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Seelentausch

von

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Ärger im Museum

„Wenn ich noch ein Wort von dir höre, dann ...“ Kiara brach unweigerlich ab, als sie über Yugis Schultasche hinwegflog und gegen die Tür lief.

Der Geist des Pharaos grinste verhalten, drehte sich sogar ein wenig zur Seite, um nicht dabei ertappt zu werden.

„Ich hab das gesehen, Pharao.“ „Was denn?“, fragte er unschuldig und breitete zum Zeichen seiner Unschuld die Arme zu beiden Seiten aus.

Kiara schüttelte den Kopf und packte die Tasche. „YUGI!!!!“

Yami hatte das Gefühl, das gesamte Haus würde unter ihrem Schrei zusammenbrechen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er sich seine nur in Geisterformat vorhandenen Ohren. „Geht das nicht noch ein kleines bisschen lauter? Ich kann auf der anderen Seite noch immer was hören?“, knurrte er.

Kiara warf ihm einen zornigen Blick zu und wandte sich dann an Yugi, der soeben die Treppe hochgestolpert kam und das Zimmer betrat. Wütend schleuderte sie ihm seine Tasche in die Arme. „Kannst du das Zeug das nächste Mal nicht auf deinem Bett deponieren oder im Schrank? Ich hätte mir fast das Genick gebrochen!“, fauchte sie ihren Bruder an, der sie völlig verdattert anstarrte.

Schweigend warf er dem Pharao einen kurzen fragenden Blick zu, der ihm nur mit einem resignierenden Schulterzucken antwortete.

„Was ist denn in dich gefahren? Schlecht geschlafen?“, fragte Yugi schließlich, während er seine Tasche auf das Bett warf, das Kiaras Bett gegenüber stand.

Sorgfältig zog er die Decke glatt und sah Kiara wieder an.

Seine Schwester funkelte den Pharao an, warf schließlich den Kopf nach hinten und stolzierte aus dem Zimmer.

„Ooookay ... was war hier los?“, fragte Yugi und ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken.

Yami zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

Yugi hob eine Augenbraue zum Zeichen dafür, dass er ihm kein Wort glaubte. „Pharao ... ich kenne meine Schwester und so führt sie sich nur auf, wenn du sie mal wieder geärgert hast.“

Yami prallte überrascht zurück. „Ich? Sie geärgert? Für wen hältst du mich denn?“ „Frag mich das lieber nicht ein zweites Mal.“ „Ich hab sie nicht geärgert, nur ...“ „Aha, also doch ...“ „Ich hab sie nur ein wenig auf den Arm genommen.“, rief er verzweifelt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich kann doch nichts dafür, dass sie so empfindlich ist.“ „Was hast du denn zu ihr gesagt?“ „Ich ... ich hab nichts zu ihr gesagt. Das heißt, doch ... ich hab ihr ein paar Tipps hinsichtlich Duel Monsters gegeben. Na ja ... dann kam von ihr gleich die schnippische Antwort, dass sie auch so gut genug sei, um mich zu schlagen, woraufhin ich dann antwortete, dass ...“

Der Pharao brach ab, was Yugi zum Verzweifeln brachte. „Was hast du gesagt? Dass sie was?“ „Na ja ... dass sie, wenn ich nicht wäre, gegen Seto noch nicht einmal eine Runde überstehen würde.“

Yugi runzelte überrascht die Stirn. „Das war alles?“ „Das war alles.“, bestätige Yami. „Völlig übertrieben, oder?“ „Na ja ... mir ist schon klar, dass sie Seto auf den Tod nicht leiden kann, aber ... sie hat sich doch sonst nie wegen so einer Kleinigkeit so aufgeführt.“ „Sie hat schlecht geschlafen, Yugi.“

