Zum Inhalt der Seite

Asylum

Die Wahrheit über den Wahnsinn
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

I.VII

Akt I: Welcome to the Asylum

Szene VII
 

Farin lehnt sich an die Wand vor Belas Zimmer. Perfekt wäre es, wenn seine Anwesenheit durch die Wand hindurch Bela helfen könnte. Dann müsste er keine dieser … sozialen Situationen meistern, die er schon immer gehasst hat. Die richtigen Worte und Gesten finden. Ihm fehlt das Gefühl dafür. Das Mitleid, das belohnende Glücksgefühl, wenn er jemandem geholfen hat.
 

Dennoch, Schuldgefühle hat er. Ein Geschenk ist eine Verantwortung, das hat seine Familie ihm früh genug in den Schädel gehämmert. Man muss etwas Gleichwertiges zurückgeben.
 

Und Bela hat ihm eine Menge geschenkt. Auch wenn Farin es nicht wahrhaben will, Bela hat ihm tatsächlich geholfen.
 

Und deshalb steht er jetzt hier, neben der Tür zu seinem Zimmer, wissend, dass da ein höchst depressiver Mensch darauf wartet, seine hoffnungslose Stimmung an ihn weiterzugeben.
 

Farin seufzt frustriert auf. Entscheidungssituationen gehören definitiv nicht zu seinen Lieblingssituationen, stellt er fest, während er die Klinke zwei Millimeter nach unten drückt.
 

Nichts passiert. Kein Wutgeschrei, kein Wort, kein alles sagendes Geräusch eines vorgeschoben werdenden Riegels. Farin wagt sich weiter vor, drückt die Klinke ganz herunter und schiebt die Tür einen Spaltbreit auf.
 

Jetzt kann er doch etwas hören, leise, aber klar erkennbar: Musik. Oder eher: Krach. Metal. Nur eben in erträglicher Lautstärke. Farin fragt sich, ob man mit Depressionen noch an andere denkt und dementsprechend menschlich solch unmenschliche Musik hört, während er die Tür ganz auf- und sich ins Zimmer schiebt.
 

Bela liegt völlig regungslos auf dem Boden, die langen Haare einem Heiligenschein gleich um seinen Kopf ausgebreitet, die Arme zu den Seiten ausgestreckt. Er hört Musik. Mit Kopfhörer. So laut, dass Farin den Text verstehen könnte, würde der Sänger verständliches Englisch singen.
 

Farins erster Impuls ist, hinzurennen und die Musikanlage aus dem Fenster zu werfen. Oder sie auszuschalten. Oder Bela die Kopfhörer von den Ohren zu reißen.
 

Er tut nichts von alledem, sondern übt sich in Vernunft. Soweit das noch möglich ist, hier, in diesem Zimmer, in diesem Haus.
 

Er kniet neben Bela nieder und berührt ganz vorsichtig seine Hand, auf alles gefasst: Einen riesigen Schrecken, einen hysterischen Anfall, einen Rauswurf.
 

Bela jedoch öffnet einfach nur die Augen.
 

Es ist nicht so, als würde er Farin nicht sehen. Nein, vielmehr scheint ihn dessen Anwesenheit schlichtweg nicht zu interessieren. Unwichtig zu sein neben dem, was er gerade durchmacht.
 

Farin kann es nur erahnen. Er will es auch eigentlich gar nicht wissen. Aber eines drängt sich ihm geradezu auf: Es hat keinen Sinn. Wozu hierbleiben und der eigenen Stimmung zusehen, wie sie das alte Gefühl der Solidarität ausgräbt und Belas im Keller Gesellschaft leistet, wenn Bela nichts davon hat und Farin sowieso nicht?
 

Er hat sich das anders vorgestellt – hineingehen, das unangenehme Gefühl, Bela etwas zu schulden, loswerden und wieder hinausgehen. Vielleicht sollte er dem Therapeuten etwas mehr Aufmerksamkeit schenken, schließlich betont der immer wieder, dass Menschen – vor allem hier – keine Maschinen und damit nicht berechenbar seien.
 

