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Hard to say

ZoSa
von

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A very bad day

Vorwort:
 

Liebe Janachen2811: Ich danke Dir für deinen ewigen Ansporn und deine Geduld, das Wochenende bei Dir (im rosa Zimmer) und selbstverständlich auch den Eisbecher. Dafür kriegst du, wie versprochen, endlich neuen Lesestoff. Ich hoffe, du verzeihst mir die lange Wartezeit.
 

Und nun viel Spaß!
 


 

Mit quietschenden Reifen fuhr Trafalgar vom Krankenhausparkplatz.

Er störte sich nicht daran, dass sein großer Geländewagen leicht nach hinten ausbrach.

Zu viele andere Gedanken schwirrten in seinem Hirn umher.

Ihm fiel es schwer, zu glauben, was er soeben erfahren hatte.
 

Zoro tot?

Nein. Niemals.

Das konnte einfach nicht sein.

Er konnte doch nicht einfach so verschwinden.

Abhauen, ohne ein Wort zu sagen.

Aufgeben, ohne zu kämpfen.

Das war nicht Zoro, wie er ihn eigentlich kannte.

Nein.
 

Mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit fuhr er durch die Straßen.

Er achtete auch nicht darauf, wohin er fuhr.

Irgendwann trat er einfach nur auf die Bremse.

Ignorierte das wütende Hupen hinter sich.

Die schreienden Autofahrer, die im Vorbeifahren laut und deutlich fluchten.

Er stellte den Motor ab und legte seinen Kopf aufs Lenkrad.

Schloss seine Augen und spürte die heiße Feuchtigkeit auf seinen Wangen, die sich langsam einen Weg nach unten suchte und auf den Autoteppich tropfte.

Einige Minuten später hob er seinen Kopf wieder und fuhr sich mit der Hand über sein tränenverschmiertes Gesicht.

Er blickte sich um und stockte.

Er stand genau vor ihrer Halle.

Ihrem gemeinsamen Projekt.
 

Gott, Zoro, wie kannst du nur!?
 

Er fasste in seine Hosentasche und zog den kleinen, silbernen Schlüssel für die Halle hervor.

In diesen waren drei Schwerter eingraviert.

Das sollte auch als Logo für die Sporthalle dienen.
 

Und an dem Schlüssel hing ein Miniaturschwert mit schwarzem Griff.

Zoros Idee.

Eine Spezialanfertigung.

Sein ängstlicher Freund Usopp hatte diese angefertigt.

An Zoros Schlüssel baumelte ein ebensolches Schwert – nur mit einem weißen Griff.
 

Trafalgar zog den Autoschlüssel ab, stieg aus und verschloss das Auto.

Langsam setzte er sich in Richtung der Halle in Bewegung.

Bilder blitzten vor seinem inneren Auge auf.
 

Zoro – vom Training verschwitzt, erschöpft, aber glücklich lächelnd, das weiße Schwert dabei wie eine Trophäe haltend.
 

Sanji – wie er Zoro als Kindskopf betitelte.

Zoro – der ihn nur frech angrinste und die Schultern zuckte.
 

Sich selbst und Zoro – wie sie sich über die Baupläne beugten und diskutierten. Entschlüsse fassten und ihr Projekt voran trieben.
 

Wie sollte es nun weitergehen?
 

Das verzeih ich dir niemals, Alter.

Wie konntest du nur!?
 

Mechanisch hatte er die Tür aufgeschlossen und hinter sich wieder verriegelt.

Nun stand er in der großen, leeren Halle und fühlte sich mehr als nur einsam.

Kurz flackerte das Bild des blonden Kochs vor ihm auf.

Ob er ähnlich empfand?

Die Leere in ihm sogar noch tiefer war?

Er hatte nur einen Freund verloren – Sanji hingegen seinen Lebensinhalt.
 

Doch auch für Trafalgar war Zoro etwas ähnliches.

Der Mann hatte ihn angetrieben.

Zu Höchstleistungen angespornt.

Und jetzt sollte das alles auf einen Schlag nicht mehr sein?

Trauer mischte sich mit Unglaube und Wut.

Dieser miese Kerl, der sich zwischen Zoro und Sanji gedrängt hatte, war doch an allem Schuld.

Vielleicht sollte man dem mal einen Besuch abstatten.
 

Schalt mal einen Gang zurück.

„Was soll ich denn tun, Zoro?“

Verzweiflung fand sich in seiner Stimme.

Geh rational an das Problem.

