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Drei Minuten mit dem Hauch des Schicksals

Das ist das Ende.
von

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Die Aufdeckung der Karten.

„Noch einmal, nur damit ich das richtig verstanden habe“, sprach Draco Malfoy ruhig, obwohl er innerlich brodelte. Sie befanden sich in Hogwarts, in dem alten Schulleiterbüro, dass man ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Harry Potter rieb sich ratlos das Kinn, während Astoria Malfoy sich erst einmal setzten musste. Die Porträts um sie herum waren leer, bis auf eines. Kurz nach der großen Versammlung hatte Draco seinen Sohn als vermisst gemeldet und sofort waren Auroren ausgerückt. Es war erschreckend, welches Chaos sich über das Ministerium gelegt hatte, doch es schien trotz all der Verwirrung zu funktionieren, wie ein kompliziertes Uhrwerk. Schließlich hatte Astoria die beiden Männer zu sich gerufen und vorgeschlagen, ob sie nicht eventuell jemand Fachliches zur Rate ziehen wollten. Jemand, der die dunkle Seite besser kannte, als sie alle zusammen.
 

Severus Snape sah mit versteinerter Miene auf sie herab und wiederholte beherrscht, was er eben verlauten gelassen hatte. „Die Todsünden unterwerfen sich lediglich Diabolus, dem Teufel und auch er greif nicht in die sterbliche Welt ein, ohne sich etwas davon zu versprechen. Demnach ist meine Analyse folglich ausgereift: Die Angriffe beschränkten sich auf die vier Erben Hogwarts und es gibt, oder viel mehr gab nur einen einzigen Zauberer, der ihnen je mit Angst gegenüber gestanden hat.“
 

„Voldemort“, sprach Harry tonlos und Snape nickte. Das Büro war dunkel und nur ein paar Kerzen spendeten Licht. Draco kam sich vor, wie auf seiner letzten Anhörung und Astoria vergrub das Gesicht in beide Hände. „Das darf doch nicht wahr sein! Ich dachte, diesen Irren wären wir ein für alle mal los.“ Allgemeine Zustimmung erfolgte.

„Also hat der dunkle Lord, Diabolus etwas versprochen?“
 

„Ist anzunehmen“, erklärte der einstige Hauslehrer von Slytherin und verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. „Mrs. Lovegood starb an der manipulierten Zeit, ihr Sohn, Potter, hat den komatösen Zustand und den realen Alptraum überstanden. Bleibt der junge Malfoy.“

„Womit dürfen wir rechnen?“, wollte Astoria wissen und Draco setzte harsch hinzu: „Scorpius hat nicht ein einziges Anzeichen aufgewiesen, dass etwas nicht mit ihm stimmen könnte.“
 

Harry schritt im Kreis um das alte Pult, schließlich blieb er stehen. Es war, als hätte jemand ein Lumos in seinen Kopf geflüstert. „Doch, auch Scorpius hatte Anzeichen. Er sprach davon, dass er in letzter Zeit schlechter schlafen würde und ihm plagten häufig Kopfschmerzen.“

Die Drei sahen sich schweigend an und Snape räusperte sich. „Wir dürfen annehmen, dass Ira ganze Arbeit geleistet hat.“ Der ehemalige Todesser schluckte hart und zum ersten Mal hatte Draco das Gefühl, dass Severus Snape sich die Ereignisse zu Herzen nahm. „Es gab schon einmal einen ähnlichen Fall.“
 

Entsetzt sprang Astoria auf und bat, dass man es ihnen erzählte.

„Ich rede von Octavius, den Ersten im alten römischen Reich, der einen Pakt mit Diabolus schloss, um die Mörder seines Onkel Julius Ceasare zu verurteilen. Gaius Octavius musste für seine Rache bezahlen. Denn seine Dynastie konnte nicht fortgeführt werden und er ging als der erste Augustus in die Geschichte ein, ohne seine Macht mit seiner Intelligenz Generationen überdauern zu lassen. Man erzählt, als er zum Augustus aufstieg, litt er an Schlaflosigkeit und starken Kopfschmerzen.“
 

„Ich wünsche keine Aufklärung über die römische Geschichte“, mischte sich Draco verstimmt ein, doch Astoria hob die Hand und bat ihn, zu schweigen. Snape fuhr fort: „Die Kopfschmerzen waren ein Zeichen, dass Octavius im Unterbewusstsein gegen etwas gekämpft hat. Ebenso war seine Schlaflosigkeit nahezu ein Hinweis darauf, dass er während seiner nächtlichen Ruhe, keineswegs ausgeruht hatte. Magische Wissenschaftler fanden heraus, dass Octavius, kurz bevor er zum Augustus und Imperator gekürt wurde, kein eigener Herr mehr über seinen Körper war.“
 

Harry ahnte schlimmes und sprach: „Sein Körper ist übernommen worden?“

„Nein, nicht nur sein Körper, auch sein Wissen, sein Verstand, es schien, als wäre ein anderer Geist in sein Körper gefahren.“

Nun wandte sich Harry um und sah Draco ausdruckslos an, dann zog er seinen Zauberstab und hexte eine große Abbildung der Welt herbei. Mit seinen Zauberstab markierte er die Orte des Anschlags und je mehr er einzeichnete, umso mehr verborgene Karten schienen sich vor seinem geistigen Auge offen zu legen. Die anderen beiden sahen über seine Schulter und Astoria schlussforderte: „Dort haben die Anschläge stattgefunden. Erschreckend, dass wir nicht einen Hinweis auf eine Todsünde bekommen haben.“

„Das konnten wir auch gar nicht“, murmelte Harry und entfernte sich einen Schritt von der Karte. „Denn wir haben es mit einem sterblichen Attentäter zu tun. Mit jemanden, der sämtliche Tricks kennt, weiß, wie man seine Spuren verwischt und eine Intelligenz besitzt, mit der kaum ein jemand Schritt halten kann.“
 

Der Boden unter Dracos Boden begann sich zu drehen und er musste sich setzten. Dabei glitt ihm der Stock aus den Händen. „Scorpius“, flüsterte er heiser und Harry nickte: „Indirekt. Die Todsünde, demnach Ira, müsste bereits vor Monaten Besitzt von seinem Körper ergiffen haben.“

„Dann hatte Krum mit seinen ekligen Anschuldigungen recht?“, stieß Astoria hysterisch aus und funkelte den Potter an. Harry schwieg betreten und Snape ergriff das Wort: „Ira ist die Todsünde der Wut, Rache und Vergeltung, hätte der junge Malfoy einen Grund dafür anfällig zu sein?“

„Nein“, entschied Astoria und auch Harry schien ratlos. Draco jedoch hielt dagegen. „Doch, hat er.“
 

