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Träume

von

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KAPITEL 13
 

Sie beschlossen eine urige Kneipe aufzusuchen, da man Bela ums Verrecken nicht in einen Schuppen bringen konnte, in dem seichte Popmusik oder schlimmeres lief. Die Heavy Metal Fraktion der Truppe holte sich ein paar Bier aus dem Kühlschrank, um schon mal „Vor zu tanken“, wie sie es nannten.
 

Als sie das Gebäude verließen, bemerkte Farin, wie sein Schuh etwas vor sich liegendes trat. Es war ein zusammengeknülltes Stück Papier. Neugierig bückte er sich, hob es auf, entfaltete es in einer dunklen Vorahnung und tatsächlich: es war der Liedtext, den er Bela geschenkt hatte.
 

Wahrscheinlich hat er ihn nicht einmal gelesen.
 

Er glättete das Papier auf seinem Schenkel und faltete es sorgsam zusammen, um es sich wieder in die Hosentasche zu stecken. War besser, wenn niemand es finden konnte.
 

Auf dem Fußmarsch schmetterten Bela und Rod, Arm in Arm und mit je einer Flasche des Grundnahrungsmittels in der Hand, einen Kiss-Song nach dem anderen. Einige Meter hinter ihnen gingen Farin, Uwe und die anderen Crew-Mitglieder, die mitkamen (Yentzi, Mattn und Lüde) nebeneinander her und unterhielten sich locker. Farin versuchte zu vermeiden, Bela anzusehen, um sich auf die Gespräche zu konzentrieren und sich abzulenken, aber auch, weil ihm die beiden Bandmitglieder mit ihren Bierflaschen und mehr gegrölten als gesungenen Liedern etwas peinlich waren.
 

„Alter, wenn das so weiter geht, werden wir uns die nächsten Wochen ausschließlich von Pizza ernähren“, meinte Yentzi gerade lachend und streichelte sich über den Bauch. Farin zuckte nur mit den Schultern.
 

„Und wenn schon. Machen eh nicht sonderlich satt, die Dinger“, entgegnete er.
 

„Dich natürlich nicht, du Vielfraß, du hast ja eh ständig Kohldampf!“ rief Lüde und lachte laut.
 

„Hey, wenn du so groß wärst, würdest du auch mehr zu futtern brauchen“, erwiderte Jan Vetter zu seiner Verteidigung und knuffte Lüde leicht in die Schulter.
 

Tatsächlich überragte Farin Urlaub seine Freunde um teilweise mehr als einen Kopf. Dass das nicht immer von Vorteil war, merkte er dann, wenn er Kleidung oder Schuhe kaufen wollte.
 

„Das sind ein Meter 94 geballte Energie!“ ergänzte er und lachte dreckig.
 

Ja, er war endlich wieder gut drauf. Die Gesellschaft seiner engsten Freunde tat ihm gut. Er hätte es wohl bereut, wenn er sie nicht begleitet hätte. Ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Gesichtszüge. Der Abend versprach vielversprechend zu werden. Und wenn er Glück hatte, würde Bela endlich wieder aus seinem eisigen Kerker herauskommen.
 

„Oh, sie haben auf Ärzte-Lieder umgeschwenkt“, stellte Mattn fest, als er Bela und Rod kurz zuhörte, die nun aus vollem Hals „Hurra“ sangen. Farin verzog das Gesicht, denn das taten sie in der Regel nur dann, wenn der Alkoholpegel äquivalent zur Stimmung anstieg.
 

„Und dabei sind wir noch nicht mal da…“ bemerkte er und seufzte. Manchmal waren die beiden einfach unmöglich.
 

Bela tat indes alles Menschen mögliche, um Farin zu ignorieren. Deswegen klammerte er sich auch so an Rod, vermutete Farin. Er wusste nicht, ob den anderen die schlechte Stimmung zwischen den beiden aufgefallen war, denn falls es das war, sagte keiner etwas dazu. Wohl auch in dem Wissen, dass dies äußerst unklug wäre.
 

Sie erreichten eine Kneipe, die von außen relativ vergammelt und ungepflegt aussah. Farin verzog leicht angewidert das Gesicht.
 