„Rational?“

Schwertkämpfer leben nach bestimmten Grundsätzen. Emotionen sind im Kampf hinderlich.

„Du kämpfst doch auch nicht mehr. Wie kannst du so was sagen?“

Trafalgar sah das schiefe Lächeln vor seinem inneren Auge.

Irgendwie war es absurd, dass er mit seinen eigenen Gedanken diskutierte.

Fahr zu meinem Kleinen, Trafalgar. Hindere ihn an dem Blödsinn, den er vorhat.

„Blödsinn?“

Fahr zu ihm. Bitte!
 

Trafalgar schluckte, stand noch einen Augenblick in der Halle, die grauen Augen an die Decke gerichtet.
 

Bitte!
 

Dann wirbelte er herum, schloss in aller Eile auf und wieder zu und stürmte zu seinem Auto.

Und wieder einmal bretterte er durch die Straßen, ohne Rücksicht auf alle anderen Verkehrsteilnehmer.
 

Ein schwarzer Haarschopf kreuzte unterwegs seinen Weg.

In diesem Moment setzte Trafalgars Denken aus.

Vergessen war die eindringliche Bitte, nach Sanji zu schauen.

Er riss das Lenkrad herum und hielt auf den jungen Mann zu, der gerade die Straße überquerte.

Das Aufschreien der Umherstehenden schien aber wie ein Warnsignal zu funktionieren.

Ebenso, wie die quietschenden Reifen, als Trafalgar das Gaspedal durchtrat.

Es führte jedenfalls dazu, dass der Fußgänger sich mit einem Hechtsprung auf die andere Straßenseite rettete.
 

„Bleib stehen, du elender Verbrecher!“ schrie Trafalgar.

Er war blind vor Wut, sah nur noch diesen schwarzhaarigen Kerl davon laufen.

Durch eine enge Gasse rannte dieser.

Eine schmale Straße, die Trafalgar mit seinem Auto nicht befahren würde, es sei denn, er wollte den Wagen gleich verschrotten.
 

Bitte!
 

„Zoro.“ Trafalgar biss sich auf die Unterlippe, riss das Lenkrad herum und wollte den Weg zu Zoros und Sanjis Wohnung einschlagen.

Allerdings hinderten ihn drei Polizeifahrzeuge daran.

Denn die blockierten seinen Weg. Mehrere Waffen waren auf ihn gerichtet, machten ihm deutlich, was er eben getan hatte.

Und was er zu tun bereit gewesen wäre.

Wenn er ehrlich war, war er noch immer dazu bereit, den Typen umzubringen.
 

Das macht mich nicht wieder lebendig.
 

„Ich weiß“, schluchzte der junge Mann, verlor nun den letzten Rest seiner Selbstbeherrschung und ließ seiner Trauer freien Lauf.

Die Polizisten schauten recht ratlos, wussten nicht, was sie davon halten sollten.

Doch sie hielten die Waffen auch weiter im Anschlag.

Einer traute sich weiter vor, öffnete vorsichtig die Autotür.

Packte ihn am Arm und zerrte ihn unsanft aus dem Auto.

„Du kommst jetzt mit uns, Meister“, brummte er und hatte Trafalgar mit einer schnellen Bewegung Handschellen angelegt.

Trafalgar folgte den Befehlen des bulligen Polizisten, ließ sich in dessen Auto verfrachten und aufs Revier bringen.

Dort sperrten sie ihn in einen trostlosen, quadratischen Raum ohne Fenster.

Lediglich ein Tisch und ein Stuhl befanden sich darin.

Wenigstens seine Handschellen war er wieder losgeworden.

Nachdem er ungefähr eine halbe Stunde auf und ab getigert war, blieb er stehen und lehnte sich an die Wand.

Langsam rutschte er an ihr herunter, zog die Knie an seinen Körper und legte seine Arme darauf ab.

Den Kopf vergrub er in seinen Armen.

Immer wieder zog das Bild seines lächelnden Freundes durch seine Gedanken, doch es munterte ihn nicht auf.

Eher das Gegenteil war der Fall. Es deprimierte ihn.

Erinnerte ihn daran, wie vergänglich das Leben war.

Wie schnell ein Leben erlosch.

Nach und nach sickerte die Erkenntnis bei ihm durch.

Sein bester Freund war tot.

Hatte ihn allein zurückgelassen.
 

Nur Erinnerungen waren ihm geblieben.

Ein paar Bilder – Videos mit ihren Trainingskämpfen.

Die Aufnahmen der Turniere, an denen Zoro teilgenommen hatte.
 

