Satz 10 - Schweres Leben
Er gab sich ernsthaft Mühe und schien nicht zu begreifen, was für einen lächerlichen Anblick er bot. Sein Fanclub feuerte ihn auch noch heftig an, davon geblendet, dass er schon so oft gewonnen hatte. Dabei hatten sie alle keine Ahnung.
Keine Ahnung, dass er überhaupt nichts konnte und ich derjenige war, der immer die ganze Arbeit tat. Sie würdigten mich keines Blickes, höchstens vielleicht, wenn irgendetwas mit mir nicht zu stimmen schien.
Gerade einmal wehrte ich wieder mit all meiner Kraft den Gegner ab oder eher gesagt dessen scharfen und blitzschnellen Windsicheln und dieses komisch gekleidete schwarzhaarige Mädchen schrie nur: „Gut gemacht, Inuyasha. Weiter so, mach sie fertig.“
Pah, dieses Mädchen war so beschränkt. Schon beim ersten Mal, als mich mein neuer Besitzer in die Hand genommen hatte, wusste ich, dass er nichts konnte.
Er fuchtelte nur wild mit mir in der Gegend herum, ohne überhaupt zu zielen oder direkt damit aufzuhören, weil er wohl offensichtlich null Talent im Schwertkampf besaß. Leider jedoch war dieser Hanyou nicht so klug und hatte einfach nur Glück.
Glück, dass er so ein erstklassiges Schwert erwischt hatte. Ich habe ihm die Richtung gewiesen, ihm gezeigt, was ich alles so konnte. Mit einem stinknormalen Schwert hätte er sowas von verloren gehabt.
Nun bin ich schon fast ein ganzes Jahr mit ihm zusammen und es ist bestimmt nicht besser geworden.
Das könnt ihr mir glauben.
Dieser vertrottelte Hanyou denkt, dass er immer geschickter wird. Das ist aber nur die Folge davon, dass ich mich mehr anstrenge. Sonst würde ich noch in alle Einzelteile zerlegt.
Nicht, dass mir das nicht schon einmal passiert wäre.
Ich habe ihn versucht aufzuhalten, wollte ihm signalisieren, dass ich gegen diese Zähne nichts ausrichten kann, aber diese Hohlbirne wollte nicht auf mich hören.
Sturer Hanyou.
Es hat dermaßen wehgetan. Habt ihr schon einmal eure Gliedmaßen verloren, genau so könnt ihr euch das vorstellen.
Ich hätte es Inuyasha so gegönnt, zu verlieren, und dann hat er noch so unverschämtes Glück. Ich hätte mir die Haare raufen können, hätte ich welche gehabt.
Aber etwas Positives hatte das Ganze dann schon.
Ich durfte einen dreitägigen Urlaub bei meinem Lieblingsschmied verbringen. Mit Feuer und Hammer werkelte er mich wieder zusammen. Eine bessere Massage kann es wirklich nicht geben und hinterher noch ein entspannendes kaltes Bad. Das war schon fast das Paradies.
Und dann musste ich wieder zurück. Ich konnte es kaum fassen. Zu dem Kerl zurück, der es geschafft hatte, mich zu zerbrechen, mich, das berühmte Tessaiga. Ich konnte diesen Gedanken kaum ertragen.
Deshalb habe ich mir etwas einfallen lassen. Ich wollte Inuyasha mal so richtig zeigen, wie untalentiert er wirklich war. Und deswegen habe ich ihm nicht geholfen. Ich habe mich ganz schwer gemacht und habe ihm den Kampf überlassen.
Wie ich schon vorausgesagt hatte, hat er kläglich versagt. Wäre da nicht sein Dämonenblut gewesen, hätte er seinem Leben auf Wiedersehen sagen können. Und was für eine Ironie, dass nur ich dieses unterdrücken konnte. So war es für seine Freunde unglaublich wichtig, dass ich nun für immer in seiner Hand bleibe.
Einfach nur schrecklich dieser Gedanke. Aber immerhin war ich etwas in ihrem Ansehen gestiegen.
Ich war jetzt plötzlich wichtig. Es tat gut, gebraucht zu werden.