Unverständlich sah Harry den Blonden an und dieser hob seinen Stock auf, dabei erklärte er: „Damals, als der erste Krieg gegen den dunklen Lord vorbei war und du im Schlafkoma lagst, musste Scorpius einen Pakt mit Weasley eingehen.“

„Mit Ron?“

Draco nickte knapp. „Es ging darum, dass Parkinson und ich nicht zum Tode verurteilt wurden und er im Gegenzug die Tochter des Wiesels verließ. Was er wohl angemerkt getan hat.“ Die Miene des Malfoys wurde angespannt und zerrissen. „Scorpius liebte das Mädchen, es war überhaupt das erste Mal, dass er einen Menschen gefunden hatte, für den es sich lohnte, durch die Hölle zu gehen.“
 

Harry ballte die Hände zu Fäusten, langsam begriff er mehrere Zusammenhänge. Die Todsünde konnte also nur so mächtig über Scorpius herrschen, weil er dank Ron das Wichtigste in seinem Leben verloren hatte. Wenn Hermione oder gar Rose die Wahrheit erfahren würden, dann gäbe es im Hause Weasley ein gewaltiges Donnerwetter.

„Können wir Scorpius irgendwie retten?“, fragte Astoria und sah auf zu ihrem ehemaligen Hauslehrer. Dieser reckte leicht das Kinn und schien nachzudenken. „Wie das Beispiel Potter gezeigt hat, haben nur ganz bestimmte Personen Zugang zum Geist des Besessenen.“

„Rose“, sprach Harry knapp. „Sie sollte ihn finden können.“
 

„Allerdings nicht rechtzeitig.“ Die fremde Stimme ließ die drei Herumfahren und verblüfft über die Anwesenheit von Albus Dumbledore, hob Harry beide Augenbraunen. Der alte Zauberer strich sich über den Bart und die blauen Augen sahen kummervoll auf die Anwesenden herab. „Ich hatte gerade ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit einem Siebenjährigen, der Visionen von der Zukunft hat. Natürlich ist er völlig aufgelöst und möchte nicht mit Hausarrest bestraft werden, weil er mir etwas so Ungeheuerliches erzählt hat. Noch nicht einmal ein Zitronebrausebonbon schien ihn aufzuheitern.“

Draco öffnete den Mund und es war, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt. „Floyd?“

„Ein wirklich lieber Junge, aber ich glaube, ohne die Unterstützung vom kämpferischen Corwin hätte der Kleine nichts gesagt.

„Sie wollen damit sagen“, Draco holte tief Luft. „Das mein siebenjähriger Enkel Visionen von-!“, ihm fehlten die Worte und er wedelte heftig mit der linken Hand in der Luft.
 

Mitleidig verzog Dumbledore das Gesicht. „Er hat Visionen vom zwölften September und etwas, was nicht gerade friedlich wirkt.“ Das Wort etwas rief allgemeine Verwirrung hervor.

„Sie meinen?“, wollte Harry wisssen und Dumbledore sprach die vernichtenden Worte aus: „Etwas, was ich noch nie gesehen habe, zumindest in meiner Lebzeit nicht.“

Alle drei begriffen, was auf sie zu kommen würde. Eine Bösartigkeit, gegen die sie sich nicht vorbereiten konnten.
 

Harry drehte sich zu seinen Mitstreitern um und nicht zum ersten Mal fiel Astoria auf, dass die grünen Augen des einstigen Auserwählten ernst von einem zum anderen glitten. Dabei hatte sich der Ausdruck entscheidend verändert. In ihnen spiegelte sich Entschlossenheit und Zuversicht wieder. Draco erhob sich, ohne zu zögern, schien er Harry auf jeden Weg zu folgen und ganz langsam begriff sie, warum er es im ersten Krieg gewagt hatte, die dunkle Seite zu verraten. Die widersprüchlichen Gefühle, die er für sie gehabt hatte, schienen nicht einzig alleine eine Rolle gespielt zu haben. Doch den entschiedenen Impuls muss der Glaube an Harry gegeben haben und daran, dass es möglich war, aus den ganzen Alptraum heile rauszukommen. Innerlich hoffte Astoria, dass sie auch dieses Mal dem Tod ein Schnippchen schlagen würden.
 


 

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Stumm standen sich Fred, Albus, Rose und Alice gegenüber. Sie befanden sich in der leeren großen Halle von Hogwarts. Unzählige Kerzen brannten an der magischen Decke, die Haustische wirkten verlassen ohne ein festliches Mahl und Schüler, die sie bevölkerten. Langsam ließ Fred seinen Blick schweifen. Es schien, als würde er sich in Erinnerung rufen müssen, dass es teils auch sein Verdienst war, das dieses festliche Schloss tatsächlich existierte. Albus hatte sich müde auf einer Bank des Ravenclawtischs niedergelassen. Noch immer konnte man die Spuren seines Kampfes gegen eine Todsünde an seinem Gesicht ablesen. Die Haut spannte über seine Wangenknochen, dunkelblaue Ränder lagen unter seinen Augen und seine Augäpfel wiesen feine, rote Äderchen auf. Alice ließ sich ihm gegenüber am Hufflepuff nieder und stütze die Ellenbogen auf den Knien ab. Sie beugte sich leicht vor und ein zartes Lächeln lag auf ihren ungeschminkten Lippen. Für Rose sah es so aus, als müsste sich ihre beste Freundin an den Anblick des Potters gewöhnen. Nicht, weil er so mitgenommen aussah, sondern weil er tatsächlich unter ihnen weilte.
 

Rose atmete tief durch. Sie war erst mit Scorpius an diesem Ort gewesen. In gewisser Weise hatte sie Hogwarts nie besonders viel Beachtung geschenkt, doch eigentlich war dieser Flecken Erde der Fixpunkt an dem alles begann. Das Ende der Äre Voldemort hatte hier seinen Anfang gefunden, mitsamt den Erben von Hogwarts. Sie erinnerte sich an den jungen Asiaten, der sich nicht an den ursprünglichen Plan gehalten hatte und von Luna ersetzt worden war. Doch der Kern der Widersacher, Albus, Scorpius und Alice hatte über die Jahre bestand gehalten. Rose selbst zählte sogar seltsamerweise Fred dazu, obwohl er nicht zu den Erben gehörte. Trotzdem schien er immer irgendwie dabei gewesen zu sein. Genau wie sie selbst.
 