Wie konnte er – als Schwertkämpfer – überhaupt ein solches Bild abgeben?

Jämmerlich.

Am Boden.

Am Ende.

Keinen Funken Stolz mehr.

Zoro wäre nicht davon angetan, würde er ihn so sehen.

Es wurde Zeit, dass er sich aufraffte.
 

In der Zwischenzeit hatte sich die Tür geöffnet und eine junge, dunkelhaarige Frau betrat den Raum.

Ihre schwarzen Haare reichten ihr bis knapp über die Schultern und wurden von einem Band zusammengehalten.

Die schwarzen Augen musterten den Mann am Boden und doch schwieg sie.

Sie hatte sich auf den Stuhl gesetzt und die Beine übereinander geschlagen.
 

„Wer sind Sie?“ knurrte Trafalgar. Er hasste es, beobachtet zu werden.

Er hasste sich sowieso schon dafür, dass er ein jämmerliches Bild bot.

Aber musste es jeder wissen?

„Mein Name ist Marie“, antwortete sie und lächelte freundlich.

„Ich bin Polizeipsychologin.“

Trafalgar schnaubte verächtlich.

Er brauchte doch keinen Psychologen.

„Was wollen Sie?“ Sein Ton war nicht wirklich sehr freundlich, das kümmerte ihn aber nicht.

„Mit Ihnen sprechen“, erwiderte sie.

„Die Luft können Sie sich sparen, ich habe nichts zu sagen.“

„Sie verraten mir dann wohl auch nicht, wie Sie heißen? Oder warum Sie da unten sitzen?“

Trafalgar schnaubte abermals, schwieg beharrlich.

Er wusste, dass diese Marie ihn beobachtete, ziemlich genau sogar.

Er hasste sich für jede einzelne Zuckung und Bewegung.

Hatte das Gefühl, dass ihre Augen bis auf den Grund seiner Seele schauen konnten. Er bildete sich ein, dass sie wusste, was in ihm vorging. Dass sie von der Trauer wusste, die er mit sich herumtrug.

Aber woher hätte sie das wissen sollen?

Warum saß hier überhaupt eine Psychologin und wollte ihn ausquetschen?

Das, was er getan hatte, fiel doch eher in die Sparte Verkehrsverstoß.

„Warum sitz ich überhaupt hier?“ fragte er dreist. „Bin doch bloß ein wenig zu schnell gefahren.“

Marie musterte den jungen Mann vor sich noch genauer, machte sich einige Notizen. „Sie haben versucht, einen Passanten zu überfahren“, erklärte sie geduldig. „Das wird als Mordversuch gewertet, wenn Sie Pech haben.“ „Na und?“ fuhr Trafalgar die Frau an. „Er hat meinen Freund umgebracht.“
 

Nach dieser nur geflüsterten Aussage biss er sich gewaltsam auf die Unterlippe und versteckte seinen Kopf wieder in seinen Armen. „Wenn das so wäre, dann würde er jetzt im Gefängnis sitzen.“

Als wüsste er das nicht selbst. „Er hat ihn umgebracht“, wisperte er erneut.

„Wollen Sie mir nicht erzählen, was passiert ist?“ Marie hatte nur sehr leise gesprochen, lächelte ihn leicht an. Doch stur, wie er war, schüttelte er nur seinen Kopf.

Wobei er auch nicht unbedingt im Knast versauern wollte.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, was er getan hatte. Wozu er imstande war.

Abgründe taten sich in ihm auf. Abgründe, von denen er nicht wusste, dass sie da waren.

Er war bereit gewesen, Zoros Tod zu rächen.

Auf seine eigene Weise.

Aber das war doch nicht der Weg eines Schwertkämpfers.

Überhaupt hatte sein Verhalten nichts mehr mit dem Kodex zu tun, nach dem er eigentlich lebte.

Nach dem auch Zoro gelebt hatte.
 

„Zoro.“

Er hatte den Namen seines Freundes nur geflüstert.

Und doch hatte sich die Psychologin den Namen sofort notiert und schaute den Mann in der Ecke an.

„Sie reden von dem Unfall mit Fahrerflucht“, stellte sie fest.

Stumm nickte Trafalgar, unfähig, etwas zu sagen.

Er wollte auch nichts sagen.

Dieses eine Wort – Zoros Name – war schon zuviel gewesen.

Da konnte sie bestimmt Rückschlüsse ziehen.

