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Mississippi Dreams

von

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Wenn’s mit der Liebe so einfach wär… Teil 01

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Wenn’s mit der Liebe so einfach wär… Teil 01
 


 

Als Cloud seinem Pferd Saber den Sattel abnahm, war Mitternacht schon lange vorbei und die Morgendämmerung nahte. Er hätte Aban wecken können, aber er hätte einem Mann nicht den nächtlichen Schlaf geraubt, wenn er selbst das ebenso gut erledigen konnte. Außerdem erfüllte es ihn mit einem seltsam inneren Frieden, in Gesellschaft der Tiere in dem großen Stall zu sein.

Und nichts anderes als eine Form von Seelenfrieden hatte er auf seinem wilden Ausritt gesucht.

Cloud war müde. Mein Gott, vielleicht sogar müde genug, um schlafen zu können.

Doch das bezweifelte er. Er mochte zwar körperlich erschöpft sein, aber seine Gedanken drehten sich um Kreis, und er versuchte unablässig eine Lösung des Rätsels zu finden, vor dem er stand. Bisher hatte er damit kein Glück gehabt.

Hatte nicht einmal jemand gesagt, man solle aufpassen, was man sich wünschte, denn sonst könnte man genau das bekommen? Cloud wusste jetzt, was damit gemeint war.

»Gute Nacht, mein Junge«, sagte Cloud zu Saber, streichelte noch einmal über die samtigen Nüstern und zauste ihn hinter dem linken Ohr.

Er wusste, dass es blödsinnig war, aber er liebte dieses Pferd. Saber war ein prachtvolles Tier mit dem stolzen Kopf eines Araberhengstes und der Schnelligkeit eines Vollbluts. Ein Hengst wie Saber war ein entscheidender Bestandteil dessen, was er sich so dringend gewünscht hatte. Und auch ansonsten war ihm dieser Wunsch restlos erfüllt worden. Endlich hatte er alles, was er sich je erträumt hatte. Genau genommen sogar mehr.

Er war jetzt ein reicher Mann, Besitzer einer gewaltigen Plantage von der Sorte, die er im Vorbeifahren immer neidisch betrachtet hatte, wenn er sie von Deck aus angestarrt hatte. Es war sein Wunsch gewesen ein Stück Land zu kaufen, ein eigenes zu Hause zu haben, sesshaft zu werden und Wurzeln zu schlagen. Aber er hatte immer gewusst, dass er nie eine der großen Plantagen besitzen würde, die er vom Fluss aus sehen konnte. Es war unwahrscheinlich, dass man bei Kartenspiel das Geld verdienen konnte, um sich so etwas zu kaufen.

Doch durch eine unerforschliche Wendung des Schicksals war er jetzt Herr über eine Plantage mit mehr Land und Bewohnern als manche Städte. Er hatte größere Besitztümer an sich gebracht, als es einem Menschen zustehen sollte.

Sogar Saber, den er bei einem Pferdezüchter in Jackson gekauft hatte, war der Inbegriff dessen, was er sich erträumt hatte. Das Tier hatte weit mehr gekostet, als er in seinem früheren Leben je für ein Pferd ausgegeben hätte, doch als Herr über die Plantage, gab es wenig, was er sich nicht hätte leisten können.

Dazu kam noch, dass man ihn respektierte, sogar zu ihm aufblickte, und er hatte sich nie vorgestellt, die Achtung anderer erringen zu können. Cloud Tanner, ein professioneller Spieler, der selbst bei seinen Freunden in dem Ruf stand, nicht ehrlicher zu sein, als es irgend erforderlich war, zählte jetzt zu den bessere Leuten und war ein angesehener Pflanzer, ein Gentleman.

Als er sich ein Stück Land gewünscht hatte, lag das Leben, das er jetzt führte so weit außerhalb seiner Möglichkeiten, dass er gar nicht auf den Gedanken gekommen war, es ließe sich verwirklichen. Und doch waren alle seine Wünsche in Erfüllung gegangen.

In seiner Sorglosigkeit hatte er sich ein Stück Land und genug Geld gewünscht, um es zu bewirtschaften, und jetzt mussten sich die Götter ins Fäustchen lachen. Jetzt hatte er eine Frau, die er hasste und nur zu gern erwürgt hätte, obwohl er noch nie in seinem Leben einer Frau wehgetan hatte; Sie war ein Luder und eine Hure, und sie hasste ihn mindesten so sehr, wie er sie.

