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Zehn Jahre

von

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Titel: Ende

Autor: DaiDai

Genre: etwas angst, ganz klein wenig Romantik, eine Prise Drama :D

Band: Dir en grey

Pairings: TxD

Anmerkungen: Mir gehört immer noch nichts. Warum sollte sich das auch ändern? ;D

Die FF basiert auf einem RPG, das man selbst und die Zusammenhänge nicht kennen muss, um den Inhalt der Story zu checken. Es ist einfach nur ganz abhängig davon zusammen gesponnen :D Plus; es könnte sein, dass ich das Ein oder Andere nochmal überarbeiten werde … an irgendwas hab ich immer zu nörgeln ^,,^
 

Die Widmung geht an: Daisuke_Andou … Du weißt schon, die Sache mit den zehn Jahren, die mich bis jetzt verfolgt hat :D Es wollte einfach geschrieben werden XD uuuuund ich hab ja gesagt ich schreib was ;D falls Verbesserungsvorschläge bestehen, nur raus damit. Ich weiß … irgendwo kann man noch was verändern, nur weiß ich im Moment nicht wie *husd*

Ansonsten, viel Spaß!!!
 


 

Zehn Jahre
 

Daisuke Andou strich sich mit einer nervösen Handgeste ein paar verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht, die jedoch nur wenige Sekunden später den Weg in ihre vorherige Position zurück fanden. Die Tatsache wurde nun einfach, wenn auch mit einem gewissen Anflug von Resignation, ignoriert und Die legte beide Hände gefaltet in den Schoß. Sein Blick war schon seit geraumer Zeit dem Fenster zugewandt. Er schaute der vorbeiziehenden Landschaft aus dem Beifahrersitz der Taxe zu, in welcher er saß. So bekannt wie ihm die Gegend vorkam, so fremd war sie ihm auch geworden. Schließlich hatte er sie zuletzt vor genau zehn Jahren gesehen und nichts blieb bekanntlich auf ewig gleich. Er presste die vollen Lippen aufeinander. Die Aufregung fraß regelrecht an seinen Nerven. Je näher der junge Mann seinem Ziel kam, umso schlimmer stand es um ihn. Noch war genug Zeit da, um umzukehren, den Schwanz einzuziehen. Mehrere Male spielte er mit dem Gedanken, ermahnte sich aber dann immer wieder sein Vorhaben durchzuziehen. Er hatte es lang genug hinausgezögert, war lang genug ein Feigling gewesen. Mindestens neun Jahre vergingen so sinn- und tatenlos. Vielleicht war es jetzt sogar schon zu spät. Genauer genommen, war Die sogar der Überzeugung, dass es bereits zu spät war der Vergangenheit nun hinterherzujagen. Und doch tat er es. Die Sehnsucht trieb ihn, die er ein ganzes Jahrzehnt erfolgreich hatte unterdrücken können. Er war ein Idiot gewesen, einfach so das Beste, was ihm im Leben je passiert war, gehen zu lassen. Möglicherweise war es jugendlicher Leichtsinn gewesen, oder pure Dummheit. Die wusste es nicht mehr. Er wünschte nur, alles anders gemacht zu haben. Man war im Nachhinein sprichwörtlich schlauer als vorher.
 

Ein leises Räuspern vom Fahrer holte ihn aus seinen Träumereien und er lenkte seine Aufmerksamkeit auf diesen. Der Wagen stand bereits, am Taxameter prangten in Rot die Lettern, die ihm zeigten wie viel ihn diese Fahrt kostete. In Eile zog er seine Geldbörse aus der Hosentasche, drückte dem anderen Mann ein paar Scheine in die Hand und stieg schnell aus, ohne auf sein Wechselgeld zu warten, ganz außer Acht lassend ob sich das nun so gehörte oder nicht. Es war Daisuke schlicht und ergreifend schnurz egal.
 

Sobald er die Beifahrertür zugeknallt hatte und das Taxi davongefahren war, verfiel Die in eine kurze Starre. Nur wenige Meter trennten ihn von einem kleinen weißen Zaun, hinter dem ein Vorhof, mit pedantisch gepflegtem Rasen und einem schmalen Weg aus Kieselsteinchen zu finden war. Genauso wie damals. Wie es aussah, gab es doch einige wenige Dinge, die lange genug beständig waren, um sich in alte Zeiten zurückversetzt zu fühlen. Fraglich ob dies positiv gewertet werden sollte. Langsamen Schrittes näherte er sich dem Zaun und schob ihn mit einer beinahe schon zärtlichen Handbewegung auf. Als er einen Fuß auf das Grundstück tat, war es so als würde er in eine andere Welt eintauchen. Auch wenn das vollkommen absurd war. Dennoch. Er war nicht mehr der 30 jährige Firmenchef einer erfolgreichen Modelagentur. Die war wieder 20, chaotischer Teenager und nicht gerade ein Vorbildlicher noch dazu. So wie vor all den Jahren, als er hierher kam und das Leben einiger Personen in diesem Haus auf den Kopf gestellt hatte. Daisuke hätte über sich selbst gelacht, wenn sein Herz nicht vor Aufregung kurz davor stand aus seiner Brust zu hüpfen. Das Ganze war so untypisch für ihn. Er konnte sich kaum mehr daran erinnern, wann ihn die Nervosität das letzte Mal derartig im Griff gehabt hatte. Er starb regelrecht. Da half es nicht einmal tief durchzuatmen oder in Verzweiflung die Hosentaschen nach Zigaretten abzutasten. Und in dem Moment, in welchem Die schon die zwei Stufen bis zur Haustür gestiegen war, gab es kein Zurück mehr. Nun hieß es jetzt oder nie. Er hob zögerlich die Hand, kniff beide Augen zusammen, wie ein kleiner Junge, der sich vor dem bösen Monster in seinem Schrank fürchtete. Er war wieder 7 und hatte Schiss vor den simpelsten Dingen. Mit allem zusammengesammelten Mut klopfte der Junge im Körper eines erwachsenen Mannes. Seine Hand sank nach unten, er öffnete die Augen in Zeitlupe. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Ein paar Sekunden lang herrschte Totenstille. Nichts tat sich. Die hörte niemanden an die Tür von innen herankommen. Aus dem Grund erschrak er auch ein klein wenig, als hätte man ihn bei einem Verbrechen ertappt, sobald sich das helle Holz öffnete. Ihm gegenüber stand eine ältere Frau, die er sofort erkannte. Wie könnte er denn nicht? Diese Familie hatte immerhin eine besondere Bedeutung in seinem Leben und in der Vergangenheit gehabt.