Die junge Weasles erinnerte sich daran, dass ihre Mutter einmal davon sprach, das jede Generation ihre ganze eigenen Helden hatte und es bald zu einer Ablösung zwischen jung und alt kommen würde. Damals hatte sie die Aussage nicht verstanden, doch jetzt, wo sie ihre drei Freunde vor sich sah, begriff sie. Vor über zwanzig Jahren hatte die Hoffnung auf den Schultern großer Namen wie Potter, Weasley, Granger und Longbottom gelegen. Nun erweitert durch Malfoy. Die Gesichter schienen sich zu ändern, aber Rose glaubte, dass ihre Herzen heimlich denselben Takt anschlugen, ebenso, wie ihr Wille nach Frieden sie über sich hinauswachsen ließ.
 

Weder Fred, Alice noch Albus und sie waren etwas besonders, doch trotzdem begegneten die Menschen im Ministerium ihnen mit Respekt. Rose verlagerte ihr Gleichgewicht. Scorpius war anders, denn er war tatsächlich etwas Besonderes. Überdurchschnittlich klug, mutig und bereit sich für seine Ziele aufzuopfern.

Fred drehte sich zu ihnen um und durchbrach die Stille. „Scorpius wird also vermisst.“ Es war eher eine Feststellung denn eine Frage. Albus blinzelte, das tat er immer einmal wieder und Rose kam es so vor, als müsste er sich an die Farben der Welt gewöhnen. „Ich verwette meinen knochigen Arsch darauf, dass eine Todsünde etwas damit zu tun hat. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann hat ganz sicher Ira etwas damit zu tun.“

„Weshalb Ira?“, wollte Alice wissen, doch statt zu antworten sahen Fred und Albus zeitgleich Rose an. „Bitte?“, die Weasley verstand nicht, was die beiden jungen Männer ihr damit sagen wollten.
 

Albus nahm seine Gehilfe zur Hand und schwang diesen gekonnt durch die Luft. Es sah wie ein Kunststück aus, wie er den Stock durch seine Finger gleiten ließ, damit dieser sich drehte.

„Rose, hast du dich nicht gefragt, warum Scorpius damals wirklich gegangen ist?“

„Doch natürlich, aber ich habe nie eine Antwort erhalten.“ Sie erinnerte sich daran, dass er sie einmal wissen ließ, dass er nicht freiwillig gegangen war, aber mehr hatte sie nie erfahren. Und nachzufragen wäre ihr in den damaligen Augenblick überhaupt nicht in den Sinn gekommen, schließlich hatten sie genau in dieser Nacht nach sieben Jahren miteinander geschlafen. Die Erinnerung darin trieb ihr die Schamröte ins Gesicht.

„Wenn Ira wirklich die Kontrolle über ihn hat“, begann Fred langsam und sah von einem zum anderen. „Dann haben wir ein fettes Problem.“

Rose spürte den Kloß in ihrem Hals und musste hart schlucken. Auch Alice nickte zustimmend. „Einen Malfoy auf der gegenüberliegenden Seite zu wissen bedeutet, dass wir keinerlei Chance haben. Niemand, ich beton, absolut niemand konnte je mit Scorpius mithalten.“ – „Weder bezüglich seines Wissens, noch mit seinem Können.“ Albus lachte freudlos. „Er ist bis heute der genialste Zauberer dem ich je begegnet bin.“
 

Fred erwiderte das Lachen: „Jeder seiner Schritte ist genau geplant, es war schon damals unmöglich ohne Erklärung seine Pläne zu begreifen.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich habe bis vor kurzen sogar geglaubt, dass er es sicher einmal zum Leiter der Aurorenzentrale schaffen würde.“ – „Und zum Zauberminister, wenn er sein erstes graues Haar gefunden hat“, warf Alice ein. Es kam Rose so unwirklich vor, mit ihren Freunden in so einer Stunde zu scherzen, doch trotzdem konnte sie nicht anders, als ihnen zu zustimmen. „Und wie wir ihn kennen, hätte er es peinlich gefunden, dass man ihm so etwas zutraute und bescheiden abgewehrt.“
 

Kurz erntete sie allgemeine Zustimmung, dann hielt Albus inne damit, seinen Stock tanzen zu lassen. Rose begriff, dass ihr Cousin bis zu diesem Augenblick unbewusst nachgedacht hatte. Der Potter neigte leicht den Kopf, dann ließ er sie alle an seiner Vermutung teilhaben. „Ich glaube, Scorpius wusste, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Er ist wachsamer als ich und egal, wie die Todsünde den ersten Kontakt zu ihm aufgenommen hat, ich bin überzeugt davon, dass Scorpius etwas bemerkt hat.“

„Und Bemerkungen notierte das Goldkerlchen.“ Fred verschränkte die Arme vor der Brust und sah Rose an. „In seinen privaten Sachen müssten sich gewiss Notizen befinden, oder versteckte Hinweise.“

Wieder blickten die drei Freunde Rose an und Alice erhob sich. „Würdest du dich dort umsehen?“

Die Weasley runzelte die Stirn. Unsicherheit kroch in ihr empor. „Ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist. Außerdem vertraute mir Scorpius nicht viel mehr als euch.“
 

„Vielleicht“, sprach Albus ruhig. „Aber ich darf dich daran erinnern, dass du die einzige Gefangene warst, die seine Aufmerksamkeit in einem so hohen Maß genossen hat, dass er sie länger als eine Nacht behalten hat. Weißt du noch, warum so viel Einfluss auf ihn hattest?“

„Natürlich.“ Wie konnte sie auch anders? „Ihm gefiel meine Art zu denken.“

„Weil sie so ganz anders war, als die seine.“ Fred grinste. „Das heißt zwischen den Zeilen gelesen, du hast gesehen, was er übersehen hat und deshalb glauben wir, dass du bei seinem persönlichen Wertsachen vielleicht etwas finden würdest, was für uns überhaupt nicht relevant wäre.“

Die Weasley seufzte und gab sich geschlagen. Zwar war ihr nicht ganz wohl bei dem Gedanken sich durch die persönlichen Sachen des einstigen Todessers zu wühlen, aber so wie sie ihre Freunde kannte, konnte sie davon ausgehen, dass diese sie tot argumentieren würden.
 

„Na schön, ich werde mein Glück versuchen, aber versprechen kann ich nichts.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und machte sich auf, um direkt zum alten Malfoy-Manor zu flohen. Zurück blieben drei Freunde, an denen die Zeit gezerrt hatte. Alice erhob sich und Fred sah von einem zum anderen: „Ich schätze, es wird sich nicht sonderlich lohnen, wenn ich dem Ministerium bescheid sage, dass jegliche Strategie nutzlos ist.“

„Nicht direkt nutzlos“, korrigierte Albus langsam. „Nur eben nicht von langer Dauer. Hoffen wir, dass Rose etwas findetet.

