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Wetteifer

Der Auslöser war das Pfirsichsorbet ...
von

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Wettgewinn

Hallo!
 

Ja, ich weiß, dass ich mich ein wenig im Monat geirrt haben, um es freundlich auszudrücken. Es tut mir Leid! Ich will euch gar nicht erst mit meinen Entschuldigungen langweilen. Stattdessen viel Spaß mit dem letzten Kapitel!
 

HAPPY BIRTHDAY, SETO! ^______^
 

LG Kyra
 

PS: Wer sich weitere Storys der etwas *hust* unzuverlässigen Autorin lesen will, findet am Ende des Kapitels einen entsprechenden Hinweis.
 

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Kapitel 8: Wettgewinn
 

Um am Dienstagmorgen rechtzeitig in der Schule zu sein, war ich am frühen Nachmittag in New York abgeflogen. Meine Planung war knapp bemessen, aber ich betrat pünktlich mit dem Klingeln den Klassenraum. Gut kalkuliert, Seto, dachte ich, wusste aber natürlich, dass ich keinen Spielraum für irgendwelche Pannen gehabt hatte.
 

Müde ließ ich mich auf meinen Platz sinken, packte meine Unterlagen aus und war im Begriff für unbestimmte Zeit erst einmal abzuschalten. Deswegen würde ich mir nach der Stunde wahrscheinlich eine Standpauke von Aaran anhören dürfen, aber das nahm ich in Kauf. Ich hatte Termine für fünf Tage in drei quetschen müssen und aufgrund der Anstrengungen forderte auch der Jetlag einen erhöhten Tribut. Ich war erschöpft – auch wenn ich es nicht gerne zugab. Am liebsten wäre es mir, die Schule abzusitzen und mich danach in mein Bett zu verkriechen. Natürlich würde ich das nicht tun. Ich hatte nach der Geschäftsreise genügend zu erledigen. Außerdem war ich mir bewusst, dass eine solche Handlung absolut destruktiv wäre. Den Jetlag würde ich dadurch nur verschleppen. Also würde ich in den nächsten Tagen den Abend herbeisehnen und schlafen wie ein Stein.
 

Mein Vorhaben wurde vereitelt. Ein mittelgroßes Päckchen landete mit einem Rums auf meinem Tisch. Nur meine gute Selbstbeherrschung verhinderte, dass ich zusammenzuckte. Ich starrte auf die Hände, die auf dem Packet lagen – es auf meinen Tisch drückten. Gebräunte Haut, lange, schlanke Finger. Ich kannte diese Hände sehr genau. Ich wusste, wie sie sich an meinem Körper anfühlte. Eine leichte Gänsehaut bildete sich auf meinem Rücken und ich musste mich zwingen, die Gedanken – Erinnerungen – an die Berührungen zu verdrängen. Aaran, war mir sofort klar. Nur warum stand er vor meinem Pult und was sollte dieses Päckchen? Langsam sah ich auf und blickte in das inzwischen so vertraute Gesicht. Belustigung und Besorgnis standen in den blauen Augen.
 

„Aaran Lennox an Seto Kaiba“, erklang seine Stimme. Ich stellte überrascht fest, dass ich sie ein wenig vermisst hatte. Gleich darauf strafte ich mich für den Gedanken. „Jemand zu Hause?“
 

Gelächter brach in der Klasse aus. Na prima. „Möchten Sie sich beschweren?“, stellte ich eine Gegenfrage.
 

„Ja, ich denke, das steht mir zu“, antwortete Aaran schließlich, nachdem er kurz die Stirn gerunzelt hat.
 

„Ich nehme an, Sie wissen wo sich das Büro des Direktors befindet“, fragte ich rhetorisch. Natürlich war das provokant … und vielleicht auch ein wenig gewagt. Schließlich waren meine Geschäfte in Übersee in einem bestimmten Maß von dieser Person abhängig. Drei Monate noch. „Allerdings bezweifele ich, dass es ihn groß tangieren wird, dass Sie der Meinung sind seine Einschränkungen für meine Geschäftsreisen würden meine Leistungen mindern.“
 

Aaran blickte mich einen Moment lang besorgt an, dann schlich sich ein Lächeln in seine Züge. „Ich bezweifele eher, dass es sich für die drei Monate lohnt, sich mit dem Chef anzulegen“, sagte er. „Um dich auf den neusten Stand zu bringen: Während du geistig geschlafen hast, haben wir schon mit dem Austauschen der Wichtelgeschenke begonnen.“ Er zeigte auf das Päckchen auf meinem Tisch. Heute sollten wir die schon mitbringen? Als ich nicht reagierte, fuhr Aaran fort: „Duke sagte mir, er hätte dir Bescheid gegeben.“
 

„Dabei hat er allerdings vergessen, zu erwähnen, dass der Austausch heute ist.“
 

„Ich dachte, das wäre klar. Sonst hätte es ja Zeit gehabt, bis du wieder da bist.“ Seinen Formulierungen nach war es ganz eindeutig nicht klar gewesen. Schließlich hatte er von „Neuigkeiten, die mich bestimmt interessierten“ gesprochen.
 

„Wenn du mich mitten in der Nacht anrufst, ist für mich nur eins klar …“, begann ich.
 

„Ja?“, fragte er herausfordernd.
 

„Du störst!“, beendete ich meinen Satz.
 

„Wobei denn?“ Duke kicherte. „Das war jetzt echt zweideutig, Seto.“
 

Auf den schnellen Schlagabtausch folgte ein Moment, in dem wir uns einfach nur anfunkelten – er belustigt, ich genervt. Mir lag schon eine eindeutig unschöne Bemerkung auf der Zunge, als Aaran sich einmischte.
 

„Hättet ihr beide die Freundlichkeit – wenn ihr euch schon anzicken müsst wie zwei kleine Kinder –, das wenigstens, auf nach den Unterricht zu verschieben?!“ Er warf uns einen ebenso tadelnden wie ermahnenden Blick zu und verschwand mit dem Päckchen – meinem Geschenk – nach vorne an den Lehrertisch.
 

Meine Augen folgten ihm, beobachteten jede seiner Bewegungen, und fragte mich, wann ich endlich wieder das Vergnügen hätte, allein mit ihm zu sein … obwohl das letzte Mal noch gar nicht in weiter Ferne lag.
 

Ich schielte erst wieder zu Duke hinüber, als Aaran ihn auf Englisch zurechtwies, dass der Unterricht bereits begonnen hatte. Allein die Sprache war dafür Beweis genug. Zudem teilte Aaran ihm noch den Vortrag des schwersten Teils der Hausaufgabe zu. Voller Schadenfreude grinste ich in mich hinein, hütete mich jedoch davor, diese offen zu zeigen. Aaran gehörte zu den Leuten, die denen, die sich über das „Unglück“ anderer lustig machten, ebenfalls eine saftige Aufgabe auftrugen. Und heute war ich einfach viel zu müde und träge, um mich ernsthaft mit Schule zu beschäftigen.
 