„Kann ich ihnen helfen, junger Mann?“, fragte sie etwas irritiert über den Unbekannten vor ihrer Haustür, schien Daisuke nicht zu erkennen. Zehn Jahre waren eine lange Zeit. Die nickte kaum merklich.

„Ich hoffe es“, war schließlich seine etwas verspätete Antwort, die nicht einmal sonderlich informativ war. Dementsprechend reagierte die Frau auch mit einer angezogenen Augenbraue, als wolle sie ihn damit anspornen weiter zu reden, weil sonst ihre Geduld zu leiden begann und sie ihm die Tür wieder vor der Nase zuschlagen würde. Und dies nahm er auch als Anzeichen dafür, weiter zu reden.

„Ich bins … Die.“ Vielleicht half diese kleine Aussage ja auf die Sprünge. Er wollte schließlich nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Zumindest noch nicht, allerdings so schnell wie möglich.

„Die?“

„Ja. Uhm … Andou Daisuke. Erinnern Sie sich?“ Musste das denn so schwer sein? Die Situation half jedenfalls nicht gegen seine Aufregung. Er runzelte die Stirn, sah seine Gegenüber abwartend an, die für einen Moment keine allzu große Regung zeigte. Dann aber deutete sie ihm an ins Haus einzutreten. Ein kleiner Lichtblick. Dankend nahm er die Einladung an, trat über die Schwelle und übernahm einfach unaufgefordert die kleine Aufgabe die Tür hinter sich zu schließen. Da erst nahm die ältere Dame das Wort wieder auf.

„Ich hab dich gar nicht wieder erkannt. Mein Gott … ist das lang her“, meinte sie und lächelte sogar leicht. Ihr Blick wanderte dabei immer wieder an ihm auf und ab. Daisuke wusste im ersten Augenblick gar nicht was er tun sollte. Er stand nur etwas unbeholfen im Flur und ließ die „Begrüßungszeremonie“ über sich ergehen. Letztendlich schnappte ihn die Frau am Ärmel seiner schwarzen Lederjacke und zog ihn mit in die Küche, wo er gebeten wurde Platz zu nehmen. Einige wenige Minuten danach standen zwei Tassen Tee auf dem Küchentisch und sie saßen sich beide gegenüber. Es herrschte Stille. Der ohnehin schon helle Raum, war Licht durchflutet von der Sonne, die durchs Fenster herein schien, direkt zum Tisch und man hätte sich fast wie bei einem Verhör vorkommen können. Die runzelte die Stirn, überlegte wie er am Besten anfangen konnte. Anstelle zu reden aber, trank er einen Schluck von dem noch recht heißen Tee, an dem er sich beinahe auch die Zunge verbrannte.

„Ich dachte eigentlich nicht, dass ich dich mal wieder sehen würde. Nachdem du nach Amerika zurückgekehrt bist … hat niemand mehr ein einziges Wort von dir gehört und …“ Hier brach die Frau ab, da sie offensichtlich nicht weiter wusste. Der junge Mann lächelte etwas bitter. Schließlich war es indirekt zum Teil ihre und die Schuld ihres Mannes gewesen, dass man ihn damals zurück in sein Heimatland geschickt hatte. Früher noch, als es geplant war.

„Ich möchte Toshiya sehen“, meinte er folglich, ohne auf die vorangegangenen Worte seines Gesprächspartners einzugehen. Er wollte nicht über alte Zeiten plaudern oder sich gar lange hier aufhalten. Dieses Haus übte eine merkwürdig bedrückende Stimmung aus, die man nur kurz ertragen konnte.

„Toshiya?“ Die ältere Dame kräuselte ihre Lippen etwas, stand auf und trat ans Fenster. Daisuke folgte mit dem Blick.

„Ich bin mir nicht sicher, ob er begeistert davon sein wird dich zu sehen. Weißt du … er hat lang unter der ganzen Sache, die damals passiert ist gelitten.“

„Das habe ich genauso. Schließlich lag es nie in meinem Interesse, das so enden zu lassen.“ Er wollte keine Vorwürfe aussprechen, selbst wenn dieses recht empfindliche Thema einen kleinen Anflug von Wut in ihn hochkommen ließ.

„Das nicht … aber du bist nie wieder zurück gekommen. Er hat ewig auf dich gewartet Die. Großer Gott, er hat mit uns jahrelang kein Wort geredet, weil wir euch getrennt haben, weil er immer gehofft hat, du würdest so schnell wie möglich zu ihm zurück kommen und ihr könntet dann von Neuem anfangen … bis er irgendwann gemerkt hat, dass ich Recht behielt. Dass du ihm nur das Herz brechen und ihn enttäuschen würdest.“ Ihre Stimme war ruhig, jedoch merkte man sofort, dass sie ihm die Schuld daran gab wie alles in den vergangenen Jahren gelaufen war. Allerdings … diesen Schuh ließ sich Daisuke nicht freiwillig anziehen.

„Wenn uns vor zehn Jahren niemand in die Pläne gepfuscht hätte, wäre Toshiya mit nach Amerika gekommen, bis ich meine Schule beendet hätte und dann wären wir zurück gekommen … zusammen“, erwiderte er mit etwas mehr Nachdruck, der deutlich machen sollte, dass es nicht unbedingt in seinem Sinn war jetzt darüber zu diskutieren.

„Du hast so viel Mist gebaut innerhalb kürzester Zeit. Es war nur klug gewesen das zu melden und dich wieder nach Hause zu schicken.“, machte die Frau ihren Standpunkt weiterhin klar.

„Ich möchte ihn sehen.“, sandte er gleich danach hinterher, ignorierte irgendwelche Vorwürfe und ließ damit keine Chance für ein Widerwort. Mehr gab es dazu nicht hinzuzufügen.

„Wie du willst. Ich schreib dir seine Adresse auf.“ Mit diesen Worten verließ die Frau für ein Weilchen den Raum. Daisuke blieb sitzen, rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über den Nasenrücken. Diese Begegnung hatte er sich wahrlich anders vorgestellt. Ruhiger, vernünftiger. Mit einem Gefühl, das dem der Enttäuschung nahe kam, musste er feststellen, dass sich an der Einstellung der Mutter seiner damaligen ersten großen Liebe nichts geändert zu haben schien. Sie hatten zwar nie das beste Verhältnis zueinander gehabt, schon allein aus dem Grund nicht, weil er sich ihren Sohn „geschnappt“ hatte und es beinahe als eine schreckliche Sünde angesehen wurde, wenn ein Mann mit einem Mann zusammen war. Aber nie hätte sie und ihr Gatte sich das Recht rausnehmen dürfen zwei Liebende ohne jegliches schlechte Gewissen zu trennen. Diese Tatsache konnte Die niemals verzeihen. Es machte ihn noch immer wahnsinnig, selbst wenn es schon längst verjährt war.
 

