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Cruel Nature

von

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Erwartest du jemanden?

Erwartest du jemanden?
 

„Warum machst du die Hausaufgaben im Wohnzimmer?“, fragt Miho, die gerade mit Staubsaugen fertig geworden ist. Sie zieht ihr Haargummi aus bindet es sich geschickt um den Arm.

„Ich kann mich in meinem Zimmer irgendwie nicht konzentrieren...“, antwortet Keisuke. Man kann nicht sagen, dass es im Wohnzimmer besser klappt.

Sein Leben ist gerade so stressig, und die Schule übt auch einen ganz beträchtlichen Druck auf ihn aus. Am liebsten würde er seine Hausaufgaben einfach aus dem Fenster werfen, aber Miho besteht darauf, dass er sie ordentlich anfertigt.

Sie schmunzelt: „Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, das weißt du. Mir ist ganz egal, wo du sie erledigst, von mir aus auch gerne im Badezimmer. Aber heute Abend kommt Stephan zum Abendessen her, und ich fände es toll, wenn dann hier nicht überall Schulsachen von dir rumliegen.“ Keisuke nickt und arbeitet weiter. Je schneller er mit dieser Zeitverschwendung fertig ist, desto besser.
 

„Das ist doch nicht dein Ernst!“, fährt Shou ihren Freund Desmond an; „Du warst gestern den ganzen Tag bei ihr!“

„Es war wichtig!“, versucht er sich zu entschuldigen, während er seine Forschungsberichte in eine Tasche einpackt. Sie schaut ihn böse an.

Natürlich ist sie sauer, nicht nur, weil er jetzt, an einem schönen Sonntagmorgen, an dem man draußen einen Spaziergang machen könnte, ins Labor fährt, sondern auch, weil er mehrere Stunden bei einer anderen Frau verbracht hat.

„Sag mir den Grund!“, fordert sie ihn auf.

„Bitte reg dich nicht so auf“, sagt Desmond ruhig; „Ich war ja nicht alleine da, sondern mit ein paar Freunden. Du kannst Miho fragen, wenn du mir nicht glaubst.“

Sauer entgegnet sie: „Heißt das etwa, ihr habt eine Party gemacht, und mich nicht mal eingeladen? Bin ich dir peinlich oder so?!“

„Nein, und es war auch keine Party“, seufzt er.

„Na schön, und warum hast du mich nicht angerufen und mir bescheid gesagt?“, fragt sie nun.

Momentan stehen sie im Flur von Desmonds Haus herum, und Desmond, der sein Arbeitsmaterial gerade noch einmal kontrolliert hat, sagt emotionslos: „Mein Fehler, daran habe ich nicht gedacht. Jetzt sei nicht sauer, so lange bist du nicht mehr hier in Logaly, und die Zeit würde ich gerne genießen.“ Er gibt ihr einen kurzen Kuss auf die Wange und geht Richtung Haustür:

„Ich muss jetzt los, heute stehen eine Menge Analysen an. Wir sehen uns heute abend.“

Mit diesen Worten verlässt er das Haus, und lässt Shou alleine im Flur stehen.

Ihr genervter Blick wandelt sich binnen weniger Sekunden in ein sanftmütiges Lächeln.

Leise sagt sie zu sich selbst: „Arbeit ist dir wohl wirklich ist das wichtigste...“

Sie findet das nicht negativ, sondern es freut sie, dass ihm das Forschen so viel Spaß macht.

Sein immenser Wissensdurst und diese bewundernswerte Ausdauer, das sind die Eigenschaften, wegen denen sie sich in Desmond verliebt hat.

Doch sie ist auch nicht anders, bei ihrem Studium über antike Geschichte und Allgemeinmythologie ist sie immer voll dabei, und darauf aus, so viel wie möglich zu lernen.

Aber es tut ihr jetzt in der Seele weh, dass ihr Freund mit seiner Leidenschaft uneingeschränkt fortfahren kann, während ihr Studium während des Aufenthalts in Logaly quasi gestoppt ist.

Shou seufzt: „Was soll's, ich will mich hier nicht langweilen. Gehe ich halt zur Maniküre.“
 

Es klingelt bei den Valleys. Keisuke ist eben mit den Hausaufgaben fertig geworden und hat seine Schultasche für morgen schon gemäß nach dem Stundenplan eingepackt.

