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Final Fantasy 8 - Dawn of the Guards

Artemesias Untergang war nur der Anfang
von

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Zusammenkunft

Zitternd lag er im Bett. Die letzten Tränen trockneten, doch die Nächsten kündigten sich schon an. Seine Augen brannten wie Feuer. Aber er konnte nichts tun. Die ganze Nacht über war er von einem Zusammenbruch in den nächsten geraten. Auch wenn er das Gefühl hatte keine Tränen mehr zu haben rannen sie doch noch immer.

Warum musste das passieren, fragte er sich die ganze Nacht. Immer und wieder dieselbe Frage.

Warum nur?

Schon brachen die nächsten Tränen hervor, gefolgt von schluchzen und dem Gefühl zu zerbrechen. Vielleicht wäre es sogar besser so. Einfach zerbrechen, wie ein Glas, was fallen gelassen wird. Einfach alles beenden.

Keine Sorgen.

Keine Schmerzen.

Aber etwas in ihm sagte, dass er weiter machen sollte, musste.

Wieder versuchte er die Augen zu schließen und wenigstens ein paar Minuten zu schlafen. Aber sofort war wieder ihr Gesicht vor seinem, ihre Augen, die ihn Traurig ansahen.

„Ich muss zurück.“, sagte sie und verschwand, löste sich auf wie Rauch.

Ash wollte einfach nur schreien, um sich schlagen, irgendwas machen. Aber egal was er tat, es würde doch nichts ändern.

Tausend Dinge rasten ihm durch den Kopf. Tausend Worte, die er ihr sagen wollte. Tausend Dinge, die er mit ihr machen wollte. Tausend Kleinigkeiten, die sein Leben lebenswert gemacht hätten. Ein Leben, was mit einem Mal zerbrach und ihn auf das Nagelbrett der Realität stürzen lies.

Langsam stand er auf und taumelte ins Badezimmer. Spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und hoffte, dass es helfen würde.

Doch kaum hatte er sein Bett wieder erreicht, begann der Schmerz von neuem.
 

„Was war gestern Abend los?“, fragte Rinoa und betrachtete ihren Verlobten.

„Ein paar SEEDs haben es übertrieben und der Sicherheitsdienst hat eingegriffen.“, erwiderte er ruhig und widmete sich wieder seinem Frühstück.

„Das mein ich doch gar nicht.“, meinte Rinoa und sah Squall beleidigt an.

Dieser hielt in der Bewegung inne und sah sie verwirrt an. Doch nach wenigen Sekunden legte er das Brötchen auf den Tisch und dachte nach. Er wusste genau, was sie meinte, doch das Problem war die Formulierung.

„Ich habe gestern ein Fax vom Galbadia-Garden bekommen.“, begann er schließlich, „Der Direktor hat seine SEEDs zurückgerufen.“

Einige Augenblicke verstrichen, bevor Rinoa reagierte.

„Er hat was?“, fragte sie ungläubig, „Und was denken sie darüber?“

„Das ist egal.“, erwiderte Squall, wofür er einen tödlichen Blick von Rinoa erntete, „In der Nachricht stand, dass sie unter allen Umständen zurück geschickt werden sollen.“

Schweigend saßen sie sich gegenüber.

Plötzlich schreckte Rinoa auf.

„Aber Vine?“, fragte sie vorsichtig.

Squall schüttelte nur mit dem Kopf.

„Es gefällt mir auch nicht, aber ich will die Beziehung mit dem Garden nicht gefährden. Auch wenn der Direktor uns einiges zu verdanken hat, kann ich da nichts machen.“, erklärte er missmutig.

Ruckartig stand Rinoa auf.

„Du kannst nichts machen?“, fragte sie, obwohl es nach einer Feststellung klang.

Langsam sah Squall auf. Er kannte diesen Tonfall und er bedeutet nichts Gutes.

„Aber ich kann etwas machen.“, sagte sie schließlich mit einem hinterhältigen Grinsen.

Im nächsten Moment verschwand sie aus der Tür.

„Wo sie recht hat.“, meinte Squall nachdenklich.

Er konnte gegen Donna nichts unternehmen. Aber Rinoa gehörte offiziell nichts zum Garden und hatte als weiße Hexe weitaus mehr Spielraum.

Das plötzliche knurren seinen Magens lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Tisch. Widerwillig nahm er sein Brötchen und verließ ebenfalls das Zimmer. Es war besser Rinoa nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Wer weiß, was in ihrem Kopf wieder vor sich ging.
 

