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Ich habe ihn nur einmal gesehen, kurz, als er durch das kleine Dörfchen ging, und
doch war dieser kurze Moment, in dem unsere Blicke sich begegneten, so intensiv,
dass er sich in meine Seele eingrub. Ich werde nie vergessen, wie er da stand und zu
mir sah.
Eigentlich herrschte in Hyrule ja gutes Wetter, nur zu dieser Zeit merkte man
deutlich den Herbst. In Kakariko regnete es oft und es ging das Gerücht um, dass ein
Dämon umginge. Viele Dorfbewohner hatten Angst, so auch ich. An diesem Tag
sollte ich mich auf den Weg zur Lon Lon Farm machen, um Milch zu kaufen. In den
dunklen Jahren, in denen Ganondorf herrschte, waren Lebensmittel knapp und teuer,
doch man musste ja irgendwie überleben, nicht war? Aber ich bin vom Thema
abgekommen.
An diesem Tag also verließ ich mein Elternhaus und draußen regnete es sanft. Der
Regen war kühl, doch die Tropfen waren nur kleine Bindfäden und sogar irgendwie
angenehm. Sie zeigten, dass das Land noch lebte, trotz allem.
Ich hatte die Türe hinter mir geschlossen, und mein Blick wanderte über den leeren
Platz vor den Häusern. Dort, wo der Baum stand, ein kümmerlicher, nicht ganz
gesunder, einfacher Baum, da stand er. Er hatte seinen Schild und das Schwert
abgelegt, stand einfach da, ließ die Arme hängen und sah auf seine Ausrüstung. Was
da alles für Krempel vor ihm lag! Ein Köcher, prall gefüllt, Bogen, ein
Eisenhammer, eine seltsame Lupe, so schien es mir, einige Stoffbündel, ein Haufen
Bomben, mehrere Flaschen, ein Enterhaken und jede Menge mehr. Ich blieb stehen.
Ich hatte gehört, dass irgendwo in Hyrule ein Held umginge, der uns von
Ganondorfs Tyrannei retten würde, doch mir wurde verboten, zu laut darüber zu
sprechen, denn Ganondorf höre alles, und wir dürften ihn nicht vorwarnen. Der
Basarsbesitzer, ebenso wie der Mann aus dem Magieladen, sie beide hatten das in
die Welt gesetzt. Manchmal kam ein junger Mann zu ihnen und kaufe sich allerlei
Zeug, was nur ein Held gebrauchen könne. Wir waren voll Hoffnung und Zweifel.
Ganondorf war sehr mächtig und unsere Prinzessin verschollen.
Ich fragte mich nicht, ob es unhöflich war, jemanden so offen anzustarren,
wahrscheinlich war mir noch der Mund aufgeklappt, aber er schien das gar nicht zu
bemerken. Doch schließlich hob er den Kopf, starrte einen Moment stumm
geradeaus, dann wanderte sein Blick zu mir. Ich zuckte zusammen. Seine Augen -
schmale, wunderschöne, blaue Augen - waren so abgrundtief traurig und besorgt,
dass ich auch sofort traurig wurde. Doch trotz dieser Traurigkeit waren seine
Augenbrauen streng zusammengezogen, und so machte er trotz allem einen
entschlossenen und verbissenen Eindruck. Doch so, wie er da stand, so ganz ohne
Ausrüstung und offenbar müde vom ganzen Wandern, schien er mir ein bisschen
hilflos und alleine. Er konnte genauso gut jemand aus unserem Dorf sein, wäre da
nicht diese Ausrüstung und meine Gewissheit, dass es sich bei diesem Jungen um
Link, unseren Retter handeln würde.
Wir sahen einander immer noch an, bis er sich schließlich bückte, sich Schwert und
Schild umband und seine Ausrüstung in einen Beutel stopfte. Doch dann zog er eine
Ocarina aus dem Beutel und setzte sie an die Lippen. Durch das sanfte Rauschen des
Regens hörte ich eine wunderschöne, leise Melodie, die er diesem kleinen
Instrument entlockte. Ich blinzelte mir kurz die Regentropfen von den Wimpern, und
als ich wieder klar sah, war er verschwunden. Alles, was ich noch sah, war ein
blauer Schimmer, wie viele kleine Glühwürmchen, die Richtung Süden flogen.
Danach war es still.
Ich nahm die Milchkanne und ging langsam in Richtung der Farm. Ich war sehr
nachdenklich geworden. In meinen Büchern hieß es immer, es wäre eine Ehre, ein
Held zu sein und so weiter, dass man sich für sein Land aufopfern könne und all das,
doch...
Für Link schien es eine Qual zu sein.
Denn... war er nicht auch nur ein Hylianer? Ein Jugendlicher, genauso wie ich? Und
sehnte er sich nicht auch nach etwas Geborgenheit und Wärme, die ihm so niemand
geben konnte?
Mir flossen die Tränen den Wangen hinab. Doch vielleicht war es auch nur der
Regen.