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Fat

von

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Ugly

Höhnisches Gelächter schallte in dem großen Raum wieder und verzweifelt presste sie sich ihre Hände an die Ohren.

Sie sollten aufhören zu lachen!

Bittere Tränen rannen aus ihren großen Kinderaugen und ihr Körper wurde von Schluchzern geschüttelt.

„Guck dir doch nur dieses fette Mädchen an!“

„So jung, und schon so viel auf den Rippen, das ist doch ungesund!“

„Hahaha…schau nur ein dickes Schweinchen!“

Diese, und viele andere schmerzhaften Worte prasselten auf sie ein und sie vergrub ihr Gesicht in ihren Knien. Fest kniff sie ihre Augen zusammen und schüttelte den Kopf. „Geht weg, geht weg!“, schrie sie laut und ruckte mit einem mal hoch. So schnell sie ihre Beine trugen rannten sie aus dem Raum.

Ein langer Gang erstreckte sich vor ihr. Ohne nachzudenken folgte sie dem Korridor, um ja diesen fiesen und gemeinen Stimmen zu entkommen.

Langsam ging ihr die Luft aus und das Mädchen griff sich an die Brust. Ihr Atem ging schnell und unregelmäßig und sie blickte sich verwirrt um. Wo war sie?

Der Gang sah hatte sich kein Stück verändert und verzweifelt ließ sie ihren Blick nach rechts und links wandern. Wohin sollte sie nur gehen?

Das Kind hörte leise, vom Teppich gedämpfte, Schritte und noch mehr Tränen flossen aus ihren Augen. Schnell rannte sie weiter und nach einiger Zeit sah sie eine Tür auf sich zu kommen. Erleichtert atmete sie auf und beschleunigte ihre Schritte noch ein wenig.

Die Tür war nicht abgeschlossen und somit konnte das Mädchen hinein schlüpfen. Müde lehnte sie sich an die Eingangstür und rutschte langsam das Holz hinab. Ihre Beine taten ihr furchtbar weh und in ihrer rechten Bauchhäfte herrschte ein starker ziehender Schmerz. Sie seufzte leise und wischte sich über die Pausbacken. Hoffentlich würden diese Menschen sie hier nicht finden.

Sie wollte nicht mehr von ihnen gehänselt werden.

Sie wollte nicht mehr als Aussätzige behandelt werden, nur weil sie ein wenig kräftiger war als andere Kinder. Ihre Mutter sagte immer, sie hätte nur starke Knochen, mehr nicht. „Genau. Mama hat Recht. Ich hab nur starke Knochen, ich bin nicht dick!“, sagte sie leise zu sich selbst und knetet nervös ihre Hände, „ich bin trotzdem hübsch!“

Eine Zeit lang saß sie so da, bis sie sich langsam wieder aufrichtete um sich umzusehen. Sie war in der Küche gelandet.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass ihre Flucht gerade mal eine Stunde her war. „Vielleicht sollte ich was essen“, dachte sich das Mädchen und ging langsam auf den Kühlschrank zu. Sie öffnete die weißte Tür und erblickte allerlei Köstlichkeiten.

Fröhlich summend holte sie den Kuchen von ihrem Geburtstag heraus und begann genüsslich davon zu naschen.

Immer wieder.

Nur ein ganz kleines bisschen.

Nicht viel.

15 Minuten später hatte die kleine Blondine den Kuchen verputzt und suchte nach weiteren Süßigkeiten. „Wo hat Mama bloß die Kekse versteckt?“, fragte sie sich und wie auf’ s Stichwort sah sie eine rot-braune Keramikvase, aus der ein Keks herauslugte. Freudig holte sie sich die Vase runter und hob den Deckel an. Der verführerische Duft von Schokoladenplätzchen stieg ihr in die Nase und sie griff beherzt zu.

Nur ein paar Kekse würden doch nicht schaden.

Weitere zehn Minuten später hatte sie auch die Kekse verputzt.

Gerade wollte sie sich wieder etwas aus dem Kühlschrank nehmen, als die Tür geöffnet wurde und ihre Mutter herein trat.

Verwirrt blickte sie zu ihrer Tochter und wollte gerade fragen, was sie hier machte, als sie den leeren Kuchenteller und die leere Keksvase sah.