„Na, hoffentlich sind zumindest Tische und Stühle benutzbar“, kommentierte er die Örtlichkeit. Bela grinste nur breit. Es war hinreichend bekannt, dass er genau diese Art von Absteigen am besten fand.
 

Die Kneipe selbst war rustikal gehalten. Alte Holztische und –bänke luden die Gäste zu einem alkoholreichen Umtrunk ein. Auch der lange Tresen war komplett aus Holz. Verschiedene Poster, zum Teil von Bands, und anderer Schmuck wie Tierschädel zierten die Wände. In einer der Ecken hing eine große USA-Flagge. Sie spielten gerade einen alten Song von Motörhead. Bela freute sich: sie waren in einer waschechten Rocker-Kneipe gelandet.
 

Männer verschiedenen Alters, jedoch allesamt in Lederkluft oder zumindest alten Jeans, hatten sich hier versammelt. Der Geräuschpegel war beachtlich. Es wurde geredet, gelacht, mit den Gläsern und Flaschen angestoßen, gerufen und gegrölt. Farin zog nur eine Schnute. Genau diese Spezies Mensch sollte ihm immer ein Dorn im Auge sein.
 

Bela, Rod und der restliche Haufen liefen sofort zielstrebig zum Tresen und orderten die verschiedensten alkoholischen Getränke. Nun kam der problematische Part für Farin Urlaub…
 

Er schlenderte langsam hinterher und sah den Barkeeper fragend an.
 

„Und, was darf´ s für dich sein?“ fragte der bärtige Mann freundlich, und er schien keinen von ihnen zu (er)kennen.
 

Farin war zunächst leicht irritiert, da der Wirt ihn duzte, ging aber kommentarlos darüber hinweg. Er bereitete sich innerlich schon mal auf die üblichen Kommentare vor. Die anderen hatten sich bereits auf die Suche nach einem Tisch gemacht. Lediglich Bela blieb stehen und sah sich interessiert um.
 

„Einen Tee, wenn ihr welchen da habt. Vorzugsweise Pfefferminz.“ Farin versuchte so ruhig und ernst wie möglich zu klingen.
 

Der Barkeeper glaubte sich verhört zu haben und sah Farin überrascht an.
 

„TEE?! Ist das dein Ernst? Das hab ich ja hier noch nie gehört! Kommt in eine Rockerkneipe und will TEE!“
 

Farins Mine verfinsterte sich.
 

Dankeschön, du Arsch, dachte er grimmig, dass du die halbe Kneipe auf mich aufmerksam gemacht hast.
 

Bela drehte sich zu ihm um und warf ihm einen spöttischen Blick zu.
 

Farin war weiterhin damit beschäftigt, den Barkeeper anzufunkeln, als eine unbekannte Stimme die Kneipe erfüllte.
 

„Ey, lasst mich mal durch! Ich will sehen, welcher Sitzpisser sich hier Tee bestellt!“
 

Die Stimme gehörte zweifelsohne einem Gast, der einige Gläser über den Durst getrunken hatte. Der große, bärenhafte Rocker, in Lederjacke und Kopftuch gekleidet, mit langen Haaren und ebenso langem Bart, baute sich vor Farin auf, auch wenn er trotz seiner imposanten Gestalt etwas kleiner als der Anti-Alkoholiker war.
 

Farin zog einen Mundwinkel nach oben und wendete sich wieder dem Barkeeper zu.

„Also kein Tee. Na gut. Wie sieht´s mit Milch aus? Oder Wasser? Oder einem Glas Saft?“
 

Er gab sich keine Mühe, den gereizten Unterton in seiner Stimme zu verbergen.

Die umstehenden Gäste brachen in Gelächter aus. Farins Blick blieb jedoch stur an dem Barkeeper haften, der seinerseits ein Lachen unterdrücken musste.
 

