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Requiem of Sorrow

von

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Hoffnungsfunken

Es vergingen weitere Tage, die die beiden im Kerker verbrachten. Die Richter hatten Juno wirklich keine Zeit zum Ausruhen gegeben, jeden Abend musste sie zum Verhör. Rares war wirklich verzweifelt. Junos gequälte Schreie rafften ihn dahin, er konnte es nicht ertragen zu wissen, was mit ihr geschah. Jedes Mal kam Juno blutüberströmt zurück in die Zelle, ihr Hemd hatte seine reinweiße Farbe längst verloren und gegen das Rot des Blutes getauscht.

Juno war schon sehr schwach, und auch Rares Kräfte waren erschöpft. Es schien wirklich hoffnungslos. Rares hatte damals im Hirstaang Wald beobachtet, was mit dem Messer in Junos Hand geschehen war. Er hatte gehofft, dass Juno stark genug sein würde, um die Gitterstäbe genauso wie das Messer zum glühen zu bringen. So hätten sie ausbrechen können. Doch nun war die Elfe schon so schwach, dass sie nicht einmal mehr ordentlich sprechen konnte.

Traurig sah Rares auf die schlafende Juno hinab. Er war sich nicht sicher, ob sie überleben würde oder nicht. Wirklich jedes Körperteil von ihr war verwundet. Selbst ihre Fußsohlen hatte man ihr aufgerissen. Ihre Handflächen waren verbrannt, genauso wie der Rest ihres Körpers.
 

Es war die Nacht vor ihrer Hinrichtung. Juno war diese Nacht verschont worden und sie ruhte sich am Bett aus. Rares saß am Boden an die Wand gelehnt und starrte auf die gegenüberliegende Seite. Er war ausgemergelt, zu lange schon war er dem verlockenden Geruch von Junos Blut ausgeliefert. Er bereitete sich auf das Ende vor, jegliche Hoffnung hatte er verloren. Doch was war das gerade für ein Krachen und Klirren? Sollte die Hinrichtung etwa schon jetzt anfangen? Verwirrt und voller Sorge sah er auf den Gang hinaus. Man hörte Blut sprudeln und jämmerliches Röcheln. Dann eilige Schritte, das Bersten von Metall. Rares stand auf und ging näher an die Stäbe, als eine weibliche Person vor die Zelle trat. Es war eine Dunkelelfe, gehüllt in einen braunen Habit, die Kapuze tief in ihr Gesicht gezogen. »Rhodo, ich habe ihn gefunden.«, sagte sie zu dem anderen Wesen, welches sich ebenfalls unter einem Habit verbarg.

»Tilia, was macht ihr hier?«, fragte Rares schließlich.

»Dich befreien. Geh zur Seite.«, erklärte sie und Rhodo ließ die Verriegelung mit einem Hieb seiner schweren Tatze zerbrechen. Quietschend flog die Tür auf und Tilia zog an Rares Handgelenk. »Warte!«, befahl er der Frau und befreite sich aus ihrem Griff. Er ging zurück in die Zelle und hievte Juno auf seinen Rücken. Sofort musste er zu Boden gehen, er konnte ihr Gewicht nicht mehr tragen. »Rhodo, nimm sie mir ab.«, ächzte Rares und hielt sich mit all seiner restlichen Kraft zurück, Juno zu beißen. Der Wolf kam zu ihm gerannt und nahm Juno auf seinen Rücken. Tilia half Rares wieder auf die Beine. »Kannst du noch laufen?«, fragte sie ihn mit sorgenvoller Stimme. Der Vampir nickte langsam und sah auf Tilias Rücken, an dem ein kleiner Rucksack hing. »Was ist da drinnen?«, fragte er und die Dunkelelfe antwortete: »Da sind zwei weitere Habits drinnen. Für dich und für das Mädchen.«, mit ihrem Kopf nickte sie zu Juno, die schlaff auf Rhodos Rücken hing. »Sie ist doch das Mädchen, nach dem du gesucht hast?«, fragte Rhodo drängend. Rares nickte.

Juno und Rares wurden in ihre Habits gezwängt und so schlichen sie durch den Kerker. »Wie seid ihr eigentlich unerkannt in die Stadt gekommen?«, wollte Rares wissen. Trotz des Habits durfte es ja wohl kaum zu übersehen gewesen sein, dass Rhodo ein Werwolf war. »Eigentlich dachte ich, dass du weißt, dass es hier einen geheimen Gang gibt, der vor die Stadtmauern führt. Wir müssen in diese Zelle.«, erklärte sie und sie bogen in eine verlassene Zelle ein, deren Tor ebenfalls aufgerissen und in der Wand ein Loch war. »Der Gang führt unter der Stadt durch, das heißt, wir könnten in jeden Keller dieser Stadt einbrechen. Ein Wunder, dass noch niemand darauf gekommen ist.«, meinte Tilia ruhig und schmunzelte dabei.

