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Mississippi Dreams

von

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Ene mene Muh

Kapitel 18
 

Ene mene Muh…
 

Cecile lag unter einer Decke auf dem kleinen Zweiersofa im Wohnzimmer. Nur ein kleiner, schlammverspritzter Schuh schaute unter der Decke heraus. June spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Er konnte sich unmöglich vorstellen, dass Cecile tot war.

Als Tanner auf Cecile zuging und die Decke zurück zog, wandte sich June eilig ab.

»Gott im Himmel!«

Tanners Tonfall drückte ein solches Entsetzen aus, dass June schlecht wurde, und er dagegen ankämpfte sich zu übergeben. Tanner sah ihn scharf an.

»Es ist nicht nötig, dass du dir das ansiehst«, sagte er zu ihm und richtete dann über seine Schulter das Wort an Sissi.

»Bring ihn nach oben.«

»Ja, Mr. Riplay.«

Oh Gott! Bei dieser Erinnerung daran, dass Logan nicht Logan war, stieg die nächste Woge Übelkeit in June auf. Er war dankbar, dass Sissi ihn stützte. Normalerweise war er nicht so leicht zu schocken, doch sein Nervenkostüm war eh schon ziemlich mitgenommen und so wehrte er sich auch nicht dagegen, als Sissi ihn begann auszuziehen. Als sie bei seiner Unterhose angelangte, hielt June diese fest und schüttelte den Kopf.

Sissi und auch Rosa hatten sich von Kindesbeinen an um ihn gekümmert, aber er war kein Kind mehr und so wartete er bis Rosa ihm ein Bad eingelassen hatte, bevor er zur Wanne ging und seine Unterhose schließlich doch auszog. Es wäre viel kindischer gewesen damit ins Wasser zu steigen.

»War es das Baby?«, flüsterte June, als er sich in das dampfende Wasser gleiten ließ.

»Das Baby?«, fragte Rosa, die kein Wort zu verstehen schien. June ließ sich von ihr die Haare waschen, wie ein kleines Kind.

»Cecile… was ist passiert? Hat es Probleme mit dem Baby gegeben?«

Rosa und Sissi sahen sich beide über Junes Kopf hinweg an. »Nein, Jungchen«, sagte Rosa. »Es war nicht das Baby.«

»Sie ist ermordet worden!«, sprudelte es aus Sissi heraus.

»Ermordet!« June setzte sich auf und sah mit weit aufgerissenen Augen von einer Frau zur anderen.

»Der Doktor hat gesagt, dass jemand sie totgeschlagen hat«, erklärte Rosa. Ehe jemand etwas sagen konnte, wurde angeklopft. Sissi ging an die Tür, und als sie zurück kam waren ihre Augen groß.

»Dr. Crowell sagt, sie sollen in die Bibliothek kommen, sowie sie fertig sind. Richter Thompson ist da.«

»Richter Thompson!«

»Miss Cecile ist ermordet worden, Jungchen. Wahrscheinlich ist er gekommen, um zu sehen, ob er heraus findet, wer es getan hat.«

»In Ordnung. Geht ihr schon mal? Ich zieh mich schnell an.«

June ging etwas durch den Kopf, was er nicht zu fassen bekam. Es war da und beunruhigte ihn, wenn er auch nicht wusste, was es war. Doch er wollte so schnell wie möglich nach unten gehen, ehe Ereignisse ihren Lauf nehmen konnte, die er nicht mehr aufhalten konnte. Er hätte nicht sagen können, wie diese Ereignisse aussahen, die er befürchtete. Abrupt stand er auf und stieg aus der Wanne, als die beiden Frauen das Zimmer verlassen hatten.

In seinem Kopf herrschte ein turbulentes Durcheinander, aber als er seinen Schrank öffnete, fiel ihm ein, dass er ja schwarz tragen musste. June riss die Augen auf. Seine Stiefmutter war tot. Offiziell war er in Trauer.

Hektisch durchsuchte er den Schrank und fand im hinteren Teil ein schwarzes Hemd. An schwarzen Anzügen mangelte es ihm nicht, seit er mit Miss Flora und Miss Laurel unterwegs war. Zum Schluss kämmte er sich ordentlich seine blonden Locken in einen Zopf. Sie waren noch nass, aber zum Trocknen blieb keine Zeit mehr.

Als er sich von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt im Spiegel sah, wurde ihm die Situation noch einmal schlagartig bewusst, in der er sich befand und die er vorher noch nicht wirklich real wahrgenommen hatte: Cecile war tot.

June holte tief Atem, bevor er das Zimmer verließ und die Treppe hinunter lief.

Richter Thompson saß in der Bibliothek, aber außerdem waren noch Dr. Crowell und Seth Chandler da, der den ehrenwerten Posten des richterlichen Beamten inne hatte, der die Todesursache feststellen sollte, ein sehr angesehenes Amt, und Tanner.

Seth Chandler machte einen verkrampften Eindruck; Tanner trug seine eiskalte Maske. Die Spannung im Raum war greifbar.

Alle vier Herren drehten sich zu ihm um, als er eintrat. Eine der Frauen schloss leise die Tür hinter ihm, blieb aber selbst draußen in der Halle.

»Meine Herren.« Junes Stimme klang fest, obwohl ihm immer noch ganz flau im Magen war.