Gerade als er vom Sofa aufstehen will, um die Haustür aufzumachen, wird sie schon von Miho geöffnet, die schon kurz darauf: „Oh mein Gott!“, ruft.

Besorgt läuft ihr kleiner Bruder in den Flur. Es wird doch jetzt kein Feind vor der Tür stehen?

Miho geht ein paar Schritte zurück und Stephan, ihr Freund, kommt herein, und als Keisuke sieht, wen er auf den Arm hat, bleibt ihm fast die Sprache weg: „Shya!“

Er übergibt das Kätzchen an Miho, die sie erleichtert mustert:

„Meine liebe Shya, endlich bist du wieder da... Wo warst du nur? Ich habe dich schon überall gesucht!“ Doch die Katze lässt nur ein miauendes Gähnen verlauten.

Sie sieht überraschend gesund aus, theoretisch müsste sie dürr sein, weil sie mehrere Tage nichts zu Essen bekommen hat, doch scheinbar konnte sie sich selbstständig Futter besorgen.

Ihr glattes, braunes Fell glänzt wie immer wunderschön und Keisuke kommt erleichtert zu dem Schluss, dass es ihr gut geht.

Nachdem Miho sie genügend gestreichelt hat, setzt sie sie ab, und geht auf Stephan zu.

Sie schließt ihn lächelnd in die Arme und sagt: „Ich bin so froh, Stephan, du hast Shya gefunden. Ich bin dir so unendlich dankbar... Du bist mein Held.“

Stephan streichelt ihr zufrieden den Rücken: „Ich habe sie zufällig ein paar Gassen weiter gefunden. Ist es wirklich eure Katze?“

„Ja“, flüstert Miho mit Tränen in den Augen; „Ja, sie ist es. Ich danke dir, Stephan, ich... ich...“

Keisuke kommt schon in Versuchung zu fragen: „[Ich] was?“

Doch dann sieht Miho ihrem Freund direkt in die Augen und sagt leise: „Ich liebe dich.“

Anstatt zu antworten, bewegt Stephan seinen Mund auf den ihren zu und sie verfallen beide in einem leidenschaftlichen Zungenkuss.

Geschockt dreht Keisuke sich weg, wie können sie sowas nur vor seinen Augen machen?

Anscheinend finden sie es gar nicht peinlich, aber für ihn wäre es seltsam, im Flur herumzustehen und seiner großen Schwester beim Knutschen zuzuschauen, also geht er schnell ins Wohnzimmer.

Doch er freut sich für Miho, denn sie hat sich immer so oft beklagt, dass sie keinen netten Freund findet, dass sie einsam ist, dass jeder Mann den sie trifft immer nur das Eine will...

Jedenfalls scheint es ihr jetzt gut zu gehen, und er ist auch sehr froh über Shyas Rückkehr.

Warum ist sie nur weggelaufen? Das passt gar nicht zu ihr.

Hoffentlich würde sie von nun an aber bleiben.

Die Tür geht auf und Miho reißt ihn aus seinen Gedanken:

„Keisuke?“ Er schaut sie fragend an und kann sich ein Grinsen gerade noch verkneifen.

„Ich, ähm, das solltest du eigentlich nicht sehen...“, stottert sie hilflos, aber er sagt einfach:

„Ist schon gut. Wo ist Stephan jetzt hin?“

Mihos Blick wird verträumt, sobald sie seinen Namen auch nur hört.

„Miho?“ Keisuke fragt sich, ob sie ihm überhaupt zugehört hat.

„Oh, entschuldigung! Ähm, er ist wieder nach Hause gefahren. Eigentlich waren wir erst für heute Abend verabredet, weißt du?“

Er nickt, um zu zeigen, dass er verstanden hat.

„Ich gehe jetzt in mein Zimmer und übe ein bisschen mit dem Dolch, den ich von Raito bekommen habe“, beschließt Keisuke, und Miho wirft ihm einen missbilligenden Blick zu:

„Unter normalen Umständen würde ich es meinem kleinen Bruder niemals erlauben, so eine gefährliche Waffe zu besitzen.“

Keisuke zuckt nur mit den Schultern. Die Umstände sind eben nicht normal und das weiß sie.