Auch seinen Namen begann er allmählich zu hassen. Als er ihn damals, vor Monaten, angenommen hatte, war ihm nicht klar gewesen, wie sehr es ihn stören würde, den Rest seines Lebens als Logan Riplay verbringen zu müssen.

Cloud Tanner war zwar nicht der Name eines feinen Herrn, aber es war sein Name. Es gab Menschen, die er mit der Zeit ins Herz geschlossen hatte, wie zum Beispiel Miss Flora und Miss Laurel. Sie hielten ihn für ihren Neffen. Als er dieses Täuschungsmanöver begonnen hatte, hatte er sich eingeredet, er würde ihnen ein weit besserer Neffe sein, als es Logan Riplay je gewesen war. Und so war es auch. Er hatte sie doch besucht, oder nicht? Und er war höflich, sorgte sich um ihr Wohlergehen und stand ihnen immer zur Verfügung, wenn sie ihn bei sich haben wollten. Sein Eintreffen hatte ihnen neue Kraft gegeben. Er zweifelte nicht daran, dass beide hundert Jahre alt werden konnten.

Doch je mehr er sie mochte, desto mehr kam er sich wie ein Schwindler vor.

Als er ursprünglich seine Pläne geschmiedet hatte, hatte er vorgehabt, Ceciles kleinen Stiefsohn aus seinem Schneckenhaus zu locken und ihn so schnell wie möglich zu verkuppeln und zu verheiraten. Erstens, um dem Jungen ein schöneres Leben zu ermöglichen und ihn sich gleichzeitig vom Hals zu schaffen.

Wer hätte ahnen können, dass hinter der wilden Lockenmähne und der abgetragenen verschlissenen Kleidung ein attraktiver Junge lauerte, der ihm mit einem Lächeln den Atem rauben konnte?

Wer hätte ahnen können, dass er bei dem Versuch, dem Kleinen das Leben zu verschönern, selbst den Kopf und das Herz verlieren würde?

Wer hätte ahnen können, dass er ihn schließlich mehr begehren würde, als er je irgendetwas anderes auf Erden begehrt hatte?

Aber er war nie auf den Gedanken gekommen sich jemanden zu wünschen, den er lieben könnte. Liebe, so hätte er behauptet, ist etwas, was sich ein Mann im Bett mit seinem Partner oder seiner Partnerin innerhalb von zwanzig Minuten aus den Rippen schwitzen kann. Aber das wäre ein Irrtum gewesen, das wusste er jetzt. Die Liebe hatte nicht (naja, sehr wenig) damit zu tun, mit einem anderen Menschen ins Bett zu gehen. In der Liebe drehte es sich darum, gemeinsam zu lachen, miteinander zu reden, und die unzähligen Kleinigkeiten des Zusammenlebens im Alltag miteinander zu teilen.

Es drehte sich darum, dass einem das Wohlergehen eines geliebten Menschen mehr am Herzen lag als das eigene. Und genauso empfand er für June. Er liebte den Jungen und das war die schlichte und ergreifende Wahrheit. Er liebte ihn so sehr, dass er zwischen den Obstbäumen nicht beendet hatte, was er begonnen hatte. Es wäre einfach nicht richtig gewesen.

Die Götter hatten ihn mit großem Reichtum bedacht, mit Land und mit Achtung. Um all das zu bekommen, brauchte er nichts weiter zu tun, als Cecile zu heiraten und ihr Mann zu bleiben. Aber solange er mit Cecile verheiratet war, konnte er seinen Gefühlen nicht nachgeben. Zudem war es auch nicht so einfach mit June zusammen zu sein. Er war über sich selbst erstaunt, dass es ihm nichts ausmachte, sich in einen Jungen verliebt zu haben. Doch es war einfach so und Cloud konnte nach dem ganzen Stress mit Cecile getrost auf Frauen verzichten.

Allerdings blieb sein Problem nach wie vor bestehen.

June war vom gleichen Geschlecht und eine Heirat zwischen ihnen wäre niemals möglich. Und gerade weil es so war, durfte er dem Jungen keine Hoffnungen machen, genauso wenig wie sich selbst.

Wie er dem Blondschopf bereits gesagt hatte, er war ein Schwein, aber ein ganz so großes Schwein nun doch wieder nicht. Aber er wäre dieses Schwein gewesen, wenn er June nicht lieben würde.