»Ah, Mr. Johnson«, begrüßte Richter Thompson ihn. »Schließen Sie sich uns doch bitte an. Ich möchte Ihnen zum Ableben Ihrer Stiefmutter mein tiefstes Beileid aussprechen.«

Seth Chandler und Dr. Crowell murmelten ähnliche Worte vor sich hin. June setzte sich auf den Ledersessel, der am weitesten vom Schreibtisch entfernt war. Tanner saß auf einer Ecke des Schreibtisches.

June hatte das Gefühl, einen inneren Abstand von den Dingen zu haben, als er bemerkte, dass Tanner im Gegensatz zu ihm keine Gelegenheit gehabt hatte, sich umzuziehen. Er war noch nass, und auf seinem grauen Anzug klebte Schlamm. Sein Haar war ausnahmsweise völlig zerzaust und dort auffällig gelockt, wo es bereits getrocknet war. Sein Gesicht allerdings war wieder sauber, wirkte gefasst, aber sehr blass.

»Es tut mir leid, dass ich Sie mit diesen Einzelheiten belästigen muss«, begann Richter Thompson, als June sich gesetzt hatte. Er zog sich einen Stuhl neben ihn und sprach mit gesenkter Stimme, als wolle er damit seinen Respekt vor dem ernsten Thema ausdrücken, das er anschneiden musste.

»Mrs. Riplay ist heute kurz nach der Mittagszeit hinter der Toilette gefunden worden. Einer Ihrer Sklaven, Aban, hat die… äh, hat sie gefunden. Soweit ich gehört habe, arbeitet er schon lange bei Ihrer Familie?«

»Sein Leben lang. Er ist auf der Plantage geboren.«

»Aha. Haben Sie irgendeinen Grund zu der Annahme, er hätte Mrs. Riplay etwas Böses gewünscht?«

June riss die Augen weit auf. »Aban? Nein. Er täte niemandem ein Leid an.«

Richter Thompson und Dr. Crowell sahen einander an.

»Mr. Johnson, ich muss noch einmal betonen, dass es mir äußerst unangenehm ist, Sie damit zu belästigen, aber soweit ich gehört habe, haben Sie das Haus vor etwa vier Tagen in einem Zustand… äh… innerer Aufgewühltheit verlassen?«

Tanner machte eine abrupte Bewegung, als wolle er Einwände erheben, doch Dr. Crowell stellte sich neben ihn und legte ihm eine Hand auf den Arm, um ihn zum Schweigen zu bringen.

Junes Aufmerksamkeit wandte sich wieder Richter Thompson zu.

»Ja.«

»Und Mr. Riplay ist Ihnen gefolgt?«

June warf einen schnellen Seitenblick auf Tanner. Seine Regungen waren hinter dieser ausdrucklosen Maske verborgen, von der ihm jetzt klar wurde, dass es die Maske eines professionellen Spielers war. Aber was hatte er diesmal zu verbergen?

»Ja.«

»Wann und wo hat Mr. Riplay Sie gefunden?«

»Vorgestern in Natchez.«

»Ich verstehe. Und seit da an, war er ständig an Ihrer Seite?«

Plötzlich erkannte June, worauf Richter Thompson mit seinen Fragen hinaus wollte. Er versuchte dahinter zu kommen, ob Ceciles Ehemann für die Tatzeit des Mordes ein Alibi hatte. Es war Tanners Glück, dass er mit June zusammen gewesen war. Dann gerann ihm das Blut, als ihm die Wahrheit dämmerte: Zu dem Zeitpunkt, zu dem Cecile ermordet worden war, war er nicht bei ihm gewesen. Er war ihm gestern morgen davon gelaufen und hatte ihn nicht mehr gesehen, bis er ihn vor zwei Stunden an der Anlegestelle am Fluss abgeholt hatte. Natürlich war er in der Zeit von Baton Rouge hierher geritten, aber hatte er in der Zwischenzeit irgendwann Gelegenheit gehabt, kurz zur Plantage zu reiten und Cecile tot zu schlagen, ehe er June an der Anlegestelle abgeholt hatte?

Wenn das nicht grotesk war!

»Ja, seit da an war er ständig an meiner Seite«, antwortete June laut und deutlich und warf wieder einen Blick auf Tanner. War es Einbildung, oder sah er ein klein wenig erleichtert aus, seit er diese Antwort gegeben hatte? June wartete ab, doch er widersprach ihm nicht.

»Ich verstehe. Meinen herzlichen Dank, Mr. Johnson. Mr. Riplay hat uns natürlich schon dasselbe erzählt, aber wir müssen schließlich jede Aussage bekräftigen, nicht wahr?«

Als Richter Thompson aufstand, wirkte er erleichtert. June sah Tanner wieder an. Als er ihm in die Augen sah, war sein Ausdruck so unergründlich wie in dem Moment, in dem er den Raum betreten hatte. Diese himmelblauen Augen waren so unauslotbar wie das Meer.

Es gab sehr vieles, was er Richter Thompson hätte erzählen können. Weit mehr, als nur den Umstand, dass Ceciles Ehemann für die Tatzeit kein Alibi aufweisen konnte. Aber er hatte den Mund gehalten und sogar gelogen. Die Frage war nur, warum?