Sie seufzt resignierend: „Sei bitte vorsichtig, wenn du damit trainierst. Ich will nicht, dass du dir wehtust.“ „Ich werde vorsichtig sein!“, erwidert er gelassen.

Beim Sturm auf das Hauptquartier in fast einer Woche will er nicht schon wieder nur eine Bürde sein, sondern er will helfen können, gegen die Cursers zu kämpfen.

Mit diesen entschlossenen Gedanken macht er sich auf den Weg in sein Zimmer.
 

Desmond hat inzwischen sein Labor betreten und seine Jacke ausgezogen. Bei der Arbeit trägt er eher selten einen Kittel, sondern er bleibt zivil. Schutzhandschuhe und Schutzbrillen, das sind Sachen, auf die man nicht verzichten sollte, aber es ist sein Labor und er entscheidet ganz alleine, was er wann anlegt und was wann nicht.

Er geht durch die Tür und sieht seinen nichtsnutzigen Kollegen Michael, wie er an einem Experimentiertisch sitzt und einen Cheeseburger verdrückt.

„Michael!“, ruft Desmond sauer, als er den ganzen Müll auf dem Tisch erblickt; „Kannst du mir einmal sagen, was das soll?!“

Sein Kollege erschrickt und räumt panisch den ganzen Müll weg.

Dabei stottert er: „Oh, Herr... Herr Corin, ich wusste gar nicht, dass Sie an so einen schönen Sonntag ins Labor kommen...“

Desmond legt seine Tasche ab: „Red keinen Stuss, du weißt, ich bin fast jeden Tag hier. Auch sonntags und an Feiertagen. Und jetzt erklär mir, warum du hier am sitzt, und anstatt zu arbeiten, einen ungesunden Cheeseburger frisst! Oder mehrere“, fügt er mit einem Blick auf die ganzen leeren Verpackungen hinzu.

„Nun, also, äh..“

„Dir ist schon klar, dass dies ein Arbeitsraum ist, und man hier nicht essen darf? Bei den ganzen chemischen Reaktionen, die hier Tag für Tag ablaufen, hast du dir ganz schnell eine Lebensmittelvergiftung geholt!“, belehrt er ihn; „Wir haben auch noch einen Aufenthaltsraum, in dem sogar ein Fernseher steht. Warum zum Geier isst du nicht da?“

„Tut mir leid, Chef“, entschuldigt sich Michael, und bringt den Abfall nach draußen.

Er hat es wieder einmal geschafft, Desmond zu enttäuschen.

Dieser würde viel lieber auf eine inkompetente Person wie Michael verzichten, aber als Wissenschaftler fällt eben auch ein Haufen uninteressanter Arbeit an, die sich ebenso gut von einem Laborassistenten erledigen lassen. Außerdem würde er einen fähigeren Angestellten auch mehr Lohn zukommen lassen müssen, und das ist Geld, was Desmond noch nicht hat.

Er setzt sich auf den Stuhl, auf dem bis eben noch sein Gehilfe saß, und denkt nach.

Für den Kampf gegen die Cursers würden sie Waffen brauchen, originelle Waffen, mit denen man sie überrumpeln kann.

Epheral Locover scheint zwar über ein ganzes Waffenarsenal zu verfügen, aber man darf nicht vergessen, dass ihre Gegner Vampire sind. Desmonds kleine Handfeuerwaffe würde gegen einen starken Curser vermutlich nicht nützlich sein.

Er macht ein paar Überlegungen und notiert sie auf einen Zettel.

Ein paar Minuten später kommt Michael wieder herein und schaut Desmond über die Schulter:

„Was machst du da?“, fragt er neugierig.

Desmond nimmt sich einen neuen Zettel und kritzelt irgendetwas darauf.

Dabei sagt er grinsend: „Gut, dass du wiedergekommen bist.“

Bevor Michael fragen kann, was sein Chef meint, bekommt er den Zettel in die Hand gedrückt.