Folglich lachten sich die Götter ins Fäustchen. Sie hatten ihm alles gegeben, was er sich erträumt hatte, und noch mehr dazu. Aber er war ein solcher Dummkopf, dass er ihr großartiges Geschenk nicht länger haben wollte. Alles, was er wollte, war June und der Kleine war das einzige, was er nicht haben konnte.
 

Billy kam am darauf folgenden Dienstag, um mit June auszureiten. Natürlich hatte er sich vorher angemeldet und für June war jetzt schon klar, dass der andere nun eine Antwort von ihm wollte.

Nervös sattelte der Blondschopf Firefly und hatte dabei so zittrige Hände, dass er kaum mit dem ganzen Zaumzeug klar kam, obwohl er es im Schlaf konnte, so oft wie er das schon gemacht hatte. Zum Glück ging ihm Aban, der das Ganze kurz beobachtet hatte, ohne Fragen zu stellen zur Hand, sodass June sein Pferd schließlich pünktlich aus dem Stall führte, als Billy bereits die Auffahrt hoch geritten kam.

Unsicher beobachtete er den anderen während er das Pferd in seine Richtung lenkte und dann vor ihm stehen blieb. Billy saß ab und begrüßte June mit einem strahlenden Lächeln.

»Hallo, June. Wie geht es dir?«

Das Lächeln blieb auf seinem Gesicht, doch Billy schien genauso nervös zu sein wie er selbst.

»Danke… gut«, meinte der Kleine und wich Billys fragendem Blick aus, indem er einfach loslief und Firefly dabei hinter sich herzog. Treu schritt ihm das Tier hinterher. June fühlte sich einfach nur schlecht. Er brauchte ein bisschen Abstand von dem anderen, während er immer noch fieberhaft überlegte, wie er Billy am besten beibrachte, dass er nicht mit ihm zusammen sein konnte.

Sicherlich, Billy war attraktiv. Und wenn er Logan nie kennen gelernt hätte, hätte er Billy mit seinem braunen Schopf, den strahlenden Augen und dem stämmigen Körperbau ohne Zweifel für das Beste gehalten, was ihm je hätte passieren können. Wenn er Logan nie kennen gelernt hätte…

Wahrscheinlich hätte der andere ihn aber auch gar nicht bemerkt, wenn Logan nicht gewesen wäre. Von daher war es einerlei sich solche Gedanken zu machen. Schließlich hatte er das Ende der Auffahrt erreicht. Billy hatte noch kein Wort gesagt, sondern war stillschweigend neben ihm hergelaufen. Nun bemerkte June die unsicheren Seitenblicke die ihm immer wieder zugeworfen wurden.

Mit seinem Schweigen machte er den anderen nicht unbedingt glücklich. Aber mit seiner Antwort würde Billy auch nicht glücklich sein. Der Blondschopf seufzte leise. Billy würde einem Mädchen bestimmt ein lieber und aufmerksamer Ehemann sein. June bedauerte, dass er ablehnen musste. Aber es ging nicht anders. Wie sollte eine Beziehung zwischen ihnen funktionieren, wenn er Billy nicht einmal anziehend fand? Wenn sein Herz nicht freudig schneller schlug, wenn der andere in seiner Nähe war? Wenn er nicht bei einer sanften Berührung erschauderte und nach mehr verlangte, sondern einfach nur Ablehnung empfand?

Seit Billy ihn gefragt hatte, ob sie nicht zusammen sein konnten, wusste er, dass dieser Augenblick kommen musste. Da er den anderen nicht verletzen wollte, suchte June immer noch nach Worten, um es ihm so leicht wie möglich zu machen. Trotzdem fiel es ihm schwer, dem anderen eine abschlägige Antwort zu geben.

Schließlich blieb June stehen und wandte sich Billy zu.

»Billy«, setzte der Blondschopf an und hielt dann hilflos inne, als ihm die Zunge am Gaumen festklebte. Es ging nicht! Tief holte June Atem, wandte den Blick von Billys Gesicht ab und die Auffahrt hinauf.

Erst starrte er ins Leere, doch dann bot sich ihm ein Anblick, der ihn augenblicklich aufrüttelte.

Logan und Cecile schienen gerade auf dem Rückweg ins Haus zu sein und stritten heftig miteinander. Er konnte Logans wütende Worte sogar die Auffahrt hinunter hören.

Ein Ehekrach… mal wieder.

»Geht es dir denn so schwer über die Lippen, June?«, fragte Billy zärtlich und unterbrach seinen Gedankenstrom. Gewaltsam riss June seinen Blick von dem streitenden Paar los und sah dem anderen ins Gesicht. In seiner Magengrube machte sich Unruhe breit, ein seltsames Gefühl, das an Übelkeit grenzte.