June fürchtete, dass er die Antwort kannte. Und er fürchtete, dass auch Tanner sie kannte.

Diese Antwort ließ sich nur in den unberechenbaren Launen seines Herzens finden.
 

Cecile wurden in den nächsten Tagen auf einem kleinen Friedhof begraben, auf dem man Junes Eltern und Großeltern zur letzten Ruhe gebettet hatte. Es regnete, aber es waren nicht die Regengüsse des Vortags, sondern ein stetiger Nieselregen. Wie alle anderen Anwesenden fror June und spürte die Feuchtigkeit bis in die Knochen.

Tanner, der als Witwer in Schwarz neben ihm stand, hielt seinen Hut vor sich hin und senkte den Kopf bei den feierlichen Worten des Geistlichen. Er schien den Regen überhaupt nicht wahr zu nehmen. Wassertropfen perlten von seinem schwarzen Haar und liefen ihm wie Tränen über das Gesicht. Er war das vollkommene Bild eines trauernden Gatten.

Heuchler!, dachte June. Selbst als er die erste Handvoll Erde auf den Sarg warf, hätte er ihm am liebsten ins Gesicht geschrien. Er hatte Cecile nicht geliebt, und man konnte es sogar als eine Tatsache festhalten, dass er sie gehasst hatte. Er hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er sie ausschließlich geheiratet hatte, um die Plantage an sich zu bringen. Da er der Überlebende war, der Cecile durch diese Heirat am nächsten stand, gehörte ihm jetzt die Plantage.

Die Frage war nur die, ob er Cecile getötet hatte, um es an sich zu bringen.

Miss Flora und Miss Laurel standen hinter ihm und sorgten sich um den Mann, der, auch wenn sie es nicht wussten, keineswegs ihr Neffe war. Nachbarn drängten sich um das Familiengrab. Hinter dem eisernen Gitter standen Tudi, Sissi, Rosa, Aban und alle anderen als große, stumme Menge da. June überlegte sich, dass er bei weitem lieber dort gestanden hätte, als da, wo er war.

Diese Menschen waren jetzt seine Familie. Die einzigen, die ihn wirklich liebten und die er liebte.

Aber jetzt waren es nicht mehr seine Leute, sondern auch sie gehörten Logan. Nein, sollte der Teufel ihn holen, Tanner.

Dieser Mitgiftjäger hatte das Beste aus seinen Karten gemacht und war mit den gesamten Einsätzen vom Tisch aufgestanden.

»Komm, June, es ist vorbei.«

June war in Gedanken weit weg gewesen. Tanners Hand auf seinem Arm und seine geflüsterten Worte holten ihn abrupt in die Wirklichkeit zurück. Der Gottesdienst war vorbei, er hatte den Hut auf dem Kopf, und die Nachbarn machten Platz, um die trauernden Familienmitglieder vorausgehen zu lassen. June hielt die Augen gesenkt, als er neben Tanner durch die Menge ging, die Beileidsworte murmelte. Sie gingen zu dem Wagen, der sie unten auf der Straße erwartete. Es war nicht weit bis zum Haus, und bei schönem Wetter hätte man leicht laufen können, aber wenn es zu Tragödien kam, entschied sich die Familie immer gegen einen Fußmarsch. Und heute waren sie durch den Regen erst recht gezwungen, den Wagen zu nehmen.

Beim Leichenschmaus auf der Plantage würden die Spekulationen über den möglichen Mörder im Vordergrund stehen. Der nahe liegendste Kandidat, der frischgetraute Ehemann, der alles erbte, war aus dem Rennen ausgeschieden, weil der Stiefsohn ihm ein Alibi bereit stellte. Das ließ Raum für weit hergeholte Theorien. June zweifelte nicht daran, dass die Schar, die sich heute auf der Plantage versammeln würde, ihn genüsslich alle nacheinander auseinandernehmen würden.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte Tanner June mit gesenkter Stimme, als sie sich beide auf den Vordersitz setzten. Miss Flora und Miss Laurel fuhren als die angeblichen Tanten des Witwers mit ihnen im Wagen. Ihre Gegenwart sorgte dafür, dass June seine Antwort knapp hielt.

»Ja«, sagte er. Er beachtete Tanners Stirnrunzeln nicht weiter, sonder schwieg, als er den beiden alten Damen beim Einsteigen half.

Der Rest des Tages war ein Albtraum. Da der Anstand ihn zwang, mit den Nachbarn zu plaudern, bekam June entsetzliche Kopfschmerzen. Es war schon schlimm genug, dass er eine Trauer heucheln musste, die er nicht empfand. Gut, es war ein Schock für ihn gewesen, und der nagende Verdacht, vielleicht, ganz vielleicht, könnte Tanners Infamie doch so weit gehen, dass er seine Frau erschlagen hatte, setzte ihm zu. Aber ansonsten tat es ihm nicht wirklich leid, dass Cecile nicht mehr da war. Doch mit anzusehen, wie sich Tanner als Logan ausgab und Komplimente zu seiner Haltung entgegen nahm, während er entsprechend ernst schaute, brachte ihn dazu, dass er die Wahrheit am liebsten laut heraus geschrien hätte. Im Laufe dieses endlosen Nachmittags hatte June mehr Gelegenheit denn je, mit eigenen Augen zu beobachten, was für ein meisterlicher Schauspieler dieser Mann in Wirklichkeit war. Aber natürlich hatte June vorher nie etwas über Tanner gewusst, wenn er ihm Logan Riplay vorgespielt hatte.