„Kauf bitte alles ein, was auf dieser Liste steht. Das Geld gebe ich dir gleich. Und wehe du vergleichst vorher nicht die Preise! Wenn du zu viel bezahlst, ziehe ich dir das vom Gehalt ab.“

Etwas überfordert blickt der Laborassistent Desmond an: „Es ist doch Sonntag!“

Doch Desmond zückt einen Geldschein aus seiner Brieftasche und ruft nur: „Dann suchst du eben einen Laden, der auch sonntags offen hat! Worauf wartest du? Jetzt!“
 

Mittlerweile ist es Abend geworden, und Shou, die alleine in Desmonds Zimmer am Fenster sitzt, sieht sich den Sonnenuntergang gelangweilt an.

Ihre Maniküre ist nun schon ein paar Stunden her, und sie hat keine Ahnung, was sie machen soll.

Am liebsten würde sie Desmond anrufen, aber nichts liegt ihr ferner, als ihn bei der Arbeit zu stören. Es nervt sie zwar, dass er wahrscheinlich schon wieder Überstunden machen wird, aber dafür liebt sie nichts mehr als sein zufriedenes Lächeln, was er immer dann trägt, wenn er eine neue Erkenntnis bei seinen Forschungen erlangt hat.

Ihm macht seine Arbeit Spaß, und ihr macht es Spaß, ihn glücklich zu sehen.

Dieser Tag war extrem öde, sagt sie sich, und es widerstrebt ihr, den restlichen Abend einfach so verstreichen zu lassen. Aber wo soll sie hingehen? Es ist immerhin Sonntag, also könnte sie nicht shoppen gehen. Sie könnte nur zur Maniküre gehen, wo sie aber schon war, zum Friseur, was sie aber nicht nötig hat, oder in die Kirche, aber sie glaubt nicht an Gott.

Wenn sie doch nur jemanden in Logaly kennen würde, mit dem sie etwas unternehmen kann!

Dann fällt ihr diese Miho Valley ein, bei der sie und Desmond mal zu Abend gegessen haben.

Das Dinner war ja ganz lustig, ruft sie sich in Erinnerung, und entschließt, einfach mal bei Miho vorbeizufahren und vorzuschlagen, in die Disko zu gehen oder so. Desmond spricht immerhin ziemlich oft von ihr, da wäre es doch eine gute Idee, sich mit ihr anzufreunden.

Shou würde dadurch vielleicht Dinge erfahren, die ihr Freund ihr verheimlicht.

Weil sie Gefallen an der Idee findet, sich mit Miho mal auszuquatschen, nimmt sie sich Desmonds Fahrrad und fährt los.
 

Früher Abend, und mal wieder klingelt es im Hause der Valleys.

Freudig springt Miho auf und rennt zur Tür: „Das muss Stephan sein!“

Als sie aber dann aufgeregt die Tür öffnet, steht nicht Stephan vor ihr, sondern Desmond.

„Oh!“, sagt Miho überrascht: „Was machst du denn hier?“

„Entschuldige bitte die Störung“, begrüßt er sie; „Kann ich eben reinkommen?“

Miho lässt ihn herein und schließt höflich die Tür.

Eigentlich passt es ihr jetzt gar nicht, Besuch zu bekommen, denn es kann nur noch ein paar Minuten dauern, bis ihr Freund hier auftaucht und mit dem wollte sie eigentlich ungestört sein.

Ihr Bruder Keisuke ist oben und übt vielleicht immer noch mit seiner neuen Waffe, Sakito ist wie immer nicht zu Hause und Shizuka übernachtet heute bei einer Freundin aus ihrer alten Schule.

Im Wohnzimmer sieht Desmond den gedeckten Esstisch und sagt:

„Miho, erwartest du jemanden? Ich werde nicht lange stören, versprochen.“

Beruhigt nickt Miho, doch das kommt ihr schon in der nächsten Sekunde äußerst unhöflich vor und sie entschuldigt sich. Dann fällt ihr Blick auf den Karton, den Desmond unter dem rechten Arm trägt. „Was ist das?“, fragt sie, und er erklärt: „Es sind Waffen gegen die Curser, die ich heute kurzfristig entwickelt habe. Ich habe sie dir gebracht, weil euer Haus eben der Ort ist, an dem wir uns vor dem Angriff versammeln. Dann sollten wir sie austeilen.“

Miho schaut ihn beunruhigt an. Der Karton enthält also Waffen? Und den will er hierlassen?