Der Vormittag zog langsam an mir vorbei, ohne dass ich später hätte sagen können, was wir am heutigen Tag besprochen hatten. Als ich zum Parkplatz kam, wartete Duke schon auf mich.
 

„Lass uns, unsere Auseinandersetzung klären“, sagte er, sobald ich in Hörweite war.
 

„Da gibt es nichts zu klären, Duke“, erwiderte ich. Ich hatte absolut keine Lust, mich weiter über dieses Thema zu streiten, obwohl ich ganz genau wusste, dass ich recht hatte. „Wir wissen beide, dass deine Worte nicht darauf abzielten, mir zu vermitteln, dass das Geschenk so bald fällig war.“
 

„Touché!“ Duke grinste. Er schien sich wieder einmal köstlich zu amüsieren. „Ich dachte, ich könnte dich ein wenig reizen. Für mein eigentliches Anliegen.“
 

„Das da wäre?“, fragte ich und war mir ziemlich sicher, dass es wieder einmal ein Spaß auf meine Kosten sein sollte.
 

„Es steht noch eine Wette aus. Und da du bisher noch keinen Vorschlag gemacht hast, ist hier meiner: Wir wetten darum, ob du es schaffst, ihm bis Ende April deine Liebe zu gestehen. Ich sage, du traust dich nicht.“ Duke grinste hinterhältig. „Wenn ich Recht habe, dann bleibt es bei unseren Wettschulden. Nur, dass wir sie in der Firma tragen.“
 

So etwas hatte ja kommen müssen. Warum dachte er, ich ließe mich darauf ein? „Das kommt nicht in Frage!“, bestimmte ich. „Du scheinst vergessen zu haben, dass das deine zweite Chance ist. Ich lege fest, worum wir wetten.“
 

„Eigentlich sollte ich die Wette jetzt schon gewinnen.“ Er lachte aufgesetzt, sich dessen bewusst, wie sehr es mir auf die Nerven ging. „Ich sag ja, du traust dich nicht, es ihm zu sagen.“
 

Okay, wenn er es so wollte. Dem würde sein Lachen gleich vergehen. Ich grinste diabolisch. „Du verstehst mich nicht richtig. Mit der Wette an sich bin ich einverstanden“, sagte ich selbstsicher, „aber die Einsätze sind inakzeptabel.“
 

Duke blickte mich einen Moment schweigend an, dann fing er sich wieder. „Du bluffst. Es widerspricht deiner Art, es ihm zu sagen!“
 

Er kannte mich inzwischen erstaunlich gut. Es stimmte, wie er argumentierte. Es widerstrebte mir zutiefst, diese Schwäche einzugehen. Aber ich wusste mittlerweile, dass Aaran das war, was ich wollte. Also würde ich das Risiko hinnehmen. „Sagen“ würde ich es ihm allerdings nicht, da hatte Duke vollkommen recht. Soweit war ich noch nicht. Dafür hatte ich mir einen anderen Plan überlegt: Ein Brief, den nur Aaran verstehen würde. Und davon hatte mein Gegenüber glücklicherweise keine Ahnung.
 

Ich antwortete nicht verbal, stattdessen blickte ich ihn nur herausfordernd an. Ich spürte, dass Duke eine bissige Erwiderung auf der Zunge lag. Aus dem Augenwinkel sah ich eine nur zu bekannte Gestalt über den Parkplatz laufen. Aaran.
 

„Halt die Klappe!“, zischte ich Duke zu und rollte mit den Augen in Aarans Richtung, der keine fünf Meter mehr von uns entfernt war. Duke sah mich fragend an. In dem Moment, in dem er den Mund öffnete, erlang Aarans Stimme: „Streitet ihr schon wieder?“
 

Duke hielt in der Bewegung inne. Kurz darauf schnitt er eine Grimasse, um keine zwei Sekunden danach auf einem Bein herumzuwirbeln und Aaran freundlich mitzuteilen: „Nein, wir hatten nur eine kleine Meinungsverschiedenheit. Außerdem wollte ich sowieso gerade gehen. Muss mich noch auf ein Meeting vorbereiten. Tschüss!“
 

Damit schritt er eilig über den Parkplatz davon. Aaran und ich schaute ihm Kopfschüttelnd hinterher. Dieser Idiot. Konnte er nicht einfach aufhören, zu versuchen, uns zu verkuppeln?
 

Duke war schon fast um die nächste Straßenecke verschwunden, da drehte er sich noch einmal um und rief quer über den Parkplatz: „Ich ruf dich heute Abend an, Seto!“
 

„Was war das?“, fragte Aaran nach einem Moment.
 

„Duke eben.“
 

„Das war selbst für Dukes Verhältnisse merkwürdig!“
 

„Für den Duke, der mir die ganzen letzten Monate auf die Nerven geht, war das ganz normal“, bestimmte ich. Das war zwar meilenweit von einer Erklärung entfernt, aber es war die Wahrheit. Seitdem er seinen Beschluss getroffen hatte, benahm er sich immer öfter so.
 

„Hm, wenn du meinst“, sagte Aaran vage. Er sah mich unschlüssig an. Ich spürte, dass er nicht gehen wollte. Auch sah ich ihm an, dass da etwas war, das er mir sagen wollte, aber anscheinend zweifelte er, dass hier der richtige Ort dafür war.
 

„Ach ja“, sagte ich schließlich, als ich mein Päckchen in seiner Tasche entdeckte. Unter seinem aufmerksamen Blick ging ich zum Kofferraum. „Dein Wichtelgeschenk“, meinte ich, während ich es ihm hinhielt.
 

Noch ehe Aaran seine Hand danach ausgestreckt hatte, war ein „plopp“ zu hören, als ein Hagelkorn auf dem Plastik unter dem Geschenkpapier landete. Kurz darauf folgten weitere. Von einem Moment auf den anderen brach ein Hagelschauer los.
 

„Verdammt“, murmelte ich, als ich die hintere Tür meines Mercedes aufriss und schleunigst auf die Rückbank rutschte. Ebenso fluchend folgte Aaran meinem Beispiel.
 

„Verfluchtes, unberechenbares Scheißwetter!“, schimpfte er, schloss mit einem Ruck die Tür und rieb sich den Kopf. „Man bin ich glücklich, wenn erst einmal Sommer ist. Mit plötzlichen Regengüssen komm ich klar.“
 

Ich grinste über seinen Unmut und reichte ihm das mit feuchten Punkten gesprenkelte Packet. „Vielleicht heitert das dich etwas auf“, sagte ich aus einem Impuls heraus, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob er sich darüber freuen würde.
 