Etwas piepte und Fred griff in seine Jackentasche. Die alte goldene Uhr schien in seiner Hand beinahe zu vibrieren. Diskret wandte er sich von seinen Freunden ab und entschuldigte sich: „Notruf, ich bin gleich wieder da.“ Dann huschte er hinaus in die Eingangshalle und die beiden Verbliebenen hörten ihn unverständlich reden.
 

Etwas gehemmt strich Alice über ihren dunkelroten Mantel und sah schließlich, dass auch Albus sich erheben wollte. Mit viel Kraftaufwand stütze er sich auf seinem Stock, doch sein Körper war noch zu mitgenommen. Leise stöhnend ließ er sich wieder auf seine fünf Buchstaben sinken und seufzte tief. Unsicher trat Alice auf ihn zu und sprach: „Lass mich dir helfen.“ Noch bevor Alice ihn berühren konnte, fing er ihre Hand ab und hielt sie fest. Es fühlte sich seltsam an, die raue Haut auf ihrer zu spüren. Albus hob den Kopf und sie sah in ein erschöpftes Gesicht mit all seinen Spuren eines langen Kampfes. Als er für Burgas geflogen war, hatte sie sein Gesicht oft in im Sportteil der Zeitung finden können. Attraktiv, hübsch und männlich hatte er gewiss so manche Hexe aufs Kreuz gelegt. Damals konnte sie nur Abscheu und Ekel empfinden, aber jetzt, da sie wusste, dass er einen Fluch der Todsünde auf sich genommen hatte, nur um sie zu beschützen, gerieten ihre gesamten Gefühle durcheinander.
 

Sie wusste nicht, ob sie den lebendigen Alptraum überlebt hätte. Wahrscheinlich eher nicht. Dazu kam, dass Alice über sich selbst verwirrt war. Wie konnte sie für den hübschen Albus nur Ablehnung empfinden, während sie jenen, der jetzt vor ihr saß sympathisierte?

Alice sah auf ihre Hand, welche er festhielt und wagte es kaum zu atmen. Eine gefühlte Ewigkeit stand sie regungslos vor ihm. Sein Daumen strich sanft an der Innenseite ihrer Handfläche entlang. Schließlich sah Albus auf und Alice lächelte ohne es zu wollen. In all den Jahren hatten sich die Augen ihres einstig besten Freundes nie verändert. Noch immer strahlte ihr dasselbe Grün entgegen, welches auch Harry Potter aufzuweisen hatte. Der Ausdruck in ihren war wissen und vor allem entschlossen. Wenn sie das Privileg bekam, ihn so direkt mustern zu können, dann wurde ihr immer wieder gegenwärtig, was damals die ganzen Menschen, Wesen, schlicht Kämpfer dazu bewogen hatte einem Achtzehnjährigen zu vertrauen.
 

„Ich möchte dir etwas sagen, bevor ich nicht mehr die Gelegenheit dazu bekommen“, sprach Albus schließlich und seine klare Stimme hallte in ihrem Kopf wieder. Mit pochendem Herzen befeuchtete Alice ihre Lippen und hielt seinem musternden Blick stand. Sie beobachtete, dass es dem Potter nicht leicht zu fallen schien, denn der Griff um seine Gehhilfe wurde fester. Alice hatte erwartet, dass er sich Zeit lassen würde mit seinem Anliegen, nach den richtigen Worten suchte und ihr dezent zu verstehen geben wollte, worauf er hinaus wollte. Ihre Naivität zeigte ihr jedoch nur, dass sie vollkommen vergessen zu haben schien, dass sie es hier mit einem Potter zu tun hatte und bekanntlich fielen diese direkt mit der Tür ins Haus. So auch Albus.

„Ich liebe dich.“ Ohne mit der Wimper zu zucken, kam er direkt auf den Punkt. „Das habe ich schon immer, nur war ich zu dumm um es zu erkennen.“
 

Überrumpelt musste Alice tief Luft holen, aber bevor sie auch nur etwas sagen konnte, kam ihr Albus zuvor. „Du brauchst mir nicht antworten, denn-!“

„Leute“, unterbrach eine Stimme sie und beide wandten sich um. Fred kam in schnellen Schritten auf sie zu, seine Miene war ernst und sein Gesicht unnatürlich blass. Albus ließ ihre Hand los und Alice erfasste jenes Gefühl, dass ihr bereits ankündigte, dass nichts Gute auf sie wartete.

„Onkel Harry hat mich gerade in Kenntnis darüber gesetzt, dass wir sofort ins Ministerium kommen sollen. Scheinbar haben sie den Stichtag gefunden.“

„Welchen Stichtag?“, wollte Albus wissen und Fred sah ihn angespannt an. „Der zwölfte September ist der Tag, an dem wir gegen den letzten Fluch Voldemorts kämpfen werden und glaubt mir, dass wird ganz sicher kein Abendspaziergang unter einem wolkenlosen Sternenhimmel.“
 

Der Weasley schien zu spüren, dass seine beiden Freunde an die letzte Schlacht zu denken schienen. Er legte eine Hand auf die des Potters, welche die Gehhilfe umfasste. Zuversichtlich sprach er: „Wir werden auch diesen Kampf überleben. Ganz sicher.“ Ein Lächeln glitt über seine Lippen und Albus nickte langsam. Die feste Stimme und die Zuversicht seines besten Freundes machten ihm Mut: „Wir haben so viel überlebt, diesen letzten Kampf schaffen wir auch noch.“ Fred spürte, wie sich eine zarte Frauenhand auf seine legte. Sie sahen einander an. Die Spuren der Zeit waren in jedem einzelnen Gesicht zu erkennen, doch mit jedem weiteren Atemzug waren sie doch die Jugendlichen, welche einst losgezogen waren, um Hogwarts wieder aufzubauen. Und dort standen sie nun. In einem Schloss, welches seine Glanzzeit von neuem erlebte und das sie umgewandelte hatten in ein Symbol der Hoffnung und der Stärke der magischen Welt. Obwohl sie sieben Jahre getrennte Wege gegangen waren, so ist das Band zwischen ihnen niemals gänzlich gerissen. Es war stabiler, als sie alle drei angenommen hatten.
 

„Ein letzter Kampf“, sprach Alice gefasst. „Und wenn wir diesen überleben, dann trinken wir zusammen bei Albus einen bulgarischen Kaisertropfen.“

Fred lachte und Albus sah sie empört an: „Weißt du was eine Flasche davon kostet?“

„Für uns nur das Beste“, ließ der Weasley verlauten. „Ich werde ein paar saubere Gläser mitbringen und Alice Häppchen, die uns nüchtern halten.“

Das gemeinsame Lachen hallte an den hohen Wänden entlang. Es war ihr letztes Treffen vor der Schlacht und nur zwei von ihnen sollten sich am Petersburger Platz einfinden um für das Leben der Menschheit zu kämpfen.
 