Lektionen, die das Leben erteilte. Farin ist im Begriff, sich zu erheben und den Raum unverrichteter Dinge zu verlassen, eine Sache, die ihm noch nie behagt hat, als Belas Hand sich um sein Handgelenk legt.
 

Es liegt wenig Kraft in dem Griff, genauso wenig wie in den Worten, die kaum die Musik übertönen: „Bleib hier.“ Dennoch, beides ist unmissverständlich. Vielleicht ist seine Anwesenheit also doch nicht so nutzlos, wie er gedacht hat.
 

Der Zug an seinem Arm wird verstärkt, die Intention dahinter ist klar. Er soll sich auch hinlegen, Gesellschaft leisten oder eine Schulter zum Ausheulen liefern. Farin graust es vor der körperlichen Nähe, die damit unweigerlich verbunden ist. Es gibt wenig, was er noch weniger leiden kann. Leider gehört das Gefühl, jemandem etwas zu schulden, zu dem Wenigen.
 

Und so lässt Farin sich herunterziehen, dreht sich auf dem harten Boden auf die Seite. Bela vergräbt das Gesicht an seiner Brust und hält ihn weiter fest.
 

Die hasserfüllte Stimme des Sängers dringt immer noch dumpf an Farins Ohren. Er liegt stocksteif da und starrt an die Wand. Wenn das hier vorbei ist, wird es Bela sein, der ihm etwas schuldet.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-08-24T15:18:26+00:00 24.08.2009 17:18
Das kapitel ist ja schon fast süß ^////^
Zuerst fu, der sich nich traut reinzukommen und dann bela, der sich an fu schmiegt und so.....*seufz*
Es ist so wunderbar geschrieben dass mir glatt die worte fehlen...*smile*
ich find dass das mit dem metal passt - also mit dem lauten krach ^^ Das beschreibt bela als depri schon mal ganz gut^^
*zum nächsten kapi hüpf*
Von:  YouKnowNothing
2009-08-17T19:08:13+00:00 17.08.2009 21:08
ich könnte mich wiederholen (wie so oft XD) aber ich mahc's einfach mal kurz: Unglaublich gut!
*-*

LG S-M
Von:  Mebell
2009-08-17T16:54:46+00:00 17.08.2009 18:54
Oah...
Diese Fanfiction, das ist die Erste seit sehr sehr langer Zeit, wo ich wirklich voller Gier auf das nächste Kapitel warte und alles rasend schnell dann verschlinge.
Außerdem: Immer wenn ich anfange zu lesen, verschwindet meine Umwelt und alles was in der FF geschieht, spielt sich wie im Film vor meinem Auge ab.
Das ist schon fast gruselig :D

Hach, und Farin.. Dieses Problem mit der Nähe und den sozialen Sachen, so wunderschön beschrieben. Und dazu dieser musikhörende Bela, der ja so gut wie gar nichts tut in dem Kapitel und doch so aussagekräftig ist.
Hach. Einfach nur ein Hach.
Und ein Wow. Mir fehlen die Worte. (Um es dreist bei dem Blonden zu klauen)
Daher greife ich mal darauf zurück:
*_____*
Von: abgemeldet
2009-08-17T10:46:38+00:00 17.08.2009 12:46
Wow, hab jetzt alles auf einmal gelesen. Ich find's großartig, mal ganz was anderes. Die so verletzlichen Figuren sind wunderschön, da kann man schon fast heulen. Bin super neugierig was sich dahinter verbirgt.
Bin sehr gespannt wie es weitergeht.
LG :)
Von:  aerith_rikku
2009-08-17T09:42:33+00:00 17.08.2009 11:42
schön..mehr hab ich adzu nicht zu sagen :)
der depressive bela gefällt mir übrigens noch besser als der fröhliche ;)


Zurück