Sanft und leise
Nieselregen. Er fällt ganz sacht und unbeachtet, und doch bist du ehe du dich versiehst völlig durchnässt.
Genauso war es bei mir mit der Liebe. Ich dachte immer, die Liebe käme mit einem großen Knall und ich würde es sofort wissen, aber das stimmte nicht. Die Liebe kam sanft und leise und ohne, dass ich es bemerkte, war ich doch völlig von ihr eingenommen.
Meine Geschichte fängt völlig unspektakulär an. In unserer Klasse war ein neuer Schüler und letztendlich war es wohl meiner besten Freundin Rebecca zu verdanken, dass er in unsere Clique kam. Sie war schon immer ein aufgeschlossener Mensch gewesen, der auf jeden einfach zu ging, und da es ihr nicht gefiel, wenn er alleine auf dem Schulhof stand, schleppte sie ihn immer mit. Wir anderen hatten nichts dagegen. Pascal war nett und passte auch irgendwie zu uns. Alles in allem war er ein ganz normaler Junge, der mir wahrscheinlich nie besonders aufgefallen wäre. Man konnte sich gut mit ihm unterhalten und er hatte ungefähr die gleichen Interessen wie ich. So kam es, dass wir öfter mal auch ohne den Rest der Clique etwas unternahmen.
Damals hätte ich nie geglaubt, dass es mehr werden könnte als Freundschaft, denn ehrlich gesagt war Pascal auch nicht der Typ Mann, in den ich mich sonst verguckte. Natürlich, er sah schon gut aus, und von Anfang an mochte ich seine nussbraunen Wuschelhaare; auch charakterlich passte er zu mir, aber irgendwie war es trotzdem nicht so, dass ich andere als freundschaftliche Gefühle für ihn hatte.
Wann das anfing, sich zu ändern, weiß ich schon gar nicht mehr. Irgendwie war unser vertrauter Umgang von Anfang an selbstverständlich gewesen. Wenn wir zusammen einen Film schauten, kuschelten wir auf dem Sofa und wenn ihm in der Pause kalt war, kam er zu mir, um sich wärmen zu lassen. Natürlich schliefen wir auch in einem Bett, wenn wir beim anderen übernachteten, was nicht gerade selten der Fall war.
Rebeccas seltsames Lächeln, wenn sie uns beobachtete, ignorierte ich einfach, oder vielleicht fiel es mir damals auch einfach nicht auf.
Eines Abends lagen wir wie sooft auf meinem Bett und ich spielte abwesend mit seinen Haaren, die mir so gefielen, als er mich plötzlich leise fragte: „Darf ich dich küssen?“
Überrascht sah ich ihn an, doch als ich den warmen Ausdruck in seinen Augen bemerkte, musste ich unwillkürlich lächeln. Ich beugte mich das kleine Stück, das uns noch trennte, vor und küsste ihn sanft mit geschlossenen Augen. Als er den Kuss erwiderte, explodierten kleine Glücksfeuerwerke in meinem Bauch und ich fragte mich, wie ich die ganze Zeit so blind hatte sein können.
Ein paar Tage später gingen wir Hand in Hand von der Schule nach Hause. Auch etwas, das wir schon lange vor der Entdeckung meiner Gefühle getan hatten.
Es regnete und Pascal meinte: „Nieselregen ist deprimierend!“
Ich jedoch konnte nur lächelnd den Kopf schütteln. „Nein, er ist wie du.“
„Was?“ Überrascht und etwas empört sah er mich an und ich lächelte immer noch. „Ja. Sanft und leise und ohne, dass ich es bemerkt habe, hast du mich völlig für dich eingenommen.“
Jetzt lächelte er auch. „So habe ich das noch nie betrachtet…“
Ja, Liebe muss nicht immer mit einem großen Knall kommen. Manchmal ist Liebe ganz leise. Wie Nieselregen.