Kurz vor dem Abendessen hatte sich die Menge schon gelichtet, und June sah, wie Tanner Mr. Samuels, Ceciles Anwalt, zur Seite nahm und sich mit gesenkter Stimme mit ihm unterhielt. Junes Lippen verzogen sich bitter. Zweifellos wollte Tanner mit ihm über das Testament sprechen.

»Warum gehst du jetzt nicht nach oben, Jungchen? Du hast getan was nötig war und niemand wird ein Wort gegen dich sagen, wenn du nun Zeit für dich brauchst.«

»Ach, Rosa.« June stellte die unberührte Kaffeetasse, die er in der Hand hielt, auf einen Tisch und drehte sich um, um den Kopf auf Rosas Schulter zu legen. Er war ausgelaugt, vollkommen ausgelaugt, aber nicht nur körperlich, sondern an Leib und Seele. Im Moment wünschte er sich nichts sehnlicher auf Erden, als wieder ein kleines Kind zu sein und alles böse von Rosa verscheuchen zu lassen.

Rosa tätschelte seinen Rücken, und einen Moment lang fühlte June sich getröstet. Dann kam Miss Flora auf ihn zu.

»June, Logan hat mich gebeten, dich zu ihm und Mr. Samuels in die Bibliothek zu schicken.«

June hob den Kopf und wandte sich zu Miss Flora um. Rosa verschwand.

»Ach, ja?« Er war äußerst versucht nicht hinzugehen. Es mochte zwar sein, dass Tanner Cloud jetzt Herr über die Plantage war, aber ihm konnte er keine Befehle geben, und dabei würde es auch bleiben.

Schließlich ging er doch mit. Miss Flora war so freundlich zu ihm, dass June es einfach nicht übers Herz brachte, sie zu brüskieren. Und was hätte sich dadurch schon geändert. Er würde hingehen und seine Rolle noch etwas länger spielen. Morgen oder übermorgen würde diese Benommenheit dann von ihm abfallen, und dann würde er in der Lage sein zu entscheiden, was er tun würde.

Beide Männer erhoben sich höflich, als June eintrat.

»Ich möchte Ihnen mein Beileid zu Mrs. Riplays Tod ausdrücken, Mr. Johnson«, sagte Mr. Samuels. June hatte das seit gestern schon so oft gehört, dass er die Worte kaum noch wahr nahm, doch es gelang ihm, ein höfliches »Danke« zu murmeln.

»Du wolltest mich sprechen?«, wandte er sich an Tanner. Sein Ausdruck war nach wie vor entsprechend ernst, aber in seinen Augen stand ein Leuchten, dass June sagte, mit welcher ungehörigen Geschwindigkeit er über den Tod seiner Frau hinwegkommen würde. Jemand, der ihn nicht ganz so gut kannte wie June, hätte es zwar nicht bemerkt, aber er hatte sogar den Eindruck, dass er fast erleichtert wirkte.

»Setz dich, June.«

June setzte sich wieder auf den Stuhl, auf dem er schon gesessen hatte, als er Richter Thompson belogen hatte. Tanner sah ihn finster an, weil er sich den Stuhl ausgesucht hatte, der am weitesten von ihnen entfernt war, doch er sagte nichts. Er und Mr. Samuels nahmen ihre Plätze wieder ein.

»Sie wissen natürlich, dass ich Mrs. Riplays Anwalt bin… äh, war.« Mr. Samuels wandte sich zu June um, und er nickte. »Auf Mr. Riplays Wunsch hin, bin ich ihren Letzten Willen mit ihm zusammen durchgegangen. Es gibt keine Überraschungen. Mit Mrs. Riplays Wiederverheiratung ist die Plantage natürlich mit all ihren Sklaven und Ländereien an Mr. Riplay gefallen, und daran ändert ihr Tod nichts. Es ändert sich aber dadurch auch nichts an der Rechtsverfügung im Testament Ihres Vaters, die Ihnen das Recht zusichert, für den Rest Ihres Lebens auf der Plantage zu bleiben. Da sich das jetzt als problematisch erweisen könnte, weil Mr. Riplay nicht blutsverwandt mit Ihnen ist, habe ich ihm vorgeschlagen, Ihnen Ihren Anteil auszuzahlen. Hätte er meinen Vorschlag angenommen, dann wären Sie in der Lage für den Rest Ihres Lebens sorgenfrei zu leben, wo Sie es wünschen.«

»Mich… auszahlen!« June war nahezu sprachlos. Sollte er jetzt zu allem Überfluss auch noch die Plantage verlassen? Er sah Tanner aus großen, verschleierten Augen an. Das würde er ihm doch bestimmt nicht antun.

»Lass ihn ausreden, June«, riet ihm Tanner mit ruhiger Stimme. Mr. Samuels sah ihn kurz an und fuhr dann fort.