„Willst du dich nicht wenigstens verabschieden?“, erklang die Stimme durch seine Zimmertür.

Er wollte nicht Antworten. Auch wenn er es wollte, so wäre nur ein krächzen heraus gekommen. Er hatte da Gefühl, als hätte er seinen Hals mit einer Schleifmaschine bearbeitet.

„Komm endlich raus, du Feigling!“, rief sein Ausbilder durch die Tür.

Dann krachte es zwei Mal. Scheinbar war die Tür stark genug, um selbst der Wut des impulsiven SEEDs stand zu halten.

Er wollte im Moment niemanden sehen. Er wollte einfach nur, dass die Schmerzen aufhören. Aber da sah er sie wieder vor sich. Er spürte sie, wie sie sich umarmt hatten, hörte ihre Stimme.

Auch wenn er sie verabschiedet hätte, so wäre er dennoch nur ein zerbrochenes Bild seiner Selbst.

Langsam quälte sich Ash auf.

Wieder krachte es an der Tür. Langsam schlich er zur Quelle des Lärms. Wieder ein Schlag, der die Tür erbeben lies. Ohne Vorwarnung öffnete er sie schließlich.

Vor ihm stand sein Ausbilder und hatte weit ausgeholt. Doch als er Ash sah, lies er die Faust sinken. Der wütende Blick verschwand schlagartig und machte einem Entschuldigenden Platz.

Doch bevor er etwas sagen konnte schloss Ash die Tür wieder. Es reichte, wenn sein Ausbilder ihn gesehen hatte.
 

„Wie ist es gelaufen?“, fragte Rinoa neugierig.

„Er ist ein einziges Frack. Hat garantiert die Nacht nicht geschlafen.“, erwiderte er traurig.

„Konntest du mit ihm reden?“

„Kein Wort.“, meinte Xell.

Und zum ersten Mal sah Rinoa den jungen Mann wirklich verzweifelt.

„Ich kann mir vorstellen, wie er sich fühlt. So geht es mir jedes Mal, wenn ich weg muss.“, meinte er geschlagen.

Rinoa ließ sich auf die Couch fallen. Hastig warf sie einen Blick zu Squall. Er saß an seinem Schreibtisch und arbeitete mal wieder, als würde ihn das nichts angehen.

„Kannst du nicht auch mal was sagen?“, fragte Rinoa wütend.

„Keine Zeit.“, erwiderte Squall beiläufig und lächelte sie an.

„Was machst du da überhaupt?“, erkundigte sie sich.

„Lass dich überraschen.“, erwiderte er Grinsend.
 

„Kannst du sie nicht einfach hier lassen?“, fragte Selphie neugierig.

„Wenn ich das machen könnte, hätte ich das schon gemacht.“, erwiderte Irvine geknickt.

Ihnen allen ging das ziemlich nah. Viele Beziehungen gingen im Laufe seiner SEED und Ausbilderzeit schon zu Bruch. Aber das war das erste Mal, das zwei Menschen daran zerbrachen.

„Tust du mir wenigstens einen Gefallen?“, fragte Selphie liebenswürdig, wie es ihre Art war.

„Jeden.“, erwiderte der Cowboy und rang sich ein Lächeln ab.

„Fahr langsam.“, sagte sie lächelnd.

Doch für eine Erwiderung blieb ihm keine Zeit. Stürmisch schlang sie die Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich herunter.

„Und komm bald wieder vorbei.“
 

Festen Schrittes ging sie durch den Gang.

Scheinbar musste sie die Sache selber in die Hand nehmen. Ash hatte sich in seiner kleinen Welt verbarrikadiert und würde so schnell nicht heraus kommen. Und sie hatte nicht die Zeit die Tür heraus sprengen zu lassen.

Oder vielleicht doch?

Aber dafür musste sie erst wieder Selphie auftreiben. Und solange Irvine da war, war es aussichtslos.

Dann musste sie halt zu den drastischen Mitteln greifen.

Und während sie durch die Gänge eilte formte sich in ihrem Kopf ein Plan.

„Du bist ein böses Mädchen, Rinoa.“, flüsterte sie und begann zu Grinsen.

Doch die ängstlichen Blicke der Vorbeiziehenden bemerkte sie nicht.
 