„Aus Amerika?“
 

„Ja.“
 

„Dann hoffe ich, dass eine Packung ‚Laines Brownies‘ drin ist. Die heben meine Stimmung mit Sicherheit“, grinste er.
 

„Damit kann ich nicht dienen“, erwiderte ich und fragte mich, warum so viele Leute auf dieses klebrige, süße Zeug abfuhren. Duke schien regelrecht besessen davon. Amerikaner litten eindeutig unter geistiger Umnachtung wenn es ums Essen ging.
 

Aaran ließ seine Tasche auf den Boden zwischen uns gleiten und begann, das Papier aufzureißen. Sein Mund klappte auf, als er die zusammengerollte Katze – eher gesagt den Kater – im Inneren des Kunststoffbehälters erblickte. Hellbraunes Fell, verhältnismäßig große, blauen Augen, eine mürrischer „Gesichtsausdruck“, braune Haare, langer blauer Mantel, dunkelgrünes Hemd, schwarze Hose. Kurzum: Meine Wenigkeit als Plüschkater.
 

„Kann man die öffnen?“, fragte Aaran. Er schien aus dem Staunen gar nicht mehr hinauszukommen.
 

„Klar“, antwortete ich und nahm ihm die Box aus der Hand, um ihm zu zeigen, wie man das schwarze Unterteil vom durchsichtigen Deckel trennen konnte. „Wenn du den Kater ganz rausbekommen willst, musst du die Bänder lösen“, erklärte ich und wies auf die Unterseite.
 

„Okay“, erwiderte er immer noch fasziniert und tippte mit dem Finger auf den Kopf des Katers, der der Bewegung folgte und auf und ab wippte. Dann entdeckte er die Plakette auf dem Boden und las flüsternd:
 

Duel Monsters

Spieler Edition

Catboy „Seto Kaiba“

Vertragsexemplar


 

„Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt“, murmelte er erstaunt.
 

„Es ist das erste. Wie gesagt, das ‚Vertragsexemplar‘“, erklärte ich und freute mich innerlich darüber, dass mein Geschenk ihm gefiel.
 

„Das erste Exemplar“, widerholte Aaran, als könnte er es nicht begreifen. Oder zumindest irgendetwas daran nicht begreifen.
 

„Ja. Maximilian Pegasus plant eine ganze Reihe von Duellanten als Plüschtiere herauszugeben. Das hier ist sozusagen ein Prototyp auf dessen Grundlage die Verhandlungen geführt werden.“
 

„Hast du der Produktion zugestimmt?“, fragte er neugierig.
 

„Ich bin mit Pegasus so verblieben, dass er sich bei mir meldet, wenn er die Zustimmung der restlichen Top 10 hat. Sollte er das schaffen, gebe ich dem Ding, so wie es ist, mein Einverständnis und unterschreibe den ausgehandelten Vertrag.“
 

Ich fand Pegasus Idee lächerlich. Allerdings musste ich zugeben, dass sie recht profitbringend klang. Fans waren begeistert von so einem Tand. Ich sah mich zwar nicht gern als Plüschkater, aber wenn die anderen Duellanten zustimmten, nahm ich lieber den Gewinn mit, als meine Zeit in endlosen Pressenkonferenzen damit zu verbringen, zu begründen, warum ich dieser Idee widersprochen hatte.
 

„Und warum schenkst du ihn ausgerechnet mir?“, hakte Aaran weiter nach.
 

Ich war versucht zu sagen: „Weil er bei dir gut aufgehoben ist!“ oder etwas ähnlich Sentimentales. Ich schluckte es hinunter. „Ich hab in der nächsten Zeit viel zu viel zu tun, um mir ständig von Mokuba mit dem Ding vor der Nase herum wedeln und mir erzählen zu lassen, wie toll er wäre.“
 

„Du magst ihn nicht“, stellte Aaran richtig fest, dann grinste er, „dabei ist er doch so niedlich.“
 

„Genau das meine ich!“, brummte ich misslaunig, obwohl ich wusste, dass solche eine Reaktion seine Absicht gewesen war.
 

Er lachte leise. „Ich werde ihn in Ehren halten. Versprochen!“
 

„Ich weiß“, murmelte ich mehr zu mir selbst, aber er schmunzelte glücklich. Wenig später reichte er mir mein Geschenk.
 

„Es ist nicht so exklusiv“, sagte er und lächelte verlegen, „aber als ich es sah, musste ich an dich denken.“
 

Innerlich schüttelte ich den Kopf. Das war so typisch. Sofort machte er sich Sorgen, mir nichts Gleichwertiges bieten zu können. Dabei wäre das, das letzte, was ich von ihm erwarte würde.
 

Unter dem Geschenkpapier kam ein Postpacket zum Vorschein. Der Stempel zeigte, dass es aus Miami stammte. Als Absender war Melanie Lennox angeben. Er hatte seine Schwester extra für das Geschenk gebeten, ihm etwas aus Amerika zu schicken. An Mühe mangelte es ganz bestimmt nicht.
 

Im Inneren stieß ich auf Unmengen von Zeitungspapier und nach etwas Suchen auf ein kleines Päckchen – dem Aufkleber nach von einem Juwelier. Ein Ring, mutmaßte ich überrascht.
 

„Du kannst deiner Schwester ausrichten, dass sie froh sein soll, nichts verpacken zu müssen, um Geld zu verdienen. Sie würde im Handumdrehen gefeuert werden“, sagte ich zu Aaran, der sofort in schallendes Gelächter ausbrach.
 

„Lieber nicht. Dass du dich ärgerst, war vermutlich ihr Ziel“, antwortete er immer noch glucksend, während ich es endlich schaffte, die Schleife und das Papier zu entfernen. Als ich das Döschen schließlich öffnete, kam tatsächlich ein Ring zum Vorschein. Fasziniert stellte ich fest, dass der Körper des Weißen Drachen den Ring bildete. Blaue Steine formten die Augen. Nach kurzem Abschätzen der Größe, schob ich ihn auf meinem linken Ringfinger. Er passte perfekt. Erst später wurde mir bewusst, dass dies der Finger war, an dem man üblicherweise Verlobungsringe trug.
 

Aaran beobachte mich aufmerksam. Ich war mir bewusst, dass er eine Reaktion erwartete. Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte, das einerseits nicht zu gefühlsduselig war und andererseits nicht zu grob klang. Letztendlich brachte ich ein leises „Er gefällt mir“ hervor, über das ich mich sofort ärgerte, obwohl es seinen Zweck erfüllte.
 