Yugi hob den Kopf. „Wirklich?“ „Seit sie ihre Visionen hat, scheint sie immer schlecht zu schlafen. Ich habe sogar manchmal den Eindruck, dass sie mittlerweile Angst davor hat, einzunicken.“ „Das würde auch erklären, warum sie in letzter Zeit so gereizt ist.“, stimmte Yugi seinem Freund zu und vergrub das Gesicht in den Händen. „Also schön, ich rede mit ihr. Vielleicht können wir ihr ja irgendwie helfen.“ „Dann solltest du aber wenigstens einen passenderen Zeitpunkt abwarten. Ich glaube kaum, dass sie im Moment sehr kritikfähig ist.“, warnte Yami seinen Partner vor, der zustimmend nickte. „Guter Plan.“

Ein wenig schwerfällig erhob er sich wieder, griff nach der Türklinke und stoppte abrupt. Sein Blick war auf die Zeitung gefallen, die aufgeschlagen auf Kiaras Schreibtisch lag. Ein riesiger Artikel beherrschte die Seite und schien sämtliche Kleinanzeigen im Nichts verschwinden zu lassen.

Yugi rückte die Zeitung ein wenig zurecht und blickte das Bild an, was ihm entgegensprang.

Ein Amulett war darauf abgebildet, in dessen Mitte ein rubinroter Diamant eingearbeitet war. Fein verschnörkeltes Gold umrahmte das Schmuckstück, das an einer aus Gold gearbeiteten Kette befestigt war.

Yugi warf einen Blick auf den Titel des Berichtes und schnappte nach Luft.

„Uraltes ägyptisches Medaillon gibt Forschern Rätsel auf“, verkündete die Überschrift.
 

Vor zwei Monaten fanden Forscher in dem Grab eines bis jetzt noch unbekannten Pharaos ein uraltes Medaillon. Nach bisherigen Ergebnissen konnte festgestellt werden, dass das Medaillon älter ist, als es der Pharao, in dessen Grab es vorgefunden wurde, zu seinen Lebzeiten gewesen war.

Weitere Forschungen haben ergeben, dass es sich bei dem mysteriösen Fund um ein altes Relikt handelt, welches sogar vor der Zeit der Pharaonen erschaffen worden war.

Wie das Medaillon in den Besitz des Pharaos gelangt ist, konnte bisher nicht festgestellt werden. Doch die Forschung ist sich sicher, dass es sich bei dem Medaillon keineswegs um einen völlig normalen antiken Gegenstand handelt. Als Grund hierfür wurde angegeben, dass dem Medaillon keinerlei Altersspuren zu entnehmen sind.

Auf die Frage, ob es sich hierbei vielleicht um einen Scherz handeln könnte, wurde offenbar, dass allein schon die Verarbeitung des Diamanten Rückschlüsse dahingehend ziehen lässt, dass das Medaillon älter als die Pharaonen ist. Eine Finte ist daher ausgeschlossen.

Weitere Ergebnisse stehen zurzeit noch aus.

Das Medaillon befindet sich...
 

Yugi zog die Augenbrauen zusammen. Offenbar befand sich das Medaillon nirgendwo anders, als in ihrem Museum, in dem Museum, in dem sich schon die uralte Steintafel befand, in die der Kampf des alten Pharaos gegen seinen Priester Seto eingraviert war.

Älter als die Pharaonen und keinerlei Altersspuren. Wie war das möglich?

Der Rest des Berichtes wurde von zahlreichen Interviews darüber beherrscht, wie das Amulett gefunden worden war.

Yami tauchte neben Yugi auf und blickte ebenfalls auf den Artikel. „Interessant.“, murmelte er, nachdem er zu Ende gelesen hatte. „Älter als die Pharaonen. Würde mich ja mal interessieren, wer es erschaffen hat.“

Yugi hob hilflos die Schultern und schlug die Zeitung zu. „Keine Ahnung. Mich interessiert vielmehr, warum Kiara sich so für diesen Artikel interessiert.“ „Vielleicht hatte sie davon geträumt.“, bemerkte Yami, was ihm einen nachdenklichen Blick von Yugi bescherte. „Hältst du das für möglich?“, fragte Yugi und strich sich über das Kinn.

Yami zuckte mit den Schultern. „Was meinst du? Fragen wir sie einfach mal?“ „Ich weiß nicht. So, wie sie momentan drauf ist, traue ich mich ehrlich gesagt nicht einmal, ihr nur über den Weg zu laufen.“, entgegnete Yugi und steuerte die Tür an.