Endlich hatte er es geschafft. Er hatte eine viertel Stunde geschlafen ohne einen Zusammenbruch zu erleiden. Aber das machte die Situation immer noch nicht besser.

Langsam griff er neben das Bett und bekam sogar die Flasche zu greifen. Vorsichtig nahm er Schluck für Schluck des stillen Wassers.

Vielleicht schaffte er es sogar, den Tag zu überstehen. Aber dann war ja noch Morgen, gefolgt von Übermorgen. Ein Leben, eine Ewigkeit, die in Scherben liegen würde.

Plötzlich hämmerte es erneut an seiner Tür.

Einfach nicht reagieren, dachte er verzweifelt.

„Ash, ich weiß, dass du da bist!“, drang Rinoas Stimme durch die Tür.

Aber er bewegte sich noch immer nicht. Er wollte einfach keine Menschenseele sehen.

„Du lässt mir also keine andere Wahl, ja?“, meinte die weiße Hexe mit einem ungemütlichen Unterton.
 

Plötzlich schreckte sie auf.

Magie in ihrer reinsten Form drang an die Oberfläche.

Besorgt sah sie in die Ferne, einem alten Gespür folgend und schloss schließlich die Augen. Ihr Geist begab sich auf die Reise. Vor ihrem geistigen Auge raste die Welt, Kreuz und Quer, auf der Suche nach dem Ursprung.

In Sekundenbruchteilen glitt ihr Geist über den galbadianischen Kontinent und über Esther, flog über Trabia. Doch ohne Erfolg.

Dann, plötzlich, sah sie es.

Wie eine riesige Säule wirbelte die Magie umher.

Und in ihrem Zentrum lag der Balamb-Garden.

Langsam öffnete sie ihre Augen und brauchte ein paar Sekunden um sich zu orientieren.

„Beherrsche dich.“, sagte sie leise.

„Was ist los, Schatz?“, hörte sie ihren Gatten fragen.

„Rinoa übertreibt es wieder.“, erwiderte sie gelassen und wandte sich wieder ihrem Tee zu.

„Diese Jugend von heute.“, meinte er schmunzelnd.
 

„Mach jetzt die Tür auf.“, drang Rinoas Stimme an sein Ohr.

Sein Körper reagierte obwohl er es nicht wollte.

Langsam stand er auf und schlich zur Tür. Alle Gegenwehr war vergebens. Er befahl seiner Hand sich nicht zu rühren, aber sie folgte anderen Befehlen.

Und dann glitt die Tür auf.

Eine freundlich lächelnde Rinoa stand vor ihm.

„Darf ich reinkommen?“, fragte sie unschuldig.

„Es gibt doch nur Ärger, wenn du dich an Anwärtern vergreifst.“, erwiderte er mit einem müden Lächeln.

„Wie gut, dass du jetzt ein SEED bist.“, erwiderte sie und betrat sein Zimmer.

Plötzlich hatte er die Kontrolle über seinen Körper zurück. Mit einem Seufzen schloss er die Tür und folgte der jungen Frau. Rinoa hatte es sich bereits in dem Sessel Bequem gemacht.

„Was willst du hier?“, fragte er und klang kälter als beabsichtigt.

„Ich will mit dir reden, das ist alles.“, erwiderte sie lächelnd.

„Dann reden wir.“, erwiderte er geschlagen und setzte sich auf das Bett.

„Warum willst du sie nicht sehen?“

„Weil ich nicht will, dass sie dieses Frack von Wesen sieht, das ich in einer einzigen Nacht geworden bin.“, erwiderte Ash ruhig.

Viel ruhiger als er es für möglich gehalten hat. Zwar spürte er die Trauer und die Tränen, aber er hatte es geschafft sie zu verdrängen. Jedenfalls für den Moment.

„Hast du es ihr gesagt?“, fragte Rinoa im Plauderton.

Verwirrt sah Ash sie an, wusste dann aber was sie meinte.

„Warum denn?“, erwiderte er, „Damit es uns beiden noch schwerer Fällt los zu lassen?“

Schweigend saß Rinoa ihm gegenüber. Für etliche Sekunden herrschte eine unerträgliche Stille.

Dann stand sie langsam auf und ging zum Fenster.

„Du weist gar nicht, was du tust.“, sagte sie plötzlich, „Du tust keinem einen Gefallen, wenn du einfach nur schweigend untergehst.“

„Aber was soll es denn ändern?“, erwiderte Ash fast panisch.