Er schob die Tasse von sich, gerade als Toshiyas Mutter in die Küche zurück kam und ihm einen kleinen weißen Zettel reichte. Schnell zog er diesen aus ihren Fingern, stand fast gleichzeitig auf, als wäre er in plötzliche Eile geraten. Kein weiteres Gespräch wurde geführt. Erst nachdem Daisuke bereits die Küche verlassen hatte, bereit zu gehen, drang ein fast schon bittend gesprochener Satz an seine Ohren.

„Die … Er ist verheiratet und glücklich. Mach ihm sein Leben nicht wieder Zunichte, so wie du es schon einmal getan hast.“
 

Das war das Letzte, was er hörte, bevor er aus der Haustür trat. Und jene Neuigkeit schlug ein, wie ein Blitz. Die lief das Stück über den Vorhof fast mechanisch. Seine Beine fühlten sich an wie Pudding und überhaupt überkam ihn mit einem Male ein seltsames Unwohlsein. Sein Magen drehte sich einmal im Kreis … oder waren es zwei? Es spielte keine Rolle. In seinem Kopf schwirrten immer nur die Worte „Er ist verheiratet“ umher. Unaufhörlich. Toshiya hatte ihn also einfach vergessen und sein Leben weiter gelebt. Und er selbst war irgendwo in der Vergangenheit stecken geblieben. Wie dumm, wie erbärmlich. Die Verzweiflung musste wirklich groß sein. Warum konnten Manche leichter mit gewissen Dingen abschließen, als Andere? Warum hatte das Herz ein furchtbar unpraktisches Eigenleben? Daisuke streckte seine linke Hand aus, betrachtete den Ring an seinem Finger, den ihm sein geliebter Exfreund vor langer Zeit geschenkt hatte. Zur „Verlobung“. Er kam sich so lächerlich vor ihn noch immer zu tragen. Jetzt wo er wusste, dass Toshiya seinen schon längst gegen einen ganz anderen, richtigen Ehering ausgetauscht hatte, erst recht. Schnell schob Die die Hand in die Hosentasche, weil er den Anblick nicht länger aushielt. Stattdessen fischte er mit zittrigen Fingern eine Schachtel Zigaretten hervor, zog sich einen weißen Glimmstängel heraus. Wie durch Zufall fiel ihm auch wieder der kleine Zettel ein, den ihm Toshiyas Mutter gegeben hatte, weil er ihn gerade in der Hand hielt, in der er die Zigarette nehmen wollte. In seinem ganzen Lamentieren über gewisse Umstände, hatte er sein ganzes Vorhaben regelrecht verdrängt. Er besah sich die Adresse, konnte damit jedoch nicht sonderlich viel anfangen. Wie auch, wenn er nie in diesem Land, in dieser Stadt wirklich gelebt hatte? Machte es jetzt überhaupt noch Sinn hinzugehen? Würde ihn Toshiya überhaupt sehen wollen? Er führte schließlich ein neues Leben. Ohne ihn.

„Verdammt“, fluchte Daisuke unterdrückt zwischen zwei Zügen an seiner Zigarette. Nun stand er hier, mitten auf dem Bürgersteig und wusste nur schwer etwas mit sich anzufangen. Er war hin und hergerissen. War es besser das Ganze abzubrechen und die Vergangenheit ruhen zu lassen? Vielleicht würde er sonst wirklich wieder nur alles auf den Kopf stellen und das nächste Chaos fabrizieren. Die kniff die Augen zusammen. Es war zum verrückt werden. Warum war er denn hierher gekommen? Um zu kneifen? Mit Sicherheit nicht. Er wollte Toshiya sehen, so sehr, dass es ihn fast um den Verstand brachte. Warum ließ er sich also immer wieder beirren und zögerte dann? All dieser Mist konnte einen Menschen doch in die Klapsmühle bringen oder andere, psychisch bedingte Krankheiten hervorrufen. Und warum? Weil man sich selbst Stress machte. Weil Andere gegen einen waren. Weil man nicht die nötige Courage hatte. Weil man sich ständig die „was wäre wenn“ Frage stellte und nie aufs Ganze ging. Wütend über sich selbst trat der junge Mann gegen die Bordsteinkante. Man hätte ihm in den Arsch treten sollen für sein dummes Benehmen. Mit derselben Wut im Bauch, reichte er nach seinem Handy und wählte die Nummer vom Taxiunternehmen, dessen Dienste er bereits vorhin schon in Anspruch genommen hatte. Auf einmal wieder fest entschlossen. Zumindest für einige, wenige Sekunden. Schnell ging jemand am anderen Ende ran, schnell war ein neues Taxi bestellt. Jetzt hieß es nur ein paar Minuten warten und nicht schon wieder kalte Füße zu bekommen. Was sich als durchaus schwierig herausstellte. Wenn einem nunmal die Gedanken Achterbahn fuhren, kam man zu den dümmsten Grübeleien. Es vergingen noch mehrere Minuten, in denen Die eine weitere Zigarette rauchte. Aber dann saß er wieder in einer Taxe, ließ sich zu der Adresse auf dem Stück Papier in seiner Hand bringen. Die Nerven erneut zum reißen gespannt. Und dies änderte sich natürlich nicht, bis zu dem Zeitpunkt, in dem er im Hausflur eines von außen vollkommen verglasten Hochhausgebäudes stand. Eine junge Frau hatte ihn freundlicherweise rein gelassen. Jetzt musste er bis hoch in das letzte Stockwerk. Zumindest schloss Daisuke dies vom Namensschild der Klingel außen. Etwas unbeholfen spazierte er in dem großen Foyer umher, auf der Suche nach einem Fahrstuhl. Stellte sich nicht so leicht wie gedacht heraus, wenn einem hier alles vollkommen fremd vorkam. Und natürlich war niemand in der Nähe, den man hätte fragen können. Es kam dem Gang zur Exekution gleich, die letzten Sekunden vor dem Tod. Er seufzte unterdrückt, tonlos und ging schließlich bis ans Ende des Foyers, wo sich nach rechts hin ein breiter, heller Flur abspaltete. Dort fand Die auch, wonach er suchte. Wollte man ihm plötzlich den Weg weißen? Das war ein kleines Bisschen zu einfach, oder nicht? Schultern zuckend stieg er in einen der Fahrstühle, die bereits unten auf Benutzung warteten und drückte drinnen die Taste für den 17. Stock. Dann fuhr das Vehikel los. Er verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Finger trommelten ungeduldig auf den Oberarmen herum. Die Fahrt schien eine gefühlte Ewigkeit zu dauern, auch wenn sie in Wirklichkeit keine ganzen 2 Minuten in Anspruch nahm. Viel zu schnell und doch irgendwie kaum zu erwarten. Endlich war der junge Mann oben angekommen und musste nur noch die richtige Tür finden. Das aber sollte kein großes Problem darstellen. Es gab gerade mal 2 davon. Innerhalb weniger Augenblicke stand er vor seinem Ziel. Nur das dunkle Holz trennte ihn von der Person, an die er vor Jahren sein Herz verloren hatte. Er starrte abwesend das kleine, akkurat angebrachte Namensschildchen am oberen rechten Rand der Tür an. Der Name war der Selbe, aber war auch der Mensch dahinter der Selbe geblieben? Das galt es herauszufinden. Augen zu und durch. Sprichwörtlich. Recht entschlossen klopfte Daisuke, atmete anschließend auf und bemerkte so erst, dass er die Luft eben angehalten hatte. Er runzelte die Stirn, wartete ab. Was folgte, war Stille, die erst vom öffnen der Wohnungstür unterbrochen wurde. Wie witzig. Man bekam prompt den Eindruck eines Deja vues. Die stand plötzlich der Person gegenüber, nach der er sich so lang gesehnt hatte. Sie beide erkannten sich sofort, blickten einander stumm an. Toshiyas Haare waren etwas länger als damals und leicht gewellt. Weiter kam er nicht mit seiner „Musterung“, da sein Gegenüber das Wort an ihn richtete.

