Abschied
»Und dann hat dich das kleine Mädchen mit ihrem Vater gefunden?«
Nea ließ die Beine baumeln und schaute zum Mond hinauf.
»Ja«, antwortete Fjodor und schob mit einer beiläufigen Bewegung eine Wolke beiseite, die der Welt ihren silbernen Zauber entreißen wollte.
»Ich hätte niemals gedacht, dass mein Vater so etwas tun würde. Meint ihr, er war auch für das Verschwinden der anderen verantwortlich?«, fragte sie traurig.
»Ja. Sie sind alle tot. Er wusste nicht genau, wie Lugh Akhtar aussieht, also hat er jeden gesucht und getötet, der ihm ähnelte. Bis er irgendwann erfuhr, wo er zu finden war«, erklärte Prinz Fjodor, der den jungen Mann auf der anderen Seite Neas immer noch mit dem Namen ansprach, den Nea ihm gab. Es wäre ihm seltsam vorgekommen, einen Fremden mit dem eigenen Namen anzusprechen.
»Verurteile ihn deswegen nicht, er wusste es nicht besser. Und vergiss auch niemals, dass er es letzten Endes für dich getan hat. Wenn du möchtest, gebe ich Nikolai Bescheid, dann ist es Sache der Gilde zu entscheiden, was mit ihm geschieht, ich jedoch werde ihn nicht an den Pranger stellen. Ich werde dazu einfach nichts weiter sagen«, fügte der junge Zauberer hinzu.
»Ja… Ich denke, das wird das Beste sein. Aber was ich nicht verstehe... Liegt auf dem Namen Fjodor wirklich ein Fluch? Oder hast du es nur einfach so daher gesagt?«
Sie schaute den jungen Mann an ihrer Seite neugierig an.
»Nein. Es ist wirklich ein Fluch, den ein sehr mächtiger Zauberer einmal verhängte. Er hatte sich mit einem anderen Zauberer gestritten, warum weiß vermutlich keiner mehr. Der andere Zauberer hat nicht nachgeben wollen, da war er so wütend geworden, dass er ihm irgendetwas Schreckliches antun wollte. Er wusste, dass der Andere zwei Söhne hatte und dass er an dem einen, an Fjodor, ganz besonders hing. Er legte einen Zauber auf den Namen, dass er niemals wieder Glück haben würde. Leider war der Zauber sehr, sehr mächtig. Er wirkt bis Heute fast unvermindert weiter, auch wenn kaum noch einer weiß, was es für ein Unglück für den Träger des Namens darstellt. Man hat es einfach vergessen«, erklärte der.
»Kannst du ihn nicht brechen?«, fragte sie weiter.
»Leider nicht. Ich habe es versucht, aber der Bannspruch hat Tariq und mich damals sehr arg erwischt«, erwiderte er mit gequältem Lächeln und schaute zu dem jungen Prinzen hinüber.
»Meinst du, er hört irgendwann auf zu wirken?«, erkundigte der sich und setzte sich nun auch zu Nea auf die Mauer.
»Bis er vollkommen verschwunden ist, wird es noch Jahrtausende andauern, wenn du das meinst. Aber ich kann dir dennoch Hoffnung machen, mein Freund. Ein jedes Wesen kann nicht nur unendliches Pech haben. Irgendwann kommt das Glück und meines hat damit begonnen, dass ich Nea getroffen habe. Ich weiß nicht, wann oder ob auch du bald glücklich sein wirst, aber wenn du nur lange genug durchhältst, wird es irgendwann zu dir kommen. So, wie auch irgendwann die Magie zu Nea gekommen ist«, antwortete Lugh Akhtar und stand auf.
»Wohin willst du gehen?«, fragte Nea und schaute ihn fragend an.
»Ich habe noch ein wenig was zu tun. Ich möchte ein paar Leuten meinen Dank aussprechen und ich muss über einiges nachdenken«, sagte er und sprang von der Mauer auf den Gang hinab.
»Wo werden wir uns treffen?«, fragte sie und stand ebenfalls auf.
»Oh, ich weiß nicht. Such du dir einen Ort aus, ich werde ihn schon finden. Aber tut ihr mir einen Gefallen? Besucht ihr bitte Maya und bedankt euch in meinem Namen? Ich glaube, es würde sie erschrecken zu sehen, was aus ihrem Wolf geworden ist«, bat er und Nea und Tariq nickten.
Auch Lugh Akhtar nickte und ging.
Tariq und Nea brachen nur wenige Tage nach ihm auf. Nea wusste zwar nicht, wo genau Maya lebte, doch mithilfe ihrer Magie war es ein Leichtes, sie zu finden. Sie kamen auch nicht mit leeren Händen, den Tariq entdeckte auf einem Tiermarkt einen jungen Wolf mit schneeweißem Fell, der jedoch diesmal kein verzauberter Zauberer war. Das Mädchen freute sich sehr über das Geschenk und noch mehr, als sie hörte, wie gut es ihrem Wolf ergangen war.
Dann reisten sie weiter, ohne wirklich zu wissen, wohin sie gingen. Es war bloß ein Gefühl, das Nea leitete, doch irgendwann kamen sie zu einer felsigen Küste und sogleich wussten sie Beide, dass dies der Ort sein würde, an dem sie Lugh Akhtar wieder sehen würden. Sie blieben und warteten.