„Yugi! Warum gehen wir nicht einfach ins Museum und sehen uns dieses Medaillon an? Vielleicht … klärt sich ja dann vieles schon von selbst.“

Yugi dachte eine Sekunde nach und nickte schließlich. „Und Kiara nehmen wir mit.“ „Du kannst meine Gedanken lesen.“

Yugi grinste. „Das fällt dir jetzt erst auf?“
 

„Kiara?“

Yugi stolperte die Stufen hinunter, während er in seine Jacke schlüpfte. „Hey, Kiara!“

„Deine Schwester ist weggegangen!“, rief sein Großvater aus der Küche und streckte seinen Kopf in den Flur. „Soweit ich weiß, wollte sie ins Museum.“

Yugi stoppte abrupt und warf dem Geist des Pharaos, der neben ihm erschienen war, einen vielsagenden Blick zu, bevor er den Reißverschluss seiner Jacke hochzog und das Haus verließ.

Sein Großvater sah ihm ratlos nach. „Immer nur in Hektik diese Jugend.“, murmelte er und verschwand wieder in der Küche.
 

„Siehst du sie irgendwo?“, fragte Yugi, während er sich auf die Zehenspitzen stellte und über den Tumult hinweg nach Kiara Ausschau hielt.

Eine gut zehn Meter lange Schlange hatte sich vor dem Museum gebildet und Yugi hatte das Gefühl, es würde Jahre dauern, bis er endlich an der Reihe war.

Der Pharao schwebte ein paar Meter von ihm entfernt und blickte sich suchend um, bis er schließlich enttäuscht den Kopf schüttelte. „Nein, tut mir Leid! Vielleicht ist sie schon im Museum.“ „So schnell?“ „Ich sehe sie jedenfalls nicht.“

„Wen siehst du denn nicht?“

Yugi sprang vor Schreck zwei Schritte vor, bevor er sich umdrehte und seine Schwester mit scharfer Miene musterte. „Musste das sein? Kannst du dich nicht vorher bemerkbar machen. Falls es dir nicht aufgefallen ist, aber meine Schockgrenze ist, seit wir den Pharao kennen, nur noch sehr, sehr niedrig.“

Kiara lächelte. „Entschuldige. Wen sucht ihr denn?“

Yugi kratzte sich am Kopf und warf dem Pharao einen kurzen Blick zu, bevor er antwortete: „Na ja … dich.“ „Oh gut! Dann hat sich das ja wohl mittlerweile erledigt, was?“

Yugi runzelte die Stirn. „Ist alles in Ordnung mit dir?“

Eine Frage, die Kiara mit einem Schulterzucken beantwortete. „Sicher. Es ist nur … tut mir leid, dass ich vorhin so ausgeflippt bin. Bin wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden.“ „Tja, das hab ich gemerkt.“

Kiara scharrte verlegen mit dem Fuß auf dem Boden. „Entschuldigung akzeptiert?“ „Na sicher.“

Kiara seufzte erleichtert und warf einen Blick auf die lange Schlange, die sich noch immer vor ihnen bis zum Museum hinzog. Kiara blies die Backen auf. So voll hatte sie das Museum lange nicht mehr gesehen. „Meinst du, die kommen alle nur wegen des Medaillons?“, fragte sie verwirrt, während sie die Arme vor der Brust verschränkte.

Yugi zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Jedenfalls weiß ich, dass du wegen des Medaillons hier bist.“ „Du hast die Zeitung auf meinem Schreibtisch gesehen, stimmt’s?“

Yugi nickte und blickte sie mit einem ernsten Blick an. „Hattest du davon eine Vision?“ „Hat es denn Sinn, es zu leugnen?“ „Der Pharao sagte nur, dass du…“ „Dass ich schlecht geschlafen habe.“ „Hat er denn Recht?“ „Natürlich hat er Recht. Ich meine … könntest du ruhig schlafen, wenn du immer wieder davon träumst, dass das Medaillon gestohlen wird? Es hat etwas mit dem Pharao zu tun, sonst hätten sie es dort wohl kaum gefunden, oder?“

