Bild der verzweifelten Hoffnung.

/Wenn es nicht klappt, dass werden auch sie zerschellen...

aber daran möchte ich jetzt nicht denken. Ich habe so viele Sachen erfahren, es kann gar nichts schief gehen... BITTE!/

Guten Mutes begab er sich schließlich auf den Heimweg.
 

Als Rob seine Wohnung in Cunnon betrat, wurde er von Niki schon sehnsüchtig erwartet. Sie hatte für ihn gekocht und das Essen stand dampfend auf dem Tisch.

Doch sie hatte gar nicht die Möglichkeit, 'Hallo!' zu sagen, denn da hatte er sie bereits hochgehoben und sich mit ihr einmal im Kreis gedreht. Als sie wieder Boden unter den Füßen hatte, fragte sie ihn erstaunt und erregt zugleich, was denn in ihn gefahren sei.

"Heute habe endlich mal wieder einen positiven Tag erleben dürfen, der noch nicht vorbei ist."

Rob sah sie freudestrahlend an, und ein leidenschaftliches Funkeln in seinen kirschbaumbraunen Augen ließ sie ein wenig nervös werden.

"Das freut mich."

Mehr brachte sie nicht heraus, ihre Stimme klang zudem sehr zittrig, denn sie war eingenommen von seiner so unglaublichen Ausstrahlung.

"Mmhh, das duftet aber gut.", meinte er, als der Essensgeruch in seine Nase stieg.

"Du bist ein echter Schatz."

Rob gab ihr einen sanften Kuss auf die Wange und begab sich zum liebevoll gedeckten Tisch, wo er sich niederließ. Verblüfft sah sie ihm nach.

/Weiß er eigentlich um seine verführerische Ausstrahlung?.../

Obwohl sie keinen Hunger mehr verspürte, außer den auf ihn, gesellte sie sich zu ihm an den Tisch.

"Was ist denn heute passiert?", fragte Niki, ob denn sie das momentan nicht wirklich interessierte. Sie wollte ihn jetzt spüren, ihn umarmen, ihn bei sich haben, ganz nah...

"...Vici helfen."

/Du siehst endlich wieder glücklich aus, so unbeschwert... , zumindest ein Teil von dir. Es steht dir gut, es macht dich.../

"...ihre Eltern waren sehr nett. Sie luden mich in ein Café ein und..."

/...attraktiv... und unwiderstehlich!/

Sie legte die Gabel beiseite, mit der sie sowieso nur im Gemüse herumgestochert hatte, und stand auf.

/So unwiderstehlich./

Rob verstummte und folgte visuell ihren Bewegungen.

Niki stellte sich hinter ihn und fing an, seinen Hals zu küssen. Genießerisch wurde nun auch sein Atem schneller. Sein Brustkorb hob und senkte sich rhythmisch und die heißen Küsse überschütteten ihn.
 

/Die Begierde wächst,

sie überschreitet meine Vorstellungen.

Die Wärme wird zur Glut,

die bald schon groß entfacht.

Die Flammen erstrecken sich bis zum Himmel,

der schützend über uns wacht.

Ich kann mich fallen lassen,

ich falle sanft und lande weich.../
 

Nun erwiderte Rob ihre Berührungen und Küsse. Ihre Zungen trafen sich, lösten sich und seine glitt an ihrem Hals hinab.
 

/... sie fängt mich auf,

sie gibt mir die Zuflucht,

Zuflucht vor der Realität,

die Realität, die schmerzt und

die mir auf der Seele brennt./
 

Kurze und heftige Atemstöße durchdrangen die Nacht. Der silbrige Mond am sternenübersäten Himmel leuchtete auf das liebende Paar herab.
 

/Ich danke dir für deine Liebe,

sie gibt mir die Kraft,

die Kraft, meinen Kummer zu vergessen,

zumindest für diesen Augenblick./
 

Die ersten Sonnenstrahlen des folgenden Morgens weckten Rob. Er blinzelte und strich sich mit dem Handrücken eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn. Mit Blick zum Fenster dachte er an Vici.