»Beeil dich lieber, anstatt zu schwatzen, Tilia.«, brummte Rhodo argwöhnisch, »Schließlich haben wir nicht ewig Zeit, bis die Wachen uns nachkommen.«

»Entschuldige.«, kicherte die Dunkelelfe darauf.
 

Der Tunnel schien schon sehr alt zu sein, jedenfalls war er schon recht zerfallen und staubig. Es war ein einziges Labyrinth, in dem sich jeder andere verlaufen hätte, doch Tilia und Rhodo gingen zielsicher durch die Gänge. »Seid ihr sicher, dass wir richtig sind?«, fragte Rares, nachdem der Tunnel noch zerfallener und gefährlicher wurde. Weder Tilia noch Rhodo antworteten. Ebenso wenig würdigten sie ihn eines Blickes.

Endlich. Eine kühle Brise fuhr Rares durch die Haare, und umschmeichelte sein schweißbenetztes Gesicht. Ein kleiner Lichtfleck am Ende des langen Tunnels tauchte auf. Die Sonne war wahrscheinlich schon aufgegangen, oder war es eine Täuschung von seinen Augen, die so lange schon in der Finsternis verharrten? »Wir sind gleich draußen.«, informierte Tilia. »Aber die Sonne ist noch nicht aufgegangen, wir haben noch ein paar Stunden zeit.«, fügte Rhodo noch an. Sie mussten sich also beeilen.
 

Sie waren wieder unter freiem Himmel; es war eine sternklare Nacht. Nur ein paar Meter neben der kleinen Gruppe war das geschlossene Tor, das von zwei Männern bewacht wurde. Leise schlichen sie weiter Richtung Ebene, sich immer wieder hinter Felsen verbergend. Rhodo sah Richtung Osten, wo der Himmel schon heller wurde. »Wir müssen uns beeilen!«, befahl er, und die Gruppe rannte gezielt auf eine kleine Höhle zu. Sie waren schon weit genug weg, dass die Wachen sie nicht mehr sehen konnten.

Die Höhle war voll mit Laub und Spinnweben. Scheinbar waren Rhodo und Tilia vor der Rettungsaktion hier drinnen gewesen. Behutsam ließ der Werwolf Juno von seinem Rücken in das weiche Laub gleiten. Die ganze Zeit über hatte sie geschlafen, so erschöpft war sie. »Hoffentlich hält das Mädchen durch, bis wir im Hirstaang Wald sind.«, meinte Tilia leise. Dann wandte sie sich wieder Rares zu, der erschöpft an der Wand lehnte. Vorsichtig näherte sie sich und kniete sich vor ihm hin. »Bleib von mir weg.«, fauchte er sie an.

»Sei vernünftig, du musst etwas trinken!«, bat Tilia und bot ihm ihren Hals an. »Du weißt doch, dass es mir nichts ausmacht, wenn du mich beißt.«, erinnerte sie ihn. Bedrohlich knurrend sah Rares zu ihr auf. Tilia hatte recht. Er hatte sie schon oft gebissen, wenn er hungrig war, und nichts anderes da war. Alle Vampire machten es, dass sie von einem Dunkelelfen tranken, wenn alles andere knapp wurde. Es war schließlich die einzige Rasse, die immun gegen den Biss eines Vampirs war.

Schneller als Tilias Augen es sehen hätten können, richtete sich Rares auf und packte sie unsanft an der Schulter. Mit seiner anderen Hand zog er ihren Kopf zur Seite und rammte anschließend seine Reißzähne in ihren Hals. Tilia japste vor Schmerz auf und vergrub ihre Finger in seinen Schultern. Grob zerrte er an ihren Haaren, dass sie aufhören sollte. Man konnte jeden einzelnen Schluck den Rares tat deutlich hören. Es waren lange, große Schlucke. Tilia wurde schwächer. Ihre Verkrampfung löste sich und ihre Hände rutschten langsam an Rares Körper entlang. »Hör auf...«, wisperte sie kaum hörbar. Doch erst, als ihre Arme kraftlos zu Boden hingen und ihr Kopf schwer auf Rares’ Schultern lag, löste er sich von ihr. Sanft legte er sie auf den Boden und strich über ihr aschgraues Haar. »Du bist ein bisschen zu weit gegangen, Rares.«, bemerkte Rhodo, der das Ganze beobachtet hatte. »Sie wird es überleben.«, versicherte der Vampir. »Wie geht es Juno?«, wollte er dann wissen und schleckte sich das Blut von den Lippen.

