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Alabasta no Suna Oasis

アラバスタの砂·オアシス
von

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So nah dran

Das Feuer war längst erloschen, als Corsa am nächsten Morgen die Augen öffnete – Korrektur: Am Mittag, denn die gleißende Sonne stach ihn, wie er feststellte, bereits aus dem Zenit des wolkenlosen Himmels. Weiterhin stellte er fest, dass Sunny verschwunden war – zumindest war sie nicht mehr dort, wo er sie gestern hingelegt hatte. Trotz des Schlafes fühlte sich sein Körper träge und schwer an, ließ sich kaum in die Höhe manövrieren. Und oben angekommen, fiel die Schwerkraft des Standes über seinen Verstand her wie ein schwarzes Grabtuch, das sich über sein Sichtfeld legte. Um Klarheit bemüht, schweifte sein Blick über das friedliche, blendend gelbe Areal.

Dort war das Mädchen. Mit dem Rücken zu ihm stand es auf einer Anhöhe und starrte auf den Horizont, als versprächen ihm dessen ausgebreitete Arme das glitzernde Meer. Sunny… stand. Das war befremdlich. Krankheit, Hitze, Dürre und Mutlosigkeit zerrten an ihr. Und dennoch stand sie.

Corsa löschte das Lagerfeuer und beschloss, zu ihr zu gehen. Er trat vorwärts, näherte sich ihr jedoch wohl nicht, denn ihre Erscheinung wollte einfach nicht größer werden, wie es die Logik einer schwindenden Entfernung nun einmal fordert. Er ließ die Dünen rings umher hinter sich… Oder glitten sie an ihm vorbei?

Als er neben Sunny gestoppt hatte, blinzelte er über den Hügel hinaus, direkt der prallen Sonne entgegen, die ihr gesamtes Reich in Weiß tauchte. Den pressenden Kopfschmerzen widerstehend, vermochte er zu beobachten, wie sich allmählich graue Linien aus dem Lichtozean erhoben, gleich einer von unsichtbarer Hand gezeichneten Vedute. „Das ist…“, hörte er sich fassungslos ausstoßen.

„…Nanohana“, lächelte Sunny.

Pastellblau erstreckten sich vor ihnen die bauchigen Kuppeln und quadratischen Gebäude der Hafenstadt. Corsa war, als könnte er bereits die Stimmen der Kaufleute ihre Waren anpreisen hören, die frischen Böen in den sich wölbenden Segeln der Handelsschiffe spüren, die tausend Aromen der kostbaren Parfüms sowie jenes des Salzwassers riechen.

„Steig auf!“ Seine Stimme bebte vor Aufregung, während er ostentativ an Winters Zügeln zog. „Es ist nicht mehr weit, dann bist du zuhause!“

Sie verharrte unheimlich ruhig, geradezu still. Wahrscheinlich hatte sie gar nicht mehr daran geglaubt, dass sie – dass er es tatsächlich schaffen würde.

„Sunny!“ Er drehte sie an ihrer Schulter zu sich herum und blickte in das eingefallene Gesicht eines Toten. Entsetzt stolperte er zurück und fiel in ein bodenloses Loch.
 

Nach Sauerstoff schnappend stieß er sich auf und hustete, bis seine Atemwege endlich frei waren. Eine Hand klopfte ihm auf den Rücken. „Geht’s wieder?“

Diese Stimme…

„Vivi…?“, hauchte er erschöpft. Er hatte keine Ahnung, wie die Prinzessin her- oder wie er zu ihr gekommen war, aber er wäre der letzte Mensch auf der Sommerinsel gewesen, der sich über diese rätselhafte Fügung beschwert hätte. Irgendwie versicherte ihm ihre bloße Anwesenheit, dass alles gut werden würde. Doch Sunny…

Ein helles Kichern. „Du denkst ja schon wieder nur an sie!“

Den Kopf hebend, blickte er unmittelbar in zwei große, wiesengrüne Augen. Irritiert war er an sie gebannt.

„Du hast geträumt“, klärte ihn das dazugehörige Gesicht auf. „Und dann bist du aufgewacht und hast gehustet. Oder du hast gehustet und bist dann aufgewacht. Hast dich wohl verschluckt.“

Ein Traum? Er hatte ewig nicht mehr geträumt. In dieser beschissenen Zeit waren die Nächte zum Schlafen schon zu kurz. Er tastete nach seiner Brille und setzte sie auf. „Wie geht’s dir?“

„Geht so“, murmelte Sunny. Doch die zahlreichen Symptome, die zu verbergen ein Kind nicht imstande war, verrieten ihm, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagte: Sie fieberte sichtlich, hatte einen regelrecht blauen Kopf sowie geschwollene Finger und fiel kurz darauf bewusstlos in seine Arme.

