II.VII
Akt II: Enjoy the Aslyum
Szene VII
„Fünf Minuten.“ Rod lächelt und nickt, bezweifelnd, dass die Schwester, die Nachtaufsicht hat, es sehen kann, und fragt sich zum wiederholten Mal, warum er sich eigentlich so viel Mühe gibt, um eine Freundschaft zu kitten, die noch nicht einmal seine eigene ist.
Vermutlich wegen seinem Seelenheil und, wichtiger noch, seinem Körperheil. Bela hat dafür gesorgt, dass er die Prügelei nicht so schnell vergisst.
In der nächtlichen Beinahe-Stille (in der Klinik ist es nie komplett ruhig) hat das Klimpern des Schlüsselbundes etwas Gefährliches. Die Schwester lotst ihn raschen Schrittes an Türen vorbei, aus denen er kaum wahrnehmbares Geheul zu hören meint, zu einer, die sich durch nichts von den anderen unterscheidet. Rod ist froh, kein Gewimmer und kein Gekreische aus dem Raum dahinter zu hören.
Die Schwester schiebt mit schabendem Geräusch eine Klappe in der Tür zurück. Es ist stockduster, Rod sieht absolut nichts in dem Zimmer. „Die Räume hier sind schalldicht“, erklärt die Schwester flüsternd, „in fünf Minuten bin ich wieder da.“
Rod räuspert sich leise. „Bela?“
„Jaha?“ kommt die unvermittelte, fröhliche und vor allem laute Antwort.
„Ähm… wie geht’s dir?“ Vielleicht hätte er vorher einen Smalltalk-Kurs belegen sollen.
„Ach, ich häng hier so von der Decke…“ Bela kichert. „Nein, tu ich nicht. Sie haben mich in eine Eispackung gelegt, bis ich das Gefühl hatte, meine Finger würden abfallen, wenn man mit einem Hämmerchen draufschlagen würde, und jetzt darf ich mich wieder bewegen.“
Rod schweigt, in Gedanken eine ausreichend vorsichtige und trotzdem nicht zu verschleierte Frage zum Thema Farin formulierend.
„Und, was macht die Offene so ohne mich? Alle am trauern? Was macht Kat, geht’s ihr gut?“, fällt Bela ihm in die Gedanken.
Rod schüttelt den Kopf über so viel abartig gute Laune so spät abends. „Hörst du’s nicht? Die jammern alle nach dir. Kat… zeichnet, soweit ich das mitkriege.“
„Schön-schön“, ahmt Bela den allseits unbeliebtesten Pfleger nach, „Und deine Musik, was macht die?“
Überrascht hebt Rod den Kopf. „Wächst und gedeiht“, antwortet er schließlich knapp, „aber Farin geht es…“
„Farin kann mich mal!!“ donnert es ihm entgegen, er kann nicht einmal den Satz zuende sprechen, so schnell schlägt das gut gelaunte Geplänkel in hasserfülltes Fauchen um. „Der Bastard! Interessiert sich ja doch nicht für mich, sobald da… scheiße!“ Aufgeregte Schritte, dann ein lauter Knall, als Bela mit voller Wucht gegen die Tür tritt. „Da muss nur so ein chilenisches Muttersöhnchen ankommen, und Zack, bumm, aus, kein Wort mehr für Klein-Bela, war ja eh immer nur Ablenkung gewesen, dieses Arschloch! Und du! Verschwinde von meiner Tür, auf der Stelle!“
Das ist der Moment, in dem Rod Belas Problem versteht.
Er kann nicht anders, als ungläubig zu lachen. Es ist so absurd, so absolut verrückt, zu glauben, da gäbe es Loyalität von Farins Seite, die er irgendjemandem schenken könnte, dass Rod das kurze Lachen nicht unterdrücken kann.
„Du glaubst, ich nehme dir etwas weg, was gar nicht existiert“, stellt er fest, mitten in eine weitere Schimpftirade hinein, die sich vermutlich darum dreht, dass Rod Bela nicht auszulachen hat.
Bela verstummt.
Dann erklingt ein aufrichtig erfreutes Lachen, völlig rein und unschuldig wie von einem kleinen Kind. Nur dass es insofern unheimlich ist, dass es von einem Mann kommt, der Rodrigo gerade noch ohne zu zögern sämtliche Knochen gebrochen hätte.
„Das ist gut. Das ist sehr gut. Das ist fantastisch“, trällert Bela gut gelaunt.
„Was?“, fragt Rod beunruhigt. Er weiß nicht mehr so genau, ob es für ihn gut oder schlecht ist, wenn Bela gute Laune hat.
„Du bist einfach nicht verrückt genug, um zu sehen, dass es sehr wohl existiert.“