„Das denke ich eigentlich weniger!“, bemerkte der Pharao, der noch immer stur geradeaus zum Eingang des Museums blickte und die Arme vor der Brust verschränkt hatte. „Ich denke eher, dass sich hier jemand einen Scherz erlaubt.“

Kiara rollte mit den Augen. „Ach wirklich. Hast du den Artikel denn nicht gelesen? Darin steht, dass ein Scherz ausgeschlossen ist.“

Yami blickte sie nachsichtig lächelnd an. „Darin steht, dass hinsichtlich der Herkunft des Medaillons jedweder Scherz ausgeschlossen ist … aber wer sagt dir denn, dass nicht irgendjemand das Medaillon in dieses Grab hineingelegt hat?“

Kiara schnitt eine Grimasse. „Wer sollte sich denn die Arbeit machen und ein Grab ausheben, nur um etwas hineinzulegen?“ „Weiß ich, was in den Köpfen von manchen Leuten hier vorgeht?“ „Ach komm schon, Pharao! Das ist doch Unsinn.“ „Ist es das?“

Kiara blickte ihn unsicher an. Sie wusste nicht genau, warum, doch mit einem Mal war sie vollkommen unsicher. Konnte an den Worten des Pharao tatsächlich etwas Wahres dran sein? War es möglich, dass irgendjemand das alte Grab des unbekannten Pharao ausgehoben hatte, um dort ein Medaillon hineinzulegen? Wollte sich derjenige tatsächlich nur einen miesen Scherz erlauben?

Eine Frage, die Kiara die nächste halbe Stunde beschäftigte, bis sie am Eingang des Museums angelangt waren und zwei Tickets lösten.

Gemeinsam betraten sie das Museum und starrten mit offenen Mündern auf die Menschenmasse vor ihnen. Der Glaskasten, in dem sich das Medaillon befand, war nicht einmal im Ansatz zu erkennen. Kiara befiel Panik. „Yugi … lass uns in den Nebenraum gehen. Das ist mir hier zu voll.“

Yugi stimmte ihr zu, ergriff ihre Hand und lotste sie durch die Menschenmenge in den Nebenraum, in dem sich die Steintafel befand, die sie jetzt schon so oft betrachtet hatten.

Gemeinsam blieben sie vor ihr stehen und blickten sie ehrfürchtig an.

Es dauerte eine ganze Weile, bis Yugi schließlich seufzte. „Glaubst du, wir werden jemals herausfinden, was es mit diesem Kampf des Pharaos gegen diesen Seto-Klon auf sich hat?“

Kiara dachte kurz nach und zuckte schließlich mit den Schultern. „Ich hab keine Ahnung. Aber wenn ich ehrlich bin, will ich es, glaub ich, gar nicht wissen.“

Yugi blickte sie überrascht an. „Warum?“

Erneut zuckte sie mit den Schultern, doch Yugi blieb nicht verborgen, dass ihr Blick dabei mit jeder Sekunde trauriger wurde. Irgendetwas ging in ihr vor.

„Keine Ahnung. Ich hab nur so das Gefühl, dass … wenn wir es wissen, wenn wir den Namen des Pharao kennen, dass … uns nicht mehr viel Zeit bleibt.“ „Zeit? Tut mir leid, wenn ich dir nicht ganz folgen kann, aber was meinst du damit?“

Kiara blickte ihren Bruder an und Yugi war überrascht, ein paar einsame Tränen in ihren Augen schimmern zu sehen. Kiara bedrückte offenbar viel mehr, als sie bereit war, ihm gegenüber zuzugeben.

„Was ich meine ist, dass, wenn wir alles über ihn wissen, dass es dann zu spät ist … dass er uns dann verlassen muss. Und die Prinzessin ebenso.“

Yugi wich ihrem Blick wieder aus. Tatsächlich hatte er mit so einer Vermutung schon gerechnet. Und wenn er ehrlich war, dann erging es ihm, wie seiner Schwester. Auch er konnte sich ein Leben ohne seinen besten Freund nicht mehr vorstellen.