Er zwang sich auf die Beine, die sich weigerten, ihn und die Kranke weiterhin zu tragen, und setzte den Marsch fort. Wie der geistlose einer Puppe rollte ihr Kopf auch später auf seiner Schulter hin und her; die Arme ließ sie schlaff baumeln. Mit nichts vermochte er sie zum Lachen zu bringen, sie wenigstens für Sekunden von ihrer Pein abzulenken. Während die Sonne über ihnen ihren gewohnten Bogen entlangstolzierte und dabei so unerträglich viel schneller war als er, sah Corsa ein, was für ein Versager er war. Sein jugendlicher Elan war zu der Resignation eines Sterbenden gealtert, und weitere Stunden desorientierten Wanderns durch den unveränderlichen Erg später schien er tatsächlich tot zu sein. Sunny, in einem Zustand zwischen Bei-ihm-sein und Sehr-weit-weg-von-ihm, lallte mittlerweile nur noch vor sich hin: „Weil es etwas gibt, das mir… wichtig is’… Weil ich endlich weiß, dass ich es… beschützen will… verabschiede ich euch… und hoffe, ihr vermisst… mich auch… so wie… ich euch…“

Corsa hörte ihr mit verzweifelter Wut zu.
 

Obwohl so viele wichtige Worte noch zu diesem Zeitpunkt leider ungesagt sind

Versuche ich trotzdem froh zu sein, Stück für Stück, während ein neues Abenteuer für Euch jetzt beginnt

Ich hab' gelernt, dass man den Weg, den man wählt, selbst ebnen muss, bevor man ihn entlanggeht

Und dass es manchmal mutiger ist, nett zu sein, wenn Dein ärgster Feind vor Dir steht
 

Und obwohl ich Euch versprach, dass ich nicht weine, wenn Ihr geht

Gelingt es mir jetzt doch nicht, dass die Flut der Tränen endlich steht

Es ist nicht Traurigkeit, Enttäuschung oder Wut

Ich weine, denn erst Ihr gabt mir dazu den Mut
 

Weil es etwas gibt, das mir wichtig ist

Weil ich endlich weiß, dass ich es beschützen kann

Steuert heute mein Schiff, das seine Segel hisst

Den Heimathafen an
 

Sunny starb. Und er war unfähig, etwas dagegen zu unternehmen. Hier fand eine Schlacht statt, in die er sich nicht einmischen konnte – egal, wie heftig er sich dies wünschte. Ihm war von Anfang an klar gewesen, dass er als Anführer der Rebellen kein einziges Leben retten würde. Nein: Diesbezüglich hatte er sich nie etwas vorgemacht. Wie jeder andere konnte auch er die Opfer lediglich beklagen und sich fragen: Wie viele noch…? Wie viele Tote noch…?!
 

Ich danke Euch, ich danke Euch all'n

Denn dank Euch war ich nicht allein
 

Weil es etwas gibt, das mir wichtig ist

Sag' ich Euch Lebwohl, auf dass wir uns wiederseh'n

Lasst mich das Zeichen seh'n, das mich niemals vergisst

Und nur wir acht versteh'n
 

Ihr dürft nicht verlier'n, nein, gebt Euch nicht auf

Bis zu jenem Tag, an dem wir uns endlich wiederseh'n

Ganz egal, was geschieht: Ich glaube fest an uns

Und werde weitergeh'n
 

~ compass ~
 

Er hielt an.

„Wases’ los…?“, nuschelte Sunny, sich gemächlich regend. Da von ihrem Träger keine Antwort folgte, stützte sie ihre Hände auf seine Schultern und drückte sich angestrengt atmend hinauf, um eine freie Sicht zu erringen. Ein paar Meter vor ihnen machte sie ein kakaobraunes, rundes Etwas aus, das dort einfach herumlag. „Lecker…“

„Das ist nichts zu essen“, korrigierte Corsa sie gereizt. Denn er kannte dieses Ding – zumindest die Rasse, jener dieses Ding angehörte – und fand, dass es kein zweckloseres Geschöpf auf Alabasta gab. …Jedenfalls bis jetzt, da die Neugier unverhofft etwas Leben durch das Mädchen sprudeln ließ.

„Was dann?“, wollte es wissen.