„Die?“, fragte Toshiya recht ungläubig klingend, als wäre der Angesprochene nur eine Fata Morgana. Jener nickte recht zögerlich, fühlte seine Hände feucht werden. Dieser Moment würde wohl alles entscheiden.

„Hi.“ Es war offensichtlich, dass keiner von Beiden so richtig wusste, was zu tun war oder wie man reagieren sollte. Und je länger sich das hinauszog, umso unruhiger wurde Die. Er haftete seinen Blick hinab, auf Toshiyas Hände. An der Rechten prangte DER Ehering. Fast wäre er beim bloßen Anblick einen Schritt zurück gewichen, als fürchtete er das Schmuckstück wie der Teufel das Weihwasser. Etwas peinlich berührt versteckte Daisuke beide Hände hinter dem Rücken, damit der Andere den Ring an seinem Finger nicht zu Gesicht bekam. Dann schaute er wieder auf.

„Wie geht’s dir?“, fragte er um von seiner eigenen Unsicherheit abzulenken. Anstatt aber zu antworten, trat Toshiya einen Schritt beiseite und deutete ihm in die Wohnung zu treten. Ganz gleich der Gewohnheit seiner Mutter.
 

Der Flur war recht breit, kurz und führte direkt in ein großes, helles Wohnzimmer. Der Hausherr stieß die Tür wieder zu. Danach lehnte er sich mit dem Rücken dagegen.

„Was führt dich her?“ Seine Stimme klang relativ neutral. Zu neutral. Die presste die vollen Lippen aufeinander.

„Ich … wollte dich sehen.“ Die Erklärung war nicht gerade die Beste, aber immerhin entsprach sie der Wahrheit.

„Jetzt?“ Die Antwort war von wenig Begeisterung. Was meinte Toshiya mit jetzt? Die Tageszeit? Es war 16 Uhr am Nachmittag. Nein, nein. Das konnte es nicht sein. Also eher der Fakt, dass er JETZT kam? Nach einer halben Ewigkeit. Die Welt begann sich aus irgendeinem unauffindbaren Grund schneller zu drehen. Wars der Kreislauf, der auf einmal hoch und runter sprang, wie auf einer Achterbahn?

„Ja?“ Es war keine Absicht, das zu einer Frage zu formulieren, aber es kam eben so raus.

„Wie … stellst du dir das vor Die? Wo warst du all die Jahre? Wo, verdammt nochmal? Und jetzt tauchst du einfach wieder auf, ohne ein Wort. Nach zehn Jahren? …“

„Können wir nicht in Ruhe darüber reden?“, unterbrach Daisuke den Jüngeren, da dies hier anscheinend zu keinem vernünftigen Gespräch führen würde, wenn sie es weiter beredeten. Kaum trafen sie aufeinander, kam dieses Thema zur Sprache. So war das nicht geplant gewesen. Aber es war schon immer ein ständiger Begleiter gewesen, der nun mit ihrem Treffen an die Oberfläche krabbelte.

„Tut mir Leid. Ich wüsste nicht, was das bringen soll. Im Moment will ich mich damit nicht auseinander setzen. Ich hab was Wichtigeres zu tun.“ Toshiya würgte den Vorschlag ab. Was blieb ihm Anderes übrig, als dies zu akzeptieren? Immerhin hatte er nicht das Recht dazu sich ihm aufzudrängen.

„Das ist alles?“, fragte Daisuke irritiert. Er wollte nicht, dass es damit abgetan wurde.

„Ich fürchte schon.“ Toshiya dafür umso mehr. Dennoch ließ Die nicht locker. Er reichte nach dem Zettel in seiner Jackentasche, drehte ihn auf die unbeschriebene Seite.

„Gib mir einen Stift“, bat er seinen Gegenüber, der ihm daraufhin zunächst einen musternden Blick zuwarf, aber schließlich tat was ihm geheißen und kurz verschwand um einen Kugelschreiber zu holen. Ohnmächtig noch weiter zu diskutieren und ohne große Lust, das weiter ausarten zu lassen. Damit notierte der ältere Mann anschließend seine Adresse, drückte den Zettel samt Stift in Toshiyas Hand.

„Vielleicht überlegst du es dir nochmal. Heute Abend … oder irgendwann anders. Wann du willst.“ Damit wandte sich Die wieder zur Tür, öffnete sie und trat hinaus ohne sich noch einmal umzusehen.

„Du hast hier eine feste Adresse?“, hörte er den anderen Mann fragen.

„Ja.“ Auf dem Gang sah er ihn noch einmal an.