„Ich … ich hab die beiden mittlerweile so sehr ins Herz geschlossen … ich weiß nicht, ob ich sie einfach so wieder gehen lassen kann.“, murmelte Kiara traurig und senkte den Blick. Ein dicker Kloß hatte sich in ihrer Kehle gebildet und langsam kroch ein unkontrollierbares Zittern in ihr hoch. Ein übler Druck erfüllte plötzlich ihren Schädel und keine Sekunde später taumelte sie gegen ihren Bruder, der sie auffing und vor einem Sturz bewahrte.

Kiara zuckte unablässig, presste die Handflächen gegen ihre Ohren und hatte die Augen fest geschlossen.

Ein paar Sekunden später war der Anfall vorbei. Kiara sank seufzend in sich zusammen und lehnte sich gegen ihren Bruder.

„Was hast du gesehen?“, fragte Yugi und strich ihr eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht.

Kiara atmete ein paar Mal tief durch und richtete sich dann mühsam wieder auf. „Das, was ich … die letzten Nächte geträumt habe. Jemand will das Medaillon stehlen, und zwar jetzt.“, presste sie hervor und stolperte los. Ihr Ziel war der Glaskasten, in dessen Innerem das Medaillon verborgen war. Yugi folgte ihr.

In dem betroffenen Saal angekommen, blickten sie sich um. Der ganze Raum war noch immer voller Menschen, die sich um den Glaskasten drängten und gierig hineinstarrten.

Yugi blickte seine Schwester zweifelnd an. „Bist du dir sicher, dass es heute geschieht, jetzt?“

Kiara schüttelte ganz langsam den Kopf. „Ehm … gute Frage, aber in Anbetracht der Tatsache, dass hier … wahrscheinlich grad die ganze Stadt den Saal bevölkert, glaub ich das weniger…“

Yugi stieß einen tiefen Seufzer aus. „Na dann …“ „Andererseits … warum hätte ich ausgerechnet jetzt diese Vision kriegen sollen, wenn es nicht wirklich jetzt geschieht?“

Kiara ballte die Hände zur Faust und schritt dann energisch los, bahnte sich mit ihren Ellenbogen einen Weg durch die Menge, um zu dem Glaskasten zu kommen. Nicht selten bekam sie Knuffe zurück.

Yugi blickte ihr fassungslos nach und folgte ihr schließlich, was ihm gar nicht so einfach fiel.

Kiara hatte ihr Ziel erreicht und stand vor dem Medaillon. Mit kaum zu verhohlener Neugier betrachtete sie das Schmuckstück und berührte das Glas. Es war, als würde das Medaillon sie rufen. Ein leises Flüstern erreichte ihre Ohren, wisperte Dinge in einer Sprache, die sie nicht verstand. Es war, als wäre sie sprichwörtlich besessen.

Yugis Hand auf ihrer Schulter erlöste sie aus ihrer Starre.

„Alles in Ordnung?“, fragte er, als sie erschrocken zusammenzuckte.

„Klar, ich … hab mich nur erschrocken.“

Yugi nickte, schien an ihren Worten jedoch zu zweifeln. Neben ihm erschien der Pharao, der ihm nur einen stummen Blick zuwarf als Zeichen dafür, dass auch er kein Wort von dem glaubte, was Kiara gerade von sich gegeben hatte.

Yugi wollte gerade etwas sagen, als ein ohrenbetäubender Lärm die Menschenmenge verstummen und ihn und seine Schwester zusammenzucken ließ.

Rasch griff er nach ihrer Hand und zog sie an sich, bevor er sich nach der Quelle des Lärms umsah. Zu seiner Überraschung schien es sich bei dem Krach um genau das zu handeln, was er befürchtet hatte.

Zwei äußerst gefährlich aussehende Männer mit scharfen Waffen bahnten sich drohend einen Weg durch die Menge, die ängstlich zurückwich. Ihre Gesichter waren hinter schwarzen Tüchern verborgen, die nur die kalten Augen offen ließen.

Kiara warf dem Glaskasten einen flüchtigen Blick zu und stellte sich dann den Gangstern in den Weg. „Finger weg, klar?“, rief sie energisch und breitete die Arme zu beiden Seiten aus. Was es mit dem Medaillon auch auf sich hatte, sie konnte nicht zulassen, dass es einfach so gestohlen wurde.