»Aber Mr. Riplay hat sich aus persönlichen Gründen, die ich nicht kenne, geweigert, diesen Weg einzuschlagen. Ich bin jedoch sicher, dass seine Gründe stichhaltig sind, wenn sie auch seinem eigenen Interesse direkt entgegen wirken und ich ihm genau genommen nicht zuraten kann. Der Weg, den er stattdessen gewählt hat, widerspricht meiner Auffassung nach seinen Interessen – aber natürlich bin ich nur hier, um Ratschläge zu geben.«

Mr. Samuels und seine weit schweifenden Sätze kamen nicht zu June durch. Er erfasste, dass Tanner es abgelehnt hatte, ihn auszuzahlen, und er fand, dass es gut war. Oder hatte er vor ihn ohne jede Entschädigung von hier zu vertreiben? Das würde er doch bestimmt nicht tun! Aber andererseits war er nicht der Mann, den June zu kennen glaubte. Dieser Mann war ein Fremder, und ihm war alles zuzutrauen.

»Was Mr. Samuels zu sagen versucht, ist, dass ich dir alles überschrieben habe, June. Mit allem Drum und Dran und ohne jegliche Bedingungen.« Tanner sah ihn mit dem Ausdruck an, mit dem eine Katze vor einem Mauseloch lauert. June runzelte die Stirn. Er hörte die Worte, aber er verstand sie nicht. Als er nichts sagte, fuhr er mit einem Anflug von Ungeduld fort. »Die Plantage gehört dir, und so hätte es schon immer sein sollen.«

June sah Mr. Samuels an.

»Verstehen Sie, was Sie soeben gehört haben, Mr. Johnson?«, fragte er ihn liebenswürdig, denn er glaubte zweifellos Junes Unverständnis sei auf seinen Kummer und seine Erschütterung zurück zu führen.

»Mr. Riplay hat auf alle Rechte an der Plantage verzichtet. Sie gehört Ihnen.«

June riss die Augen weit auf. Langsam wandte sich sein Blick Tanner zu. Dieser grinste ihn nicht an – aber das hätte er ebenso gut gleich tun können. In diesen himmelblauen Augen stand eine amüsierte Zufriedenheit.

»Ich muss schon sagen, dass das eine recht edle Geste ist«, fuhr Mr. Samuels kopfschüttelnd fort. »Und es bestand selbstverständlich keine Veranlassung für ihn, etwas derartiges zu tun. Alles ist an ihn gefallen. Legal und rechtskräftig. Aber er fand, angesichts des Umstandes, dass er erst vor kurzem auf die Plantage gekommen ist, sollte alles Ihnen gehören.«

Bewunderung und Respekt vor dem Mann, der auf eine Erbschaft wie diese Plantage verzichtete, waren deutlich aus Mr. Samuels` Stimme heraus zu hören. June zweifelte keinen Moment lang daran, dass sich dieser Beweis für Logan Riplays wahrhaft edelmütigen Charakter noch vor dem Abend des kommenden Tages im ganzen Yazoo-Tal herumgesprochen haben würde.

»Was für ein Gentleman er doch ist!«, würden alle sagen.

»Es gehört alles dir, June.« Logan sprach so sanft mit ihm, als glaubte er, er sei nur so schweigsam, weil seine noble Geste ihn überwältigt hatte.

June sagte immer noch nichts. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er ihn an, ohne ihn zu sehen. Dann betrachtete er ihn. In seinem gut geschnittenen schwarzen Anzug sah er von Kopf bis Fuß wie ein eleganter Gentleman aus, und noch dazu umwerfend gut, wie immer. Sein Ausdruck war ernst und nüchtern, doch in seinen Augen stand ein Schimmer, der June sagte, wie zufrieden er mit sich war.

In dem Moment ging ihm schlagartig auf, dass der Spieler das größte Risiko seines Lebens einging: er setzte mit einem einzigen Blatt alles aufs Spiel. Und aus dem Ausdruck, der in seinen Augen stand, war klar zu ersehen, dass er damit rechnete zu gewinnen.
 

***
 

Sich den Bauch haltend vor Lachen, stolperte June in sein Zimmer. Mühsam schnappte er nach Luft, während ihn die nächste Lachsalve schüttelte. Alle hielten ihn für hysterisch und June fragte sich, ob sie nicht recht hatten.

Doch er glaubte das nicht. Es war einfach alles nur so komisch. So übertrieben komisch, dass man schon hysterisch werden konnte.

Tanner hatte also geglaubt, wenn er ihm das eigene zu Hause überschrieb, könnte er June endgültig beweisen, dass er nicht mehr der Mitgiftjäger und Spieler war, der sich mit Lügen widerrechtlich in den Besitz der Plantage gebracht hatte, was? Was für eine meisterliche Strategie von seiner Seite!

Dazu musste er dem anderen wirklich gratulieren, wenn er wieder Luft bekam und reden konnte. Aber natürlich verlor ein Spieler genauso wenig den Blick für eine ganz große Chance, wie ein Leopard seine Flecken abgelegt hätte. Er musste wissen, dass seine Täuschung, sein Betrug, falls er herauskam – und June hätte ihn jederzeit bloßstellen können -, dazu führte, dass ihm die Plantage alles andere als sicher war.

Wahrscheinlich hätte er dann überhaupt nicht geerbt. Das sprach ihn allerdings weitgehend vom Mordverdacht frei. Aber andererseits zweifelte June nicht daran, dass er die Tat, falls er sie begangen hatte, in einem Wutausbruch und ohne vorherige Überlegungen begangen hatte. Und somit war er vielleicht nicht dazu gekommen, sich zu überlegen, dass er sich damit selbst den Geldhahn zudrehte.