»Nein, Billy, es geht mir gar nicht schwer über die Lippen«, erwiderte June, und es überraschte ihn selbst, wie gefasst seine Stimme klang.

»Ich…« Jetzt stockte er doch und seine Gefasstheit war wie weggeblasen. Trotzdem sah er zu Billy hoch und zwang sich weiter zu sprechen. »Ich würde es gerne versuchen…«, gab er dann zögerlich zu. Es war kein eindeutiges Ja, dennoch schien es Billy nicht zu stören. Der andere vollführte einen Luftsprung und ehe June sich’s versah, wurde seine Mitte umfasst. Billy wirbelte ihn herum und drückte ihm dann einen leidenschaftlichen Kuss auf. June schwirrte der Kopf. Er wusste nicht, ob es daran lag, dass der andere ihn herumgewirbelt hatte, oder an dem Kuss. Aber sowie er die Worte ausgesprochen hatte, wurde er sich bewusst, was für einen Fehler er begangen hatte.

Bestimmt drückte er Billy von sich weg und ging auf Abstand, während er kurz einen Blick die Auffahrt hinauf warf. Cecile und Logan waren anscheinend im Haus verschwinden und das ließ den Kleinen aufatmen. Nach einem weiteren sorgenvollen Blick in alle Richtungen, entspannte sich der Blondschopf sichtlich. Glücklicherweise schien sie niemand gesehen zu haben.

»Du kannst mich nicht einfach auf offener Straße küssen!«, wies er Billy dann zurecht. Er verstand nicht, wieso der andere so leichtsinnig war.

Im gleichen Moment taten June seine zurechtweisenden Worte wieder leid, weil Billy so ein trauriges Gesicht machte. Innerlich seufzte der Kleine.

»Lass uns ein Stück reiten…«, schlug er vor, um das unangenehme Schweigen zu brechen und die geknickte Stimmung des anderen wieder ein wenig aufzulockern. Billy nickte. Sie saßen auf und ließen die Pferde antraben. Zuerst gab June den Weg vor, doch bald lenkte Billy sie in Richtung eines Wäldchens, wo er auf einer kleinen Lichtung anhielt.

Wie es sich für einen Gentleman geziemte, half er June aus dem Sattel, bevor dieser sich auch nur rühren konnte. Es war dem Blondschopf ziemlich peinlich und außerdem erinnerte es ihn daran, wie Logan ihn damals vom Pferd gehoben hatte. Das Gefühl, welches er dabei gehabt hatte, stimmte nicht einmal annähernd mit dem jetzigen überein. Er fühlte kein Kribbeln, keine Aufregung oder Nervosität… nichts! Nicht einmal sein Herz schlug schneller!

Als seine Füße den Boden berührten, wollte June sofort wieder auf Abstand gehen. Billy ließ ihn jedoch nicht los. Mit leuchtenden Augen starrte er auf ihn hinunter.

Ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals und eine gewisse Panik breitete sich in ihm aus, als Billys Gesicht immer näher kam. June wollte nur noch weg, doch bevor ihm ein Wort über die Lippen kommen konnte, riss Billy ihn in seine Arme. Das quetschte dem Kleinen fast alle Luft aus den Lungen. Als er sich an Billys Schultern verkrallte, um ihn von sich wegzudrücken, machte dieser sich daran ihn mit einer Gründlichkeit zu küssen, die er an jenem Abend zwischen den Obstbäumen nicht an den Tag gelegt hatte.

June verspannte sich völlig und hoffte nur auf ein baldiges Ende. Als Billy schließlich den Kopf hob und sich sein Griff etwas lockerte, grinste er von einem Ohr bis zum anderen, wohingegen der Blondschopf sich einfach nur bedrängt fühlte und sich am liebsten den Mund abgewischt hätte. Doch June unterdrückte den Drang. Stattdessen pflückte er Billy Hände von seinen Oberarmen und entzog sich ihm mit einer Ausrede.

»Billy… mir geht das alles zu schnell…« Entschuldigend sah er zu dem anderen auf, während der Kleine unsicher auf seiner Unterlippe herum kaute. Das alles… die ganze Situation war ihm unangenehm. In was für ein Desaster hatte er sich da nur hinein katapultiert?