 

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In leisen Schritten überquerte Rose Weasley den langen Flur. Das alte Malfoy-Anwesen war bis auf wenige Hauselfen verlassen. Sie hatte sich von Draco Malfoy versichern lassen, dass man die Sachen von Scorpius bereits durchsucht hatte, aber niemand hatte etwas Nennenswertes gefunden hatte. Da sie Scorpius zu kennen glaubte, konnte sie sich durchaus vorstellen, dass der einstige Todesser, was persönliche Dinge anging, sehr erfinderisch gewesen war und alles so gut versteckt hielt, dass nichts und niemals je in seinen Gedanken rumschnüffeln würde.

Unsicher hielt sie sich nun in seinem Schlafzimmer auf. Die Decke war bereits von den Hauselfen gemacht worden und auch sonst schien alles tadellos aufgeräumt. Falls Auroren hier mit einen Spürniszauber durchgegangen waren, so gab es keinerlei Hinweise.
 

Rose ließ sich lautlos auf dem großen Bett nieder und sah auf die bodenlangen Fenster. Draußen regnete es, mal wieder. Erneut war die Farbe der Tropfen dunkel und verseuchten die Erde. Ihre Glieder fühlten sich schwer an und Rose schloss die Augen. Wo würde sie ihre Erinnerungen verstecken, wenn sie Scorpius wäre? Sämtliche klischeehaften Verstecke würden leer sein, das spürte sie. Sanft strich sie mit der Hand über die weiche Tagesdecke und öffnete die oberste Schublade seiner Kommode. Natürlich – nichts. Außer ein Kartenspiel, drei Bücher und einer Lesebrille konnte sie nichts Ungewöhnliches entdecken. Die Weasley musste lächeln, als sie das alte Band von Nathan Brown erkannte, nachdem ihr Vater zusammen mit ihrer Mutter und Onkel Harry Jahre lang gesucht hatte. Discorsi, sie hatte sich schon gefragt, was daraus geworden war.
 

Ratlos ließ sie sich nach hinten fallen und betrachtete die dunkle Wand des düsteren englischen Zimmers. Die Zuversicht ihrer Freunde würde sie nun gut gebrauchen können. Leiser Wind heulte auf und Rose hörte ihren eigenen Atem, sowie das Knistern des Feuers, aus dem angrenzenden Raum. „Wo würde ich etwas so wichtiges verstecken, das man zwischen den Zeilen lesen musste?“, murmelte sie und saß in der nächsten Sekunde aufrecht. Die Weasley sah auf das Buch von Nathan Brown in ihren Händen und zückte ihren Zauberstab. Das warme Gefühl in ihrem Magen sagte ihr, das sie nahe dran war das Geheimnis zu lüften. Mehrmals versuchte Rose es mit dem Sichtbarkeitszauber und strich sich frustriert durch die Haare. Es wäre auch zu einfach gewesen und Einfachkeit gehörte nicht zu Scorpius' Stärken. Also probierte sie es mit etwas Neuem. Etwas, was eigentlich nur Kindern, wie seinen Neffen einfallen könnte.
 

„Hexenreim und Zauberschleim, sie soll nun wieder sichtbar sein.“

Vorsichtig tippte sie mit dem Zauberstab gegen das Buch. Kurz darauf erhob es sich von Geisterhand und es war, als würde jemand schnell und hektisch durch die Seiten blättern. Noch bevor Rose blinzeln konnte, erschien grelles Licht. Die junge Hexe hob die Hand, um ihre Augen zu schützen, doch da drehte sich der Boden schon unter ihren Füßen und sie begriff, dass sie nun in die intimen Erinnerungen des Malfoys eindrang. Was sie erwarten würde, ahnte sie in diesem Augenblick noch nicht.
 

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Lautlos betrat Scorpius Malfoy den Versammlungsraum in dem alle wichtigen Phönix Order über Pläne und Entscheidungen gebrütet hatten. Er war wieder siebzehn und vollkommen bedeutungslos. Der runde Raum war weitgehend leer. Seine Hände waren kalt und als er hinter sich das Geräusch einer zufallenden Tür vernahm, drehte Scorpius sich um. Abgeneigt sah Ron Weasley ihn an und fragte barsch: »Was willst du? «

»Mit Ihnen reden. «

Der Ältere ließ müde am Kamin in einem Ohrensessel nieder. Es war der Tag nach der Schlacht. Noch immer sah man die Spuren des Kampfes auf dem mitgenommenen Gesicht. Die Tatsache, dass Harry Potter im komatösen Zustand weilte entspannte die Situationen unter den Ordensmitgliedern nicht.
 

»Sie haben Einfluss auf die Todesliste. « - »In der Tat. « Ron sah ihn abschätzend an. »Du willst, dass ich den Namen deines Vaters herunter nehme. «

»Und den von Elliott Parkinson«, sprach Scorpius ehrlich und hielt seinem starren Blick stand. Die Stimmung schlug brutal um. »Du verlangst allen Ernstes von mir, dass ich zwei brutale und grausame Todesser davonkommen lasse, bist du närrisch? «, blaffte Ron den Jungen an und hatte sich so schnell auf die Füße gekämpft, dass Scorpius unweigerlich ein paar Schritte zurück ging. Rot vor Zorn sah Ron auf den Jungen herab. »Das ist als würde ich Voldemort aus seinem Grab zurück holen wollen! «
 

Überrumpelt biss Scorpius auf die Unterlippe. »Mein Vater war der Spion Potters, ihm steht eine solche Verurteilung nicht zu. « Die Lippen des Weasleys verzogen sich zu einem dünnen Strich: »Und wer kann das beweisen außer dir, niemand! «

»Doch. Greengrass, Albus und Potter selbst! «, erwiderte der Junge möglichst ruhig und ballte die Hände zu Fäusten.
 

»Dumm nur, dass alle drei im Moment nicht zur Verfügung stehen. «

»Was ist mit Erinnerungen? «

Ron rümpfte die Nase und Scorpius begriff, dass er ihn genau dort hatte, wo er ihn seit seiner Ankunft in Hogwarts haben wollte. »Erinnerungen kann man fälschen. « Scorpius raufte sich die Haare. Anscheinend wollte man es ihm so schwer wie möglich machen.

Er sprach jenen Satz aus, der ihn das Liebste kostete.

»Was kann ich tun, dass die Namen runter genommen werden? «

Ungeheuerliches bannte sich seinen Weg zu einem teuflischen Pakt. »Wie viel ist es dir wert, dass die Namen verschwinden? «

»Alles«
 

Ein kleines Wort mit einer großen Wirkung.
 