„Okay.“ Und schon schloss Toshiya die Tür. Daisuke blieb noch ein kleines Weilchen so stehen, zog die Luft langsam in die Lungen und atmete geräuschvoll aus. Leider wich die Anspannung nicht im Geringsten aus seinem Körper. Nichts war geklärt und irgendwie stand man weiterhin vor einer Sackgasse. Er seufzte. Anschließend machte er sich auf den Weg nach Hause. Es brachte kaum etwas ewig hier zu stehen, zu warten und zu hoffen. Vielleicht erbarmte sich Toshiya doch und würde mit ihm reden. Das musste Die abwarten …
 

~~*~~
 

Drei Tage waren bereits vergangen, seit dem lang ersehnten Widersehen und dem doch viel zu schnellen Ende. Die hatte diese damit verbracht seine Maisonette* so gut es eben ging her- und einzurichten. Da die Wohnung für eine einzelne Person viel zu groß und er nicht gerade mit einem riesigen Konvoi an Habseligkeiten angereist war, gab es noch genügend freie Stellen, die das Gesamtbild recht unpersönlich aussehen ließen. Das würde schon mit der Zeit werden. Jedenfalls war er dieser Meinung. Der Gedanke an Toshiya plagte ihn selbstverständlich täglich, stündlich. Und je mehr Zeit verging, umso kleiner wurde die Hoffnung, dass der Andere sich einmal blicken ließ. Sollte alles etwa auf immer ungeklärt bleiben?
 

An diesem Abend, es war kurz vor 21 Uhr, sollte aber das ewige Bangen ein Ende finden. Daisuke kam gerade frisch aus der Wanne, nur in einer Shorts und einem zwei Nummern zu großen Shirt bekleidet. Er stieg die beiden Stufen hinab, die zu der Stube führten, welche Nischenartig angelegt war. Kaum einen Schritt Richtung Sofa gelaufen, läutete es an der Tür. Die blieb abrupt stehen, hob nachdenklich beide Augenbrauen, als glaubte er sich verhört zu haben. Sein Herz machte einen Sprung und begann dann wie wild gegen seine Brust zu hämmern. Das Klingeln ertönte ein weiteres Mal. Jetzt erst kam er wieder in Bewegung, überquerte hastig den Raum. Er öffnete für unten die Haustür, ohne vorher zu fragen wer der Besucher sei. Wer sollte es schon sein? Die war erst ein paar Tage in dieser Stadt, kannte hier niemanden und erwartete keinen, außer diese eine, bestimmte Person. Es konnte nur sie sein. Er öffnete die Wohnungstür. Lange sollte es nicht dauern, bis sein Besucher hier oben war. Es war kein sonderlich großes Haus. Unter ihm lebte nur eine ältere Dame und Die selbst bewohnte schließlich zwei Etagen. Keine Minute musste er warten, da stand, wie erwartet und erhofft, Toshiya vor ihm. Es war fast genauso wie vor zwei Tagen, nur mit vertauschten Rollen. Noch bevor Toshiya das Wort erheben konnte, ließ Daisuke ihn in die Wohnung treten. Dort zog dieser sich die dünne Jacke aus, schlüpfte aus seinen Vans ohne auf eine Aufforderung zu warten.

„Möchtest du was trinken?“, begann Die letztendlich, um überhaupt etwas zu sagen und irgendwie zu beginnen mit dem Jüngeren zu reden.

„Nein, geht schon. Danke.“ Man hörte einen Anflug von Nervosität in Toshiyas Stimme und irgendwie war er darüber froh. Wenigstens schien es ihm nicht allein so zu gehen.

„Dann komm.“ Der Ältere führte seinen Besucher ins Wohnzimmer. Sie nahmen auf dem bordeauxroten Sofa Platz. Einer schaute auf seine Zehen, der Andere spielte mit seinen Fingern. Sie benahmen sich eher wie zwei kleine Kinder, die zu scheu waren miteinander zu reden, als zwei erwachsene Männer, die eine gemeinsame Vergangenheit verband. Es war Die, der endlich das Schweigen mit einem „Es tut mir Leid“, brach. Sein Nebenmann blickte ihm in die Augen.

„Dir tut es Leid? Ist das alles? Du lässt mich unendlich lang warten, tauchst plötzlich wie aus dem Nichts auf und alles was du zu sagen hast, ist, dass es dir Leid tut?“ Es war für Toshiya wahrlich kein Thema, bei dem er lange ruhig bleiben konnte. Er war enttäuscht, warum das also verbergen?

„Du weißt genau, warum das so gelaufen ist. Es sei denn du hast meine Mails nie gelesen.“ Es war keine Entschuldigung dafür, was Toshiya ihm vorwarf, aber Daisuke war noch nie sonderlich gut darin gewesen sich die Schuld einzugestehen.

„Doch Die. Ich habe jede Einzelne gelesen.“

„Und warum hast du irgendwann keine mehr davon je beantwortet?“ Sie hatten zu Beginn regen Kontakt gehabt, sich in jeder Nachricht geschworen bald zueinander zurückzukehren aber irgendwann hatte Toshiya aufgehört zu schreiben. Von einem Tag auf den Anderen.

„Weil du mich enttäuscht hast“, erwiderte der jüngere Mann nach einem Moment des Zögerns bitter.

„Wie lange hätte ich warten sollen? Erst war alles toll, du hast mir versprochen nach der Schule wieder nach Japan zu kommen. Du hast mir versprochen ein Leben mit mir an deiner Seite hier aufzubauen. Und was ist daraus geworden? Zuerst kam die erste Verzögerung … ein Monat. Weil dein Vater darauf bestand seine Firma zu übernehmen und es deswegen Stress gab. Okay, das habe ich akzeptiert. Ich habe gewartet, bis du das Problem löst. Aber du hast es nicht gelöst. Es hat sich immer weiter so gezogen. Du hast angefangen in Amerika zu studieren, weil dein Vater es so wollte. Nebenbei kamen Versprechen, dass du einfach abhauen willst. Dann hast du das Studium doch beendet. Wann hat dein Vater angefangen dir wichtiger zu sein, als ich? Weißt du wie das für mich war, als du nach dem Studieren auch nicht gekommen bist und stattdessen in der Firma angefangen hast? Weißt du das? Ich frage dich … WIE hätte ich dir zurück schreiben sollen? Was hast du erwartet? Dass ich zu Allem ja und Amen sage? Die ersten fünf Jahre sind so schnell vorüber gegangen, dass ich es kaum realisiert habe. Dann erst bin ich aufgewacht und mir ist klar geworden … dass du nie mehr zu mir zurück kehren wirst. Dass es für uns keine gemeinsame Zukunft gibt. Selbst wenn ich danach noch lange das Gegenteil erhofft hatte. Ich habe meine email Adresse geändert, aber das wirst du dir sicherlich schon selbst gedacht haben.“ Toshiya lächelte etwas melancholisch, gab keine Anzeichen dafür, dass er Die am liebsten die Augen auskratzen wollte, selbst wenn es so war. Alles von früher kam schlagartig, mit solcher Heftigkeit wieder hoch, die einen aus der Haut fahren ließ.