„Na hör mal“, sagte er schließlich lachend, „du bist doch ein Kerl gestandenen Alters. Da wirste ja wohl mal was Erwachsenes trinken wollen, oder nicht?“
 

Einzelne Zustimmungsrufe waren zu vernehmen. Farin hatte mittlerweile jedoch die Faxen dicke und keine Lust mehr, sich zum Gespött der Leute machen zu lassen. Rod und die anderen nahmen beunruhigt zur Kenntnis, dass sich der Gesichtsausdruck des Farin Urlaub verdunkelte wie eine Gewitterwolke.
 

„Scheiße, das ist nicht gut“, meinte Rod unheilvoll und schickte sich an, sich durch die Menge zu drängeln, doch es war kein Durchkommen möglich.
 

„Wenn ihr wirklich so erwachsen wärt, wie ihr vorgebt“, intonierte Farin laut, aber mit ruhiger, tiefer Stimme, „würdet ihr euch auch dementsprechend verhalten und euch nicht aufführen wie Kleinkinder, die sich über jeden Scheißdreck amüsieren und überall einmischen. Was ich mir bestelle, hat euch einen feuchten Dreck zu interessieren, kapiert?!“
 

Die Menge verstummte nun, doch die zunehmende Aggressivität war deutlich in der Luft zu spüren. Farin machte den Fehler, sich überlegen und als Sieger zu fühlen. Er vernahm Belas Lachen.
 

„Na denn, prost!“ rief der Schlagzeuger vergnügt und hielt sein Whiskey-Glas zum Toast in die Höhe.
 

Einer der umstehenden ergriff das Wort.
 

„Hey, warte mal, dich kenn ich doch irgendwo her! Bist du nicht dieser Gitarrist der… wie hieß die Band noch mal?“
 

„Die milchtrinkenden Weicheier!“ warf der Sitznachbar neben dem Mann ein, und die Rocker brachen in schallendes Gelächter aus.
 

Farin war in bester Frotzel-Laune.
 

„An deiner Stelle wär ich vorsichtig, vielleicht ist es ja die Milch deiner Alten!“ Farin krönte diese Aussage mit einem diabolischen Grinsen.
 

Irgendjemand schnappte erschrocken nach Luft. Farin konnte nicht sehen, dass es Rodrigo war. Sofort kehrte Stille ein, quasi eine Art Ruhe vor dem Sturm. Bela sah anerkennend zu Farin hinüber.
 

Der Mann, den Farin eben beleidigt hatte, sprang plötzlich unter wüsten Beschimpfungen auf, und die zwei Gäste, die ihn festhielten, vermochten ihn kaum zu bändigen. Mit einer ruckartigen Bewegung konnte er sich letztendlich losreißen und stürmte mit erhobener Faust auf Farin zu. Innerhalb weniger Sekunden hatte er den Gitarristen erreicht und holte zu einem kräftigen Schlag aus. Farin konnte seinen alkoholgeschwängerten Atem schon von weitem riechen.
 

Die riesige Faust flog auf Farin zu, doch bevor ihn der hämmernde Schlag erreichen konnte, machte Farin einen Ausfallschritt zur Seite, und der Schlag ging dicht an ihm vorbei ins Leere. Zuerst schaute der Rocker irritiert drein, da er mit dem Ausweichmanöver nicht rechnete, doch dann entbrannte der Zorn wieder in ihm, und er packte Farin am Kragen. Dieser hatte die Hände auf die Handgelenke des Angreifers gelegt und versuchte ihn von sich loszureißen.
 

„Ey. Kollege.“
 

Der Rocker drehte seinen Kopf überrascht über die Schulter, als ihm jemand auf diese Schulter tippte. Bela stand da, mit dem Whiskey-Glas in der Hand und einem herausfordernden Blick in den hellen Augen. Farin war aber mindestens genauso überrascht.
 

„Was willst du, Zwerg?“ fragte ihn der Rocker genervt, der höhenmäßig fast an Farin heran reichte.
 

„Ganz einfach. Lass die Finger von ihm und such dir einen würdigen Gegner, der sich auch wehren kann.“
 

Farin sog empört die Luft ein.
 

„Wie zum Beispiel dich, oder was?“ fragte der Rocker höhnisch und wurde von seinen Kumpels durch deren Lachen unterstützt.
 