»Ich habe drei Bedingungen und die wirst du alle erfüllen. Bedingung Nummer eins, du schweigst über unseren Handel, den wir abschließen werden. Niemand wird je hiervon erfahren, schließlich will ich nicht als bestechlich gelten. « Um seine Worte zu unterstreichen hob er den zweiten Finger. »Bedingung Nummer zwei, du wirst in Russland eine Ausbildung zum Auror unter Romanow machen, dein Wegbegleiter ebenfalls. Doch bevor du mir dankst, Bedingung Nummer drei. « Der Körper des Jungen verkrampfte sich und er schloss die Augen. Es war als hätte er die Szene immer und immer wieder durchlebt.

»Bedingung Nummer drei, ich will, dass du aus dem Leben meiner Tochter morgen früh verschwunden bist. Es ist mir egal, welche Lüge du ihr erzählst und es ist mir auch egal, wie du das machst. «

Die Zeit schien still zu stehen. Selbst das Klopfen des Herzen schien wie eingefroren. Scorpius senkte den Blick und hörte, wie der Ältere sprach: »Morgen früh bist du verschwunden. «
 

Ihm blieb keine andere Wahl.
 

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Seine hellbraunen Augen glitten über das schlafende Mädchen neben sich. Ruhig und gleichmäßig atmete sie und er war versucht, durch ihr langes rotbraunes Haar zu streichen. Noch immer lag der Geschmack von Kirschen auf seiner Zunge und er zog ihren Duft nach Rosen ein. Zärtlich strich Scorpius über ihren entblößten Rücken und betrachtete die blauen Flecken, die von der großen Schlacht übrig geblieben waren. Tapfer hatte sie sich gewehrt und Scorpius war mehr als nur froh gewesen, dass ihr nichts passiert war.

Rose drehte sich und Scorpius lächelte schmal. Zu gerne würde er sie wecken und erneut lieben.
 

Doch er durfte nicht.
 

Atemlos betrachtete er sie und begriff, dass es kein Zufall war, dass sie sich begegnet waren. Normalerweise glaubte Scorpius nicht an Dinge wie Zufall oder Schicksal, doch anders konnte er sich die Begegnung mit ihr nicht erklären. Seine Hand fühlte sich taub an und er griff zu der Feder auf dem Nachtisch. Es kostete den jungen Malfoy jeden Funken Selbstbeherrschung, den er aufbringen konnte, die Zeilen zu verfassen.

»Es tut mir leid. «

Alles andere klang in seinen Ohren wie eine Lüge, denn was sollte er ihr sagen? Nichts würde sein Handeln erklären, ohne, dass er den Pakt brach. Mit tauben Beinen erhob er sich, ließ den Zettel neben sie gleiten und brachte einen Schritt nach dem Nächsten über sich. Es war schwer und es kam ihm vor, als würde er etwas äußerst Wichtiges hinter sich lassen.
 

Der Gang durch das belebte Schloss kam ihm vor, wie einen Traum, in dem er keinen Platz hatte. Unsichtbar und lautlos. Als er nach draußen trat wehte kalter Wind über seinen Rücken. Der Boden hinterließ keine Spuren, auch nicht, als er auf die weiche Wiese trat und der Nebel ihn zu verschlucken schien. Scorpius apparierte, ein Teil von ihm blieb zurück und als sich der Schwindel um ihn löste, befand er sich auf den roten Platz von Moskau. Der Himmel über ihn war klar und die Luft kalt. Tauben schreckten auf und folgen davon.
 

Stumm und ohne jede Regung nahm er Abschied von einer Zeit, die ihn ein Gefühl von Lebendigkeit und Liebe gelehrt hatte.
 

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Er schrie auf.
 

Vor Wut und vor Schmerzen. Die Knochen seiner Hand knackten und Scorpius spürte genau, dass ihm der neue russische Zauberminister gerade mindestens zwei Knochen gebrochen haben musste. Der Fuß auf seiner rechten Hand schien unnachgiebig und die harten russischen Worte fühlten sich an, als würde ihn jemand mit spitzen Speeren durchbohren. Leise ätze Scorpius und wagte es nicht sich zu regen. Ihm tat sowieso jeder Knochen weh, es roch nach Schlamm, Dreck und sogar ein bisschen nach Kotze. Wobei sich der junge Malfoy in diesem Augenblick nicht erklären konnte, woher gerade Letztes rühmte. Der Waldboden unter ihm war weich und frisch, doch es änderte nichts daran, dass er umzingelt von Auroren war und alle ihren Zauberstab auf ihn gerichtet hielten.
 

Vor ein paar Herzschlägen war er noch so schnell gerannt, wie ihn seine Füße trugen, jetzt war er ein Käfer auf dem Bauch. Die Ausbildung zum Auror war hart, sehr viel härter als die Aufnahmeprüfung und das hatte er damals bereits nicht für möglich gehalten. Ein Teil der Ausbildung war die sogenannte 'Jagt'. Sieben Tage sollte sie gehen und nur wer sie überlebte war eine Abteilung weiter. Heute war die dritte Nacht und Elliott hatte im Wald Reißaus genommen. Schreiend war er auf die Auroren zugestürmt und so, wie es nun einmal seine Art war, hatte Scorpius versucht ihm zu helfen.

Hoffnungslos.

Aus dem Augenwinkel sah er seinen einstigen Schwager regungslos am Boden liegen. Wahrscheinlich ins Koma geschockt.

»Ich weiß nicht, ob ich Sie für Ihre Dummheit vierteilen lassen soll, oder ich Respekt für diesen törichten Mut empfinden sollte! « Der russische Zauberminister Romanov nahm seinen Fuß von Scorpius' Hand und sah herablassend auf ihn herab. »Stehen Sie auf! « Es klang nach einem Befehl, nicht nach einer Aufforderung.
 

Der junge Malfoy brauchte etwas, um sich aufrichten zu können. Seine Beine gaben immer wieder nach, jeder Atemzug kostete ihn Kraft und er fühlte sich so dreckig und minderwertig wie in seinem Leben noch nicht. Vorsichtig wagte er es aufzusehen und versuchte den Schluckauf, welcher von Angst zeugte, zu unterdrücken. An seiner hellen Wange klebte Erde, doch er ignorierte es. Seine braunen Augen erfassten den Minister, welcher ihn kühl musterte. In seinen Händen befand sich der Zauberstab des Malfoys.

»Damit Mr. Parkinson und Sie lernen, was es heißt Konsequenzen solch einer kopflosen Aktion zu tragen, verdienen Sie sich die Magie- «

Er schwieg sich aus, stattdessen zerbrach er mit den Händen den Zauberstab und warf Scorpius die zwei Teile zu Füßen. Emotionslos sah der Malfoy auf den Boden, seine Sicht wurde schwankend.
 