Rinoa drehte sich um, lehnte sich an das Fenster und sah ihn neugierig an.

„Was soll ich ihn denn sagen? Dass sie das Beste ist, was mir passiert ist? Dass ich es nicht ertragen kann, dass sie geht? Dass ich das Gefühl habe zu sterben, wenn sie nicht da ist?“, sprudelte es aus dem SEED heraus.

„Zum Beispiel.“, erwiderte Rinoa gelassen, „Und warum glaubst du, dass du sie nie wieder sehen würdest? Es gibt etliche Austauschprogramme zwischen den Garden.“

Langsam ging sie zu Ash und legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Und wenn du es ihr gesagt hast, kannst du dich doch umso mehr freuen, wenn ihr euch wiederseht.“, sagte sie aufmunternd, „Bei Irvine und Selphie ist es das selbe. Wenn einer den anderen Besucht, brauchst du gar nicht zu hoffen sie zu treffen.“

Aber Ash blieb regungslos sitzen. In seinem Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander. Alle möglichen Szenarien rasten durch seine Gedanken und erschienen vor seinen Augen. Von einem Happy End bis zur Tragödie.

„Wenn du dich beeilst kannst du sie noch sehen.“, sagte Rinoa leise, „Dann kannst du es ihr sagen.“

Schlagartig war Ash aus seiner Starre gelöst.

„Ja, das werde ich.“, sagte er leise.

Schon im nächsten Moment war er aufgesprungen und aus der Tür gestürmt.

Rinoa setzte sich in den Sessel und schmunzelte.
 

Langsam fuhren sie in Richtung Balamb-Stadt. Zwei Autos mit den frisch gebackenen SEEDs, ihrem Ausbilder und drei Mitgliedern des Sicherheitsdienstes.

Vine saß auf dem Beifahrersitz des ersten Wagens und starrte auf die Armaturen. Sie spürte, wie die Fahrerin, eine Weißhaarige Frau mit Augenklappe, sie ansah.

„Bedrückt?“, fragte sie plötzlich.

Vine schreckte hoch und sah sie verwirrt an.

„Verletzt trifft es eher.“, erwiderte Vine und versuchte die Traurigkeit aus ihrer Stimme zu verbannen.

Mehr schlecht als Recht wohlgemerkt.

„Warum?“, fragte die Frau wieder in einem monotonen, maschinenhaften Ton.

„Ich habe gehofft noch jemanden zu sehen.“, erklärte die Rotäugige und spürte, wie es ihre Kehle zusammenschnürte, „Leider vergebens.“

„Ash.“, meinte die Weißhaarige emotionslos.

„Ja, ich habe gehofft, ihn noch einmal zu sehen.“, ergänzte Vine, „Dass ich ihm vielleicht etwas bedeute.“

Plötzlich merkte Vine, dass das Auto langsamer wurde. Und von einer Sekunde auf die andere fing die Fahrerin an zu Lachen. Kein kaltes, emotionsloses Lachen, sondern ein herzhaftes, lebendiges.

„Hätte ich gewusst, wie egal ich ihm bin...“, begann Vine traurig.

„Wenn du wüsstest.“, erwiderte die Fahrerin offen.

Verwirrt sah Vine die Frau an. Vine wurde nicht schlau aus ihr. Im ersten Moment wirkt sie wie eine Maschine, kalt und effizient, und dann schlägt ihre Stimmung und Verhalten um hundertachtzig Grad.

„Was soll ich wissen?“, erkundigte sich Vine aggressiv.

„Das Ash bis über beide Ohren in dich Verknallt ist.“, sagte sie lächelnd.

„Aber warum ist er dann nicht gekommen um sich zu verabschieden?“

„Weil er wie ein Häufchen Elend in seinem Quartier in sich versunken ist.“, sagte sie plötzlich, „Ich hatte noch einmal mit seinem Ausbilder gesprochen. Und dieser meinte, dass die Welt für den Kleinen zusammengebrochen ist.“

Betreten sah Vine zu Boden.

Hatte sie sich wirklich so sehr in Ash getäuscht?

„Und was macht euch da so sicher?“, fragte sie neugierig.

„Alles.“, erwiderte die Fahrerin Lächelnd, „Sein ganzes Verhalten, wenn du in der Nähe warst. Er versuchte immer kühl und Distanziert zu wirken. Er wollte nicht noch einmal jemanden verlieren, aber bei dir war er immer anders.“

„Nicht noch einmal jemanden verlieren?“, wiederholte Vine den Satz.