„Versteck ihn irgendwo, bis nächste Woche Samstag“, sagt Desmond, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

Miho nickt und bringt ihn weg. Als sie nach einer Minute wiederkommt, will sie wissen:

„Warum hast du das alles denn heute erledigt, du hättest doch noch bis nächste Woche Zeit?“

Desmond grinst: „Ich weiß, aber die Zeit habe ich für eine andere, weitaus interessantere Erfindung geplant.“ Auf Mihos fragenden Blick ergänzt er nur: „Darüber muss ich aber erst mit Keisuke sprechen. Ist er zuhause?“ „In seinem Zimmer“, antwortet sie; „Du warst ja schon mal da.“

„Okay, ich gehe hoch zu ihm.“

Vor Keisukes Zimmertür hält er kurz inne und klopft zweimal an, aber er wartet kein „Herein“ ab sondern platzt ohne weiter zu warten in den Raum.

Keisuke steht mitten im Zimmer und fragt: „Desmond? Hallo...“

Der Wissenschaftler grüßt ihn zurück. Der Vampir ist schweißgebadet und atmet recht schnell.

Er trägt ein kurzes T-Shirt, das vom Schweiß durchnässt ist, sowie eine kurze Sporthose.

In seiner Hand hält er einen silbernen Dolch fest umklammert.

„Was hast du denn hier gemacht?“, fragt Desmond skeptisch, woraufhin Keisuke seine Waffe beiseite legt. Erschöpft setzt er sich aufs Bett: „Ich habe... trainiert... Ich weiß, so kurzfristig bringt es nicht mehr viel, aber das ist besser, als nutzlos zu sein.“

„Stimmt“, lächelt der Wissenschaftler; „Ich habe auch schon einen Teil beigetragen. Ich wollte etwas mit dir besprechen.“

„Worum geht es?“, fragt Keisuke neugierig. Er merkt, dass sein Bedürfnis nach Blut ansteigt, vielleicht sollte er in den nächsten Stunden mal runtergehen und etwas trinken.

Aber erst will er wissen, was Desmond ihm zu sagen hat.

„Ich habe über etwas nachgedacht. Deine Schwester hat mir von diesem toten Mädchen erzählt... Wie sie noch gleich hieß, ähm... Verona, oder so...“

„Verena!“, berichtigt Keisuke ihn sauer.

„Von mir aus. Jedenfalls, sehe ich es richtig, dass du sie nach dem Tod der Königin wiederbeleben könntest, wenn sie ein Mensch wäre?“

„Ja“, gibt Keisuke zurück; „Leider... Ist sie keiner, und ich wüsste auch nicht, wie man einen Vampir zu einem Menschen macht. Raito kennt auch keine Möglichkeit, aber wenn uns nicht bald etwas einfällt, ist es zu spät, denn ihre Leiche wird bald anfangen zu verwesen...“

Traurig senkt er den Kopf. In den letzten Tagen hat er möglichst versucht, nicht an sie zu denken.

„Theoretisch könnte ich sie wieder zum Menschen machen“, pfeift Desmond, und Keisuke ruft voller Begeisterung: „Was?! Wirklich?“

Desmond nickt: „Ich habe dir doch damals angeboten, einen Wirkstoff zu entwickeln, der dich wieder zum Menschen machen könnte, weißt du nicht mehr? Du hast zwar abgelehnt, aber...“

„Aber warte mal...“, unterbricht Keisuke ihn; „Verena ist nicht mehr am Leben wie ich. Meinst du denn, dass das funktioniert?“

„Naja, das erschwert es mir natürlich, aber für die Wissenschaft ist nichts unmöglich. Natürlich kann ich dir keinen Wirkstoff herbeizaubern, ich müsste schon Tests mit einem richtigen Vampir machen. Und da dachte ich an dich.“

Da liegt der Hund also begraben, überlegt Keisuke. Es ist ihm schon komisch vorgekommen, dass Desmond auf einmal so selbstlos wirkt und ihm helfen will, Verena wiederzubeleben. Eigentlich denkt er dabei nur an sich und seine Forschungen.

„Versteh doch, Keisuke, der Vampirismus ist im Grunde eine Krankheit. Und Krankheiten, die man nicht heilen kann, sind keine Krankheiten.“

Keisuke ist geneigt zu widersprechen, lässt es aber sein. Desmond weiß schon, wovon er redet.