Um seine Gedanken wenigstens einigermaßen in den Griff zu bekommen, entfernte sich June ein Stück von Billy und schloss die Augen. Aber es funktionierte nicht, weil er sich zu sehr der Anwesenheit des anderen bewusst war. Bestimmt fragte sich Billy, was mit ihm los war.

June wusste es nur allzu gut.

Er bereute die Antwort, die er dem anderen gegeben hatte bereits jetzt schon.

Dann wurde er durch Billys Hände auf seinen Schultern, die ihn leicht massierte, abgelenkt.

»Hey…«, hörte er leise die Stimme des anderen an seinem Ohr. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir gehen von hier weg… und ich verspreche, dass ich mich gut um dich kümmern werde.«

June senkte den Kopf und hätte am liebsten angefangen zu weinen. Warum war Billy nur so einfühlsam? Würde er anders auf seine Ablehnung reagieren, würde es dem Blondschopf bestimmt nicht so schwer fallen, ihm zu sagen, dass er es nicht so gemeint hatte, dass es ein Versehen gewesen war. Aber er brachte es einfach nicht über sich. Daher litt June stumm vor sich hin und war über sich selbst entsetzt, während Billy begann über seine Zukunftspläne zu reden und wie sie gemeinsam alt werden würden.

Nach einer Weile unterbrach June ihn jedoch.

»Billy… lass uns später über solche Dinge reden… Ich fühl mich nicht so gut und würde gerne wieder zurück nach Hause…« Er fühlte sich wirklich nicht gut, vor allem aber, weil er grenzenlose Panik davor hatte, endlich Klarheit zu schaffen.

»Oh.. natürlich…«, meinte der andere sofort.

»Darf ich dich dann noch nach Hause bringen?«

Die Frage klang so voller Hoffnung, dass June sie nur mit einem Nicken beantworten konnte. Deprimiert ließ er sich von seinem Freund zu Firefly führen, der neben Billys Pferd gemütlich graste.

June wollte gerade aufsitzen, hatte schon nach den Zügeln gegriffen, als er Billys ebenso hoffnungsvolle Miene sah. »Wenn es dir nicht zu schnell geht… na ja… ich würde dir gerne noch einen Abschiedskuss geben. Nachher auf der Straße geht ja schlecht…«, meinte der Braunhaarige erklärend und obwohl sich alles in June dagegen sträubte, gestattete er es ihm und wich noch nicht einmal zurück, als Billys Zunge kühn in seinen Mund glitt.

Seine leise Hoffnung, er könnte mit Billy vielleicht, ganz vielleicht, doch zusammen sein, verflüchtigte sich nun gänzlich. Allmählich musste June befürchten, dass er das Feuerwerk der Sinne nur bei Logan erleben konnte.

Er konnte einfach nicht mit jemandem zusammen sein, dessen Küsse in ihm nur den Wunsch erweckten, sich hinterher die Zähne zu putzen. Nein, das konnte er nicht tun.

Selbst nachdem er wieder zu Hause war und die Nacht herein brach, war June noch so bedrückt, dass er einfach nicht schlafen konnte. Nachdem er sich eine geschlagene Stunde unruhig im Bett hin und hergewälzt hatte, gab er den Versuch zu schlafen schließlich ganz auf, zog sich einen Morgenmantel über den Schlafanzug und lief durch den Korridor. Er beschloss sich auf die Veranda zu setzen, bis die Nachtluft ihn schläfrig machte – falls es je dazu kommen sollte.

Bis auf die Lichter auf der Treppe und in den Fluren lag das Haus im Dunkeln. Die Dienstboten hatten sich längst in ihre Unterkünfte zurück gezogen, und Logan und Cecile lagen wohl ebenfalls schon im Bett. In anderen Nächten hatten sich ihre Streitigkeiten oft noch bis Mitternacht gezogen, aber heute lag das Haus still da.

June zog die schwere Eichentür auf und trat auf die Veranda. Das samtige Mitternachtsblau des Himmels zog sofort seine Aufmerksamkeit auf sich. Die Sterne funkelten wie Diamanten, so viele Sterne, dass June ganz benommen in den Lichterschein sah. Dann zog er die Tür hinter sich zu und stellte sich ans Geländer. Seine Hände legten sich auf das glatte Holz, und er warf den Kopf zurück.

Der Mond war riesig und so rund wie ein Rad Käse, und er war von Millionen von funkelnden Sternen umgeben. Von Osten her kam eine leichte Brise, die kleine, dunkle Wolken wie Fetzen eines Schleiers über den glitzernden Himmel wehte. Das Laub raschelte, die Heuschrecken zirpten, und die Nachtvögel und ihre Beutetiere stießen Rufe und Schreie aus.