Sie musste sich dazu ja nur in Zoros Freundeskreis umhören. Da gab es durchaus Leute, die kooperativ waren. Kooperativer als er.

Blicklos starrte er vor sich hin, zog sich in sich selbst zurück.

„Sie scheinen mir ein vernünftiger Mensch zu sein.“

Trafalgar brummte, ob dieser Aussage nur leise.

Wozu war Vernunft noch gut, wenn einem der beste Freund genommen worden war?

Der Lebensinhalt? Ohne Zoro an seiner Seite ging doch ihr größtes Projekt auch nicht weiter.

Zoro war schließlich der treibende Keil gewesen, er hatte die Pläne. Nur das wenigste schriftlich, das meiste in seinem Kopf. Und das bisschen Schriftkram auf den Papieren konnte kein Mensch entziffern.

Das meiste war dahingeschmiert und nicht lesbar. Für niemanden. Außer für Zoro.
 

Er hörte ein ersticktes Keuchen und blickte auf.

Die Psychologin saß noch immer auf ihrem Platz, einen Block vor sich, einen Stift in der Hand und ihn musternd. Woher kam dieses Geräusch?
 

Sanji.

Sanji!?

Der war doch gar nicht hier.

Mittlerweile müsste der doch zuhause sein.

Trafalgar hielt den Atem an.

Du wolltest ihn aufhalten.

Die Stimme hörte sich ziemlich verzweifelt an.

Sanji.

Ich hab dir den Kleinen anvertraut.
 

„Zoro“, wisperte Trafalgar und schlug sich die Hand vor den Mund.

Vor langer Zeit hatte er ihm versprochen, auf Sanji aufzupassen, falls ihm jemals etwas zustoßen sollte.

Und das hatte er jetzt gebrochen.

Er saß in dieser…Kammer, bewacht von einer Frau, die er nicht kannte.

Was mit Sanji war, wusste er gleich gar nicht.

Das Geschluchze seines besten Freundes in seinen Gedanken verursachte Übelkeit in ihm. Er hatte versagt – auf ganzer Linie.

Was war sein Leben überhaupt noch wert?
 

Ihm wurde eine Decke um die Schultern gelegt.

Erst jetzt registrierte er, dass er zitterte. Er hob seinen Kopf und blickte in zwei dunkelbraune Augen. In diesen spiegelte sich Sorge wider. Sorge um ihn. Aber warum? Das verstand er nicht.

Marie saß vor ihm und zog die Decke zurecht. Dann streckte sie ihm die Hand hin.

„Kommen Sie, Sie gehören hier nicht hin. Hier ist es viel zu kalt. Lassen Sie uns gehen.“

Verständnislos starrte er die junge Frau vor sich an. Nur langsam kam Bewegung in ihn. Mit der linken Hand hielt er die Decke fest und mit der rechten griff er zögerlich nach der zarten Hand, die noch immer vor ihm schwebte.

Was hier gerade ablief, entzog sich ihm komplett.

Doch er war nicht in der Lage, zu widersprechen.

Folgsam trottete er der Psychologin hinterher, kümmerte sich nicht um die Blicke, die auf ihm lagen.

Immerhin gingen sie hier geradewegs quer durch das Polizeipräsidium.

Dem folgte ein kaltes, steiniges Treppenhaus. Sie gingen hinauf und blieben vor einer dunkelrot gepolsterten Tür stehen.

Marie steckte einen Schlüssel ins Schloss, drehte ihn herum und schob Trafalgar vor sich her, direkt hinein.
 

Aufmerksam schaute er sich um, ließ dabei die Decke von seinen Schultern gleiten.

Er stand in einem hellen, freundlichen Raum. An einer Wand stand ein riesiges Bücherregal, direkt davor eine große Ledercouch. Neben dem Regal, gesäumt von orangefarbenen, aber dennoch durchsichtigen Vorhängen, war eine Fensterfront, die einen grandiosen Ausblick auf die Stadt bot. Aus dieser Perspektive hatte er seine Heimatstadt noch nie gesehen.

Vor den Fenstern stand ein Schreibtisch, aufgeräumt. Lediglich ein Telefon und eine Lampe waren darauf zu finden. Der Raum war ausgelegt mit Holzfußboden, wobei in der Mitte ein heller, weicher Teppich lag. Trafalgars Blick wanderte wieder zurück zu der Couch. Sie war verlockend, rief förmlich nach ihm.
 

