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Der Pfau

Deutschland, das sind wir selber
von

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22 - Familie

Endlich war das Haus zur Ruhe gekommen. Es war eine dunkle Zeit für alle Deutschen, eine Zeit, die noch jahrzehntelang heftige Nachwirkungen haben würde. Aber auch in dieser finsteren Zeit leuchtete manchmal ein kleines Licht, so wie die Kerze leuchtete, die Albrecht Licht zum Lesen spendete. Nach dem ermüdenden, schmerzhaften Tag saß er allein in einem Ledersessel im großen Gemeinschaftsraum des Hauses, in dem alle Länder gezwungen worden waren zu wohnen. Aber er war nicht so allein, wie er hoffte. Wie aus dem Nichts erklang eine helle, junge Stimme und riss den Ostdeutschen aus seiner angenehm entspannenden Lektüre.

„Was machst du da??“

Albrecht versuchte, sein Zusammenzucken zu kaschieren, als er betont langsam aufblickte. Ein etwa zwölfjähriger, hellhaariger Junge stand vor ihm und sah ihn aus grünen Augen starr an, die Gilberts Augen erschreckend ähnlich sahen.
 

„Ich lese. Ein Buch.“ Seine Stimme war kühl, er fühlte sich etwas flau im Magen und aus irgendeinem Grund konnte er diesen Jungen nicht leiden.

„Was für ein Buch?? Ich glaube, es ist ein dummes Buch!!“ Er kam näher und rückte Albrecht auf die Pelle; Brandenburg versuchte, mehr Abstand zu gewinnen, und versank im Sessel, aber es half nicht viel, genauso wenig wie der Versuch, sich hinter seinem Buch zu verstecken und abweisende Worte zu murmeln.

„Du siehst dumm aus!!“ Plötzlich fiel ihm wieder ein, dass dieser Junge Hohenzollern hieß und in Südwestdeutschland lebte, und dass er unglaublich auf seine Nerven fiel. Bevor Albrecht jedoch etwas zu seiner Verteidigung sagen konnte, näherten sich hastige, eilige Schritte und Baden öffnete schwungvoll in vollem Lauf die Tür, mit einem dünnmaschigen Netz in den Händen, und warf sich auf den schmächtigen Jungen. Als die beiden Männer das Netz ansahen, war es leer.

„Verdammt!“ fluchte Maximilian. Er wandte den Kopf mit leeren Händen zu Albrecht.

„Man muss ihn überraschen. Ansonsten verschwindet er einfach.“ Irritiert nickte Albrecht. Na... türlich, ein Land, das einfach so verschwand. Maximilians Blick, der auf Albrecht lag, wurde streng.

„Er hat sicher genervt. Aber hast du ihn geschlagen?“ Albrechts Gesicht wurde noch irritierter. Warum sollte er ein Kind schlagen? Er hatte immer versucht, den Kindern in seiner Obhut keine Gewalt anzutun, wie sehr sie ihn auch gequält hatten. Entrüstet erklang ein gedämpftes „Natürlich nicht...“ Einen Moment lang lag ein misstrauischer, geradezu wissender Ausdruck auf Max' Gesicht, dann stand er mit dem Netz fest in seinen Händen wieder auf. „Na gut. Ich muss ihn dann jetzt weiter jagen.“
 

Das Buch war weiterhin sehr interessant, und erst, als die Kerze erlosch, stand Albrecht auf, um sich auf den Weg in sein Bett zu machen. Nur noch in wenigen Zimmern brannte Licht, daher fiel es umso mehr auf, als von unter einem Türspalt greller Schein und laute Stimmen drangen. Albrecht musste nicht einmal das Ohr an die Tür halten, um zu verstehen, was die Leute sagten.

„Mutter, sag Vater, dass er mich loslassen soll!!“ Hohenzollerns Stimme war tränenerstickt, aber das schien Baden nicht zu beeindrucken – Albrecht dagegen umso mehr, dessen Herz wild gegen seine Brust pochte.

„Hör auf, das zu sagen, Eitel. Wir sind nicht deine Eltern, und ich bin erst Recht nicht deine Mutter.“

„Na wohl, Mutter!! Guck dir meine Augen an!! Das sind deine Augen, Mutter!!“

Ein Seufzen. „Ist ja auch egal, kleiner Zwerg. Du musst endlich schlafen. Außerdem hast du uns heute ganz schön durch das Haus gescheucht.“

Auch Lukas sprach. „Wir haben dich drei Stunden lang gesucht, Spätzle.“

„Lass mich los, Vater!!“

„Hör auf, dich zu wehren, Zwerg. Du hast deine Strafe verdient...“

Als Eitel anfing, zu weinen, schien Albrechts Kopf zu zerspringen und er öffnete zitternd die Tür. „Was-“ fing er an, kam aber nicht weit. Drei Augenpaare fuhren auf, und Albrecht erkannte Hohenzollern fast nicht mehr, dessen Augen ein strahlendes Blau aufwiesen und groß und rund waren. Tränen glitzerten auf den Wangen des Kindes, aber sein Gesicht war zu einem Lachen verzerrt – Max' und Lukas' Finger fanden sich auf Eitels Bauch, seinen Zehen und unter seinen Achseln, und der Junge krümmte sich vor Lachen, während er gekitzelt wurde.