Einer der Männer blickte sie überrascht an, hob schließlich seine Waffe und zielte auf Kiara.

Yugi reagierte blitzschnell, sprang zur Seite und schleuderte seine Schwester aus der Schussbahn, bevor der Dieb abdrücken konnte. Ungebremst landeten sie auf dem Boden. Dann peitschte der Schuss durch den Raum. Er verfehlte die Zwillinge, schlug jedoch mit tödlicher Präzision in den Glaskasten, der sofort in Tausende von Scherben zersprang. Ein Meer aus Splittern und Fieberglas ergoss sich auf die Geschwister, die sich instinktiv zusammenkrümmten, um sich vor dem Scherbenregen zu schützen.

Yugis linker Arm hielt seine Schwester umklammert, löste sich jedoch von ihr, nachdem der Splitterregen abgeflaut war.

Zitternd vor Schreck erhoben sie sich und beobachteten, wie einer der beiden Männer auf die kümmerlichen Reste des Glaskastens zuging und das Medaillon schnappte.

Die Menge um ihn herum war wie erstarrt. Kein einziger traute sich, auch nur eine Bewegung zu vollziehen – keiner außer Kiara, die sofort wieder aufgesprungen war und auf den Dieb zulief. Noch bevor dieser seine Waffe erhoben hatte, hatte sie sich an seinen Arm geklammert und zog ihn zu Boden. Ineinander verhakt donnerten sie in die Überreste des Kastens und zu Boden.

Hastig versuchte sie, das Medaillon zu erwischen, wurde durch einen Tritt in die Magengrube jedoch zurückgeschleudert.

Ein weitere Schuss krachte durch den Raum und ließ sämtliche Menschen zusammenzucken. Diejenigen, die schon dazu angesetzt hatten, Kiara zu helfen, brachen ihr Vorhaben sofort ab und wichen wieder zurück.

Kiara indes hielt sie krampfhaft den Magen und blickte auf den Gangster, der sich mit finsterem Blick aufrichtete und ihr noch einmal eine schallende Ohrfeige verpasste, die sie wieder zu Boden schleuderte.

Yugi war kurz davor durchzudrehen, beherrschte sich jedoch, als der Komplize, der offenbar sein Vorhaben vorausgesehen hatte, seine Waffe auf den Duel Monsters-Champion richtete.

Langsam machten sie sich rückwärts auf den Weg zum Ausgang, die Waffen immer noch drohend erhoben.

Kiara, die sich wieder auf die Beine kämpfte, hielt sich noch immer den Magen und kramte in ihrer linken Hosentasche nach ihrem Deck. Haarscharf schoss eine Kugel an ihrem Ohr vorbei und ließ sie kurzzeitig zusammenzucken. „Behalt deine Hände da, wo ich sie sehen kann, Kleine, sonst muss ich zu drastischeren Maßnahmen greifen. Und glaub mir, ich mache keine Witze.“

Yugi blickte seine Schwester besorgt an. Im Stillen flehte er, dass Kiara vernünftig sein möge und nichts Dummes mehr tat.

Sie unternahm nichts, wie er schließlich beruhigt feststellte, doch das siegessichere Grinsen in ihrem Gesicht machte ihm klar, dass sie deshalb noch lange nicht aufgegeben hatte.

„Was hat sie vor, Yugi?“, fragte der Pharao alarmiert, der genau wusste, zu welchen Dummheiten dieses Mädchen imstande war. Yugi wagte es und zuckte mit den Schultern.

Das Grinsen auf ihrem Gesicht blieb bestehen. „Glaubt ihr denn wirklich, dass ich euch so einfach mit diesem Medaillon entkommen lasse? Wird Zeit, dass euch mal eure Grenzen gezeigt werden. Materialisiere dich, Gaia, Ritter der Finsternis!!“

Yugi hatte das Gefühl, die nächsten Sekunden würden in Zeitlupe ablaufen.

Einer der beiden Ganoven feuerte seine Waffe ab, in dem Moment, wo Kiara von dunklem, lila Rauch umhüllt wurde.