Marie bemerkte das auch und schob ihn sanft in die Richtung. „Schauen Sie sich ruhig um“, forderte sie ihn auf. Langsam tapste er durch das Zimmer, ging am Schreibtisch entlang. Mit einem Finger fuhr er über das glatte Holz, wanderte dann weiter zum Fenster. Er riskierte einen Blick nach draußen, sah die vielen Hochhäuser, die sich in der ganzen Stadt erhoben. Man konnte ziemlich weit schauen, was ihn vermuten ließ, dass dieses Zimmer im obersten Stockwerk dieses Gebäudekomplexes liegen musste.

Warum, zum Teufel, stand er eigentlich in diesem Raum dumm herum und bewunderte die Aussicht!?

Er drehte sich zu Marie um. Die saß inzwischen in einem großen Ledersessel, die langen Beine übereinander geschlagen. „Was soll ich hier?“ fragte er. „Es steht Ihnen frei, zu gehen“, antwortete sie und deutete auf die Tür.
 

Kurz dachte er tatsächlich darüber nach, hielt aber doch inne. Er drehte sich zum Fenster zurück, starrte nach draußen.

Was dort vor sich ging, sah er nicht.

Sein Blick hing an seinem Spiegelbild im Fenster.

Graue, traurige Augen sahen ihn an, seine Haare standen chaotisch zu allen Seiten ab.

Unwillkürlich fuhr er mit der Hand durch die schwarzen Strähnen, versuchte, sie zu bändigen - vergebens.

Ihm war durchaus bewusst, dass diese Marie ihn beobachtete und sich Notizen und vor allem ihre eigenen Gedanken machte.

Doch er war nicht gewillt, etwas zu erzählen.

Etwas von sich oder seiner Beziehung zu Zoro preiszugeben, grenzte für ihn an Verrat.

Verrat an Zoro und ihrer Freundschaft.

Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er ihn mehr als nur verraten hatte.

Er hatte ihn im Stich gelassen, hatte seinen Wunsch, auf Sanji zu achten, nicht respektiert.
 

Sanji.
 

War ihm wirklich etwas passiert?

Oder war es nur Einbildung und dem Blondschopf ging es bestens?

Wobei bestens nicht die richtige Bezeichnung war.

Wer kümmerte sich jetzt um den Koch, der seinen Partner verloren hatte?

Andererseits hatte auch niemand Trafalgar gefragt, wie er damit zurecht kam.

Momentan hatte er das Gefühl, innerlich zu zerbrechen.

Er war ratlos, wusste nicht, was er tun sollte.
 

„Mögen Sie einen Kaffee?“ erklang die sanfte und ruhige Stimme von Marie. „Oder etwas anderes zu trinken?“

„Was hochprozentiges wäre nicht schlecht.“ Die Worte waren draußen, schneller als Trafalgar wirklich darüber nachgedacht hatte.

„Ich hör mich schon an, wie Zoro“, brummte er.

„Ich vernehme da einen gewissen Sarkasmus“, schmunzelte die junge Frau und erhob sich aus ihrem Sessel. Sie trat an einen Schrank heran, öffnete eine Tür und beförderte zwei Gläser ans Tageslicht. „Irgend einen speziellen Wunsch?“

Trafalgar hob kurz die Schultern. „Haben Sie Sake da?“

„Sake?“ Marie drehte sich um und musterte den jungen Mann am Fenster. „Es gibt nicht viele, die Sake trinken. Nein, damit kann ich Ihnen nicht dienen. Aber ich habe einen sehr guten Wodka.“ Stumm nickte Trafalgar und Marie goss zwei Fingerbreit der klaren Flüssigkeit in beide Gläser.

Die Flasche verschwand wieder im Schrank und Marie ging mit ihrem Glas in der Hand wieder zurück zu ihrem Sessel.

Das zweite Glas hatte sie stehen gelassen, sie überließ Trafalgar, es selbst zu holen.

Dieser durchquerte tatsächlich den Raum, griff sich das Glas und wanderte dann weiter - direkt zur Couch.

Dort ließ er sich nieder, drehte das kühle Glas zwischen seinen Händen und betrachtete den Wodka. Der schwappte mit jeder Bewegung ein wenig mit.

Immer wieder hob er das Glas an seine Lippen, stoppte, als ihm der Geruch in die Nase stieg, allerdings.

„Stimmt etwas nicht mit dem Wodka?“

Andächtig hob Trafalgar seinen Kopf, schaute Marie das erste Mal bewusst an.

Ihr Gesicht war ausdruckslos, nicht einmal ihre Augen verrieten, was oder dass etwas in ihr vorging.