So oder so – Cecile war tot und June wusste bereits, was für ein opportunistischer Schurke er war. Daher sah es ganz danach aus, als könnte er alles verlieren, was er unter so großen Mühen gewonnen hatte. Wie also sollte er es behalten? Klar, indem er es dem naiven, süßen, kleinen June schenkte, der von dieser Geste und allem, was daraus folgte, derart ergriffen war, dass er vor Liebe zu ihm schmelzen und überstürzt eine Lebensgemeinschaftserklärung unterschreiben würde, die zweifellos direkt auf den Fuß folgte.

Dann hatte Tanner Cloud, der miese Spieler, alles wieder an sich gebracht: Die Plantage und sein Ansehen. Und June war sicher, dass er diesmal alle notwendigen Schritte unternehmen würde, um sich abzusichern, dass seine Lebensgemeinschaft, was auch geschehen mochte, rechtskräftig war.

Einmal Mitgiftjäger, immer Mitgiftjäger. Aber diesmal hatte er sich selber reingelegt. June konnte kaum erwarten ihm das zu sagen.

Erschöpft ließ er sich auf sein Bett fallen. Tanner, der ihm dicht auf den Fuß gefolgt war, ließ sich auf der Bettkante nieder. Sein Gesicht war angespannt und besorgt, als er June sanft über die Stirn strich.

»Es wird alles gut werden, June«, murmelte er, und seine Hand streichelte einen Moment Junes Wange. Ehe der Blondschopf auch nur auf den Gedanken kam, seine Hand zur Seite zu schlagen und Tanner seine miesen Absichten ins Gesicht zu schleudern, betrat Dr. Crowell sein Zimmer. Jemand musste den Arzt wohl aus Sorge um ihn gerufen haben.

June lachte und keuchte immer noch. Tudi, die im Schlafzimmer ihres Schützlings keinen anderen bis auf den Arzt duldete, verscheuchte Tanner.
 

Aus der Dunkelheit im Zimmer und der Stille, die im Haus herrschte, schloss June, dass es spät am Abend sein musste, als er erwachte. Das Schlafmittel, das Cr. Crowell ihm gegeben hatte ließ in seiner Wirkung nach, aber es dauerte noch ein paar Minuten, bis er die Orientierung wieder gefunden hatte. Mit der Zeit fiel June wieder ein, was passiert war. Er stellte außerdem fest, dass er in seinem eigenen Bett lag. Von dem Faltbett am anderen Ende des Zimmers hörte er ein leises Schnarchen, und wusste, dass er nicht allein war. June stand auf und schlich sich auf Zehenspitzen an. Er fand Tudi vor, die fest schlief.

Die gute Tudi, die über ihren Schützling wachte.

June kehrte zu seinem Bett zurück, an dessen Fußende sein Morgenmantel lag. Er zog ihn über, schnürte den Gürtel fest und schlich sich auf leisen Sohlen aus dem Raum. Tudi glaubte an die Heilkräfte der frischen Nachtluft und hatte die Fenster selbst in der kühlen Novemberluft einen Spalt weit geöffnet. Durch den Fensterspalt drang der Geruch einer Welt , auf die Regen hinuntergegangen war, doch die Nachtluft wehte auch den würzigen Duft einer Zigarre ins Zimmer.

Tanner konnte anscheinend nicht schlafen und rauchte im Freien auf dem Balkon. June hatte vor, sich ihm dort anzuschließen.

Das Haus war schwach beleuchtet, und roch nach den Blumen, die noch von der Beerdigung stehen geblieben waren. Über alledem lag eine gespenstische Stille, als spürte das Haus in gewisser Weise, dass seine Herrin am Vortag gestorben war. Die Königin war tot. Lang lebe der König!

Die Tür zur oberen Galerie war angelehnt. June trat leise auf den Balkon hinaus und sah sich nach Tanner um. Er saß, wie schon öfter, auf dem Schaukelstuhl am hinteren Ende. Barfuß ging er auf den glitschigen, nassen Holzdielen auf ihn zu. Bisher hatte er ihn noch nicht bemerkt. Er schaukelte sachte, starrte in den Nieselregen und paffte seine Zigarre.

Als er sich schließlich zu ihm umsah, stockte die Hand, mit der er die Zigarre gerade zum Mund führen wollte und er riss die Augen auf. June wurde klar, dass er in seinem weißen Morgenmantel im Dunkeln des Balkons wie ein Geist erscheinen musste, solange er nicht dicht vor ihm stand. Diese Vorstellung behagte ihm und er lächelte.

Doch Tanners Panik hielt nicht lange an – falls es überhaupt Panik war. Nach wenigen Momenten erkannte er ihn und steckte die Zigarre zwischen seine Lippen.

»Hast du geglaubt ich sei Cecile?« Die Worte klangen spöttisch.

Tanner ging nicht auf seine Frage ein.

»Wieso bist du auf?«

»Ich habe deine Zigarre gerochen.«

Tanner sah ihn wieder an, und ein mattes Lächeln spielte um seine Mundwinkel.