„Mir scheißegal, solange du meinen Gitarristen in Ruhe lässt. Zusammengeschlagen nützt er mir nichts, und ich brauche ihn leider noch. Also verpiss dich jetzt endlich oder es setzt was!“
 

Mit jedem ausgesprochenen Wort hob Bela immer mehr seine Stimme. Der Alkohol machte aus Menschen wahre Tiere, stellte Farin fest, und er war schon gespannt, was der Rocker in wenigen Augenblicken aus Bela machen würde.
 

„Was hast du da gesagt, du kleine Missgeburt?!“ schrie der Mann und ließ von Farin ab, um sich Bela zuzuwenden. Bela jedoch machte seine Drohung war und hieb dem Kerl ohne Vorwarnung seine Faust in Gesicht. Farin schloss die Augen und hielt sich die Hand vors Gesicht. Na, das konnte ja heiter werden.
 

Der Kopf des Mannes wurde von dem Schlag herumgerissen, und dabei hatte Bela noch nicht einmal seine ganze Kraft in den Angriff gelegt. Doch er fing sich schneller, als Bela dachte. Mit einer blitzschnellen Reaktion (resultierend aus viel Kampferfahrung) schnellte er nach vorn, packte nun Bela am Kragen und verpasste ihm eine Kopfnuss.
 

Bela schrie auf, das Glas, das er eben noch in der Hand hielt, flog durch die Luft. Er landete mit seinen fünf Buchstaben unsanft auf dem Boden, fuhr sich mit der Hand über die Stirn und riss die Augen auf, als der das Blut in seiner Hand sah. Dann hob er den Blick und purer Hass erfüllte seine Augen, als er den Schläger ansah.
 

Farin hatte reflexartig eine Hand nach Bela ausgestreckt, starr vor Schreck und Entsetzen den Blick auf Bela gerichtet. Als auch er das Blut auf Belas Stirn bemerkte, riss er in einem plötzlichen Anfall blinder Wut den Rocker zu sich herum, packte nun ihn am Kragen und schrie ihn aus vollem Hals an.
 

„Sag mal, hast du sie noch alle??! Entweder du verfrachtest deinen verfickten Arsch sofort hier raus, oder ich werd´ dich dermaßen verprügeln, dass dich nicht mal mehr deine eigene Mutter erkennt! Kapiert?!?“
 

Grabesstille legte sich über die Kneipe, und manch einer schien es nicht einmal zu wagen auch nur zu atmen. Farin sah den Kerl an wie ein Raubtier, das kurz davor war sein wehrloses Opfer zu reißen und zu verschlingen. Keiner traute sich mehr, missbilligende Kommentare von sich zu geben oder Farin anzugreifen.
 

Bela hatte sich mittlerweile aufgerappelt, klopfte sich den Staub von den Kleidern, hob das verschüttete Whiskey-Glas auf und versuchte, mit einem Taschentuch das Blut zu trocknen.
 

Der Rocker entfernte sich einen Schritt von Farin, und dieser ließ ihn zwar los, aber nicht aus den Augen. Mit einem letzten unsicheren Blick auf Bela suchten er und seine Kumpane das Weite.
 

Farin sah ihnen noch einen Moment lang nach und versuchte gleichzeitig, seinen Zorn unter Kontrolle zu bringen, als der Barkeeper ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter legte. Farin drehte sich um und blickte den Mann an, der ihn nicht mehr spöttisch, sondern eher respektvoll ansah.
 

„Alle Achtung, Ralf eine reinzuhauen, Jungs, das muss ich euch lassen. Aber ich fürchte, ich muss euch bitten meinen Laden ebenfalls zu verlassen, ihr bringt mir hier sonst zu viel Unruhe rein.“
 

Die kleine Gruppe rottete sich zusammen, stellte ihre Gläser auf den Tisch, und Farin warf achtlos einen Fünfzig-Euro-Schein „für sämtliche entstandene Unkosten“ auf den Tresen. Unter den neugierigen und auch ehrfürchtigen Blicken der anwesenden Gäste verließen auch sie die Kneipe.



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