„Sollten Sie nicht eher fragen, was mit mir nicht stimmt?“ konterte er.

„Vielleicht“, lächelte Marie und zuckte unschuldig mit ihren Schultern.

Trafalgar seufzte leise auf und schaute erneut in sein Glas.

Er konnte sich nicht dazu überwinden, zu trinken.

Er hatte immer nur zusammen mit Zoro einen – oder auch mehrere – gehoben.

Fast alles hatte er mit seinem besten Freund zusammen getan.

Und das sollte jetzt alles der Vergangenheit angehören? Das wollte und konnte er noch immer nicht glauben.
 

„Zoro ist mein bester Freund“, flüsterte er schließlich. „Er hat nie aufgegeben, egal, welche Hürde vor ihm lag. Dann kam dieser Typ und seitdem ging nichts mehr, wie es sollte. Er hat seine Beziehung kaputt gemacht. Tat danach, als wäre nie etwas gewesen. Und neulich Abend hat er ihn einfach überfahren und ist danach abgehauen. Wie soll man denn da noch ruhig bleiben? Irgend jemand muss dem doch das Handwerk legen, damit er nicht noch mehr Menschen zerstört.“
 

Entschlossen kippte Trafalgar sich den Wodka nun doch in einem Zug in den Rachen, verzog leicht das Gesicht. Eine angenehme Wärme kroch seine Kehle hinab und breitete sich in seinem Magen aus.

„Das Zeug würde ihm gefallen“, grinste er schief.

„Exportiert. Sehr selten und verdammt teuer. Möchten Sie noch einen Schluck?“

„Wenn Sie schon fragen.“

Marie machte eine einladende Bewegung in Richtung Schrank, in dem der Wodka stand. „Bedienen Sie sich.“ Trafalgar zog eine Augenbraue nach oben, erhob sich aber und zog die Flasche aus dem Fach, schraubte sie auf und füllte sein Glas bis zum Rand auf. Wenn sie es ihm schon anbot, konnte er das auch nutzen. Außerdem musste er jetzt für zwei trinken.

„Auf dich, mein Alter“, murmelte er leise und hob seinen Kopf gen Himmel, prostete der Zimmerdecke zu.
 

Zoro lächelte ihn schief an, die Haare wie üblich zerzaust, ein Strahlen in den grünen Augen, wie es nur wenige zu sehen bekamen.

Er wirkte glücklich – ob er es jetzt auch war?

Frei von Schmerzen und den Plagegeistern des Alltags.

Aber leider auch fernab von seinen Freunden und denen, die er als Familie bezeichnete.
 

„Ich hoffe, dir geht es besser, wo du jetzt bist.“

Trafalgar biss sich auf die Lippen und umklammerte sein Glas, nahm einen weiteren Schluck.
 

„Wenn Ihr Freund nie aufgegeben hat und mit gutem Beispiel voran ging, warum tun Sie es jetzt?“

„Was meinen Sie?“

„Sie haben aufgegeben. Warum?“

„Wir haben ein gemeinsames Projekt gestartet und das wird nun brach liegen. Zoro kannte als einziger die vollständigen Pläne, er wollte mich nach und nach einweihen.“

„Ein Projekt? Worum geht es denn da?“

„Wir wollten eine Kendoschule errichten. Mihawk braucht schließlich ein wenig Konkurrenz.“

„Sie reden von Mihawk Dulacre, oder?“ Stumm nickte Trafalgar.

„Es gab da vor einigen Jahren einen Unfall beim Schwertkampf, an dem dieser Mann beteiligt war.“

„Ja. Zoro war sein Opfer. Er hat das nur ganz knapp überlebt. Aber Zoro hat aus diesem Unfall neue Kraft geschöpft, war wild entschlossen, Mihawk erneut die Stirn zu bieten, besser zu werden. Viel besser. Und er hatte ja Erfolg. Danach haben wir beschlossen, unsere eigene Schule zu eröffnen, kleinen Knirpsen, die es wollen, den Schwertkampf näher zu bringen. Wir haben ein Haus gefunden und in den letzten Tagen nur noch Baupläne studiert. Wir wollten eigentlich los und uns jemanden suchen, der uns die Halle nach unseren Wünschen umbaut.“
 

„Das hört sich so an, als würden Sie das nicht mehr wollen.“

Trafalgar seufzte leise und starrte in sein Glas. „Es ist Zoros Projekt. Ich weiß doch nicht, wie das am Ende aussehen sollte.“