Ein gewaltiger Orkan schleuderte ihn und alle anderen, außer seiner Schwester vermutlich, zu Boden.

Dann prallte die Kugel gegen etwas Metallisches und landete völlig ungefährlich auf dem Boden.

Yugi grinste. Jetzt sah die Sache schon wieder anders aus.

Der Nebel lichtete sich, gab Kiara frei, die sich mit verschränkten Armen hinter der beeindruckenden Gestalt des Ritters der Finsternis postiert hatte. Ihr gesamte Erscheinung wirkte nur noch anmutig und selbstbewusst. Ein triumphierendes Lächeln beherrschte ihre Gesichtszüge, als sie dem Ritter zunickte und er sich in Bewegung setzte. Mit zielsicherem Galopp brauste das Pferd auf die Gangster zu, die panisch das Weite suchten.

Die Menschenmenge um Yugi herum erhob sich langsam und blickte fassungslos dem Ritter hinterher, der bereits das Museum verlassen hatte, um den Dieben zu folgen.

Yugi setzte sich wieder auf und zuckte kurz zusammen, als Kiaras Hand in sein Gesichtsfeld geriet. Nach einer kurzen Schrecksekunde ergriff er ihre Hand, ließ sich hochziehen und rannte mit ihr dem Ritter hinterher.

Sie brauchten gar nicht lange zu laufen, denn keine fünf Meter von dem Museum entfernt hatte einer der Ganoven bereits die Balance verloren und war gestürzt. Gaias Lanzen waren drohend auf ihn gerichtet, während der zweite immer wieder seine Waffe auf den Ritter abfeuerte.

Kiara grinste noch immer. „Das wird wohl nix, mein Lieber! Und jetzt her mit dem Medaillon! Ihr wisst genau, dass es euch nicht gehört!“ „Ach wirklich?“ „Na ja, du hast kein Geld zurückgelassen, also kann man diese Aktion wohl doch schon als so etwas wie Diebstahl bezeichnen.“ Der Dieb grinste böse, hob erneut seine Waffe und zielte auf Kiara.

Gaia reagierte instinktiv, spornte seinen Hengst an, der sich auf die Hinterläufe stellte und dem Bandit die Waffe aus der Hand schlug. Dummerweise erwischten seine Läufe auch das Medaillon, was im hohen Bogen durch die Luft segelte und einen Meter vor Kiara und Yugi auf dem Boden landete. Dummerweise blieb es nicht heil. Kiara war nicht klar, warum, doch das Medaillon ging zu Bruch, noch während es auf dem Boden aufschlug.

Noch bevor sie sich fragen konnte, wie es möglich war, dass ein Rubin einfach so zerbrach, wurden sie und Yugi von einer blutroten Wolke eingehüllt, die von dem zerstörten Schmuckstück aufstieg und auf sie zufloss.

Kiara brach in eine wilden Hustenanfall aus und griff nach Yugis Hand, dem es nicht anders erging.

Auch hatte sie plötzlich das Gefühl, irgendetwas würde aus ihr herausgezogen werden, verlor das Empfinden jedoch sofort. Taumelnd stolperten sie rückwärts und stürzten schließlich zu Boden.

Ein paar Sekunden später löste sich der Nebel auf.

Kiara und Yugi atmeten ein paar Mal tief durch, bis sich der Reiz in ihren Kehlen gelegt hatte. Dann erhoben sie sich schwerfällig und griffen sich gleichzeitig an den Kopf. Die Gangster waren verschwunden, ebenso der Ritter.

Niedergeschlagen blickte sie auf das Schmuckstück, was völlig zerstört auf dem Boden lag und vor sich hinfunkelte.

Kiara stieß einen traurigen Seufzer aus.