Natürlich hielt diese Situation auch nicht lange an. Schon bald darauf hat es dieser unterbelichtete Hanyou geschafft, sein Dämonenblut alleine unter Kontrolle zu bringen.
Wie er das angestellt hat, kann ich euch auch nicht sagen.
Wahrscheinlich hatten die Götter Mitleid mit ihm und mich wollten sie wieder zum Brotmesser degradieren. Das hat auch funktioniert.
Ich war wieder nur der Nutzgegenstand und Inuyasha der große Held.
Kommen wir aber wieder zur Gegenwart zurück. Gerade feuerte ich die Windnarbe auf Kagura ab – nebenbei eine sehr interessante Gegnerin – und gab ihr damit den Rest.
Traurigerweise kamen Inuyashas Freunde angelaufen und gratulierten ihm. Dabei hatte er mich nur im richtigen Winkel gehalten, den Rest habe ich ganz alleine gemacht.
Und schon dafür hatte er Monate gebraucht. Monate, um zu lernen, in welchen Winkel er mich halten muss, damit ich meine ganzen Kräfte freisetzen kann. Einen miseren Hanyou kann es wohl gar nicht mehr geben.
Inuyasha stützte mich ganz gelassen auf seiner Schulter ab. Er denkt dann immer, das sähe voll cool aus, aber eigentlich sieht jeder Schwachkopf, dass er nur ein durchschnittlicher Hanyou ist und vielleicht sogar noch weniger.
Einen jedoch kann er damit täuschen. Nämlich diese Kagome. Das Mädchen, dass ihm ständig hinterherrennt und in solchen Situationen wie jetzt auch regelrecht anhimmelt.
Es ist widerlich.
Besonders die abendlichen „romantischen“ Gespräche vorm Lagerfeuer. Ich bin der Einzige, der dieses Geschwafel immer mitkriegt. Von wegen: „Ich mag dich so, wie du bist.“ Nach zwei dieser Gespräche wusste ich schon, dass dieses Mädchen auch nicht sehr intelligent sein kann oder es hatte einfach eine sehr schlechte Auffassungsgabe.
Jedes Mal wurde ich gezwungen, zuzuhören und jedes Mal könnte ich vor Frustration fast losheulen. Inuyasha umklammert mich nachts dermaßen, dass ich mich keinen Zentimeter mehr bewegen kann.
So als ob er wüsste, dass ich weglaufen würde. Ich würde sowas von weglaufen. Weglaufen zu einem neuen Besitzer. Zu jemanden, der mich zu schätzen weiß.
Und ich wüsste auch genau, zu wem ich gehen würde.
Es gab eine Zeit in der ich mich richtig wohl gefühlt habe. Ein kleiner Junge hat mich zaghaft berührt, seine Augen haben geglänzt. „Und das ist Tessaiga, Papa?“, fragte er dann seinen Vater neugierig.
Okay, ich gebe zu, Sesshomaru war damals nicht mehr ganz so klein und auch nicht ganz so nett. Vielmehr wollte er wissen, ob er das Schwert kriegen würde, wenn der werte Vater mal nicht mehr wäre.
Aber ich stelle es mir gerne so vor. Wer will denn nicht schon einmal von einem kleinen Jungen angehimmelt werden? Und ganz tief in Sesshomaru drinnen, habe ich diesen Jungen auch gesehen.
Also, kommen wir zum Thema zurück. Definitiv würde ich zu Sesshomaru gehen. Einmal kurz hatte ich das Vergnügen, in seinen Händen zu liegen.
Naja, genau genommen war es nicht seine Hand, aber er hat sie immerhin gelenkt. Ich weiß noch, mit welcher Präzision er mich bewegt hat. Ich konnte die Energie spüren, mit der er meine Kraft freigesetzt hat.
Es kribbelte so herrlich in mir.
Ich konnte mich einfach zurücklehnen und zuschauen. Ein großartiger Kampf war es gewesen. Doch auch damals war mir das Schicksal nicht wohlgesonnen gewesen.
Meine Wege führten mich wieder zurück zu Inuyasha.
Und ich glaube, so wird es ewig sein. Ich werde an Inuyashas Seite hängen. Von jeden gebraucht und von allen ignoriert. So ist es nun einmal.
Das ist mein Schicksal.
Das ist mein Leben.