»Beenden wir die Jagt für dieses Mal. «
 

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Die Kneipen in St. Petersburg waren stark besucht, überall begrüßten sich Leute und rockige Musik dröhnte aus den Boxen. Gelangweilt an der Theke lehnend, leerte Scorpius seinen Wodka. In den letzten Wochen war er oft abends aus um einen freien Kopf zu bekommen. Die ersten Hürden der Ausbildung waren überwunden und alles was noch auf ihn zu kommen sollte, würde er ebenfalls bezwingen. Ganz in schwarz gekleidet ließ er den Blick über die unbekannten Köpfe gleiten.
 

Neben ihm stellte Elliott sein Glas ab und griff zu der halbvollen Wodkaflasche, die sie miteinander teilten. Im Gegensatz zu ihm, trug sein ehemaliger Schwager grau. Leichte Schatten unter den Augen des Älteren verrieten, dass die letzten Tage an seinen Kräften gezerrt hatten. In Moment wie diesen, sprachen sie deshalb nicht viel, sondern ließen den Augenblick auf sich wirken. Scorpius hatte öfters beobachtet, das Elliott in einer Umgebung der vollkommenen Stille nervös und unsicher wurde. Lärm dieser Art hatte auf ihn eine beruhigende Wirkung.
 

Der Blick des Malfoys hielt inne und er richtete sich auf. Elliott folgte seinem Blick und ein Schmunzeln glitt über seine Lippen. »Sie ist rothaarig «, sprach er spöttisch und Scorpius zuckte mit den Achseln. »Bei dir überwiegend blond.«

Er stellte sein Glas ab und stieß sich von der Theke weg. »Wir sehen uns morgen beim Dienst. «

Während er durch die Menge schritt, ihn immer wieder Leute anrempelten, spürte er, dass die Leere am heutigen Abend wieder besonders groß war. Von hinten sah die junge Hexe ihr besonders ähnlich, doch als sie sich umdrehte, war der kurze Tagtraum von einer Begegnung mit ihr zerstört und lag in Scherben zu seinen Füßen.
 

So war es immer und würde es auch immer bleiben.
 

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Die Erinnerungen ruckelten.
 

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Bilder wackelten.
 

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Der Film lief zu schnell.
 

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Der Körper des jungen Auroren krümmte sich, bäumte sich auf und seine Kleidung war verschwitzt. Scorpius stöhnte im schlaf vor Schmerzen, dann riss er die Augen auf und tastete hastig mit der Hand nach seinem Zauberstab, welcher auf seiner Kommode lag.

»Lumos!«

Sanftes Licht erschien. Sein Atem ging unregelmäßig und er sah sich hektisch im Raum um. Es war ein Alptraum, alles nur ein verdammter Alptraum. Die Hand des Malfoys zitterte, als er den Zauberstab zurück auf den Nachtisch legte und sich zurück in die Kissen sinken ließ. Die Gestalt, die sich aus einem finsteren Schatten löste, bemerkte er aus dem Augenwinkel nicht. Die Schlammspuren am Boden verschwanden von Zauberhand. So, als hätten sie nie existiert.
 

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Heftige Kopfschmerzen plagten ihn. Immer und immer wieder.
 

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Die Nächte wurden kürzer, die Träume kurioser.
 

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Erstickt sah Scorpius in den Spiegel und hielt sich mit beiden Händen am Waschbecken fest. Blut vermischte sich mit dem laufenden Wasserstrahl. Seine braunen Augen erfassten vage seine Aufmachung. Er war über und über mit Dreck besudelt. Seine blasse Wange war aufgeschürft, an seinen Händen klebte fremdes Blut und er roch Verwesung und Sprengstoffpulver. Die schwarze Kleidung war an mehreren Stellen eingerissen, er sah aus, als hätte er einen brutalen Kampf hinter sich.
 

Oder einen Anschlag.
 

Sein Kopf war wie leer gezaubert und Scorpius unterdrückte das Verlangen sich zu übergeben. Scorpius tastete an seiner rechten Bauchseite entlang und hatte das Gefühl sich etwas gebrochen zu haben. Vorsichtig hob er das dunkle Shirt und sah auf eine Reihe von bösartigen Blutergüssen.

Wo war er die letzten Stunden gewesen und vor allem was hatte er getan?

So hastig, wie er nur konnte, entkleidete er sich und ließ die Dusche anspringen. Ganz egal, was geschehen war, er musste sämtliche Spuren beseitigen. Sein Instinkt sagte ihm, dass er in einem schrecklichen Strudel hineingeraten war.
 

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Sanft strich Scorpius der jungen Frau neben sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er lächelte und zum ersten Mal seit langen schien er vollkommene Ruhe zu empfinden. Der leise Atem von Rose hatte eine entspannte Wirkung auf ihn. Gelöst stütze er seinen Kopf in die Handfläche. Er hatte sie gerade zum ersten Mal seit Jahren wieder geliebt. Mit ihr zu schlafen hatte das berauschende Gefühl von Glück und Liebe in ihr hervorgerufen. Bis in die Fingerspitzen fühlte er sich lebendig, doch nun nicht vor Schmerz.

Seine Hand verschloss die ihre mit seiner und ihm war, als wäre sie genau dafür gemacht. Sie wirkten wie zwei Seiten einer Medaille.
 

Scorpius fühlte sein Herz so heftig schlagen. Die Mauer, die er um sich herum gebaut hatte, bekam Risse, immer heftiger und stärker. Und es machte ihm nichts aus, schließlich würde er sich bei Rose immer und immer wieder fallen lassen. Er schloss die Augen und atmete tief den Geruch des Raumes ein. Die Zeit könnte stehen bleiben. Der Alptraum in weite Ferne rücken. Doch leider ticke die Uhr auf seinem Nachtisch unnachgiebig.
 

In zwei Stunden würde er aufstehen müssen und der Moment des Glücks würde vorbei sein. Mal wieder.
 

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Leicht berührten seine Finger die gelben alten Seiten des Buches, welches er offen aufgeschlagen im Konferenzraum des Ministeriums liegen hatte. Scorpius trug den blutroten Mantel, der ihn als Auror Russlands kennzeichnete. Das helle Haar war ordentlich nach hinten gekämmt und er sah seinen eigenen Bruder erschreckend ähnlich. Innerlich zwang er sich zur Ruhe und atmete tief durch. Seine Augen huschten über die lateinischen geschriebenen Zeilen. Das gesamte Ministerium war in Auffuhr seit dem Anschlag auf die Winkelgasse. Alles lag in Schutt und Asche, über hundert Tote gab es zu bergen und zu identifizieren.
 