»Dann wolltest du also zu mir kommen. Heißt das, dass du dich entschlossen hast, mir zu verzeihen und alles zu vergessen, June?«

»Es heißt, dass ich finde, wir sollten uns miteinander unterhalten.«

»Fang an.« Er zog wieder an seiner Zigarre.

»Was hältst du davon mir erst einmal zu sagen, ob du Cecile getötet hast, oder nicht?«

Er verzog die Lippen.

»So, darüber wollen wir uns also unterhalten, ja? Ich möchte dir eine Frage stellen, June: Was glaubst du?«

»Das ist keine Antwort.«

»Zu mehr bin ich nicht bereit. Ich bin im Moment nicht dazu aufgelegt, mich ins Kreuzverhör nehmen zu lassen.«

»Du wolltest, dass ich Richter Thompson belüge.«

»So, wollte ich das?«

»Ja. Du hast ihm selbst vorher erzählt, was ich ihm dann bestätigt habe.«

»Vielleicht wollte ich nur wissen, ob du mich trotz unserer Unstimmigkeiten genug liebst, um mich in Schutz zu nehmen und für mich zu lügen.«

»Das glaube ich nicht.«

»Was glaubst du dann?« Leichter Ärger spiegelte sich in Tanners Stimme. »Dass ich in zwei Tagen mehr als dreihundert Kilometer geritten bin, um vor dir hier zu sein, und dass ich mich auf dem Ritt entschlossen habe, einen kleinen Umweg einzulegen und meine Frau umzubringen?«

Das alles klang sehr unwahrscheinlich, doch June bohrte trotzdem weiter. »Du hättest hier vorbei kommen können, um dich umzuziehen, und dabei könntest du sie… mit… jemandem vorgefunden haben.«

June erinnerte sich noch lebhaft daran, wie wütend Tanner gewesen war, als er Cecile mit Seth Chandler erwischt hatte. Damals hatte er ihr angedroht, sie umzubringen – und er hatte den Eindruck gemacht, als sei er durchaus in der Lage, seine Drohung wahr zu machen.

»Ja, das könnte sein.«

»Warum kannst du meine Frage nicht einfach beantworten.« Erbittert ballte June die Hände zu Fäusten.

»Weil ich deine Fragen satt habe.«

Damit stand Tanner auf, warf die Zigarre über das Geländer und packte June an den Oberarmen, ehe er auch nur einen Schritt zurückweichen konnte.

»Genaugenommen habe ich das Reden überhaupt satt. Komm mit mir ins Bett, June.«

»Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein!«

»O doch, das kannst du mir glauben. Es ist mein voller Ernst.«

»Wir haben Cecile heute erst begraben!«

»Ich habe sie nicht geliebt und du auch nicht. Sei nicht so scheinheilig, Kleiner.«

»Ich und scheinheilig!« Wut loderte in June hoch und seine Augen sprühten Funken.

»Aber wenigstens bist du ein sehr hübscher kleiner Heuchler.«

Ehe June auch nur ahnte, was der andere vorhatte, hab er ihn auf die Arme und trug ihn über den Balkon.

»Lass mich runter!«

Tanner trug ihn ins Haus.

»Psst! Sonst weckst du noch Tudi. Überleg dir nur, wie schockiert sie wäre, wenn sie wüsste, dass ich dich gerade in mein Bett trage.« Es klang amüsiert und das brachte June noch mehr auf.

»Ich will nicht mit dir ins Bett gehen!«, fauchte er aber dennoch mit gesenkter Stimme.

Ungerührt bog Tanner in den Flur ein, der zu seinem Schlafgemach führte. »Eins habe ich gelernt, mein Süßer, nämlich, dass du wahrhaftig nicht weißt, was, zum Teufel, du willst.«

Dann senkte er den Kopf, um ihn auf die Lippen zu küssen. June versuchte gar nicht erst sein Gesicht abzuwenden. Plötzlich ging ihm die Wahrheit auf: Das, genau das, war es, weshalb er sich zu dem Mann auf den Balkon hinausgeschlichen hatte. Sein gequältes Herz lechzte nach den Küssen dieses Halunken, stellte der Blondschopf fest, als dessen Mund seine Lippen fand. Sein Körper verzehrte sich danach, von ihm berührt zu werden.

Am nächsten Morgen war es immer noch früh genug, um das zu tun, was er zu tun hatte. Er würde Tanner zwingen, Farbe zu bekennen. Aber heute Nacht würde er dieser teuflischen Versuchung noch ein letztes Mal nachgeben.

Als Tanner ihn durch die Tür zu seinem Schlafzimmer trug, schlang ihm June die Arme um den Hals und küsste ihn.

»Du weißt selbst, dass du mich liebst, June«, murmelte er dicht an seinem Ohr und brachte den Blondschopf zum Keuchen, als er die zarte Stelle hinter dessen Ohr küsste. Dann suchte er wieder Junes Lippen und der Kleinere hatte keine Chance etwas darauf zu erwidern. Mit dem Stiefel stieß er die Tür hinter ihnen zu, wo sie mit einem leisen Klicken ins Schloss fiel.

Was sich zwischen ihnen abspielte, war wollüstig, wild und großartig, und es war beschämend und beseligend zugleich. Tanner ließ keinen Zentimeter seines Körpers unerforscht, und er bestand darauf, dass June ihm alles nachmachte. Als er ihn endlich schlafen ließ, zog bereits das erste Licht der Dämmerung am Himmel auf.