„Hally! Hör sofort auf zu essen! Wenn du so weiter machst, nimmst du nur noch mehr zu!“, rief ihre Mutter aufgebracht und nahm ihr die Eispackung aus der Hand. „Aber Mama, ich hab doch nur schwere Knochen!“, meinte Hally ein wenig überrascht, als ihre Mutter ihr das Wort abschnitt: „Du hast keine schweren Knochen. Du bist fett!“
 

Geschockt fuhr Hally aus dem Schlaf und blickte sich im Raum um.

Keine Küche.

Keine Mutter.

Keine Leute, die sie niedermachten.

Sie fuhr sich durch die blonden langen Haare und schloss für einen Moment die Augen. Wieso träumte sie ausgerechnet heute von dieser Sache? Das war doch schon mehr als acht Jahre her.

Als sie wieder die Augenlider anhob, sah sie, dass die ersten grellen Sonnenstrahlen durch ihr Fenster fielen und begannen die Erde zu wärmen. Hally gähnte leise und schwang ihre Beine über die Bettkante. Sie würde jetzt eh nicht mehr einschlafen, also konnte sie sich genauso gut aus dem Bett begeben.

Langsam suchte sie sich ihre Klamotten zusammen und trat in das riesige Badezimmer. Noch einmal gähnte sie herzhaft und ließ dann die Hüllen fallen.

Nackt stand sie nun vor dem riesengroßen Spiegel und betrachtete ihre Gestalt.

Ihre Rippen standen stark hervor und ihr Schlüsselbein stach eindeutig ins Auge. Auch ihre Wangen waren eingefallen und ihre Hüfknochen ragten spitz unter der bleichen Haut hervor.

Lange stand Hally da und betrachtete ihre Gestalt im Spiegel.

Wieso konnte sie nicht auch dünn und schön sein?

Wieso war sie so fett und hässlich?

Wütend griff sie sich an ihren rechten Oberschenkel und fluchte laut auf: „Ich werde immer fetter, von Tag zu Tag. Ich hasse es! Ich will nicht mehr! Warum kann ich nicht auch so wunderschön wie diese ganzen Models aussehen?“, schrie sie ihrem Spiegelbild entgegen und schmetterte wütend eine Seifestück nach dem Glas.

Jedoch zerbrach der Spiegel nicht, sondern hielt dem Wurfgeschütz stand. Dies puschte Hallys Wut nur noch hoch und sie packte ihre ganzen Pflegeprodukte und schmetterte sie gegen ihr dürres Spiegelbild. Und auch dieses Mal zerbrach das Glas nicht. Als wollte es sie ärgern.

Hally grinste wütend und packte noch einige andere Sachen, die kurze Zeit darauf an dem Spiegel aufprallten.

Immer und immer wieder warf sie irgendwelche Gegenstände, nach dieser fetten hässlichen Person, die sie aus dem Spiegel heraus breit angrinste. „Na komm Hally, schlag mich. Mach mich kaputt!“, schrie ihr Ebenbild und in Hallys Augen loderte unzähmbare Wut.

„Ich ertrage das nicht mehr! Ich will nicht mehr hässlich sein!“ Es war ein Schrei der Verzweifelung gewesen, der ihrer Kehle entrann. Sie begann mit den Fäusten gegen das kühle Glas zu schlagen und ihr Spiegelbild lachte nur hämisch.

Tränen liefen ihre weißen Wangen herunter und sie schlug noch fester zu, als sie es eh schon tat.

Ihre Handknöchel begannen zu schmerzen und sie spürte wie jeder noch so kleiner Glassplitter, sich in ihre dünne Haut bohrte. Ein weiterer Schrei entrann ihr und sie schlug mit ihrer ganzen Kraft nach dem kleinen hässlichen Mädchen im Spiegel.

Un endlich, nach diesem Schlag zerbrach das Glas.

Hallys Beine gaben nach und sie sackte in sich zusammen.

Das saß sie nun. Ein kleines Mädchen in ihrer zerbrochenen Welt. Sie schluchzte leise und blickte auf ihre Hände.

Die Haut hatte sich eng um ihre Fingerknochen geschnürt und feine Blutrinnsale liefen über ihre Hände.

„Was hab ich bloß mit mir gemacht?!“, ging es ihr durch den Kopf und wie durch einen Schleier hörte sie, wie die Tür aufgerissen wurde und ihre Eltern hereinstürmten. „Um Gottes Willen, Hally!“, schrie ihre Mutter und schloss ihre Tochter in die Arme. Hally drückte ihren dürren Körper gegen den ihrer Mutter und begann haltlos zu schluchzen.

Wie hatte sie ihren Körper nur so verkommen lassen können?