„Ich denke, Sie sollten das trotzdem weitermachen. Es ist doch auch genauso Ihr Projekt. Was spricht denn dagegen, wenn Sie es fortführen? Als Andenken an Ihren Freund.“
 

„Eigentlich nichts.“

„Eigentlich?“

„Ach, ich weiß auch nicht.“ Er senkte seinen Kopf. „Komm ich nach der Aktion von vorhin überhaupt noch auf freien Fuß?“

Marie schmunzelte leicht. „Ich hab Sie doch aus der Zelle befreit, oder?“ „Ja, schon, aber…“

„Kein aber. Entspannen Sie sich und vergessen Sie die Polizei.“ „Sprach die Polizeipsychologin.“

Der Sarkasmus triefte nur so aus diesen drei Worten, doch Marie schien es ihm nicht übel zu nehmen. Sie lächelte lediglich und schüttelte leicht ihren Kopf.
 

„Hören Sie. Ihr Verhalten ist gar nicht so unüblich. So etwas erlebe ich öfter. Zwar nicht in dieser ausgeprägten Form, aber Gedanken machen sollten Sie sich erst dann, wenn der andere junge Mann Anzeige erstattet. Und bisher ist eine solche nicht eingegangen.“

„Er wird auch keine erstatten, schätze ich. Denn ihm hängt noch immer die Unfallflucht im Genick.“ „Dazu müssten aber erst einmal die Ermittlungen soweit sein. Das wird aber noch dauern.“ „Und solange kann der Kerl weitermachen, wie bisher?“
 

„Es tut mir leid, aber ja.“

„Gibt es denn gar nichts, was man gegen den unternehmen kann?“

„Gehen Sie ihm aus dem Weg. Lassen Sie ihn in Ruhe. Und das kann ich auch nur Ihren Freunden raten, falls die auch unter Rachegefühlen leiden sollten.“

Trafalgar schnaubte verächtlich.

„Wie stellen Sie sich das vor?“

„Ganz einfach, Sie gehen Ihren Weg, jeder Ihrer Freunde auch und er geht seinen Weg. Völlig simpel.“

„Als ob es so einfach wäre.“

„Warum ist es das nicht?“

„Es ist einfach so.“
 

Wieder nahm Trafalgar einen Schluck aus seinem Glas, genoss für den Moment die Wärme, die seine Kehle hinab rann. Er lehnte sich bequem in die Couch, legte seinen Kopf zurück und schloss seine Augen. Es irritierte ihn, dass Marie nicht weiter nachbohrte, sondern seine Worte einfach so hinnahm und im Raum stehen ließ. Waren Psychologen immer so? Er war noch bei keinem gewesen, hatte nie einen gebraucht.

Als er seine Augen wieder öffnete, hatte sich an der Situation nichts verändert. Marie saß noch immer lächelnd auf ihrem Sessel, hatte ihr Glas – das war noch immer so gefüllt, wie am Anfang – in der Hand und ihren Block auf den Knien.

Geduldig schaute sie ihn an, wartete darauf, dass er irgend etwas sagte.

Er rang mit sich, einerseits wollte er nicht sprechen – nicht über sich, nicht über Zoro, über niemanden.

Andererseits fühlte er aber auch, wie eine kleine Last von seinen Schultern fiel. Außerdem hatte Marie ihn vor dem Knast bewahrt. Da war er es ihr auch irgendwie schuldig, dass er sich und sein Verhalten erklärte. Irgendwie jedenfalls. Doch Worte zu finden – die richtigen Worte, vor allem – fiel ihm gerade extrem schwer. Ein Charakterzug, den auch Zoro in sich trug. Nur, dass es bei dem ja permanent so war.
 

Schon wieder Zoro. Immer wieder drifteten seine Gedanken zurück zu seinem besten Freund. Er wollte das noch immer nicht glauben, dass ihm einer der wichtigsten Menschen genommen worden war.

Er konnte es nicht glauben. Das war einfach surreal. Nachdenklich drehte er sein Glas zwischen den Händen und seufzte leise.
 

Urplötzlich schoss ihm wieder der Gedanke an Sanji durch den Kopf.

Er schluckte schwer.

Ob der wirklich okay war? Oder in der Lage, sich etwas anzutun?

Aber auf Zoros Instinkt war schon immer Verlass gewesen.

Wenn der sich so alarmiert anhörte, war auch meistens etwas.

Doch durfte er jetzt einfach so gehen?
 

Marie betrachtete ihn, schien die Veränderung zu spüren.