„Hör zu … ich weiß, es hätte nicht so laufen müssen. Aber damals hatte ich keine andere Wahl. Meinst du das war zu 100 Prozent meine freiwillige Entscheidung? Ich konnte nicht einfach so verschwinden.“

„Bullshit. Wovor hattest du Angst? Hier nicht Fuß zu fassen? Kein Geld zu haben? Du weißt genau ich hätte dich im letzten Hemd am Leib genommen. Wir hätten das zusammen schon geschafft, aber du warst schon immer so. Im Luxus aufgewachsen und für nichts auf der Welt willig diesen herzugeben. Das eigene Wohl geht eben über Alles, nicht wahr?“

Daisuke strich sich mit einer fahrigen Handbewegung die Haare zurück. Dieses Gespräch wühlte ihn auf. Die Sturheit seines Exfreundes hatte über die Jahre nichts eingebüßt.

„Du weißt, dass das nicht wahr ist. Ich hab ganz bestimmt an dein Wohl gedacht. Ich wollte dir verdammt nochmal etwas bieten …“

Toshiya hob eine Hand, um ihn zu unterbrechen.

„Mir etwas bieten? Mach dich nicht lächerlich. Ich hab von dir nichts Anderes gewollt, außer deine Liebe. Aber daraus ist nichts geworden. Es hatte eben nicht sein sollen. Lass gut sein. Du warst eben ein Jahr als Austauschschüler in meiner Familie, wir hatten eine schöne Zeit … fast sowas wie eine Urlaubsliebe und Punkt. Das wäre sowieso nie gut gegangen. Du bist in Amerika aufgewachsen, ich hier. Unsere Mentalität ist vollkommen unterschiedlich und du warst sowieso schon immer unglaublich egoistisch gewesen, das hätte nie geklappt.“

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht“, kam Dies knappe und wenig erfreut klingende Antwort darauf. Er war in der Zwischenzeit etwas mehr zu Toshiya gerückt, umfasste bereits mit schlanken Fingern dessen Handgelenk. Zur Sicherheit, falls der Andere sich plötzlich dazu entschloss die Flucht zu ergreifen.

„Was ist nur aus unseren Plänen geworden? Was ist aus dir geworden? Ich kenne dich gar nicht mehr. Der Die, den ich kannte, hat sich nie jemanden gebeugt und immer seine Pläne verfolgt.“ Zwar hatte Toshiya schon immer gewusst, dass Daisuke in gewissen Dingen, mit denen er eher schlecht zurecht kam, schnell die Unsicherheit überkam. Aber er hätte nie erwartet einmal so sitzen gelassen zu werden. Und dann tauchte der Ältere wieder auf, krempelte die Situation um und holte all das erneut an die Oberfläche, was er lange versucht hatte zu verdrängen.

„Bleib bei mir. Nur heute“, flehte der Ältere förmlich, jedoch mit einem solchen Ton, dass es schwer war diese Bitte abzuschlagen.

„Und was dann?“, fragte der Andere, dessen Resistenz nie groß gewesen war, wenn es um Die ging. Egal wie sehr er ihn zu hassen glaubte. Er fühlte sich plötzlich schwach, als hätte man ihm die Energie aus dem Leib gesaugt. Es reichte nur seinen ehemaligen Geliebten anzusehen, um daran erinnert zu werden welche Sehnsucht er all die Zeit nach ihm gehabt hatte.

„Dann brauchst du mich nie wieder zu sehen.“ Die Erklärung kam kaum hörbar über Daisukes Lippen. Dann schlang er die Arme fest um Toshiya, hielt ihn wie man eine Geliebte halten würde und zögerte nur kurz um sich die Freiheit zu nehmen ihn zu küssen. Einfach aus einem Impuls heraus. Er hatte sich nicht mehr halten können. Der Drang danach übermannte ihn. Der Wunsch das zu tun war seit ihrem Wiedersehen unvorstellbar groß gewesen. Toshiya reagierte erst gar nicht, war im ersten Augenblick zu entsetzt von dieser Dreistigkeit, die sich der ältere Mann erlaubte. Gleich darauf kam die Erkenntnis, wie sich Dies Lippen anfühlten, die Art wie er küsste. Fast genauso wie damals. Eigentlich hatte er nicht vor schwach zu werden. Aber Die war so verdammt hartnäckig und es war so verdammt gut. Ihm wurde beinahe schwindlig bei der ganzen Sache. Die Erinnerungen an ihre gemeinsame Beziehung kamen so schnell, dass er kaum noch wusste wo ihm der Kopf stand. Als wäre seit dem kein Tag vergangen. Wie konnte das nur sein? Der Andere musste ihn bestimmt „verhext“ haben. Toshiyas Hände suchten Halt in Daisukes Shirt. Er verkrallte die Finger in dem Stoff, zerrte daran und begann nun den Kuss mit einer solchen Leidenschaft zu erwidern, die ihn selbst verblüffte. Sie hielten den Kontakt eine ganze Weile aufrecht, küssten sich innig.

„Ich hasse dich“, murmelte Toshiya zwischen zwei Küssen, ohne es wirklich ernst zu meinen.

„Ich weiß … ich liebe dich auch“, war die kurze Antwort, bevor ihre Lippen erneut aufeinander trafen. Sie hielten einander fest, schmiegten sich an den jeweils Anderen. Recht bald ging die ganze Sache schon etwas weiter. Irgendwann war das Küssen einfach zu wenig, wenn man eine Ewigkeit darauf gewartet hatte den Liebsten wieder in den Arm zu nehmen, ihn bei sich zu haben. Wenn man sich so sehr nacheinander verzehrte. Ganz egal wie die vorherigen Umstände gewesen waren. Toshiya hatte Die gegen die Couchlehne gedrückt, hockte halb auf seinem Schoß und machte sich über seinen Hals her, den er mit kleinen Bissen und Küssen bedeckte. Sein Geruch war vertraut, seine kleinen, süßen Laute. Währenddessen wanderten Daisukes Hände unter Toshis Shirt und betasteten dessen Rücken. Sie wussten noch ganz genau wie man sich anfassen musste, wo man es am Meisten mochte. Auch wenn sich ihre Körper äußerlich ein wenig verändert hatten, reagierten sie immer noch so aufeinander wie damals. Nun waren sie Beide wieder 18 und 20, frisch verliebt und derartig verrückt nacheinander, dass es dafür keine Worte gab. Es war egal, dass Toshiya verheiratet war, egal, dass der Ältere hätte eigentlich auf Knien um Vergebung bitten müssen. Sie waren in ihrer kleinen Welt, in der alles wieder gut war.

„Lass uns hoch gehen“, forderte der Ältere den Jüngeren auf, fasste seine Hüften und übte kurz einen festeren Druck aus, um seinen Worten etwas mehr Nachdruck zu verleihen.