Württemberg sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Ja, Brandenburg?“ Seine Stimme war abweisend. Noch immer zitterte Albrechts Hand, die die Türklinke fest umklammert hielt. „Äh-“ setzte er an, aber wieder kam er nicht weit. Eitel hatte die Ablenkung genutzt und war aus dem Griff seines Vaters entkommen, und nun hing er an Albrechts Rockzipfel und zog ängstlich daran. „Ich will noch nicht ins Bett, Mami!!“ jammerte er Albrecht an, der ziemlich verwirrt war darüber, dass man ihn 'Mami' genannt hatte – genauso verwirrt, wie er darüber war, dass Eitels Augen wieder genau wie die von Preußen aussahen. „Äh-“ Wieder kam er nicht weit, denn Baden war aufgesprungen und hatte schnellstmöglich Eitels Hand ergriffen; der Junge fing wieder an, zu weinen. Albrecht war völlig perplex. Die Augen waren wieder blau und rehartig.
 

„Hör auf zu plärren, Zwerg. Du musst ins Bett, sonst wird der Tag morgen die Hölle.“ Er zog ihn mit sich zurück zu dem mit rosa Bettlaken verzierten Bett, auf dem Lukas noch wartete; niemand beachtete die Tränen, die unaufhörlich über Eitels Wangen flossen.

„Spätzle... wenn du jetzt nicht schläfst, dann kannst du morgen nicht mehr so leicht auftauchen und verschwinden, wie es dir passt. Das willst du nicht, oder?“ Er fuhr dem Jungen zärtlich durch die hellen Haare, die, wie Albrecht auffielen, im Schein des Lichtes einen blonden Stich zu haben schienen, den sie vorher nicht gehabt hatten. Eitel hörte auf zu weinen und vergrub das Gesicht an Badens Brust, der ihn nur seufzend tätschelte und Württemberg dankbar ansah.

„Wenn du willst, kann Vater bei dir bleiben, bis du eingeschlafen bist.“ Entrüstet fuhr Eitels Kopf auf.

„Der?! Nein, Mutter, das will ich nicht!! Nicht der!!“

Maximilian rollte mit den Augen. „Komm, Zwerg, so schlimm ist er nicht. Er hat dich doch lieb.“ Albrecht hatte das undefinierbare Gefühl, dass solche Worte in wenigen Jahren von Baden nicht mehr zu hören sein würden. „Hör auf zu heulen, du bist doch ein starker, deutscher Junge.“ Dünne Hände hielten sich an Badens Hemd fest. Albrecht hatte das Gefühl, nicht am richtigen Ort zu sein, aber dennoch schienen seine Beine sich von ganz allein zu bewegen, bis er nahe genug bei Hohenzollern war, um ihn anblicken zu können, mit einem irritierenden Gefühl aus Hass und Zuneigung. Eitels Augen funkelten türkisfarben. „Hohenzollern.“ begann Brandenburg, und wieder lagen drei Augenpaare aufmerksam auf ihm. „Du machst Probleme. Wie immer. Wenn du damit aufhören würdest, würde dich auch jemand lieben. Wärst du nur nicht geboren!!“

Ein kurzer, ruhiger Moment, dann begann Eitel, in einer Art zu schluchzen, die allen Erwachsenen das Herz in der Brust zermalmte.

„Brandenburg. Labb zu.“ Maximilian hatte die Augen verengt, sein Blick war böse und die Stimme zitterte vor Abscheu.

„Verschwinde.“ Selbst Lukas, der sonst immer relativ umgänglich war, hatte eine eiskalte Stimme, und Albrecht stolperte zurück. Was hatte er da gerade gesagt...? Er kannte dieses Kind doch gar nicht! Es hatte es nicht verdient, dass er ihm so etwas an den Kopf warf! Und dennoch... zwei Paar Hände strichen beruhigend über Eitels Kopf, während die Augen des Jungen schillernd wieder in Himmelblau übergingen und ihn ansahen, drehte sich ihm der Magen um vor Abneigung.

„Aber-“

„Verschwinde. Sofort.“

Albrechts Füße trugen ihn aus diesem schrecklichen Zimmer hinaus, bevor er es bewusst bemerkt hatte, und er setzte sich, geschockt von sich selbst, gegenüber an die Wand des Ganges.
 

Albrecht blieb dort, bis er eingeschlafen war, zitternd und von Abscheu sich selbst und diesem Kind gegenüber erfüllt, aber keiner der beiden 'Eltern' Eitels trat hinaus, um ihn zur Rede zu stellen. Das einzige, was zu hören war, war ein leises Lied aus dem Zimmer, das irgendwann Eitel sowie Albrecht in den Schlaf lullte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  moi_seize_ans
2010-07-22T13:24:28+00:00 22.07.2010 15:24
Der letzte Satz ist ja mal Liebe. Ich fand den richtig, richtig richtig schön.
Man, Eitel. In den habt ihr euch verguckt, ne? ;P
Aber das ist mal wieder ein tolles Kapitel. Man, und ich kam mal wieder viel zu spät zum Lesen.
Von:  JJasper
2010-07-15T20:19:32+00:00 15.07.2010 22:19
„Hör auf zu heulen, du bist doch ein starker, deutscher Junge.“
Wer möchte denn nicht so aufgemuntert werden? ;D

Haha, waahh. So unglaublich niedlich ;w;
Weil...Mama Baden und Papa Württemberg! und so >3< Vorallem Baden.
Wenn ich meinen Sohn nicht kriege, dann packe ich mein Netz aus. So unglaublich einfallsreich. Aber in Notsituationen weiß man sich ja schließlich zu helfen. xD Hahah, sooo süß. aawwww.
(Ich wette, Max hat ein Schlaflied gesungen, hm! Coole Mama, eh. :D)

Jantö :O


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