Dann kam ihr das Gespräch mit ihm wieder in den Sinn. Der Verlust seiner Familie.

Plötzlich schaltete die Frau das Radio ein.

„Mach dir keinen Kopf.“, sagte sie und strahlte bis über beide Ohren, „Genieße lieber diesen Herrlichen Tag.“

„Leichter gesagt als getan.“, erwiderte Vine bedrückt.

„Das haben wir gleich.“

Hastig spielte die Frau an den Reglern des Radios. Schon im nächsten Moment drang fröhliche Musik aus den Lautsprechern.

„Ach, ich liebe diese Lied.“, sagte sie plötzlich und begann mit zu singen.

Und dann merkte Vine, wie das Auto leichte Schlangenlinien fuhr und im Takt dazu wiegte die Frau hin und her.

„Sie sind Verrückt.“, meinte Vine kopfschüttelnd, konnte sich aber ein schwaches Grinsen nicht verkneifen.

„Ich weiß.“, erwiderte sie gelassen und trällerte fröhlich weiter.

Und von der Guten Laune angesteckt begann sie den Refrain leise mit zu singen.

Ein Klopfen hinter ihnen lenkte ihre Aufmerksamkeit ab.

Nebensächlich griff die Frau hinter sich. Ohne daneben zu greifen hatte sie einen kleinen Griff in der Hand. Und schon im nächsten Moment hatte sich ein kleines Fenster zur hinteren Kabine geöffnet. An diesem Fenster stand ein blonder Mann mit einer markanten Narbe: Cifer.

Aus seiner Gestik und den Lippenbewegungen schloss sie einige ernsthafte Fragen und Kraftausdrücke.

„Jetzt zeig ich dir mal, wie man mit solchen Kerlen umgeht.“, sagte sie lächelnd und sah zu Cifer.

Dann legte sie zwei Finger an ihre Lippen, spitzte diese wie zu einem Kuss und drückte sie dann an die Scheibe.

Verwirrt sah Cifer die Frau an. Doch nur einen Wimpernschlag später knallte sie die Klappe zu und sie grinste.

„Sie sind unmöglich.“, meinte Vine leicht lächelnd.

„Mit seinem Freund kann man das mal machen.“, erwiderte sie mit einem breiten Grinsen.

Erstaunt sah Vine die Frau an und dann zu der Stelle wo eben noch das Gesicht des Mannes war.

Kopfschüttelnd richtete sie ihren Blick wieder auf die Straße.
 

Ash rannte durch den Gang. Seine Füße wussten genau, wo sie ihn hin tragen mussten.

Schneller, dachte er verzweifelt, ich muss schneller werden.

Er zog die Geschwindigkeit noch einmal an.

Die Kurve nahm er sehr eng. Zu eng, wie sich herausstellte, als seine Füße für eine Sekunde die Haftung verloren. Aber für Stürze blieb keine Zeit. Geschickt fing er sich ab und stürmte weiter.

Gleich bist du da, hallte es in seinem Kopf.

„Zu schade, dass sie schon weg sind.“, hörte er jemanden vor sich.

„Ja, die Galbadianer sind nach einiger Zeit richtig sympathisch.“, erwiderte ein anderer.

Fluchend machte Ash kehrt. Sie waren schon abgefahren.

Aber an Aufgeben war nicht zu denken. Eine Hoffnung blieb noch.

Der Hafen von Balamb.

Aber es würde zu lange brauchen, um dort zu Fuß anzukommen. Aber nach Autoschlüsseln brauchte er nicht Fragen. Seine Fahrprüfung hatte er nur mit Mühe und Not bestanden. Aber wenn er Glück hatte, würde ihn jemand mitnehmen.

Gerade hatte er den Wegweiser passiert und stürmte in Richtung Haupttor. Treppen wurden übersprungen, und Hindernissen ausgewichen.

Die Meisten wichen ihm aus, als sie ihn herannahen sahen. Zum Glück für Ash, denn so musste er sich keine Sorgen machen jemanden um zu rennen. Dann war auch schon das Pförtnerhäuschen in Sicht. Und davor, auf dem großen Vorplatz, schoss ein Hover-Board hin und her. Darauf konnte er die charakteristische Frisur seines Ausbilders erkennen. Des Weiteren war er der einzige, der auf dem Gardengelände mit einem Hover-Board umher düsen dürfte.