Als ich das Zeitungs- und Geschenkpapier in den Karton gestopft hatte und den nach vorn auf den Beifahrersitz verfrachtet hatte, damit ich ihn später nicht im Auto vergaß, hagelte es immer noch heftig.
 

„Ich setzt dich bei deinem Auto ab“, schlug ich Aaran vor, als ich sein Widerstreben, nach draußen zu gehen, sah.
 

„Das wäre echt nett“, antwortete er und verschloss die Box mit dem Kater wieder, um ihn vor dem Hagel zu schützen. „Da wäre noch etwas, das dich vielleicht interessiert“, fuhr er fort, während ich nach vorne kletterte und losfuhr. „Ich hatte heute ein Gespräch mit dem Direx. Dabei kamen wir auch auf deine Geschäftsreisen zu sprechen. Er hat sich erkundigt, wie du mitgearbeitet hättest. Ich hab ihm die Wahrheit gesagt und meine Meinung dazu. Wenn er dir eine Alternative anbietet, solltest du vielleicht nicht kategorisch ablehnen.“
 

Nachdem ich Aarans Weg durch den Hagel von fünfzig auf zwei Meter verkürzt hatte, sprang er mit einem „Wir sehen uns!“ aus dem Wagen und hastete zu seinem eigenem hinüber. Weitere Ausführungen gab er nicht, allerdings sah ich ihn mir zuzwinkern, als er hinterm Steuer Platz genommen hatte.
 

Auf dem Weg zur Firma rätselte ich, was er gemeint haben könnte. Ich fand keine Antwort und beschloss letztendlich, seinen Ratschlag im Hinterkopf zu behalten für den Fall, dass der Direktor mich wirklich zu sich bestellen sollte. Ob ich ihn beherzigte, würde sich zeigen.
 

***
 

Am Abend rief – wie versprochen – Duke an. Und nach einigem hin und her einigten wir uns auf Wette und Wetteinsätze.
 

Wir wetteten darum, ob ich es schaffen würde, Aaran bis Ende April meine Liebe zu gestehen. Sollte Duke Recht haben – was natürlich nicht passieren würde –, blieb es bei seinen Wettschulden und ich musste Aaran öffentlich, also per Pressekonferenz, meine Liebe gestehen. Mit dieser Regelung hatte Duke sich letztendlich zufrieden gegeben. Wahrscheinlich nur, weil er damit sein Ziel erreicht sah. Die Chance, dass Aaran mir einen Korb gäbe, sah er bei null.
 

Sollte ich gewinnen – was der Fall sein würde – musste Duke nicht nur seine alten Schulden ableisten, sondern darüber hinaus etwas, das Aaran bestimmte. Die Idee war mir spontan gekommen. Ich dachte mir, als mir selbst nichts Gescheites einfiel, Aaran hätte bestimmte eine gute Idee, um sich für den Ärger der ersten Wette zu revanchieren. Duke davon zu überzeugen, war nicht ganz einfach. Im Endeffekt überredete ich ihn mit der Begründung, wenn er schon wiederholt auf Aarans Kosten wetten wollte, dann wäre es nur fair, wenn dieser im Rahmen der Wette zumindest etwas bestimmen konnte. Mit „Fairness“ brachte man Duke erstaunlich oft zum Einlenken.
 

***
 

Donnerstagmorgen wurde ich dann tatsächlich zum Direktor zitiert. Und wie Aaran erwähnt hatte, schlug er mir wirklich eine Alternative vor. Mister Lennox hätte ihm berichtete, dass längeres Fehlen mir anscheinend weniger Probleme bereitete, als eine anstrengende Reise. Logisch betrachtet müsste er dem zustimmen, da man fit bekanntlich im Stande war mehr zu lernen. Deswegen wäre er zu dem Schluss gekommen, mir meine Geschäftsreisen, in dem Umfang zu erlauben, wie ich es für angemessen hielt, wenn ich im Gegenzug andere schulische Extraaufgaben übernehmen würde.
 

Im ersten Moment war ich versucht, einfach abzulehnen, aber Aarans Ratschlag hatte ich nicht vergessen. Also fragte ich, wie diese Extraaufgaben aussehen würden. Nein sagen, konnte ich danach immer noch.
 

Der Schulleiter erklärte, er hätte dabei an etwas gedacht, das meine Begabungen in Umgang mit Computern nutzen würde. Es wäre geplant, mehrere neue Programme in der Schule einzuführen, und ich sollte die Lehrkräfte damit vertraut machen.
 

Nach diesem Vorschlag verbrachten wir eine knappe Viertelstunde damit, darüber zu diskutieren, ob ich die Zeit hatte, einen Kurs für alle Lehrer zu veranstalten, die logischerweise alle eine unterschiedlich schnelle Auffassungsgabe hatten. Erst als ich sarkastisch bemerkte, dass er ja schon einmal ein unglaubliches Geschick an den Tag gelegt hatte, was meine Terminplanung anging, lenkte der Direktor ein, dass ich nur einen Lehrer, jung und mit Computern vertraut, in die Programme einführen sollte.
 

Zu meinem Glück lief es bei dieser Person auf Aaran hinaus. Damit schlug ich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Ich konnte meine restliche Schulzeit über meine Geschäftsreise verfügen, wie ich es wollte und außerdem musste ich mir keine Sorgen mehr über das Organisieren der Treffen mit Aaran machen. Mit dieser Vereinbarung hatte ich eine Begründung für zwei Treffen im Monat gesichert.
 

***
 

Während der Treffen musste ich darauf achten, dass die Einführung in die Computerprogramme nicht in den Hintergrund geriet. Auch wenn ich mich lieber anderweitig mit Aaran beschäftigte, musste ich Sorge dafür tragen, dass der am Ende jedes Treffens einiges dazugelernt hatte, was nicht gerade mich und meinem Körper betraf. Ansonsten würde es bei einer möglichen Befragung nach Fortschritten durch den Direktor nur Schwierigkeiten geben.
 

Wir trafen uns mal bei mir zu Hause, mal bei ihm und ansonsten in der Kaiba Corporation. Das Verhältnis zwischen Aaran und mir hatte sich, wenn man das so sagen konnte, normalisiert. Wir gingen miteinander um, wie an dem Wochenende, als ich das erste Mal bei ihm gewesen war. Beim zweiten Mal hatte ich festgestellt, dass er tatsächlich die von mir geschenkte Bettwäsche aufgezogen hatte, mein Kopfkissen neben seinem lag und der Seto-Kater darauf thronte und eindeutig nach Aaran roch.
 