»Sie ist noch nicht aufgewacht.«, antwortete der Werwolf knapp. Rhodo war nie sehr gesprächig gewesen, erinnerte sich Rares. »Dann sollten wir sie vielleicht wecken.«, schlug Rares vor und kniete sich neben Juno. Rhodo stand mühselig auf und schlurfte zu Tilia, deren Haut nun schon fast die Farbe von Schnee angenommen hatte.

Vorsichtig strich Rares über Junos Wange; er hatte Angst, sie zu verletzen. »Rhodo, habt ihr eigentlich auch Brot oder so was mitgenommen?«, wollte Rares noch wissen. Der Werwolf nickte und warf ihm den kleinen Rucksack zu. »Wofür brauchst du es?«, wollte Rhodo anschließend wissen. Vampire aßen immerhin nur Blut, alles andere schmeckte für sie wie Erde. »Denk lieber nach, bevor du fragst.«, giftete Rares den Werwolf an und wandte sich wieder Juno zu. »Juno, wach auf.«, wisperte er verführerisch in ihr Ohr. Rhodo seufzte. Die Verführungsmasche kannte er schon lange von Rares. So bekam er immer, was er wollte. Es dauerte nicht lange, und Juno öffnete die Augen. Sofort wurde sie panisch. Heute sollten sie doch hingerichtet werden! »Beruhig dich.«, sagte er leise und streichelte weiterhin ihre Wange. »Dir wird nichts passieren, wir sind hier nicht mehr im Kerker, sondern in einer Höhle auf der Ebene.«, erklärte Rares langsam. Juno sah ihn verwirrt an. Er lächelte nur sanft. »Iss erst einmal etwas. Danach werde ich dir alles erklären.«, versprach Rares und reichte ihr ein Stück Brot, welches er ihr runtergerissen hatte.
 

Nachdem die Sonne aufgegangen war, schlich sich die Gruppe wieder aus der Höhle. Diesmal musste auch Tilia getragen werden. Rares war wirklich grob zu ihr gewesen. »Fast hättest du sie leer gesoffen!«, wurde Rares von Rhodo getadelt. Aber er hatte nur mit den Schultern gezuckt und Juno auf seinen Rücken gepackt, die mittlerweile wieder mehr Kräfte hatte. Rhodo aber nahm Tilia und den Rucksack auf seinen Rücken.

Rhodo und Rares machten einen großen Bogen um Brodir und der Hauptstraße. Es waren so viele Leute unterwegs. Sie alle wollten nach Eryn Vorn, um vor dem Krieg in Sicherheit zu sein. Die Gruppe machte auch einen Bogen um Forlindom; inzwischen ging langsam die Sonne unter. Der Vampir und der Werwolf hatten ein beachtliches Tempo vorgelegt, um schneller im Wald zu sein. Umso näher sie dem Wald kamen, umso ausgestorbener wirkte die Gegend. Aus dem sonst so fröhlich lauten Forlindom hörte man nicht mehr das Geschnatter der Mägde, keine Musik erklang und auch nicht das laute Grölen der betrunkenen Männer war zu hören. Stattdessen hörte man das Klirren von Waffen und das Schnauben der Rösser. Es wäre unbedacht gewesen, wenn sie durch Forlindom gelaufen wären.

Rhodo und Rares schlugen einen anderen Weg ein. Sie machten einen großen Bogen um Forlindom, blieben dann auf diesem Kurs und rannten in den auslaufenden Ostwald hinein. »Juno, zieh den Kopf ein.«, sagte Rares mahnend. Erst als er spürte, wie sie ihren Kopf eingezogen hatte, lief er wieder los. Juno hörte nur hin und wieder ein Rascheln und spürte, wie ein Ast über ihrem Kopf vorbeiflog. Es war berauschend. Anstatt dass Rares der Atem ausging, atmete er ruhig weiter. Sie konnte nicht einmal wahrnehmen, dass sie überhaupt liefen.

Die Gruppe lief eine Zeit lang; es musste schon mitten in der Nacht sein. Rares tippte sanft auf Junos Kopf und meinte: »Du kannst schon wieder aufsehen. Wir sind da.«



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