„Damit hast du den Moment ruiniert“, kam die Beschwerde zurück aber er stand auf, reichte Die die Hand um ihm aufzuhelfen. Kaum standen die Zwei auf den Beinen, taumelten sie eng umschlungen zur Treppe, tauschten immer wieder kleine Küsse aus. Die führte Toshiya langsam rückwärts die Stufen rauf, während er ihm ungeduldig das Shirt hoch schob. Kaum waren sie oben angekommen, standen sie auch schon im Schlafzimmer. Es war ein offener Raum und nicht weniger groß, wie der Rest in der Wohnung. Bis zum Bett dauerte es trotzdem kaum einen Augenaufschlag. Die beiden Männer fielen auf die weichen Daunen. Das Oberteil des Jüngeren lag bereits ungeachtet auf dem Boden. Er selbst auf dem Bett und Daisuke über ihn gebeugt. Er betrachtete ihn aufmerksam, wollte sich jeden Zentimeter der freigelegten Haut einprägen. Ein kleines Lächeln umspielte seine vollen Lippen, sobald ihm ein kleines Schmuckstück an Toshis Bauchnabel auffiel.

„Du hast es drin gelassen?“, fragte er mit leiser Stimme und glitt ein Stück hinab.

„Du hast es immer geliebt“, kam die Antwort zurück, als wäre sie die Erklärung für Alles. Im gewissen Sinne war sie dies auch. Toshiya hatte das Piercing zwischenzeitlich einmal draußen gehabt, eine ganze Weile sogar. Aber irgendwie konnte er sich letzten Endes doch nicht richtig davon trennen. Vielleicht weil es der letzte, kleine Anker zu seiner Vergangenheit mit Die war, oder weil er es selbst einfach gern hatte.

„Das tue ich auch jetzt noch.“ Kaum waren diese Worte aus seinem Munde, ließ er die Zungenspitze in den süßen Bauchnabel gleiten und spielte mit dem Piercing, für das er diese verdammt große Schwäche hatte. Der Andere zog den Bauch ein und atmete tief durch. Seine Reaktionen auf die Behandlung waren schon immer recht empfindlich gewesen. Daran fand man bis heute keine Änderung. Toshiyas Atem beschleunigte sich und er grub seine Finger in die rotblonden Haare des Älteren. Den Kopf legte er soweit es ihm die Position erlaubte in den Nacken. Bald fiel es ihm schwer die Augen offen zu halten. Sie flogen flatternd zu. Es war unglaublich wie schnell ihn so etwas Simples anmachen konnte. Und es war mindestens genauso unglaublich, wie schnell seine ganze Wut, die Enttäuschung und Gegenwehr verflog, ohne das kleinste Zögern. Verflucht sei seine Schwäche für Die. Er hatte schon ab dem Moment gewusst, in dem Daisuke vor seiner Haustür aufgetaucht war, dass er ihm nicht „widerstehen“ konnte. Egal in welcher Hinsicht. Was sollte er sich auch vor machen? Jetzt, gerade mal drei Tage später lag er schon in dessen Bett und war dabei seine Frau zu betrügen. Toshiya zog den Anderen an den Haaren zu sich hoch, zerrte ihm anschließend in einem Anflug von Ungeduld das Shirt vom Leibe und legte beide Hände an seine nackte Brust.

„Immer noch chronisch unterernährt.“, stellte er leicht neckend fest. Wahrscheinlich würde sich das niemals ändern. Nicht, dass es Toshiya störte. So hatte er Die schließlich kennengelernt. Dieser erwiderte darauf nur mit einem Lächeln, bevor sie wieder begannen innige Küsse auszutauschen. Hände glitten weiter über erhitzte Körper, sämtliche Kleidung fiel nach und nach zu Boden oder aufs Bett. Sie ließen sich Zeit, zogen jeden Kontakt ihrer Lippen und jede Berührung in die Länge, immerhin gab es viel nachzuholen. Und als der jüngere Mann Daisuke endlich in sich spürte, war es so, als hätte es sein Körper mehr als alles Andere herbeigesehnt. Ein langes, tiefes Stöhnen entwich ihm, ohne dass er es zurückhalten konnte. Er hatte vergessen wie gut es war, hatte sich nach dem ehemaligen Rotschopf keinem anderen Mann hingegeben und jetzt hätte er sterben können vor Verzückung. Er grub die Finger in Dies süßen, kleinen Hintern und drückte sich voller Hunger nach mehr gegen ihn. Seine Beine schlangen sich um dessen Hüfte. Der Ältere glitt in einem perfekten Winkel tiefer in ihn, sodass genau dieser eine bestimmte Punkt in ihm berührt wurde, der ihn Sterne sehen ließ. Toshiya erzitterte heftig. Die erging es nicht anders. Er war berauscht von seiner eigenen Lust, von dem Verlangen nach dem Jüngeren. Es fühlte sich fantastisch an, Toshiya fühlte sich fantastisch an. Es gab keine Worte dafür. Sie trieben sich gegenseitig in andere Sphären, liebten sich ausgiebig. Man konnte gar nicht voneinander lassen. Jede Minute wurde ausgekostet, als könnte sie ihre letzte gemeinsame sein. Und nachdem sie Beide zum Höhepunkt gekommen waren, in den Wogen dieses Gefühls badeten, gab es keine lange Verschnaufpause, bis sich dieses Mal Toshiya auf Daisuke stürzte, ihn nahm und seiner Leidenschaft freien Lauf ließ. Erst in den frühen Morgenstunden schliefen Beide vollkommen erschöpft ein. Noch ein paar Stunden war ihnen Ruhe gegönnt. Die Ruhe vor dem Sturm.
 

Toshiya wurde zuerst wach, blickte direkt in Dies, noch friedlich schlafendes Gesicht. Er vermochte nicht zu sagen wie spät es war, aber die pralle Sonne schien ins Zimmer herein, sodass er die Augen etwas zusammenkneifen musste. Wahrscheinlich war es kurz vor Mittag. Es hätte ihn jedenfalls nur wenig gewundert. Mit einem leisen Gähnen richtete er sich etwas auf, stützte einen Ellenbogen auf der Matratze ab und haftete den Blick weiterhin auf den anderen Mann. In ihm stieg keinerlei Panik auf, über das was sie diese Nacht miteinander getan hatten. Viel mehr ließ er das Gefühl auf sich wirken, wie es war neben Daisuke aufzuwachen. Sie hätten es all die Jahre haben können. Er strich seinem Exfreund eine Haarsträhne aus den Augen. Dies schien ihn aber plötzlich zu kitzeln und somit zu wecken. Seine Lider öffneten sich faul. Toshiya lächelte.

„Hey.“, murmelte der Ältere mit schlaftrunkener Stimme.

