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Die geschriebene Geschichte

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Sehnsucht

Die Welt dreht sich immer weiter, stetig, ohne sich von den Menschen und ihren Streitereien bedrucken zu lassen. Egal, ob man sich fühlt, als ob einem der Boden unter den Füßen fehlt und die Welt mit einem Mal inne gehalten hätte in ihrer Wanderung um sich und um die Sonne. Was auch immer geschieht, die Welt wird sich weiter bewegen, ohne dass wir etwas davon bemerken.
 

Mir kommt es nun aber so vor, als würde sich die Welt nur um die Sonne drehen, weil sie nicht von ihr lassen kann, sie aber auch nicht berühren will. So, wie meine Gedanken nur um ihn drehen, ohne dass ich an ihn denken will und so diese Gedanken lieber ungedacht lasse. Und die Welt verändert sich im großen und ganzen nicht, nur so wenig, dass es kaum der Rede wert ist. So, wie auch meine Gedanken sich kaum verändern. Immer wieder kehren sie zu jenen zurück, die ich nicht berühren will. Gleich, was ich tue, immer wieder kann ich nicht anders, als an ihn zu denken, sobald ich einen Moment der Ruhe habe.
 

Fast vierzig Jahre sind wir schon von einander getrennt, uns nahe, ohne uns sehen zu können, ohne ein Wort wechseln zu können. Ich kann nur an der Mauer, die uns trennt, stehen und zu ihm hinüber sehen, ihn dabei beobachten, wie er immer unabhängiger wird, wie er mich mehr und mehr vergisst. Dabei waren wir uns früher so nah, so nahe und abhängig von einander. Er brauchte mich. Nun braucht er niemanden mehr und vergisst mich immer mehr.
 

Und ich muss hier bleiben, bin fast in Ketten gelegt, auch wenn niemand sie sehen können sollte. Dabei weiß es schon längst jeder. Er wird von Tag zu Tag freier und ich, ich verliere diese Freiheit mit jedem Tag mehr. Meine Eigenständigkeit habe ich schon vor langer Zeit verloren, als wir getrennt wurden. Heute bin ich nur noch der Knecht eines Stärkeren, musste mich beugen, weil ich nicht die Kraft hatte, mich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Dieser Stärkere ist es auch, der mich hinter eine Mauer sperrte, um mich von ihm fern zu halten. Von ihm und allen, die im Westen warten. Ich verstehe nicht, warum er mich und viele andere bei sich hält, gegen ihren Willen.
 

Ich wünsche mir meine Freiheit zurück, mehr als alles andere. Auch, um dabei an etwas anderes zu denken als an ihn.
 

Früher, als wir uns noch nahe gewesen waren, war er so süß gewesen, noch jung und voller Ideale. Und er hatte in so vielen Dingen auf mich und nur auf mich gehört. Er hatte mir vertraut. Nun denkt er doch kaum noch an mich, oder? Er braucht mich nicht mehr, ist es nicht so? Er hat neue Freunde gefunden und ist nun unabhängiger und stärker als er es an meiner Seite je war, das stimmt doch so? Er denkt bestimmt nicht mehr oft an mich. Er braucht mich nun nicht mehr, er hat nun Freunde.
 

Ich bleibe allein zurück, unfähig, mich in seine Richtung zu bewegen oder auch nur ein Wort an ihn zu richten. Ich kann es einfach nicht. Etwas hält mich von ihm fern, etwas anderes als die Ketten, die mich halten sollen. Ich bin einsam. Doch ich weiß nicht, ob mich das überhaupt stört. Früher zumindest hat es mich nie gestört. Es störte mich nicht, wenn alle gegen mich standen und er, den ich als einzigen auf meiner Seite hatte, lange und tief schlief, während ich stritt.
 

Doch heute ist alles anders. Ich habe viele auf meiner Seite, doch ich fühle mich einsamer als je zuvor. Ich bin seit fast vierzig Jahren nicht mehr ich selbst, bin nicht einmal halb so großartig, wie ich es früher gewesen bin. Ich bin nur noch ein kleines Licht unter vielen, die um einen großen hellen Schein kreisen, weil sie gar keine andere Wahl haben.
 

Ist das der Grund dafür, dass ich ihn verloren habe? Oder war der Verlust der Grund, dass es so gekommen ist?
 

Ich weiß es nicht und jeder Zweifel bringt mich weiter weg von dem, der ich einst war. Wenn ich nur wieder bei ihm sein könnte, dann würde alles wieder gut werden. Das glaube ich manchmal. Zu anderen Zeitpunkten wünsche ich mir nichts mehr, als wieder mit ihm vereint zu sein. Ich bin kurz davor zu sagen, dass ich dafür alles geben würde. Doch was soll das schon sein, alles? Die Ketten, die mich halten? Meine Vergangenheit? Ich bin noch immer groß, doch nicht mehr so großartig wie ich einst war. Nur zeigen darf ich das nicht.
 

Die Konzentration das Bild wahren zu müssen hilft, nicht zu denken. Nicht die Gedanken zu denken, die ich nicht denken will. Die Gedanken, um die sich alles, was in meinem Kopf um und um geht, dreht. Der Mittelpunkt meiner Existenz, der sich in den wenigen Jahren so verschoben hat.
 

Wie die Planeten um die Sonne, so drehen sich meine Gedanken nur im diesen einen Mittelpunkt.



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