Bis Anfang April hatte ich festgestellt, dass die Abschlussprüfungen noch einfacher waren, als ich immer gedacht hatte, Mokuba immer noch mit jedem Tag, den die Ferien näher rückten, aufgedrehter wurde und Aaran ein besserer Liebhaber war, als alle bisherigen, die ich gehabt hatte, seit ich mit 16 einem Impuls folgend mit einem Hotelangestellten geschlafen hatte.
 

Außerdem war mir klar geworden, dass es gar nicht so einfach war, den Brief an Aaran zu schreiben. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich eigentlich nur geschäftliche Briefe verfasst. Als ich nach Stunden mit dem unsäglichen Ding fertig war, hatte ich mich entschieden, die entscheidenden Worte, dem eigentlichen Brieftext vorzustellen.
 


 

Auch wenn draußen tiefster Winter war, in meinem Herzen herrschte Frühling.

Manchmal gewinnt man, ohne zu wagen, in dem man wartet ...

wenn der Gewinn denn später noch einer ist.
 

Erst danach folgte die Anrede und ein knapper Text, in dem ich mich für den endlich mal nicht langweiligen Englischunterricht bedankte und ihn einlud die Osterferien mit Mokuba und mir zu verbringen, um meinem Bruder das Surfen beizubringen.
 

Zufrieden mit dem Brief, den nur Aaran verstehen würde, da ich mich auf Sätze bezog, die wir bei unserem Zusammentreffen bei ihm zu Hause gesprochen hatten, klebte ich den Umschlag zu und schob ihn in einen weiteren, größeren, in dem schon sämtliche Tickets lagen, die Aaran brauchte, um zu unserer Privatinsel zu kommen.
 

Ich gab Aaran den Umschlag bei unserem ersten Treffen im April. Dem letzten bevor ich von der Schule ging. Wieder einmal lagen wir gemeinsam auf meinem Schlafsofa und Aaran strich wie so oft federleicht über meinen Rücken.
 

„Was ist das?“, fragte er, nachdem ich den Umschlag aus der Kommode hervorgezogen hatte.
 

„Bei uns an der Schule gibt es die Tradition, dass die Schüler zu ihrem Abschluss Lehrern einen Brief schreiben können. Als Dank, Abrechnung, wie auch immer. Der hier ist von mir an dich. Der einzige wohlgemerkt. Ich bitte dich, ihn erst zu öffnen, wenn ich wirklich offiziell die Schule beendet habe. Sonst verfehlt der Brief ja seinen Zweck“, erklärte ich wie ich es mir überlegt hatte. Bisher hatte ich diesen Brauch immer für schwachsinnig befunden, was vielleicht auch daran lag, dass ich täglich mit den Lehrkräften abrechnete, wenn es denn sein musste. Jetzt kam er mir gelegen. Der ideale Grund Aaran einen Brief zu geben, den er erst nach meinem Weggang von der Schule öffnen durfte.
 

„Ach, was steht denn da so brisantes drin, das ich erst nach deinem Abschluss erfahren darf? Hast du etwa Angst, ich könnte ihn dir noch vermasseln?“, fragte er neckend und zog mich, bevor ich antworten konnten, in einen sanften Kuss.
 

Es war beinahe erstaunlich, wie gut Aaran mich inzwischen kannte. Warum ich ihm diesen Brief schon jetzt gab, fragte er erst gar nicht. Ihm war bewusst, dass es eine Privatsache war und damit nur ihn und mich etwas anging.
 

„Oh, Konsequenzen würde es sicherlich haben“, murmelte ich und versuchte hinterlistig zu grinsen, um zu verbergen, dass ich über sie keinesfalls erfreut sein würde, „aber ich bin mir nicht so sicher, ob sie unbedingt für mich negativ ausfallen würden.“
 

„Okay, schon verstanden“, erwiderte er lachend. Er schob den Umschlag auf die Kommode, schlang seine Arme um mich und verwickelte mich abermals in einen Kuss – nun allerdings verlangender.
 

„Sonst noch etwas, dass ich wissen sollte?“, fragte er grinsend, während wir uns wieder anzogen.
 

„Ich habe wieder ein Wette mit Duke am Laufen“, antwortete ich. Auf einen solchen Moment wartete ich schon länger. Mir war bewusst, dass es besser war, Aaran über die Wette reinen Wein einzuschenken. Falls sich wieder jemand – mit anderen Worten Duke – verplapperte, war der Schaden vielleicht begrenzt, wenn ich ihn über ein paar Dinge vorher informiert hatte.
 

„Warum, wenn ich fragen darf?“ Er klang verärgert. Sein Blick war tadelnd.
 

„Am Tag als er seine Wettschulden einlösen sollte, war er krank. Also hab ich ihm eine zweite Wette unter meinen Konditionen angeboten, dafür, dass er die Schulden später tilgen kann.“
 

„Du wettest noch einmal mit ihm, obwohl du beim letzten Mal solche Bedenken hattest?!“ Er sagte nicht, dass ich ihn damit zutiefst verletzt hatte.
 

„Unter meinen Bedingungen. Sozusagen als Revanche für den Ärger, den er mir mit der letzten bereitet hat. Aaran, ich hab mit ihm, um etwas gewettet, dass ich sowieso tun wollte. Meinen Einsatz fürchte ich nicht. Früher oder später läuft es vielleicht so oder so darauf hinaus.“
 

Ich hoffte, dass ich irgendwann einmal meine Beziehung zu Aaran den Medien bestätigen könnte. Ansonsten gäbe es wohl keine Beziehung. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mit einer Geheimbeziehung einverstanden war. Das passte nicht zu ihm.
 

„Und Dukes Einsatz?“, fragte er nicht mehr so verärgert.
 

„Bestimmst du. Für den Fall, dass du dich für die erste Wette revanchieren willst“, sagte ich und er sah mich ungläubig ab.
 

„Aber was ist dann deine Rache?“
 

„Erstens verlass ich mich darauf, dass ich an deiner Rache auch meinen Spaß haben werde und zweitens ist es schon ein Triumpf, wenn ich die Wette gewinne und ihm beweise, dass er Unrecht hat.“
 

Es würde Duke Meinung mich in und auswendig zu kennen, einen gehörigen Dämpfer verpassen. Vielleicht würde es sein Anmaßen mich zu irgendwelchen Dingen zu bewegen, auch ein wenig mindern. Ich würde es sehen.
 

„Okay“, sagte Aaran schließlich lächelnd. „Ich werde mir etwas überlegen.“
 

„Gut, dann wieder an die Arbeit“, bestimmte ich und reichte ihm ein Buch. „Seite 24. Wenn du Probleme hast, etwas zu verstehen, frag einfach.“
 

„Und was machst du?“, fragte er stirnrunzelnd.
 

„Kaffee. Erst einmal. Danach hab ich genügend eigene Arbeit“, erklärte ich und wies auf einen kleinen Stapel Unterlagen.
 