/Wie es ihr momentan wohl geht?/

Er ließ seine kirschbaumbraunen Augen durch das Zimmer wandern und sie blieben letztendlich an Niki heften, die neben ihm lag und friedlich schlief.

/Für mich bist du das Wertvollste, und für Lucy und David ist es nun mal Victoria. Ob ich Erfolg haben werde? Bitte, lass mein Vorhaben gelingen, bitte... /

Niki drehte sich plötzlich und zwinkerte mit den Lidern. Verschlafen schaute sie Rob an und ein zufriedenes Lächeln folgte. Ihre Hand glitt durch seine Haare und sie schmiegte sich eng an ihn.

Nachdem er in ihre traumhaft schönen Augen gesehen hatte, schienen sich seine Zweifel zu verflüchtigen.

/Niki steht mir zur Seite... dann kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen./

Dass er sich damit nur selbst Mut zusprach, sollte er schon bald merken.
 

Nach dem Frühstück holte er den Ordner, den Misses Tuckpach ihm gegeben hatte, und setzte sich damit auf die Couch. Doch bevor er ihn öffnete, holte er noch einmal tief Luft und sah Vici in ihrem rosa Nachthemd vor sich.

/Ihr Lächeln entzückt die Welt, ich hoffe, es bleibt ihr erhalten. Niemand und nichts darf es sich erlauben, ihr diese Gabe zu nehmen... nichts!/

Noch in Gedanken schlug er den Ordner auf. Ein Blatt mit ihrem Namen starrte ihn an. Außer 'Victoria Kingsley' stand nichts auf diesem.

Rob blätterte um und bekam eine Collage aus Zeitungsartikeln zu Gesicht.

'Der Tod seiner Schwester löste in ihm eine Art Trance aus', 'Plötzliche Schreiattacken- Was ist der Grund?', ' Schlafstörungen, Trauer, Schuldgefühl - Was der Tod eines Nahestehenden mit sich bringt', 'Der Regenbogen verblasst - Junge Menschen leiden besonders!', usw.

Seine Augen schweiften von einem Artikel zum nächsten. Inhalt eines jeden waren die Folgen für und Leiden von Kindern, die einen Verwandten oder geliebten Menschen verloren haben und sich die Schuld dafür gaben.

Die nächste Seite bot weitere Berichte und Standpunkte dazu. Doch Rob suchte zunächst etwas anderes. Er blätterte weiter, bis er ihn gefunden hatte: den ärztlichen Befund!
 


 

'Hither - Mountain, den 17.März 2001
 

Betreff: Untersuchungsergebnisse von Victoria Kingsley
 

Behandelnder Arzt: Doktor William James Higarty
 

Victoria Kingsley, ein fünfjähriges Mädchen, leidet chronisch (?) an Schlafstörungen und Schreikrämpfen, ausgelöst durch den Tod ihres Bruders, Robert Kingsley.

Meine Untersuchungen haben ergeben, dass sie tagsüber ein lebendiges, freudestrahlendes kleines Kind ist, doch dass sie nachts diese Ruhe und Vitalität verliert und ein ganz anderer Mensch wird. Im Schlaf schlägt sie um sich und schreit nach ihrem Bruder.
 

In den letzten Jahren sind schon einige solcher Fälle aufgetreten.

In den meisten basieren sie auf Schuldgefühlen, die in diesen jungen Menschen hervorgerufen wurden. Abstrakterweise fühlen sich Kinder, die das Leben an sich noch gar nicht realisieren können, verantwortlich für das Geschehene, ob es jetzt einen Unfall, eine Scheidung oder gar den Tod angeht.

In ihnen rührt sich eine Stimme, eine Stimme, die nach Hilfe schreit. Durch diese seelische Veränderung, ändert sich auch der körperliche Zustand. Ob es sich dabei um Schweißausbrüche oder um Schlafstörungen handelt, ist nicht der entscheidende Punkt. Es interessieren vielmehr die Auswirkungen auf lange Sicht.

Wie wirken sich solche physischen Wandlungen auf die Zukunft der Kinder aus?

Welche Heilmethoden werden anschlagen, welche diesen grausamen Zustand noch verstärken?
 