„Morgen“, kam die Antwort vom Anderen, während er ihm mit den Fingerspitzen über die Wange streichelte. Still sahen sie einander in die Augen, lächelten sich an wie zwei verliebte Teenager.

„Woran denkst du?“, fragte Die dann neugierig.

„Dass du immer noch genauso hübsch bist wie vor zehn Jahren.“

„Schleimer.“ Liebevolles Sticheln. Anschließend ein kleines Seufzen.

„Ich muss bald gehen.“, unterbrach Toshiya mit dieser Aussage ihre Träumereien und setzte sich auf.

„Ich weiß. Deine Frau wartet sicher.“ Daisuke verbarg die Bitterkeit in seiner Stimme nicht. Auch wenn sie ihm kaum weiter helfen würde. Schließlich wusste er, dass er nichts an der Situation an sich ändern konnte. Er nahm ebenso eine aufrecht sitzende Position ein.

„Was hast du ihr gesagt? Weiß sie von uns?“

„Ich hab ihr gesagt, dass du in der Gegend bist und dass du mich eingeladen hast, um über alte Zeiten zu reden und schweinische Frauenwitze zu reißen …“ Das kam mit einem kleinen, schelmischen Grinsen des Jüngeren. Danach schlug er jedoch wieder in Ernst um.

„Sie weiß von dir … nicht von „uns“.“

„Also denkt sie, wir sind nur zwei Freunde, die sich nach einer Ewigkeit auf einen Plausch treffen.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage und eine Antwort war deshalb auch nicht wirklich erwartet. Er nahm es Toshi schließlich nicht übel. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte Die sowas seiner Frau wohl auch gesagt, wären die Rollen vertauscht gewesen.

„Komm, ich mach uns einen Kaffee.“ Sich nun darüber einig das Thema nicht weiter auszuschmücken standen sie auf, zogen ihre Kleidung an, die überall im Raum verstreut lag und begaben sich kurze Zeit später runter in die Küche im amerikanischen Stil. Wie hätte es auch anders sein können? Gewisse Gewohnheiten blieben eben doch. Während Daisuke also seinen Kaffee trank und Toshiya selbst jetzt noch den Kakao vorzog, den er eh schon immer viel lieber getrunken hatte, unterhielten sie sich ein wenig über Dies und Das. Was sie so in der Vergangenheit gemacht hatten, wie alles gelaufen war und Ähnliches. Ihr Gespräch zog sich letzten Endes doch länger als geplant und somit stand der jüngere Mann erst eine Stunde später im Türrahmen, Richtung Hausflur.

„Pass auf dich auf.“, meinte er lieb und zog Die in eine feste Umarmung.

„Du auch.“

„Und viel Glück mit deiner Tochterfirma hier … vielleicht schick ich meine Tochter ja zu dir in die Agentur, wenn ich mal eine haben sollte. Wenn du mir versprichst auf sie aufzupassen.“ Mehr ein Scherz, als wirklich Ernst. Es veranlasste den Älteren dazu leise zu lachen.

„Wird gemacht.“ Damit küsste er Toshiya ein letztes Mal auf die vollen Lippen.

„Du weißt, dass ich dich liebe … immer geliebt habe und immer lieben werde.“, murmelte dieser leise, strich dabei mit dem Zeigefinger über Daisukes Brust. Die umfasste Toshiyas Gesicht mit beiden Händen, hauchte einen Kuss voller Gefühle auf seine Stirn. Es hatte eine ganz eigene Bedeutung, so wie es nur bei einem Paar, das viel durchgemacht hatte und es immernoch so viel verband, sein konnte.

„Denk ab und zu mal an mich.“, fügte er noch mit etwas belegter Stimme an, rang hörbar mit den Tränen.

„Immer.“, versprach Daisuke nicht minder betroffen. Es fiel ihm schwer loszulassen, wo er den Anderen endlich einmal wieder hatte. Doch leider nur für diese kurze Zeit. Seine Hände sanken hinab.

„Geh schon.“ Es war kein Befehl, eher eine liebevolle Bitte, auch wenn er ihn am liebsten angefleht hätte nie mehr zu gehen und bei ihm zu bleiben. Toshiya nickte, trat auf den Gang hinaus und kehrte ihm mit einem letzten, warmen Lächeln den Rücken. Dann ging er … zurück in sein Leben, wo eine liebevolle Frau auf ihn wartete, die ihn auf ihre ganz eigene Weise glücklich machen konnte.
 

Und Die … Er stand noch so lang im Flur, bis er Toshiya aus den Augen verlor. Für ihn war es nicht weniger an der Zeit seinen Liebsten gehen zu lassen, die Vergangenheit, Vergangenheit sein zu lassen. Diese Nacht war kein Fehler gewesen … es war ein Abschied. Ein guter Abschied. Denn selbst wenn sie nicht mehr zusammen sein konnten, wusste jeder der Beiden, dass der jeweils Andere immer in einem Teil ihres Herzens blieb …
 


 

* Maisonette: Eine Maisonette ist eine Wohnung, bei dem der Wohnraum zweistöckig (oder mehr) ist.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  myamemo
2015-05-26T18:01:24+00:00 26.05.2015 20:01
Echt tolle FF.
Habe sie richtig verschlungen ^^

LG mya
Von:  Daisuke_Andou
2009-10-06T20:44:54+00:00 06.10.2009 22:44
Mou... du hättest ja mal Bescheid sagen können, dass du was hochgeladen hast *hau*
Sow, gab gleich erstmal ne abmahnung XP

Aber an und für sich isses schon ganz nett ^^ (Aba Die hat nichts zum Bärtchen gesagt XD)... und irgendwie... hätt ich mir gewünscht, dass noch nen paar mehr andere charas auftreten und... uhm... Toshiya hätte Die noch hauen sollen. So lange lässt ein Toshiya sich garantiert nicht so behandeln... ò______________________Ó
nur war ja klar, dassa wieda schwach wird *schmoll* Kein Durchhaltevermögen u.u

Aber ist so schon okay...
Jednefalls thx für die Widmung <3~~~
Von:  Elena_Jenkins
2009-08-23T17:56:52+00:00 23.08.2009 19:56
Fuck down, ey~
Das ist so traurig. *träne wegwisch* Zum Schluss saß ich vom Bildschirm und hab geheult. Das ist grausam. Warum hat Toshiya nicht seine Frau verlassen und ist zu Die zurück. Man
*jammer* Das ist unfair. Ich häts sofort getan.

Aber hey, ich liebe die Story so dermaßen und is mal was anderes von dir als Dai/Kao und ich liebe es genauso wie es ist. Einfach ein super süßes Pair und du kannst es einfach, so schön schreiben
Fühl dich gedrückt,

vlG,
Dai


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