Aaran seufzte, ließ sich in einen der Sessel sinken und schlug das Buch auf. „Warum genau hab ich mich noch mal bereit erklärt, das hier zu machen?“
 

Ich nickte nur zum Schlafsofa hinüber. Grinsend setzte er seine Brille auf. „Ach ja, da war was.“
 

„Hier“, sagte ich wenig später und stellte eine Tasse Kaffee neben dem Buch auf dem Tisch ab.
 

„Danke“, murmelte Aaran. Er griff nach dem Becher und hielt inne. Dann nahm er die Brille wieder ab und sah mich fragend an. „Entschuldige, aber ich bin neugierig. Warum hast du dich vor den Konsequenzen deines Wetteinsatzes so gefürchtet? Dass die Auswirkungen der Ausführung der Wette negativ sein konnten, das verstehe ich ja. Aber was war an deinem Einsatz so … brisant?“
 

Ich schwieg. Das war eine der letzten Fragen, die ich beantworten wollte. Es wäre erbärmlich.
 

„Ach komm schon, so schlimm kann es doch nicht sein, es mir zu verraten“, bohrte Aaran weiter. Dabei wirkte er nur neugierig. Ich blickte in sein Gesicht und las darin den Wunsch nach etwas Vertrauen. Ich erinnerte mich wieder an Melanies Worte, die Ausgewogenheit bei meiner Hinhaltetaktik predigten. In der letzten Zeit hatte ich eigentlich nur mit ihm geschlafen. Auch wenn wir mit jedem Treffen vertrauter miteinander umgegangen waren, die Gegenseite hatte ich dabei kaum bedient.
 

Ich presste die Lippen aufeinander. Aaran hatte in den letzten Monaten einiges ohne großes Murren akzeptiert. Er vertraute mir. Vielleicht war es da angebracht einmal über meinen Schatten – in diesem Fall einen sehr großen – zu springen und ihm dieses Vertrauen zurückzugeben.
 

Ich seufzte. „Okay“, sagte ich resignierte und Aaran strahlte. „Unter zwei Bedingungen: Es bleibt unter uns und du lachst nicht!“
 

Er schaute mich fragend an, als ich jedoch nicht reagierte, meinte er schließlich: „Einverstanden. Ich versprech es dir!“
 

„Gut, kann einen Moment dauern. Warte hier und lies weiter.“ Aaran zog eine Augenbraue hoch. „Ich zeig es dir“, fügte ich als Erklärung hinzu.
 

Ich ging in mein Zimmer und holte aus der hintersten Ecke meines Kleiderschranks die Schachteln hervor. Nur den Schuhkarton mit den weißen High-Heels beließ ich, wo er war. Ich hatte nicht vor, mir bei dieser lächerlichen Aktion die Füße zu brechen.
 

Mit dem Rest unter dem Arm marschierte ich schleunigst zurück in mein Arbeitszimmer, das ich, sobald ich die Tür geschlossen hatte, erst einmal abschloss. Leise ging ich in mein kleines Badezimmer und schloss auch die Tür ab. Warum genau mache ich das noch mal, fragte ich mich, während ich die Kartons auf der Toilette abstellte. Aus irgendeinem irrwitzigen Grund hatte ich das Gefühl, dass er sich darüber freuen würde. Warum auch immer er das tun sollte.
 

Seufzend knöpfte ich mein Hemd auf und ließ es achtlos auf den Boden fallen. Meine Schuhe, Socken und Hose folgte sekundenspäter. Ich fegte den Deckel des Kleiderkartons mit einer Handbewegung weg. Das einzige, was ich Duke zugutehalten konnte, war, dass das verdammte Ding schlicht gehalten war. Keine albernen Rüschen oder sonstige kitschige Spielereien.
 

Ich schlüpfte in das trägerlose Kleid – dem entsprechend eng lag es um die Brust auch an – und schloss mühsam den Reißverschluss. Ein Blick in den Spiegel zeigte, dass man unter dem aus mehreren Lagen bestehenden, weitfallenden Rock zumindest meine dunklen Boxershorts nicht sah. Ich zog die weißen, langen Handschuhe an und legte das goldene Kollier um. Nach einem weiteren Blick in den Spiegel befand ich mich für verrückt.
 

Ich sah lächerlich aus. Diesen Aufzug zu tragen war erniedrigend. Doch anstatt mich zu fragen, ob Aaran das wert war, atmete ich tief durch, entriegelte die Tür und schritt quer durch mein Arbeitszimmer auf meinen privaten Konferenzraum zu.
 

Die Seide fühlte sich gut auf meiner Haut an, … so wie Seide das nun mal tat. Ich sollte aufhören zu versuchen, positives an der Situation zu finden. Es gab nichts. Der Stoff raschelte bei jedem Schritt und das Geräusch war absolut befremdlich.
 

Leise öffnete ich die Tür und fand Aaran tatsächlich über das Buch gebeugt vor. Wieder einmal stellte ich fest, dass die Brille ihm einen belesenen Ausdruck verlieh. Als er mich hörte, drehte er sich um und … blinzelte. Sein Mund klappte auf. Er rückte die Brille zurecht und blinzelte wieder. Dann schob er sie auf seine Nasenspitze und schaute mich über die Gläser hinweg ungläubig an.
 

Ich blieb auf der Türschwelle stehen und wartete auf irgendeine verwertbare Reaktion, die mir Aufschluss darüber geben würde, wie er letztendlich zu diesem erbärmlichen Aufzug stand. Allerdings blieb es erst einmal bei dem relativ neutralen Erstaunen.
 

Nach einem Moment kann Leben in Aaran. Er legte die Brille weg, ohne genau hinzusehen wohin und kam langsam auf mich zu. Seine Hände fuhren über den Stoff, zupften am Rock und strichen über meinen Oberkörper, bis sie sich schließlich um Taille und Hüfte schlangen und Aaran mich lächelnd in einen Kuss zog.
 

„Hast du Schuhe mit Absatz an?“, fragte er irritiert.
 

„Nein“, antwortete ich, ohne mir anmerken zu lassen, dass ich aufgrund der fehlenden „richtigen“ Reaktion noch unruhiger wurde, als ich es eh schon war.
 

„Warum bist du dann plötzlich größer als ich?“, fragte er verwirrt. Erst nach diesem Hinweis fiel mir überhaupt auf, dass ich ein ganz klein wenig auf ihn hinunterschaute.
 

„Ich steh auf der Türschwelle“, erwiderte ich und tippte mit dem Fuß auf das altmodische, mehrere Zentimeter dicke Holz, das den Renovierungsarbeiten nicht zum Opfer gefallen war.
 