Langwierige Untersuchungen und Nachforschungen haben eine zwiegespaltene Meinung von Ärzten und Experten auf diesem Gebiet ergeben.

Die eine Seite vertritt die Ansicht, dass der Tod eine Abwehrreaktion in den Menschen hervorruft. Da es sich bei den verunglückten Personen um welche handelt, die ihnen sehr nahe gestanden hatten, wollen die Betroffenen das Ableben nicht wahrhaben und verschachteln sich in ihrer eigenen kleinen Welt. Sie schotten sich von der Realität ab und leben in ihrer Phantasie, in der die Welt noch heil ist und in der es keinen Tod gibt. Weil sie es aber im Unterbewusstsein besser wissen, wehren sie sich körperlich gegen diese Lüge gegen sich selbst.

(Die Folgen sind oben erwähnt.)

Die andere Seite ist jedoch davon überzeugt, dass auch junge Menschen den Tod begreifen und versuchen, diesen auf rationale Art und Weise zu verarbeiten. Da ihr Verstand aber noch nicht ausgereift ist, besser gesagt, sie noch wenig Lebenserfahrung oder Wissen besitzen, ist es ihnen nicht möglich, dies vernünftig zu vollziehen. Daher spielt die emotionale Seite eine wichtige Rolle. Durch Schreien oder Weinen geben sie ihre Gefühle preis, die sich in ihnen aufgestaut haben. Doch dies alleine hilft ihnen nicht, den Tod zu verarbeiten. Der Druck, der sich somit in ihnen aufbaut, das Erlebte zu verstehen, ruft physische Reaktionen hervor. Trotz dem Verständnis, das sie aufbringen können, kommt es also zu körperlichen Ausbrüchen.
 

Ich persönlich sehe keinen allzu großen Unterschied zwischen diesen beiden Ansichten. Denn sowohl das Zurückziehen aus der Realität als auch das missglückte Begreifen des Todes hängen mit dem Verhalten der Menschen zusammen. Doch bei den meisten ist eine Seite ausgeprägter als die andere, aber bei anderen wiederum sind beide in einem ausgeglichenen Verhältnis vertreten.

Es gibt für mich kein so oder so.

Durch Victoria Kingsley wurde diese meine Sicht geprägt.

Während des Tages bemerkt man bei ihr keine physischen oder psychischen Störungen. Ihre Eltern, Lucy und David Kingsley, bestätigten, dass sie sich nicht viel anders verhält als vor dem Ableben ihres Bruders. Bis auf eine Kleinigkeit: Sie wirkt einsamer und spricht sogar von dem Tod von Robert.

Also scheint sie zu begreifen, dass er nicht mehr da ist außer in ihren Erinnerungen. Ihre offene Art diesem Fakt gegenüber lässt darauf schließen, dass sie für ihr Alter ziemlich viel davon versteht. Manche nennen dies das 'Nann-Chi-Syndrom'...'
 

/'Nann-Chi-Syndrom' ...noch nie gehört/, dachte Rob.

/Aber der Name kommt bestimmt vom Entdecker, einem Arzt oder Psychologen... Womit beschäftige ich mich hier? - ist doch völlig egal, wo dieser Ausdruck herrührt!/

Rob griff zum Glas, das vor ihm auf dem Tisch stand, nahm einen Schluck Wasser zu sich, und las dann weiter.
 

'Manche nennen dies das 'Nann-Chi-Syndrom', doch es ist besser bekannt als frühe geistige Reife.

Doch spät abends beziehungsweise nachts verliert Victoria diese Identität und wird zu einem schmerz-empfindenden, geistig verwirrten kleinen Kind. Vor allem im Schlaf macht sich diese Veränderung bemerkbar. Eine nächtliche Überwachung hat ergeben, dass Victoria in ihren Träumen den Versuch unternimmt, ihren Bruder zum Leben zu erwecken. Manchmal schien es, als ob sie sich mit ihm unterhalten würde. Doch nach jedem solchen Versuch, begann sie zu schreien "Nicht gehen, bleib' hier!... Robert!... Bleib bei mir!"