Plötzlich stoppte er das Board, stieg ab und stellte es Provokativ neben sich.

„Na, hast dich doch raus getraut.“, meinte Xell grinsend.

Aber Ash reagierte nicht. Er hatte gerade die Chance gefunden, die er gesucht hatte.

Aus dem Sprint heraus setzte er zum Sprung an, das Ziel klar vor Augen. Als er in der Luft war, sah er zu seinem Ausbilder. Unglauben stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Dann berührten Ashs Füße das Board und sofort schien die Welt unter ihm zu verschwinden. Damit konnte er es wirklich schaffen.

Die wütenden Schreie seines Ausbilders hörte er nicht mehr. Ein kurzes Stück fuhr er noch auf der Straße, wich dann aber auf die großzügige Ebene aus, und schoss direkt auf die Stadt zu.
 

„Warum schreist du denn so?“, fragte Selphie den Wütend auf und abspringenden Xell.

„Weil der Scheißer mir mein Board geklaut hat!“, erwiderte dieser wütend, „Aber er hat Glück im Unglück, dass es das alte T-800 war und nicht mein neues Schätzchen.“

Mit diesen Worten wand er sich der Wegbegrenzung zu, einer Hecke die das ganze Jahr über grün trug.

Gemächlich beugte er sich darüber. Als er sich umgedreht hatte, hielt er ein anderes Board in den Händen.

„Ist das nicht ein Traum?“, fragte er verliebt, „Das neue T-2000!“

Selphie betrachtete das Board genau und wollte es gar nicht sagen.

Aber wie heißt es so schön? Ehrlich lebt es sich am leichtesten?

„Xell?“, fragte sie um seine Aufmerksamkeit zu bekommen, „Da steht aber T-800 auf dem Board.“

Eine Sekunde hielt er inne, dann riss es herum.

Entsetzen spiegelte sich auf seinem Gesicht. Schlagartig wich die gute Laune einer unglaublichen Mischung aus Wut und Unglauben.

„Wenn du das Board schrottest, mach ich dir dein Leben zur Hölle!“, schrie er in den Himmel.

„Als wenn er das gehört hat.“, meinte Selphie fröhlich und wandte sich von dem, noch immer schreienden, Ausbilder ab.

Fröhlich Pfeifend machte sie sich auf den Weg in den Garden. Scheinbar hatte sie wieder einen Artikel für die Schülerzeitung gefunden.

Sie konnte die Schlagzeile schon deutlich vor sich sehen: „Ausbilder ist Hover-Board wichtiger als Freundin“.
 

Das Grün unter ihm war zu einer einzigen Masse verschmolzen. Grashalme und Hügel, Büsche und Bäume waren nur noch Schemen.

Wenn er diese Geschwindigkeit halten konnte, würde er es noch schaffen.

Ash ignorierte Alles um sich herum. Egal ob Beiskäfer, Stichraupen oder der Archeodinos, der seinen Weg kreuzte. Er hatte einfach keine Zeit, sich mit ihnen zu befassen. Seine geistige Gesundheit hatte einfach Vorrang.

Dann konnte er sie schon sehen. Die Stadttore von Balamb und den schützenden Wall der die Monster abhalten sollte.

„Warte nur noch ein bisschen, Vine, ich bin Gleich da.“, meinte leise und lehnte sich noch ein Stück weiter nach vorn.

Normaler weise stand ein T-Board immer schräg nach oben, immer fünfundvierzig Grad. Aber er hatte es Geschafft, das Gewicht so zu verlagern, dass es fast horizontal über den Boden schoss. Aber ohne Xell hätte er es nicht geschafft. Er hatte damals darauf bestanden, dass sie das Hover-Board fahren lernen.

„Sowas kann auf einer Mission extrem nützlich sein.“, hatte er gemeint und danach gleich den ersten auf darauf gestellt.

Unfälle waren am Tagesprogramm, aber er konnte es sich leisten. Bei sich hatte er ungefähr ein Dutzend davon, alle unterschiedliche Varianten. Und er liebte diese Dinger.

Plötzlich brach das Board aus und riss ihn aus seiner Erinnerung.