»Auf alles gibt es eine Antwort. «
 

Gaius Octavius
 

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Rose öffnete die Augen, sie saß regungslos auf dem Bett und hielt das Buch fest in beiden Händen. Ihre Glieder fühlten sich taub an, ihr Herz verwundet und aufgerissen. Mit glasigen Augen sah sie durch die bodenlangen Fenster direkt in die Dunkelheit. Die ganzen Informationen waren zu viel für sie.

Ihr eigener Vater hatte ihn gezwungen sie zu verlassen… Scorpius hatte sie geliebt, liebte sie immer noch. Jahre hatte er gelitten und das nur wegen ihr. Rose schluckte hart. Eine Träne rollte über ihre Wange ohne, dass sie es bemerkte. Für sie war es, als würde sie seinen Schmerz spüren. Es krampfte sich zusammen, tausend kleine Nadeln spießten es auf und dann war es wieder, als hätte es vollkommen aufgehört zu schlagen. Schluckauf machte sich bemerkbar.
 

Die Weasley zwang sich zu atmen, ruhig zu bleiben und rational zu denken, doch sie konnte nicht. Zu groß war der Schock, welcher langsam von ihr Besitz ergriff.
 

„Du bist mir entglitten…“, flüsterte sie brüchig. „Ganz langsam und ohne, dass ich es bemerkt habe.“
 


 

Fortsetzung folgt…
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (12)
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Von:  taluna
2013-10-14T07:50:58+00:00 14.10.2013 09:50
Dieser Zweiteiler ist etwas Besonders, denn etwas Besseres habe ich noch nicht gelesen. Gut ich finde Chronicles auch unheimlich toll, aber Drei Minuten hat eine ganz eigene Dramatik, behalt sie dir bei, schließ sie ab und erschaffe etwas Einzigartiges!
Von: abgemeldet
2013-10-14T07:49:49+00:00 14.10.2013 09:49
Wunder, Wunder, Wunderschön!!!!

Gott sei dank hast du hin und wieder Word offen, denn... Dada, ich möchte nun wirklich wissen, was passiert ist und was noch kommt. Bitte warte nicht noch länger, denn ich bin sicher, du hast einen Plan. (Du hast IMMER einen Plan, gib es schon zu!)
Von:  -sunnygirl-
2012-11-24T23:21:23+00:00 25.11.2012 00:21
Hey
Also, zuerst mal: ich liebe deine Geschichten.
Man kommt sich fast wie gefangen darin vor... Wenn man einmal angefangen hat zu lesen, kann man erst aufhören, wenn die Geschichte zu ende ist.
Deshalb auch meine frage: schreibst du diese ff noch weiter bzw zu ende oder kann ich mir das hoffen darauf sparen?
Ich würde mich riesig freuen, wenn es bald weiter gehen würde!!
Glg sunny
Von: abgemeldet
2012-08-04T12:57:58+00:00 04.08.2012 14:57
hey :)
ich hab deine geschichte schon auf fanfiktion.de verfolgt und dann hab ich gesehen, dass es hier schon viel mehr kapitel gibt und ich habe die jetzt in den letzten stunden durchgelesen!
und ich muss sagen wooow! das ist so eine tolle story und die charaktere sind auch supertoll!
ich mag rose und scorpius sowieso total gerne, aber in deiner geschichte mag ich sie sogar noch mehr! :)
also weiter so!!!
ich freue mich schon total auf das nächste kapitel! :)
liebe grüße :)
Von:  Asketenherz
2012-07-30T17:47:35+00:00 30.07.2012 19:47
Gut gelöst. ;)

Ich mag Roses letzten Satz. Das birgt eine richtig schöne Dramatik zwischen jeden einzelnen Buchstaben.
Von:  mudblood
2012-07-29T18:53:45+00:00 29.07.2012 20:53
Ein echt unglaublich tolles Kapitel. (:

Es war sooo schön zu lesen, wie sich Albus und Alice wieder angenähert haben ;) Das er so direkt war und hach ja. Einfach wow.

Es geht wohl langsam wirklich los. Auf, auf zum Finale ;D
Und du hast die Spannug echt verdammt gut aufgebaut! All das was Rose erfahren musste.. einfach perfekt. Und ich bin sooo neidisch auf deine Kreativität. Deine Ideen sind einfach bombe. :)


Von:  nami-girl85
2012-07-27T21:08:23+00:00 27.07.2012 23:08
ich bin sprachlos!
wo nimmst du diese ideen her? unfucking fassbar! ♥
es gibt nichts schöneres als wenn paare wieder zueinander finden und deine weise wie sie sich wieder finden ist unbeschreiblich.
mir zerbricht es das herz wenn Scorpius noch weiter leiden muss!
und als Alice, Albus und Fred zsm in hogwarts waren und du meintest das zum schluss nur noch zwei stehen... bitte lass keinen sterben ='(

bitte mach schnell, schnell, schnell weiter :)
liebe grüße,
nami :)
Von:  scater-fiffy
2012-07-27T20:17:34+00:00 27.07.2012 22:17
krass, geil, ich will mehr XD

oha so hefitg, so wundervoll,
versteh mich nicht falsch aber heirate mich XD
oh mein gott, ich bin selten so gefesselt von ff´s aber diese haut mich immer mehr aus den socken

bitte mach weiter, die pause war es wert zu warten aber ich denke mir das wir wohl bald zum ende kommen und ich kanns kaum erwarten auch wenn es ein wenig traurig ist das es anscheinend bald endet

super geile hammer krasse story

du bist genial

lg fiffy^^

ps: danke für die ens :-D
Von:  funnymarie
2012-07-27T14:25:17+00:00 27.07.2012 16:25
einfach nur wow!
armer scorpuis, arme rose
hoffentlich geht alles gut aus und rose schafft es, noch an ihn heran zu kommen
aber dieser handlungsstrang war wirklich gut durchdacht
es gab zwar kleine minimale anzeichen, die darauf hingewiesen haben, dass es scorpius war, aber sie waren nur sehr rah gesäht^^
trotzdem einfach brilliant
ich freu mich auf das nächste kapitel
lg funnymarie

Von:  mimaja56
2012-07-27T10:09:08+00:00 27.07.2012 12:09

ich bin einfach nur fertig.

Obwohl wir seit ewigen Zeiten über Rons Erpressung Bescheid wissen trifft es mich jetzt nocheinmal ziemlich heftig. Rose weiß nun was ihr Vater ihr und ihrer Liebe angetan hat. Wielange wird sie brauchen um den Zusammenhang mit Ira bzw. Scorpius' Rache zu finden.

Oh, und ich kann nur drum beten, dass bevor es zum endgültigen Schlag kommt Ira die Macht der Rache genommen wird.

Danke und bis bald


mimaja


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