„Es steht Ihnen frei, zu gehen, wenn Sie das wollen“, bot sie ihm an.

„Allerdings nur unter der Vorraussetzung, dass Sie in drei Tagen wieder hier erscheinen.“

Trafalgar nickte erleichtert, leerte sein Glas und stellte es auf dem Schreibtisch ab.

„Danke“, murmelte er, bevor er eiligen Schrittes das Zimmer verließ.
 


 

...tbc



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2011-09-01T16:15:22+00:00 01.09.2011 18:15
Oke…
Das muss jetzt erst einmal…sacken.

Am besten fange ich jetzt erstmal mit etwas anderem an:

Ich bin so, wie sagt man, ergriffen von dieser Story, dass mir wirklich die Worte fehlen!
Dein Schreibstil und all das, was diese Fanfiction ausmacht, passen perfekt zusammen!
Auch wenn du schon mal ein paar Monate brauchst, um ein Kapitel zu schreiben und zu veröffentlichen, das Warten lohnt sich jedes Mal aufs Neue!!!
Die Art, wie du schreibst hat sowas…verdammt tiefgründiges!
Die Geschichte geht einem unter die Haut.
Ich kriege beim lesen von ‚Hard to Say’ immer wieder Gänsehaut, zudem hat sich mein Taschentuchverbrauch enorm erhöht!
Wenn es nen Orden hierfür geben würde, würde ich ihn dir überreichen!
Ich finde diese Story einfach nur: HAMMER!!

*Imaginären Orden überreich*

Egal wie viele Tage, Wochen oder Monate es bis zum neuen Kapitel dauern wird.
Ich werde warten!! :D

Glg BubbleBee

Von:  Kalahari
2011-08-28T00:43:44+00:00 28.08.2011 02:43
hm, du machst es spannend.... da kribbelt es ja einen in den fingern weiter zu lesen
ich mag das kappi
trafalgars gedanken sind äußerst interesant und du hast sie gut dargestellt
aber jetzt will ich natürlich wissen, was mit sanji ist^^
Von:  Janachen2811
2011-08-27T22:12:34+00:00 28.08.2011 00:12
Armer Law *vorsichtig-pat* Ja, seine Gedanken kann ich gut verstehen. Kommen meinen ziemlich nahe. Vor allem erinnern mich seine Gefühle an meine eigen im Juni *schnief* Nur gut, dass ich noch genügend Taschentücher hab.
So, jetzt aber richtig zum Kapitel. Sehr gut geschrieben. Wirklich. Absolut flüssig zu lesen und verständlich. Die Wartezeit hat sich wirklich gelohnt.
Oh man ... hoffentlich hat sich Sanji noch nichts angetan. Das erstickte Keuchen, was Law da hört, klingt ja nicht so gut *murmel* Aber Bonney ist ja eigentlich bei Sanji. Die müsste ihn ja aufhalten können ... oder wird dabei selbst verletzt, wenn der grad mit großen Messern spielt *nuschel* Jetzt komm ich auch schon mit solchen negativen Ideen *brubbel* Scheint ansteckend zu sein.
Ich bin jetzt verdammt neugierig und gespannt auf das nächste Kapitel. Und darauf, wer zum Teufel denn nun die schwarzhaarige Wurzel allen Übels ist! Haste ja bisher immer noch nicht aufgelöst *grummel*
Also, fleißig weiterschreiben, regelmäßige Tritte verteil ich auch weiterhin ^^ Wenn auch nur virtuelle xD
LG
p.s.: Danke für das Vorwort ^^ Und gern geschehen. Machst du ja bei meinen Storys auch. Und so rosa ist das Zimmer doch gar nicht *nuschel*braune-tapete-mit-rosa-blumen-anschiel* ^^
Von:  Clint-the-Archer
2011-08-27T21:11:25+00:00 27.08.2011 23:11
Juhuuuu!^^
Endlich!
Das Kapitel ist spitzenmäßig, das gleicht die lange Wartezeit vollkommen aus!^^
Ich hab da nur eine Frage:
Hab ich irgendwas überlesen(was um 22:07 ja durchaus vorkommen kann)?
Weil ich das nicht kapiert habe mit Zorros Bitten an Law.
Wie hat der das gemacht?
Ansonsten war's einfach cool, als Trafalgar versucht hat den Typen platt zu fahren! *O*
Ich hab gebetet, dass er's schafft!
Tja, schade, schade!
Aber jetzt muss er sich erst mal beeilen, um zu Sanji zu kommen.

Bis zum nächsten Kapitel,
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