„Mama, hilf mir. Hilf mir. Ich will normal sein!“, flüsterte Hally und schloss die Augen. Sie fühlte sich so schwach und ausgelaugt. „Aber natürlich mein Schatz. Natürlich! Wir werden uns professionelle Hilfe suchen“, erwiderte ihre Mutter liebevoll und strich ihr über die Haare, das war das letzt, was Hally hörte, bevor sie einschlief und dieses Mal blieb sie von jeglichen Erinnerungen an die Vergangenheit verschont.
 


 


 

Nachwort:

Mir ist diese Idee letztens gekommen, als ich Nachrichten geschaut habe. Da ging es auch um Mädchen, die an Magersucht bzw. Essstörungen leiden und dabei ist mir dann irgendwie dieser OS eingefallen.

So an sich, find ich ihn ja gar nicht soo schlecht, aber irgendwas stört mich an meiner Wortwahl.

Kritik ist gern gesehen, ich möchte mich verbessern ^__~

Psycho



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schnullerkai
2009-02-01T19:34:02+00:00 01.02.2009 20:34
Hallihallu, ich sag hier mal was zu! ^^
Ich hab ja schon mal fallen gelassen, dass ich deinen Stil sehr gut finde. Auch bei diesem OneShot kann ich mich da nur wiederholen.
Hallys Gefühle sind unglaublich nachvollziehbar beschrieben - ein dickes Mädchen, das von Mitschülern fertig gemacht und von Eltern auf die falsche Art und Weise beschützt wird. Tragisch, wenn man sich klar macht, dass so etwas schon zur alltäglichen Realität gehört. Der Traumteil der Geschichte gefällt mir definitiv am besten, weil er überzeugender ist als die Gegenwart.
Die Gegenwart Hallys hast du meiner Meinung nach nämlich etwas zu sachlich geschildert. Magersüchtige sehen ihre Knochen nicht, sie sehen nur das vermeintliche Fett. Dieser Mix aus persönlichen Empfindungen und sachlichen Informationen kommt irgendwie unpassend rüber, obwohl natürlich beides in den Text gehört. Allerdings wäre es besser zu erwähnen, dass Hally es tatsächlich nicht sieht. So was à la "[...]Hüftknochen ragten spitz unter der bleichen Haut hervor. Doch all das sah sie nicht." Oder so was in der Art. Du schreibst sachliche Informationen, als wären sie persönliche Wahrnehmungen, verstehst du, was ich meine?
Das Ende finde ich persönlich ziemlich unrealistisch für einen OneShot. Wäre diese Geschichte länger und hätte man mehr über Hallys Zeit mit der Magersucht erfahren, wäre ein Ende dieser Art logischer gewesen. Aber so ist es einfach zu kurz um ein "Happy End" anzudeuten. Sie steht auf, sieht ihr abscheuliches Spiegelbild, zerstört es und merkt plötzlich, dass sie krank ist. Magersüchtige merken dies in den meisten Fällen ohnehin nicht aus eigenem Antrieb.
Das Verhalten der Mutter ist ebenfalls nicht gänzlich nachvollziehbar. Wusste sie von Hallys Esstörung oder nicht? Wenn sie davon wusste: Warum hat sie nichts getan? Wenn sie nichts davon wusste: Warum reagiert sie so - ich nenn's mal - souverän? Eine entsetzte Mutter würde doch eher erst mal Sachen loswerden wie "Wie siehst du aus?" oder sich Vorwürfe machen, dass sie nichts bemerkt hat. Die Gegenwart ist also ziemlich holprig, was die Überzeugungskraft angeht. Das überzeugenste war tatsächlich die Szene vor dem Spiegel mit dem hämischen Spiegelbild. Da merkt man wieder, dass du ein Talent für Gefühle hast, aber ansonsten... Naja, ich wiederhole mich.
Das Thema Esstörungen ist allerdings schwer in einem OneShot zu verpacken, weil es unglaublich umfangreich und für Außenstehende schwer nachzuvollziehen ist aufgrund der psychischen Aspekte, daher mache ich dir daraus keinen Vorwurf.
Nichtsdestotrotz finde ich die Idee an sich wirklich sehr gut. Die Geschichte regt zum Nachdenken über unsere Gesellschaft an und sie hat mich berührt. Solche Schicksale hauen einen doch immer wieder um, weil man diese Seite der Welt einfach gern ignoriert.
Mach weiter so, für dein Alter schreibst du wirklich phänomenal! *thumbs up*

Bye, bye,
sagt Schnullerkai


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