„Sieh es mal so, wenn wir Erfolg haben, kann deine Freundin da wieder zum Leben erwachen als Mensch, und ich bekomme meine lang ersehnten Testergebnisse. Wir haben beide was davon.“

Auch wenn sich etwas in Keisuke dagegen sträubt, stimmt er schließlich zu:

„Ist okay, ich mache es. Wenn man damit Verena vielleicht helfen kann.“

„Sehr gut“, grinst Desmond; „Das wird mit Sicherheit lustig werden!“

Er fühlt sich gerade wirklich großartig, denn er ist der erste Wissenschaftler, der die Gelegenheit bekommt, Vampire zu erforschen! Dadurch könnte er eine Menge erreichen, und er würde in allen Geschichtsbüchern stehen!

„Aber heute nicht mehr, oder?“, fragt Keisuke bedrückt, denn er ist schon so total erschöpft.

„Heute nicht mehr, aber wir sollten schon morgen anfangen, nachdem du aus der Schule gekommen bist. Wie du schon gesagt hast, die Zeit drängt uns zu schnellen Ergebnissen. Wenn wir es schaffen, sie bis Samstag menschlich zu machen, kannst du sie nach dem Sturz der Königin sofort wiederbeleben. Klingt das gut?“

Die Idee ist wirklich bemerkenswert gut, das muss Keisuke zugeben.

Trotzdem hat zweifelt er sowohl daran, dass sie ein Gegenmittel finden, als auch daran, dass sie Emily so einfach besiegen können. Doch er sagt sich selbst, dass er optimistisch bleiben sollte. Nur so können sie es schaffen.

Desmond seufzt: „Das Problem ist, ich bin nicht so auf Biologie als Naturwissenschaft fixiert, eher auf Chemie und Physik...“

„Was heißt das?“, fragt Keisuke besorgt.

„Das heißt, dass ich wahrscheinlich die Hilfe eines Arztes brauchen werde“, erklärt er.

Das gefällt dem Vampir überhaupt nicht, aber zum Glück fällt ihm etwas ein:

„Wie wäre es mit Luna? Sie weiß von der Existenz von Vampiren und würde sicher gerne helfen!“

Desmond sieht skeptisch aus: „Sie ist aber keine Ärztin, sie studiert noch...“

Keisuke schüttelt mit dem Kopf: „Das ist egal, sie ist jetzt als Studentin schon besser als so mancher Arzt. Du hättest sie erleben sollen, als sie einen schwer verletzten Fuchs verarztet hat. Er ist schon fast wieder gesund!“

„Aber... das ist Tiermedizin...“, fängt Desmond an, aber Keisuke will das nicht hören:

„Bitte frag sie doch. Ich will mich nicht noch mehr Menschen offenbaren als unbedingt nötig... Und ich bin mir total sicher, dass Luna uns helfen kann.“

Der Wissenschaftler gibt nach: „Wenn es sein muss. Ich rufe sie morgen mal an.“

Damit verlässt er den Raum: „Ich gehe wieder nach unten. Und ich sollte langsam nach Hause, meine Freundin wartet auf mich. Auf Wiedersehen!“

Mit diesen Worten lässt er Keisuke im Zimmer alleine zurück und geht die Treppe runter.

Miho sitzt ungeduldig im Wohnzimmer: „Desmond? Gehst du?“, fragt sie, als er an ihr vorbeigeht. Er hat die Haustür schon geöffnet, aber er entscheidet sich dennoch dafür, höflich zu sein und sich von Miho zu verabschieden.

Im Wohnzimmer fragt er: „Miho, hast du noch irgendwelche Fragen?“

„Ja, wo mein Freund bleibt...“, nörgelt sie, aber Desmond erwidert: „Ich meinte Fragen bezüglich der Waffen, die ich dir übergeben habe.“

„Achso. Nein, in den Karton habe ich noch nicht reingeguckt...“ Desmond seufzt.