Zweifelsohne scheitern ihre Bemühungen immer aufs Neue, Robert in sich leben zu lassen. Und das macht sie so fertig, dass sie um sich schlägt und hemmungslos weint. Am nächsten Morgen jedoch ist sie wieder fröhlich, zumindest weitgehend, und verdrängt ihre Träume oder sie kann sich nicht mehr daran erinnern.

Kann sie sich wirklich nicht mehr erinnern?

Kann man derartige Erlebnisse einfach so wegstecken?

Vor allem in so jungen Jahren?

- Ich bezweifle es. Und diese Zweifel lassen mich erschaudern. Die Befürchtung, dass das noch schwere Folgen haben wird, kommt in mir auf.
 

Es gibt verschiedene Lösungsansätze, die einem solchen Problem entgegenwirken können. In vielen Fällen scheitern sie jedoch und sind auch mit einigen Risiken verbunden.

Bei Victoria Kingsley kann ich aber keinen von diesen empfehlen, denn sie ist kein 'typischer Fall'. Ihre Art 'Schizophrenie' lässt mich bisher zu keinem Schluss kommen, was der richtige Weg für sie bezüglich ihrer Genesung ist.'
 

Rob fiel die Kinnlade herunter, seine Augen weiteten sich.

/NEIN!!!... das kann doch nicht wahr sein. Das steht nicht da, nein, das steht nicht da!/

Er las die letzten drei Zeilen noch einmal, doch zu seinem Entsetzen las er genau das gleiche noch einmal.

Jetzt begann er zu weinen, denn die Hoffnung, die in ihm endlich aufgekeimt war, war weg; sie war bombardiert worden, und letztendlich explodiert.

/Warum ist das Leben so unfair?/

"Warum ist es so unfair?", schrie er.
 

Niki zuckte in der Küche zusammen, als sie gerade die nächste Seite ihres Buches, das auf ihrem Schoß lag, aufschlagen wollte. Aufgeschreckt und besorgt lief sie ins Wohnzimmer und erblickte geschockt ihren Freund, der wimmerte, weinte und schluchzte.

/Rob... du meine Güte, Rob!/

Als sie neben ihm kniete, nahm sie ihn in die Arme und versuchte ihn zu beruhigen. Seine dunklen Haare hingen zerzaust über ihre Finger, während sie ihm mit der rechten Hand über den Kopf strich.

Rob war elendig zumute. 'Elendig' war noch stark untertrieben.

/Ich will sinken, tief hinein in das Loch,

ich will fallen, bis der Aufprall naht.

Versinken, vergraben, vergessen...

Warum?

...

WARUM?/
 

Obwohl Niki ihm zuredete und ihn schützend in die Arme nahm, konnte sie ihn nicht erreichen. Zu tief war er gefallen.
 

/Gibt es denn keinen anderen Weg?/
 

An dieser Frage hielt er fest. Sie bohrte sich weit, weit in ihn hinein. Sein Kopf hämmerte, es tat weh, aber dieser Gedanke ließ ihn nicht los.

Rob erinnerte sich nach und nach an all die Dinge, die er von Lucy und David erfahren hatte: "Robert nahm sie bei der Hand", oder "Wenn sie schlecht geschlafen hatte, legte sich Robert zu ihr ins Bett, damit sie keine Angst mehr hatte.".

So viele Details wusste er bereits von dem Bruder-Schwester-Verhältnis, er kannte die Einzelheiten, wie Robert die kleine Vici in sein Vertrauen zog.

Sollte es ihm dann denn nicht gelingen, einen Weg zu finden?
 

/Einen Weg.../
 

Eine dunkle Gestalt erschien vor seinem inneren Auge. Es war zwar nur eine schwarze Silhouette, doch in Rob wurde ein Gefühl der Zuversicht wachgerufen.
 

/Die Bedeutung.../
 

Das Bild wurde schärfer, es formte sich langsam, aber stetig.
 

/... die Stütze.../
 

Sein Herz bebte, es schlug so schnell, dass sein Puls über alle Maßen raste.
 

/... ein Weg?/
 

Er sah einen Jungen mir kurzen blonden Haaren, mit strahlend grünen Augen und einem genervten Gesichtsausdruck vor sich. Die Ähnlichkeit war verblüffend!



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