Yugi, der den Verlust zwar ebenso schwer hinnahm, wie seine Schwester, erhob sich und blickte sie von oben herab wütend an. „Sag mal, bist du noch ganz dicht? Ist dir eigentlich klar, dass das hier ganz schön hätte schief gehen können? Du warst so kurz davor, von einer Kugel durchbohrt zu werden! Was ist denn nur in dich gefahren, dich derartig in Gefahr zu bringen?“

Kiara zuckte mit den Schultern und erhob sich ebenfalls. „Ist doch nichts passiert.“ „Ist doch nichts… sag mal, merkst du noch was? Manchmal frag ich mich wirklich, was in deinem Kopf vorgeht! Die Kerle sahen nicht so aus, als hätten sie sich noch sehr viel gefallen lassen.“ „Ist schon gut! Ich hab wohl … nicht gerade klug gehandelt.“ „Na das möchte ich aber auch meinen. Und was war das für eine komische Wolke gerade eben?“

Kiara zuckte erneut mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber … es ist ja nix passiert, von daher …“

„Eine Sekunde, Kiara … ich fürchte, da ist mehr passiert, als uns lieb ist.“, meldete sich die Stimme des Pharaos zu Wort.

Verwirrt blickte sie sich um, konnte seinen Geist jedoch nirgends ausmachen. „Was... wo bist du denn? Versteck dich nicht!“

Yugi runzelte die Stirn. „Von wem sprichst du?“

Kiara schnitt ihm eine Grimasse. „Von dem Pharao, er hat doch gerade …“ Verdutzt brach sie ab. „Moment mal … heißt das, du hast ihn nicht gehört?“

Yugi schüttelte langsam den Kopf. „Nein, hab ich nicht. Wieso … hat er was zu dir gesagt?“ „Er hat … hab ich was nicht mitgekriegt? Warum kann ich ihn hören und du nicht? Du trägst doch das Puzzle!“

Yugi zuckte mit den Schultern. „Du kannst ihn doch sonst auch hören!“ „Ja, aber auch nur … wenn sein Geist hier irgendwo erscheint. Einfach so in Gedanken kann er nicht zu mir sprechen. Das geht nur, wenn …“

Yugi runzelte die Stirn. „…wenn du das Puzzle trägst.“

Kiara schluckte unwillkürlich. Mit einem Mal wurde ihr eiskalt. Was ging hier vor?

„Das versuche ich dir ja gerade zu erklären.“, meldete sich der Pharao wieder zu Wort, was Kiara an den Rand des Wahnsinns brachte. „Hör auf, dich zu verstecken, sondern sag mir lieber, wo du bist!“ „Ich verstecke mich nicht, Kiara! Du kannst mich nicht sehen, weil ich noch nicht aufgetaucht bin! Und du kannst mich in deinen Gedanken hören, weil das Puzzle nicht mehr länger mein Zuhause ist. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber … ich fürchte, ich habe eine neues Zuhause.“

Kiara verzog das Gesicht zu einer wehleidigen Miene, als ihr Blick an sich hinunter auf den Millenniumsgürtel fiel und schluckte schwer, als sie verstand, was der Pharao mit seinem neuen Zuhause meinte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Yatimu
2008-11-28T22:47:58+00:00 28.11.2008 23:47
Krass!
Ein supertoller Anfang...
Du hast gleich losgelegt!
So viele Dinge sind passiert!
So viel action!!!
Das mit dem Überfall war wirklich riiiiichtig gut geschrieben!!!
Ich hatte Ameisen im Hintern als ich die Stelle gelesen hab, so spannend war sie!^^
Und so viele Fragen, die ich mir jetzt stelle^^
Aber ich bin mir sicher sie werden bald beantwortet...
Eine wirklich hamma geile Idee, die du da fabriziert hast! (ich mein das im positiven Sinne^^)
Und damit mein ich nicht nur diese ff...
Schon allein die Idee mit Kiara und der Prinzhessin!
Einfach genial!
Na, da bin ich aber mal gespannt wie es weiter geht...
Ich hoffe du bist dir im Klaren, dass ich dich jetzt die ganze Zeit bease, damit du schnell ein neues Kapi hochlädst oder????xD
Also bis zum nächste Kapi!!!^^

Von:  Kyuuo
2008-11-27T19:32:16+00:00 27.11.2008 20:32
Toller Anfang
Wie kommen sie zu Goku?
Was hatte es mit dem Amulett auf sich?
Freu mich aufs nächste Kapi
mfg Kyuuo


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