Die Schönheit dieser Nacht verfehlte ihre Wirkung auf June nicht. Zum erstenmal, seit er Billy einen Beziehungsversuch zugesprochen hatte, fühlte er sich ein wenig ruhiger.

Dann drang gemeinsam mit dem zarten Duft der Lilien und Mimosen beißender Zigarrenrauch in Junes Nase.

Der Blondschopf riss den Kopf herum. Am hintersten Ende der Veranda konnte er deutlich die glühende rote Spitze einer brennenden Zigarre sehen. Es war nicht wesentlich schwieriger, den dunklen Umriss des Mannes auszumachen, sowie sich Junes Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Er saß zurückgelehnt auf einem Schaukelstuhl und hatte die Füße übereinander geschlagen. Seine Stiefel lagen in der Haltung auf dem Geländer, die June die liebste gewesen war, bis der andere für seine Metamorphose vom Aussehen eines ärmlichen Bauerntrampel zu einem hübschen jungen Mann gesorgt hatte.

Trotz der Kälte war Logan hemdsärmelig, und die elegante Brokatweste war offen. Sein Halstuch schien er ganz abgelegt zu haben.

»Hallo…«, brachte June leise heraus.

Logan lächelte und der Kleine konnte deutlich das Weiß seiner Zähne sehen.

»Bist du zu aufgeregt, um zu schlafen?«

Die Frage wurde mit einem hämischen Unterton gestellt, wobei sich Junes Nackenhaare sträubten. Irgendwas stimmte nicht.

»Wieso aufgeregt? Ich kann einfach nicht schlafen…«, meinte der Blondschopf und hoffte der andere würde die Angelegenheit auf sich beruhen lassen. Gleichzeitig wusste June jedoch, dass Logan das nicht tun würde. Dazu kannte er ihn zu gut.

»Nun ja…« Logan machte eine gedehnte Pause, die June schlimmes ahnen ließ.

»Ich glaubte dein Verehrer war heute nicht umsonst so sehr aus dem Häuschen… Mitten auf der Auffahrt, war das ja schlecht zu übersehen…«

Also doch!

Der Kleine hatte es gewusst. Innerlich stöhnte er auf und verfluchte Billy dafür, dass er so impulsiv und ohne nachzudenken gehandelt hatte. Logan hatte alles gesehen und konnte sich anscheinend auch den Rest darauf zusammenreimen.

»Und wenn schon… Was geht es dich jetzt noch an?!«, meinte June trotzig und jeder Gedanke an die Schönheit der Nacht war verflogen. Eine Hand lag noch auf dem Geländer, die andere hatte er zur Faust geballt.

»Du hast also beschlossen, dass du seine Küsse doch erträgst«, stichelte Logan weiter und June hätte ihm dafür am liebsten ins Gesicht geschlagen. Doch er beherrschte sich und antwortete nur mit einem kühlen »ja«.

»Und du freust dich schon darauf, stimmt´s?«

»Natürlich«, log June weiter, um dem anderen ja nicht zu zeigen wie aufgewühlt er innerlich war. Logan lachte und der Kleine empfand es als unangenehm und zugleich demütigend. »Lügner!«

»Er ist zumindest ehrlich, möchte mit mir zusammen sein und behandelt mich nicht wie einen Aussätzigen«, verteidigte sich June und warf Logan einen bösen Blick zu.

»Das kann ich wohl nicht leugnen.«

Der Zigarrenstumpen leuchtete kurz auf. Dann hob Logan mit der anderen Hand etwas hoch – eine Flasche. Er hielt sie sich an die Lippen und neigte den Kopf zurück. Angewidert sah June ihm zu, als er einen großen Schluck aus der Flasche trank, sie dann wieder auf den Boden stellte und sich mit dem Handrücken den Mund abwischte.

Nie zuvor hatte er Logan trinken sehen und er hatte sich auch noch nie derartig daneben benommen. Aber wenigsten erklärte der Alkohol sein ungewohnt schlampiges Äußeres und den beißenden Ton, der in seinen Worten mitschwang.

»Du bist total betrunken«, sagte June anklagend und schüttelte den Kopf.