Fast im neunzig Grad Winkel schoss es zur Seite und Ash verlor die Haftung. Unsanft schlug er auf dem Boden auf, rollte sich aber instinktiv ab. Nur einen kurzen Blick warf er noch in Richtung des Fortbewegungsmittels, nur um zu sehen, wie es an der Stadtmauer zerschellte.

Xell würde ihn dafür den Hals herumdrehen. Aber er würde wenigstens Glücklich sterben, wenn er es noch rechtzeitig schaffte.

Ohne einen weiteren Gedanken an seinen Ausbilder zu verschwenden stürmte er durch das Stadttor.
 

„Er wird nicht mehr kommen.“, flüsterte Vine traurig und sah die Straße entlang, die in die Stadt führte.

Langsam richtete sie ihren Blick wieder nach vorn. Vor ihr lag eines der Balamb-Schnellboote. Ihre Fahrkarte zurück nach Galbadia und zurück zu täglichen Quallen.

Sie hasste den Galbadia-Garden. Täglich derselbe militärische Drill, täglich dieselben Sticheleien und Beleidigungen.

Der Direktor des Gardens nahm keine Waisenkinder mehr auf, sondern nur noch Solche, deren Eltern sich die viel zu teure Ausbildung leisten konnten.

Aber sie war eine Ausnahme. Sie wurde auf den Stufen des Galbadia-Gardens ausgesetzt. Sie war die Letzte, die ihre Ausbildung kostenlos erhielt. Das hielt aber die Neider nicht fern.

„Alles in Ordnung?“, fragte ihr Irvine.

Aus der Erinnerung gerissen schreckte sie auf und sah ihn verwirrt an.

„Nein.“, sagte sie schließlich leise.

Als sie ihn ansah blickte sie in traurige Augen.

Langsam schritt er in Richtung der Planke.

„Damit endet unsere Zeit in Balamb.“, meinte er ernst, „Jedenfalls fürs erste. Die Heimat ruft.“

Aber er klang auch nicht froh. Warum auch, wenn er seine Freundin hier lassen musste.

Vielleicht ist es besser, wenn ich ihn nicht noch einmal sehe, dachte sie verzweifelt.

Dann gingen die ersten los, und sie folgte ihnen. Doch jeder Schritt war schwerer als der vorherige.

Nein, es war nicht besser.

Sie wollte nicht Aufsehen. Sie wollte nicht in die selbstgefälligen Gesichter der anderen sehen.

Als sie die Hälfte der Planke hinter sich gebracht hatte, hielt sie kurz inne und schloss die Augen.

„Ash.“, flüsterte sie seinen Namen, „Auf Wiedersehen.“

Sie öffnete die Augen und sah nach vorn. Die meisten Grinsten hämisch. Nur ein paar Gesichter waren ebenso betroffen wie ihres.

Ein letztes Durch atmen, ein letztes wappnen für das Bevorstehende.

Aber sie hielt inne.

War da nicht eben ein Geräusch? Hatte da nicht eben jemand ihren Namen gerufen?

Aber da war nur Stille.

Bis auf das plötzliche Klingen eines Telefons.

„Ja?“, hörte sie die Stimme ihres Ausbilders, dann schwieg er.

Dann war es wieder da. Dieses Geräusch, wie ein Windhauch, der ihren Namen flüsterte. Verwirrt sah sie in Richtung der Stadt, aus der Richtung, woher der Wind wehte.

Und dann sah sie ihn.

Er stürzte, schlug der Länge nach auf die Straße. Doch nur einen Wimpernschlag später rannte er schon weiter.

„Ash.“, sagte sie leise und spürte die Tränen, wie sie sich an die Oberfläche kämpften.

Langsam ging sie zurück. Sie wollte zu ihm, sie musste einfach.

„Komm endlich her, du dumme Kuh!“, rief ein SEED hinter ihr.

Aber sie hörte es nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf den jungen Mann gerichtet, der auf sie zu gerannt kam.

Dann stürzte er wieder. Doch er stand nicht auf, sondern Kniete auf der Straße.

Er sah auf. Sah sie an und seine Augen weiteten sich vor Erstaunen.

„Wenn du nicht herkommst, hol ich dich!“, rief wieder jemand hinter ihr.

Aber sie dachte nicht daran um zu kehren. Sie dachte gar nicht. Sie wollte einfach nur zu dem Menschen, der ihr am meisten bedeutete.
 

Endlich hatte er es geschafft. Seine Beine brannten und seine Lunge schrie nach frischem Sauerstoff. Aber das war alles Nebensächlich.

