Der Beginn
Der Klang meines Telefons riss mich unsanft aus dem Land meiner Träume. Verwirrt und schlaftrunken tastete ich im Dunkel nach meinem Nachtlicht, nach einer gefühlten Ewigkeit berührte ich endlich die kühle Fläche des Fußes und arbeitete mich von dort ausgehend zum Schalter vor.
Endlich Licht.
Mechanisch rutschte ich weiter an die Bettkante heran um mich aus meinen schönen warmen Decken zu schieben, mein Körper fühlte sich dabei eigenartig schwer und fremd an. Endlich hatte ich Boden unter den Füßen und stolperte Richtung Flur. Dabei wich ich ein paar Kisten mit Kleidern aus, welche eigentlich das einzige waren was sich bisher in meinem kleinem Schlafzimmer befand.
Das Telefon klingelte schier unermüdlich weiter, anscheinend war es etwas sehr wichtiges was mir gleich durch den kleinen schwarzem Hörer mitgeteilt werden sollte. Im Dunkel des Flurs sah ich den kleinen Display des tragbaren Hörers Leuchten, als ich mein Ziel erreichte wurde eine seltsam lange Nummer angezeigt. Ich konnte aus dieser Kombination weder die Vorwahl noch die sonstige Herkunft erschließen und so beschloss ich den Anruf ohne mir weitere Gedanken zu machen entgegen zu nehmen.
Meine Finger fühlten sich taub an und zitterten noch leicht vom plötzlichem Erwachen als ich den kleinen Knopf drückte und leise “Jessica Valentine” in den Hörer sagte. Da meine Orientierung momentan nicht für eine genaue Bestimmung der Urzeit ausreichte verzichtete ich auf einen genaueren Gruß. Die Stimme am anderem Ende entschuldigte sich freundlich und stellte sich als irgendein Doktor vor, nun wurde mir auch der Grund für die lange Zahlenkombination immer klarer. Mein Gegenüber sprach in freundlichem und irgendwie mitleidigem Englisch. Ich brauchte wenige Augenblicke um mein Sprachdenken zu wechseln und die ruhigen Worte meines Gesprächspartners zu verstehen.
Zunächst dachte ich es läge eine Verwechslung vor, als mir berichtet wurde, dass meine Großmutter soeben in einem Krankenhaus verstorben sei.
Leicht benommen schüttelte ich den Kopf und hoffte darauf zu erwachen, mein Körper fühlte sich taub und kalt an als ich zu realisieren begann, was die junge Stimme mir offenbart hatte.
Ich musste länger geschwiegen haben als mir bewusst war, die leise Stimme fragte sanft “Miss Valentine, ist alles in Ordnung?”, etwas unmädchenhaft zog ich die Nase hoch und als ich antwortete klang meine Stimme schwach, ich weinte. “Tut mir leid” begann ich “Es kommt so plötzlich....”, ich schwieg wieder. Ein paar unglaublich zähe Sekunden vergingen in denen ich wie benommen mit tränenden Augen auf die kleinen hellen Zahlen meines Weckers ins Schlafzimmer hineinstarrte.
3.42Uhr.
Die freundliche Stimme meldete sich wieder “Sie hatte gebeten Sie zu verständigen, da Sie die einzige sind die sie noch hatte. Sie gab uns ihre Nummer. Ich entschuldige mich nochmals für die späte Störung...”.
Einen Moment lang verfluchte ich mich dafür, dass ich meine alte Nummer bei diesem Umzug behalten hatte , aber fast im selbem Moment wurde mir klar, dass es nichts geändert hätte, wenn ich eine neue Nummer gehabt hätte. Sie hätten mich einfach nicht erreichen können.
Ich rieb mir die Augen und war unsicher was ich nun tun sollte, denn für einen Scherz war die ganze Situation zu makaber und nur um mich mitten in der Nacht zu erschrecken rief sicher kein fremder aus Amerika an. So bedankte ich mich so förmlich wie möglich bei dem Anrufer, dafür, dass er die Mühe auf sich genommen hatte mich zu benachrichtigen. Es hätte ja wohl nicht jeder in Deutschland angerufen nur um zu erzählen, dass eine alte Frau gestorben war.
Nach ein paar weiteren, aufbauend freundlichen Worten des anderen legte ich auf.
Zitternd sank ich an der Wand herab und zog meine Beine an den Körper, mit der linken Hand fuhr ich mir durchs Haar rieb mir anschließend durchs Gesicht.
Das kann einfach nicht wahr sein. Warum?
Ja, warum eigentlich? Meine Großmutter war für ihr Alter sehr fit gewesen, hat sich gesund ernährt und regelmäßig Spaziergänge gemacht. Mein Magen zog sich zusammen, als ich daran dachte wohl nie wieder in die USA zu fliegen und sie in dem kleinem Örtchen Queets zu besuchen. Ich hatte bisher jeden Sommer meines Lebens in dem Herrenhaus im Wald verbracht, selbst als ich mich mit meinen Eltern so sehr verstritt, dass ich offiziell nicht mehr existierte, bezahlte meine Großmutter mir den Flug, damit ich sie besuchen konnte.
Ich atmete tief durch und schob meinen Körper an der Wand hoch. Nochmals rieb ich mir die Augen und schlurfte mit hängenden Schultern ins Schlafzimmer. Müde ließ ich mich auf mein Bett sinken und saß einfach nur da. Mit einem leisem Schluchzen blickte ich auf die Umzugskartons, welche ich noch nicht ausgepackt hatte und versuchte mich damit zu trösten, dass mein Leben weitergehen musste.
Ich ließ mich zurück auf die Matratze sinken und kugelte mich unter meiner Decke ein, trotzdem wollte die Kälte nicht weichen und ich weinte mich in einen unruhigen Schlaf.
In meinem Traum sah ich meine Großmutter, sie war freundlich und lachte. Sie saß auf der Veranda des kleinen Hauses im Wald, alles war gut.