„Oh“, murmelte Aaran und zog mich gleich darauf grinsend weiter in den Raum hinein. „Jetzt ist es besser!“
 

Ich sah ihn nur unbewegt an. Inzwischen fühlte ich mich richtig unbehaglich. Normalerweise benutzte ich das Wort nicht, aber das hier war peinlich. Ich hätte diese debile Idee nicht einmal im Traum in Betracht ziehen sollen.
 

Aaran seufzte und bugsierte mich in einen der Sessel. Er nahm mir gegenüber Platz. „Du findest das schrecklich, oder?“
 

„Das ist wohl eine rhetorische Frage“, erwiderte ich kalt. Am besten ließ ich mir einen Plan einfallen, wie ich aus dieser Situation schnellstmöglich wieder rauskam, ohne meinen Stolz noch weiter zu dezimieren.
 

„Ich hingegen überlege mir, wie lange ich wohl brauche, um eine Trauung zu organisieren.“
 

„Auf jeden Fall länger, als ich benötige, um dieses Kleid auszuziehen und wenn nötig zu vernichten“, gab ich beinahe giftig zurück. Ich fühlte mich unkomfortabel, obwohl er mir gerade gestanden hatte, dass ich ihm so sehr gefiel, dass er mich am liebsten sofort zum Standesamt geschleppt hätte. Aber irgendwie war selbst die Tatsache erniedrigend.
 

„Danke, dass du meinetwegen deinen Stolz überwunden hast“, sagte er, während er sich zu mir hinüber beugte. „Das ist süß!“
 

Damit gab er meinem Stolz endgültig den Rest. Ich war sicherlich vieles. Aber ganz bestimmt nicht süß. Ehe ich widersprechen konnte, hatte er sich ganz zu mir herüber gebeugt und küsste mich sanft. So wie er mich immer küsste, wenn er einfach nur mit mir kuscheln wollte – ich konnte immer noch nicht ganz fassen, dass ich mich darauf einließ – oder mir nah sein wollte. Automatisch fielen mir die Augen zu und ich konzentrierte mich ganz auf die warmen Lippen, die leichten Druck ausübten. Ich seufzte wohlig auf und entspannte mich wieder.
 

So schlimm war das alles letztendlich dann doch nicht.
 

Nach einem langen Kuss schaute Aaran mich fasziniert an. Seine Augen wanderten über meinen ganzen Körper. Es wollte nicht in meinen Kopf, was ihm an dem Anblick so gefiel. Als es mir endlich gelang, meine Gedanken wieder zu ordnen, fragte ich: „Wie weit bist du?“
 

Kurz schaute er mich irritiert an, dann schielte er zu dem Buch hinüber. „Ich hab es durchgelesen, aber einige Stellen verstehe ich nicht ganz.“
 

„Gut, fang schon mal mit der praktischen Anwendung an“, sagte ich und schob ihm meinen Laptop niederüber. „Ich ziehe mich um und helf dir bei den Unklarheiten.“
 

Aaran zog demonstrativ einen Schmollmund und fragte: „Kann ich dich gleich wenigstens auf den Schoss nehmen?“
 

„Nein“, entschied ich sofort. Jedes Mal, wenn ich bisher bei ihm im Stuhl gesessen hatte, um ihm am PC etwas zu erklären, hatte es mit Kuscheln und Küssen geendet. Und das war nicht von mir ausgegangen. „Du kannst dich dabei nicht konzentrieren.“
 

„Ich beweis dir, dass ich es doch kann.“
 

„Beweis es mir einander mal, wenn ich mehr Zeit habe.“
 

***
 

Die Tage bis zu den Ferien verliefen gewohnt stressig. Ich würde es wohl nie erleben, dass ich entspannt in den Urlaub gehen konnte. Der Trubel um die Abschlussfeier ging allerdings vollkommen an mir vorbei. Ich kam, holte mir mein Zeugnis ab – wie zu erwarten gewesen war, das beste, das jemals jemand an der Schule gemacht hatte – und ging nach ein paar oberflächlichen Gesprächen mit einigen Lehrern wieder. Das Beste an dem Tag war die kleine Unterredung mit Aaran, die wir im Beisein von Mokuba führten. Sie war zwar beinahe so oberflächlich wie alle anderen Gespräche, aber das war wahrscheinlich auch gut so. Nicht, dass an meinem letzten Schultag noch etwas außerplanmäßig verlief.
 

Mokuba und ich flogen noch am Vormittag meiner Verabschiedung los. Aarans Tickets hatte ich für Samstag gebucht, da ich wusste, dass er bevor er in die Ferien ging, für die Schule noch einiges zu erledigen hatte. Es blieben also zweieinhalb Tage der Ungewissheit.
 

Ich konnte wirklich nicht einschätzen, ob er kommen würde. Melanie und Duke zu Folge kam er auf jeden Fall. Aber ich war mir nicht sicher, ob ihn meine Hinhaltetaktik nicht doch zu sehr kränkte. Auch wenn ich es mir nicht gerne eingestand, ich war angespannt – richtiggehend angespannt. Und wenn es mir nicht gelang, die Frage zurückzudrängen, dann verspürte ich sogar eine kleine – verhasste – Angst, dass er nicht kommen würde.
 

Damit, dass Aaran anrufen würde, um Bescheid zu geben, rechnete ich nicht. Wenn er kam, dann erfuhr ich es erst, wenn er da war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mich für das Warten, dass ich ihm aufgezwungen hatte, nicht auch im Ungewissen ließ.
 

Mokuba hielt mich so auf Trab, dass ich eigentlich keine Zeit hatte, viel nachzudenken. Wie jeden Urlaub hatte er so viel Energie, dass auf ihn aufzupassen ungefähr so war, wie einen Sack Flöhe zu hüten.
 

„Seto, was ist los?“, fragte er mich am Freitagmorgen und musterte mich kritisch.
 

Ich seufzte. „Ich hab Aaran eingeladen“, gestand ich ihm schließlich. Es zu verschweigen, war sinnlos. Bei dem Blick würde Mokuba nicht so schnell lockerlassen und heute konnte ich am allerwenigsten einen bohrenden, kleinen Bruder gebrauchen.
 

„Oh toll!“ Er strahlte über das ganze Gesicht. „Wann kommt er denn?“
 

„Wenn er kommt, dann heute Nachmittag gegen vier.“ Meine Betonung lag auf dem ersten Wort. Mokuba sah mich fragend an, dann legte sich ein breites Grinsen um seine Mundwinkel.
 