Er hatte es noch rechtzeitig geschafft. Kaum war er um die letzte Kurve gebogen sah er sie. Vine stand auf der Planke, bereits auf halben Weg ins Boot. Dann gaben seine Beine nach und er stürzte. Aber das konnte ihn nicht mehr aufhalten. Er sammelte seine letzten Kräfte und zwang seine Beine weiter zu machen. Aber er kam nur ein kurzes Stück, dann war es vorbei. Seine Beine gehorchten keinem Befehl mehr. Dennoch schaffte er es, sich auf die Knie zu zwingen.

Dann sah er auf. Sie kam auf ihn zu. Und er glaubte auch das Glitzern einer Träne in ihrem Auge gesehen zu haben.

„Vine.“, flüsterte er leise.

Dann drangen Rufe an sein Ohr. Und hinter ihr konnte er einige Galbadianer sehen, die auf der Planke standen. Einer schien zu schreien, aber das Rauschen in seinen Ohren schluckte die Laute gänzlich.

Aber sein Hauptaugenmerk lag auf der Rotäugigen, die noch immer auf ihn zuging.

Sie war fast bei ihm. Und irgendwie schaffte er es doch aufzustehen, obwohl seine Beine zitterten wie Espenlaub.

„Vine.“, sagte er leise und stolperte in ihre Richtung.

Ein Schritt, dann noch einer, aber nach dem dritten wollten seine Beine wieder nachgeben.

Doch dann war sie schon bei ihm und schlang ihre Arme um ihn. Diese kleine Berührung reichte ihm alle Schmerzen auszublenden, sie zu vergessen und sich ganz auf sie zu konzentrieren.

Langsam legte er die Arme um sie, presste sie vorsichtig an sich und schmiegte seine Wange an ihre Haare.

„Lass mich nicht allein.“, flüsterte er, „Ich will dich nicht, dass du gehst, ich will dich nicht verlieren.“

Langsam löste er sich ein paar Zentimeter von ihr und sah sie an. Fast gleichzeitig sah sie auf und er hatte das Gefühl in ihren Augen zu versinken.

Krampfhaft suchte sein Gehirn nach den passenden Worten, fügte Wörter aneinander und verwarf das Konstrukt im nächsten Sekundenbruchteil.

„Ich liebe dich.“, sagte er schließlich.

Aber sie schwieg. Für gefühlte Stunden sah sie ihn nur an, bis sich ein schwaches Lächeln auf ihrem Gesicht abzeichnete und sie ihr Gesicht an seiner Schulter vergrub.
 

Seufzend betrachtete Irvine die Szenerie. Schlagartig war er in der Vergangenheit. Eine ähnliche Szenerie hatte er schon einmal erlebt, als Squall Rinoa aus dem Hexenmausoleum befreit hatte.

Doch das erneute Klingeln des Mobiltelefons riss ihn aus seinen Gedanken.

„Ja?“, fragte er den unbekannten Gesprächspartner.

„Irvine?“, klang Squalls Stimme aus dem Apparat, „Ich habe hier keinen Rückrufbefehl aus dem Galbadia-Garden.“

„Aber du hast ihn mir doch gestern selber gezeigt.“, erwiderte Irvine verwirrt.

Einige Sekunden schwieg Squall.

„Oh, ich glaube der ist mir eben in den Aktenvernichter gefallen.“, erwiderte Squall amüsiert, dann hatte Squall schon aufgelegt.

Mit einem breiten Grinsen schaltete er das Telefon ab und wandte sich an die frisch gebackenen SEEDs.

Einer von ihnen, ein ewiger Störenfried, schrie wüste Beschimpfungen und Drohungen. Der Cowboy wusste wem diese galten.

„Sir?“, fragte einer, Kevin, neugierig, „Darf ich?“

„Ich weiß von nichts.“, erwiderte er schulterzuckend.

Grinsend fuhr Kevin herum und mit einem gezielten Schlag schickte er den Schreihals ins Wasser.

„Ich wünsche euch viel Glück.“, sagte Irvine leise, bevor er den Befehl zum abrücken gab.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2010-09-21T00:37:01+00:00 21.09.2010 02:37
*grins*
Schön für Ash und Vine!^^
Und das zum schluss mit dem Schreihals war klasse.
Ich freue michs chon aufs nächste Kapi!^^


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