June schlief nicht lange, kaum mehr als eine Stunde, doch als er die Augen aufschlug, war der Himmel vor den Schlafzimmerfenstern, die keine Gardinen hatten, leuchtend orangerot. Tanner war bereits wach, saß im Bett, war bis auf die Decke, die er sich auf den Schoß gezogen hatte, nackt und rauchte eine seiner Zigarren. Als June sich wie eine zufriedene Katze an seiner Seite streckte, stand Besitzerstolz in seinen Augen.

»Ach du meine Güte!! Ich muss sofort wieder in mein Zimmer gehen. Tudi ist wahrscheinlich schon wach.« Als er plötzlich merkte, wie hell es schon geworden war, ruckte June in eine sitzende Position. Er war nackt. Seine Knospen waren immer noch ganz rosig, weil Tanners Bartstoppeln ihn gekratzt hatten und seine Lippen waren leicht angeschwollen von seinen Küssen. Die blonden Locken standen ihm Wirr vom Kopf ab und als er sich erhob, spürte er es Puckern an seinem Hintern, was deutlich machte, wie schamlos er es mit dem anderen getrieben hatte.

»Wenn sie allzu empört ist, kannst du ihr immer noch sagen, dass du jetzt zu mir gehörst und wir eine Lebensgemeinschaft gründen.«

June erstarrte. Er wandte den Kopf um und sah ihn an, ohne etwas darauf zu antworten. Er war so schlank und breitschultrig, und seine Haut nahm sich so dunkel gegen die weißen Laken aus, dass es June wieder mal den Atem verschlug. Das schwarze Haar, die blauen Augen und sogar die rotglühende Spitze der Zigarre – er verkörperte einfach alles, was er sich immer erträumt hatte.

Würde er sich von Tanner Cloud derart blenden lassen, dass er ihm alles auf einem silbernen Tablett offerieren würde, was er durch Tricks, Betrügereien und Listen hatte an sich bringen wollen?

June stieg aus dem Bett, fand seinen Schlafanzug dort, wo er ihn auf den Boden geworfen hatte und zog ihn sich an. Dann schlüpfte er in den Morgenmantel.

»Soll das ein Antrag sein?«

»Nun.. du bist zwar keine Frau und offiziell können wir nicht heiraten, aber ja. Nimmst du ihn an?«

Der Laut, der über Junes Lippen kam, war die glaubwürdige Nachahmung eines Lachens.

»Ich mag zwar dumm sein, das gebe ich selbst zu, aber so dumm bin ich nun doch nicht, mit einem Mann eine Lebensgemeinschaft zu gründen, der ein Mitgiftjäger ist, wenn ich selbst gerade ein Vermögen an mich gebracht habe… Du hast mir die Plantage überschrieben. Das war äußerst großzügig von dir, wenn man den Umstand bedenkt, dass deine Ehe mit meiner Stiefmutter wahrscheinlich nicht rechtskräftig war. Und jetzt willst du dich mit mir zusammen tun, um alles wieder zu bekommen! War die letzte Nacht dazu gedacht, mich zu einer Einwilligung zu überreden? Wenn ja, dann ist es dir nicht gelungen. Da du so entgegenkommend warst, mir wiederzugeben, was ohnehin mir gehört, wünsche ich sogar, dass du noch heute von meinem Grund und Boden verschwindest.«

Tanner erstarrte. June, der ihm in die Augen sah, bemerkte das Aufblitzen. Dann verschwanden alle äußeren Anzeichen darauf, was er empfand hinter einem Vorhang aus silberblauem Eis.

»Wenn du dir unbedingt ins eigene Fleisch schneiden willst, dann mach nur. Und jetzt solltest du teuflisch schnell aus meinem Zimmer verschwinden, denn andernfalls könnte es gut sein, dass ich die Selbstbeherrschung verliere und dem neuen Herrn der Plantage einen kräftigen tritt in den Arsch verpasse.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  ReinaDoreen
2022-01-31T16:19:36+00:00 31.01.2022 17:19
Vielleicht geschieht ja noch mal ein Wunder und es kommt ein neues Kapitel.
LG reni
Von:  MidgaBelmont
2021-01-02T12:55:17+00:00 02.01.2021 13:55
Ich hatte nicht mehr damit gerechnet das es mit der Story weiter geht und eher zufällig noch mal reingeschaut weil ich sie noch einmal lesen wollte. Umso größer war die Freude, ein neues Kapitel vorzufinden!
Ich hoffe wirklich das du die Geschichte irgendwann noch zu ende schreibst. Sie ist nämlich wirklich wirklich gut!
Der Plot ist packend und dein Schreibstil weiß einen sofort mitzunehmen. Eine der wenigen Geschichten aus Fanforen, die ich mir sogar als Buch kaufen würde.
In dem Sinne ein gesundes neues Jahr mit einer fleißigen Muße.
lg Midga
Von:  ReinaDoreen
2018-04-16T13:16:52+00:00 16.04.2018 15:16
Das es hier noch mal mit einem neuen Kapitel weitergeht, habe ich nicht mehr geglaubt.
Deshalb freue ich mich sogar doppelt.
Vielen Dank.
reni


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