»Nur eine Spur angeheitert. Und warum auch nicht, kannst du mir das verraten? Immerhin erfährt ein Mann nicht alle Tage, dass sein Stiefsohn mit einem anderen Mann Reißaus nehmen will.«

Die Sticheleien brachten June auf die Palme, doch er holte tief Atem und ermahnte sich ruhig zu bleiben. Logan war betrunken und wollte ihn bloß reizen, weil ihm die ganze Situation anscheinend nicht gefiel.

»Ich gehe ins Bett«, teilte er ihm deswegen mit.

»Um von dem süßen Billy zu träumen?«, fragte Logan daraufhin in süffisantem Tonfall. Dann hob er die Flasche wieder an seine Lippen und trank.

»Das ist mit Sicherheit besser, als von dir zu träumen«, konterte June.

»Zweifellos.«

Logan stellte die Flasche auf den Boden, stand auf und schnippte die Asche von seinem Stumpen, den er dann über das Geländer warf. June wich nicht zurück, als der andere mit gezielten Bewegungen auf ihn zukam, die nicht unsicherer waren, wie er es erwartet hätte, wenn Logan wirklich betrunken gewesen wäre. Eine winzige Stimme in Junes Inneren drängte ihn zur Flucht, doch er hörte nicht darauf. Mit geradem Rücken und stolz erhobenen Kopf verharrte er. Nur June selbst wusste, wie fest sich seine Hand um das Geländer spannte. Direkt vor ihm blieb Logan stehen. Nur in solchen Momenten, in denen er so dicht vor ihm stand und der Kleine zu ihm aufblicken musste, war June sich bewusst, wie groß Logan wirklich war. Er war weit mehr als einen Kopf größer und so breitschultrig, dass Junes Schatten auf dem Boden sich winzig neben seinem ausnahm.

Dann hob Logan die Hand und legte sie seitlich auf seinen Hals. Die warmen, kräftigen Finger schlangen sich unter Junes Haar um seinen Nacken und schon durch diese kleine Berührung begann sein dummes Herz schneller zu schlagen.

»Trotzdem…«, sagte Logan mit sanfter, eindringlicher Stimme, »ziehe ich es vor, dass du von mir träumst.« Während er das sagte, hatte er seinen Kopf gesenkt und näherte sich den Lippen des Kleineren.

Zart und liebevoll küsste er den Jungen und seine Lippen versprachen ihm alles auf Erden. June schloss die Augen, und seine Hand umklammerte das Geländer noch fester, als er gegen den Drang ankämpfte, vor diesem zärtlichen Angriff zu kapitulieren. Ihre Körper berührten einander nicht, und Logan hielt ihn nur mit einer Hand fest, die in seinem Nacken lag. Doch das Blut in Junes Adern verwandelte sich in glühende Lava.

Erst als die Zunge des Mannes seine Lippen teilte, schmeckte der Kleine den Whisky und erinnerte sich wieder daran, dass der andere zwar nicht völlig betrunken war, aber doch einiges getrunken haben musste. Würde Logan ihn so küssen, wenn er nüchtern gewesen wäre? Oder hätte er ihm dann alles Gute für sein Zusammenleben mit Billy gewünscht?

Die Antwort, die June sich ausrechnete, gab ihm die Kraft, sich von Logan zu lösen.

»Du bist ja nur missgünstig«, sagte er bitter, und um seine Ernüchterung deutlich zu zeigen, fuhr er sich mit der Hand über den Mund, als wolle er den Nachgeschmack des Kusses abwischen.

»Was soll das heißen?«

Logan sah auf ihn hinunter. Sein Gesicht war im Schatten, aber seine Augen funkelten so hell wie die Sterne.

»Du willst mich selbst nicht haben, aber du willst auch nicht, dass mich ein anderer bekommt.«

»Wie kommst du auf die Idee, dass ich dich nicht haben will?«

Während sich Junes Herz gerade überschlug, verzogen sich Logans Lippen auch schon zu einem gemeinen, spöttischen Lächeln, während er kurze Zeit später eine Hand zwischen die Beine des Kleinen gleiten ließ. June war so geschockt, dass er sich nicht von der Stelle rühren konnte. Er spürte sofort die Wärme dieser großen Hand durch seinen Schlafanzug und biss sich fest auf die Unterlippe, um ein leises Stöhnen zu unterdrücken. Seine Knie wurden ganz weich und zittrig und sein Atem beschleunigte sich.