„So wie er dich angesehen hat, als er dir schöne Ferien gewünscht hat, kommt er mit Sicherheit!“
 

Am Vormittag gingen wir schnorcheln. Die prachtvolle Unterwasserwelt und die Tatsache, dass ich ständig Mokuba im Auge behalten musste, lenkten mich erstaunlich gut ab. Bis zum Mittag hatte ich kaum an Aaran gedacht. Als wir aus dem Wasser kamen, wartete unsere Köchin schon mit dem Essen auf uns.
 

Kurzdarauf schlug das Wetter um. Wolken zogen auf und es sah nach Regen aus. Ich nahm Mokuba das Versprechen ab, den Nachmittag im Haus zu verbringen und zog mich auf mein Zimmer zurück. Ich war erschöpft. Mehr oder weniger 24 Stunden mit einem energiegeladenen kleinen Bruder zu verbringen, war auf eine andere Art anstrengend als ein Tag im Büro. Nachdem ich geduscht hatte, legte ich mich ins Bett, um mich ein wenig auszuruhen. Ich war so müde, dass ich nach wenigen Minuten eingeschlafen war, trotz der inneren Unruhe, die mich in den letzten Tagen befallen hatte.
 

***
 

Das Schlagen des Glockenturms auf der Nachbarinsel weckte mich. Sechs Uhr schon, stellte ich dämmrig fest. Ein Hauch von Pfirsichgeruch lag in der Luft. Das war das nächste, was mir auffiel. Ich lächelte automatisch. Er war gekommen.
 

„Aaran“, sagte ich in den Raum hinein. Ein Geräusch war aus dem Bad zu vernehmen. Als ich aufblickte, erschien Aaran in der Tür. Er lächelte. Er war wirklich gekommen.
 

„Hi“, murmelte er und kam zu mir hinüber. Er trug Boxershorts und ein offenes Hemd. Seine Haare waren feucht.
 

„Warum hast du mich nicht geweckt?“, fragte ich, war aber immer noch so träge, dass ich zu ihm hinaufschaute, anstatt mich aufzusetzen.
 

„Mokuba meinte, du wärst ziemlich müde gewesen. Außerdem sahst du so friedlich aus. Und solange bin ich ja auch noch nicht hier.“ Ich sah ihn fragend an. Es war schließlich schon sechs. „Aufgrund von technischen Problemen wurde der Abflug von Domino verlegt. Dadurch hat sich alles noch hinten verschoben.“
 

Gut, dass ich geschlafen hatte. Ansonsten hätte ich mir nur unnötige Gedanken gemacht.
 

„Schade eigentlich, dass du den ganzen Nachmittag geschlafen hast“, fuhr Aaran neckend fort. „Dabei hätte ich mich so gerne revanchiert und dich zappeln lassen.“
 

„Keine Sorge, das ist dir auch so gelungen“, gestand ich ein. Anscheinend war mein Denkvermögen noch nicht ganz wach.
 

Aaran lächelte nachdenklich. „Ich wusste gar nicht, dass du so metaphorisch schreiben kannst“, meinte er und strich mir zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Tja, das hatte ich vor diesen Zeilen an ihn ebenso wenig gewusst, aber allem Anschein nach hatten sie ihren Zweck erfüllt.
 

„Ich liebe dich auch“, murmelte er gegen meine Lippen und küsste mich sanft. Glücksgefühle überrannten mich und breiteten sich in jedem Winkel meines Körpers aus. „Ich weiß gar nicht, wie ich so trottelig sein konnte, es nicht zu sehen.“
 

Ich zuckte mit den Schultern und zog ihn zu mir ins Bett. „Hat Mokuba gesagt, wann es Essen gibt?“, fragte ich, während er es sich neben mir bequem machte und die Arme um mich legte.
 

„Er meinte nur, dass ich dich gegen acht auf jeden Fall mit nach unten schleppen sollte. Ich glaube, er will einen Film mit uns gucken“, antwortete er und vergrub kurz seine Gesicht in meinen Haaren.
 

„Hm.“ Ich rückte noch ein Stückchen näher zu ihm und legte meinen Kopf an seine Brust. Ruhig hörte ich sein Herz schlagen. Ich hatte nicht vor, in nächster Zeit auf seine Nähe zu verzichten. „Du wolltest mir doch beweisen, dass du dich mit mir auf dem Schoss konzentrieren kannst.“
 

Aaran stützte sich auf einem Arm ab und schaute grinsend auf mich hinunter. „Wenn ich die knapp zwei Stunden vorher mit dir kuscheln darf, schaff ich das vielleicht sogar.“
 

„Ach ja?“, fragte ich provokant.
 

„Ja!“, bestätigte er, drückte mich an seinen Brust und schmiegte sich an mich. Egal, was ich früher übers Kuscheln gesagt haben mochte, ich revidierte es. Es war tatsächlich ganz angenehm.
 

„Sag mal“, meinte Aaran plötzlich und hob einen meiner Arme auf seine Augenhöhe, „bist du schon ein bisschen braun geworden?“
 

„Kann sein“, erwiderte ich, während ich meinen anderen Arm betrachtete. „Warum?“
 

„Ich steh auf Braun. Wenn neben deinen Haaren auch noch deine Haut braun ist, dann kann ich mit Sicherheit gar nicht mehr von dir ablassen“, erklärte er und legte meine Hand an seine Wange.
 

Als ob du das jetzt auch schon nicht könntest, dachte ich bei mir und küsste ihn – ebenso zärtlich wie er mich gerne küsste.
 

---
 

Da diese FF jetzt abgeschlossen ist, werde ich ein anderes „größeres" Projekt angfangen.

Diejenigen, die „Liebe ist tödlich" gelesen haben, wird es freuen, dass ich in den letzten Wochen zumindest die Storyline für die Fortsetzung fertig bekommen habe. So „lange" wird die neue FF also nicht auf sich warten lassen.

Ich werde sie unter dem Titel „Liebe ist quallvoll" hochladen. Wer möchte, kann also Seto und Tsuki auf Klassenfahrt erleben. ^^
 

Ich würd' mich freuen. ^___^



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Zeckchen
2011-06-12T19:27:17+00:00 12.06.2011 21:27
eine wirklich sehr schöne geschichte^^
Von:  Disqua
2010-10-26T17:43:00+00:00 26.10.2010 19:43
DAs Ende finde ich passend und auch gut. xD
Es ist nicht soooo kitsch das es net zu Seto passen würde, daher freue ich mich wirklich das es so normal aufgehört hat xDD

Von:  MiriaMiri
2010-10-25T21:41:05+00:00 25.10.2010 23:41
TOOOOOOOOOOLL!! freu mich voll das es endlich fertig ist! war echt ein super ende! und bin schon total gespannt auf die Fortsetzung von.... e ja Titel vergessen xD
Das war so süß!
Einfach Hammer!
Und haha ich bin die erste xD

glg Miri


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