II.XXI
Akt II: Enjoy the Aslyum
Szene XXI
Farin sieht desinteressiert dabei zu, wie Bela sich umzieht, haufenweise Schmuck anlegt und sich nebenbei immer wieder im Spiegel betrachtet wie ein künstlerisches Meisterwerk. Als er zum dritten Mal den Kajal nachzieht und dabei leise „großartig“ vor sich hinmurmelt, fragt Farin sich, ob Selbstverliebtheit zum Krankheitsbild einer bipolaren Störung gehört oder ob das Belas eigene kleine Charakterschwäche ist.
Abschließend wirft Bela seinem Spiegelbild eine Kusshand zu, dreht sich klimpernd zu Farin und Rodrigo um, die nebeneinander auf dem Bett sitzen und ihn mehr oder weniger argwöhnisch mustern, und hebt einen Arm, fünf oder sechs Armbänder präsentierend.
„Herrlich, oder? Aber wisst ihr, welches mein Lieblingsarmband ist? Das allertollste? Was ich nie ausziehe? Nie im Leben?“ Farin meint, ein wenig gutmütige Bitterkeit aus den Worten herauszuhören, sagt aber nichts.
„Welches?“, erbarmt Rod sich schließlich zu fragen.
Bela kramt das unscheinbar weiße Patientenarmband unter den ganzen schwarzen und glitzernden Bändern hervor. „Farin, wir gehen, sozusagen, im Partnerlook, was meinst du? Toll, oder?“
„Dann bist du mit der gesamten Klinik im Partnerlook“, erwidert Rodrigo trocken.
Bela bedenkt ihn mit einem Stirnrunzeln, wirbelt herum und kramt aus den Tiefen seines Federmäppchens einen Füller hervor, den er auf Farin richtet, als sei er eine Waffe.
Farin rutscht auf dem Bett weiter nach hinten, als Bela mit gezücktem Stift und breitem Grinsen auf ihn zukommt.
„Gib mal deinen Arm“, kommandiert Bela fröhlich, „ich mach auch nichts, ich verschöner nur das Armband ein bisschen!“
So in etwa muss man sich fühlen, wenn man sich bei diesen Vertrauensspielen rücklings fallen lässt, denkt Farin und überlässt Bela widerstrebend seine Rechte. Der beugt sich darüber, seine Haare verbergen die Sicht auf das, was er da malt, Farin spürt nur den Druck des Stiftes auf dem Arm und lehnt sich mit dem Oberkörper gegen die Wand in der Bemühung, die Abscheu gegen Belas Nähe im Allgemeinen und die Berührung seiner Finger im Besonderen zu unterdrücken.
„Fertig!“ trällert Bela schließlich und gibt Farins Arm frei, der dem Verlangen widersteht, einmal abwischend darüberzustreichen, um Bela nicht zu verletzen, und das Armband betrachtet, das nun eine winzige schwarze Zeichnung ziert.
Farin kneift die Augen zusammen, hält seinen Arm näher ans Gesicht, um zu erkennen, was Bela gemalt hat, und lächelt kurz, als er dahinter kommt: Es ist die schlichte Abbildung zweier ineinander verschränkter Hände. Nähe ohne Nähe.
Bela ist schon mit seinem eigenen Armband beschäftigt. „Ein Glück, dass ich Linkshänder bin“, murmelt er, streicht sich die Haare aus dem Gesicht und zieht seine Striche, vor Konzentration auf seiner Unterlippe herumkauend.
Kurze Zeit später hält er Farin seinen Arm unter die Nase, der gerade noch die gleiche Abbildung erkennen kann, ehe Bela zu Rodrigo weitergerauscht ist: „Und jetzt du!“
Rod stellt bereitwillig seinen Arm zur Verfügung und betrachtet, während Bela zeichnet, Farins Band, lässt es aber unkommentiert.
Mit einem „Tada!“ richtet Bela sich auf und huscht wieder zum Spiegel, um seine Haare in Ordnung zu bringen. Der Satz ‚schlimmer als jedes Mädchen‘ schießt Farin durch den Kopf.
Rod zieht einen Mundwinkel hoch und zeigt Farin sein Armband, auf dem zwei flach aneinandergelegte Hände zu sehen sind, wie bei einem Handschlag.
„Was will uns der Künstler wohl damit sagen?“ fragt er rhetorisch, Farin sieht stirnrunzelnd wieder auf sein eigenes Armband.
„Weniger Nähe, weniger Vertrauen, weniger Freundschaft, aber dabei biste schon“, kommt die gut gelaunte Erklärung von Bela, der sich zum vierten Mal den Kajal nachzieht.