»Ich will dich… Und es steht fest…«, sagte er mit viel zu ruhiger Stimme, während diese große, warme Hand über Junes Bauch und unter das Oberteil glitt, bis hoch zu seinen Knospen, die sich bei Logans sanfter Berührung sofort aufrichteten, »dass du mich auch willst.«

Der Kleine keuchte atemlos, erwachte jedoch bei den letzten Worten aus seiner Erstarrung und schlug mit einem unartikulierten Laut Logans Hand von seiner Brust.

»Wie kannst du es wagen!«

Das überhebliche Lächeln, mit dem er June in die Augen sah, zeigte deutlich, dass er ihm nur beweisen wollte, wie hilflos der Kleine auf seine Berührungen reagierte. Und das war ihm natürlich blendend gelungen.

»Ich würde jederzeit wetten, dass deine Brustwarze, oder dein kleiner Schwanz, das bei dem guten Billy nicht tut.«

Mit einem wissenden Blick zeigte er auf Junes Körpermitte.

Sofort schoss dem Blondschopf eine gnadenlose Röte ins Gesicht und er kniff beschämt die Beine zusammen und schlang die Arme um seinen Oberkörper, um die Stellen zu verdecken mit denen ihn sein verräterischer Körper verriet.

»Du kannst dich zum Teufel scheren!«, zischte June trotz seiner peinlichen Lage durch zusammengebissene Zähne. Es war selten in seinem Leben soweit gekommen, dass er einen Fluch ausstieß, doch es tat gut und erleichterte ihn ein wenig. Da der Kleine das Gespräch als beendet ansah, weil sowieso nichts dabei heraus kommen würde, als dass sie sich gegenseitig verletzende Worte an den Kopf warfen, wollte er sich an Logan vorbei drängen und ins Haus flüchten.

Aber Logan dieser Mistkerl lachte lauthals.

»Ach, wie unbeständig du doch bist! Hast du mir nicht erst gestern gesagt, dass du mich liebst?«

Ein Hieb in die Magengrube hätte June nicht stärker treffen können. Er holte hörbar Atem und spürte dann eine unbändige Wut in sich aufsteigen, die alles vor seinen Augen verschwimmen ließ. Wie konnte Logan es nur wagen, ihn mit dem aufrichtigsten Geständnis aufzuziehen, das er je in seinem Leben gemacht hatte! Seine Hände ballten sich zu Fäusten, seine Zähne bissen sich so schmerzhaft aufeinander und er wandte sich wutschnaubend zu dem anderen um – und musste feststellen, dass er immer noch lachte.

»Du Schuft!«, schrie June, stürzte sich auf ihn und holte mit seinen Fäusten aus. Doch Logan packte seine Oberarme, um ihn festzuhalten – und lachte immer noch.

»Na, na«, ermahnte er ihn, und das Funkeln in seinen Augen strafte seinen spöttisch verzogenen Mund Lügen.

»Du liebst mich doch, oder hast du das vergessen?«

Hätte June eine Waffe zur Hand gehabt, er hätte diesen Kerl erschossen. Zum Glück war er unbewaffnet. Allerdings gab es eine Sache, von der er selbst wusste, dass sie sehr schmerzhaft war und damit würde er sich zur Wehr setzen!

»Lass… mich… los!«, fauchte June und das Funkeln in seinen Augen stand dem in Logans an nichts nach. Als der Mann ihn schließlich losließ, zog der Kleinen seinen Arm zurück, holte aus und hieb Logan die Faust mit aller Kraft in die Lenden.

Dann rannte er weg. Logan krümmte sich, doch June verschwendete keinen Gedanken an den anderen und rannte, als ginge es um sein Leben. Und wahrscheinlich stimmte das auch. June zweifelte nicht im entferntesten daran, dass es Logans erster Impuls gewesen wäre, seine Hände um seine Kehle zu legen und zuzudrücken, wenn er ihn jetzt in die Finger bekam.
 


 

Tbc…
 

31/05/2011

© by desertdevil



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  kaya17
2011-06-06T20:40:06+00:00 06.06.2011 22:40
Oh oh das wird sicher noch ein nachspiel haben. Die beiden haben sich schon irgendwie in eine verfahrene Situation manövriert.

Schönes kapitel^^ man hat wieder schön mitgefiebert
Von:  eden-los
2011-05-31T14:44:28+00:00 31.05.2011 16:44
ob dieses manöver jetzt glorreich oder schwachsinnig war, sei mal dahin gestellt. auf jedenfall ein tolles kapitel.
wegen der sache mit billy, möchte ich aber nicht in junes haut stecken.
freu mich auf den nächsten teil.

lg eden ^^


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