„Miho? Entschuldige, die Tür stand offen...“, sagt eine junge Frau mit rotbraunem Haar und blauem Haarband, die gerade ins Wohnzimmer gekommen ist. Als sie Desmond sieht, schreit sie:

„Desmond! Was... Was machst du hier?!“

Erschrocken schaut er sie an: „Shou! Du hier? Was hast du denn hier zu suchen?“

Wütend geht sie auf ihn zu: „Das sollte ich eher DICH fragen!!! Ich dachte, du bist im Labor und arbeitest! Aber stattdessen bist du HIER!! HIER bei IHR!!“, ruft sie und deutet auf Miho, die nur verwirrt schweigt.

„Was redest du denn da, ich musste hier her, weil, weil...“

Verdammt, was soll er nur machen? Shou ist sehr unangenehm, wenn sie sauer ist, aber Desmond kann ihr doch jetzt nicht den wahren Grund sagen, warum er hier ist? Dann müsste er ihr von den Vampiren erzählen...

Er überlegt noch, was er am besten machen soll, da dreht Shou sich um und ruft:

„Ich warte stundenlang zu Hause auf dich und denke, du bist bei der Arbeit, aber stattdessen bist du hier bei dieser Frau! Ich weiß schon, was läuft!“

Ohne sich nochmal umzudrehen rennt sie aus dem Haus, und rempelt dabei fast Stephan an, der gerade ins Wohnzimmer kommen wollte.

Warum musste es jetzt soweit kommen?

Miho steht auf und geht zu Desmond: „Du solltest ihr hinterherlaufen und versuchen, es zu erklären. Du weißt doch, was sie jetzt denkt!“

Der Wissenschaftler nickt betrübt.

Stephan fragt, was hier überhaupt los sei, aber plötzlich sagt Miho:

„Stephan, es tut mir leid, aber ich werde mit Desmond zu seinem Haus fahren. Es gab gerade ein großes Missverständnis, und wahrscheinlich denkt seine Freundin, er hätte eine Affäre mit mir. Das... Das betrifft mich auch. Ich komme mit, Desmond.“

Er ist dankbar für Mihos Rückendeckung, aber macht sich Sorgen darüber, ob es eine gute Idee ist, sie mitzunehmen.

Stephan schaut seine Freundin enttäuscht an: „Du meinst, der Abend fällt ins Wasser? Obwohl ich dir deine Katze zurückgebracht habe?“

Miho nickt stumm. Gerade ist es ihr wichtiger, Desmonds Beziehung zu retten, als ein stumpfes Dinner mit Stephan, von dem sie noch hundert haben könnte.

Die Frage ist, ob er das genauso sieht.

Stephan schweigt eine Weile, dann antwortet er: „Einverstanden, Miho. Ich gehe wieder nach Hause, ist zwar schade, aber ich denke, da kann man nichts machen.“

„Danke für dein Verständnis“, sagt sie erleichtert.

„Sicher doch. Ruf mich morgen oder so an, wenn du Zeit hast“, entgegnet er noch und geht.

Miho widmet sich wieder Desmond: „Bist du mit dem Auto hier?“

Er nickt, und sie schlägt vor: „Dann mach doch schon mal den Motor an, ich gehe noch schnell nach oben und sage Keisuke bescheid, dass ich weg bin.“

Sie will gerade die Treppe hochgehen, da sagt Desmond noch:

„Dein Freund ist ziemlich verständnisvoll. Ich denke, das Verständnis in einer Beziehung sehr wichtig ist...“

Miho sieht ihn etwas mitleidig an, weil sie genau weiß, woran er gerade denkt.

Doch sie wird nicht zulassen, dass an ihr irgendeine Liebesbeziehung zerbricht!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2013-01-20T20:33:05+00:00 20.01.2013 21:33
Shya ist ja wieder da!
Arme Shou ... Desmond hat aber auch wirklich ein miserables Timing, tsk. Na ja, wenigstens geht es langsam mal auf die Finale Schlacht zu, wird aber auch Zeit :D Egal, hoffen wir mal, dass Shou und Desmond sich jetzt nicht verkrachen
Von:  LittleLuna
2010-03-16T18:04:15+00:00 16.03.2010 19:04
Irgendwie kann ich mich nicht entscheiden, manchmal ist Shou ja ganz nett, aber andererseits kann sie mich ganz schön aufregen.
Armer Desmond wird total missverstanden =3=
Naja, mach fleißig weiter so :)
LG Lunalein :3


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