„Das ist ein Wüstenflausch.“

„Ein waaas?“

„Ein Wüstenflausch“, wiederholte er geduldig und näherte sich dem Objekt, um es aufzuheben. Er drehte es herum – und Sunny erschrak vor dem, was sie unerwartet aus dem haarigen Büschel anstarrte!

„Ach, du meine Tüte!“, rief sie entgeistert. „Ein Gesicht!“

Um genau zu sein, starrte es gar nicht sie an, sondern einen ungewissen Punkt in der Luft. Die Mienen ausnahmslos aller Wüstenflauschs erinnerten aufgrund ihres ewig fixierten Blickes sowie des aufgeklappten Sabbermundes an jene von nicht zu sättigenden Greisen beim Auflauern junger, hübscher, sich mitunter entkleidender Damen. Daher sprach man in Alabasta auch davon, "jemandem zum Wüstenflausch zu machen", wenn man euphemistisch umschreiben wollte, was eine betrogene Frau mit ihrem untreuen Gatten anstellt. Infolgedessen waren die recht hässlichen Wüstenbewohner auch nicht auffällig beliebt unter den Menschen. Auch Corsa konnte sich der aufdringlichen Einbildung nicht erwehren, dass dieser bärtige Lustmolch verdammt gerne von einem Mädchen geherzt wurde, wie Sunny es gerade tat. „Und sooo flauschig!“, frohlockte sie. Das Teil hatte die Größe ihres Kopfes.

„Daher der Name“, erklärte er, sich auf einmal enorm entlastet fühlend. „Er guckt zwar etwas gestört, ist jedoch absolut friedfertig. Normalerweise lassen sie sich vom Wind durch die Wüste tragen, aber wenn sie irgendwo liegen bleiben so wie der hier, wollen sie ganz fest gedrückt werden.“

Es war ein befreiendes Gefühl, sie auf seinem Rücken endlich wieder lachen zu hören, obschon es im Vergleich zum Beginn ihrer Reise ein sehr ausgezehrtes Lachen war, das sie nur mit Mühe hervorbrachte. Aber sie lachte. Und war das nicht das Einzige, was zählte?
 

Mit der Kälte kam die Stille. Als der Himmel tiefblau über ihnen hing und der triste Mond die Dünen wie erstarrte Wellen auf einem knochenbleichen Meer erscheinen ließ, bettete Corsa das schon leise schnarchende Mädchen auf den Sand. Auch die Tieffliegerwolke in Sunnys Armen schien zu schlafen, denn sie bewegte sich nicht. Er legte sich neben sie und betrachtete ihr unschuldiges Antlitz. Seine Hand zitterte, als er sie erhob, um über den brünetten Schopf zu fahren, in dem eine knallgelbe Haarspange blinkte. Er stellte sich vor, wie ihre Mutter sie ihr angesteckt hatte, wie sie daraufhin ihr typisches Grinsen zeigte… und wie sie ihr anschließend durch das Haar streichen würde, genauso wie er es gerade tat, ohne dass sie es merkte, weil sie bereits so tief in ihrem Schlummer versunken war, dass er befürchtete, ihr Atem würde jeden Moment aussetzen und sie sterben – einfach so. Und er ihr vermutlich folgen.

„Corsa!“

Sunnys Stimme, als wollte sie ihn dafür tadeln, dass er mit den Gedanken von ihr abdriftete. Wie auf Befehl konzentrierte er alles, was er unter den gegenwärtigen Umständen noch aufzubringen imstande war, wieder auf sie; prüfte, ob sie wach geworden war, doch nein: Sie war es nicht.

„Corsa…!“

Ihr Mund rührte sich keinen Millimeter weit, und doch war eindeutig eine Stimme zu vernehmen. Abermals ein Traum? Eine Halluzination? Zügig setzte er sich auf, den penetranten Hammerschlägen auf einen imaginären Meißel gegen seine Schläfen wehrlos ausgeliefert. Er musste einen kühlen Kopf bewahren. Seine Intuition sagte ihm, dass Nanohana nicht mehr fern war. Oder seine Hoffnung. Eine Hoffnung gleich einem Strick, an dem man sich entweder festhalten oder erhängen kann.

Die Sonnenbrille wurde verschoben, da er sein Gesicht in die Handfläche rutschen ließ. Vater… Ob der Alte immer noch mit jenem unerbittlichen Blick am Ackern war? Der Rebellenanführer machte sich Sorgen um seine Mitstreiter, über die aktuelle Lage in den Städten und Siedlungen sowie um sein Pferd. Um Sunny hingegen keine – um sie hatte er Todesangst.

Als er sich wieder fallen ließ, um den Schlaf seiner kranken Freundin zu behüten, hatte sich – dezent wie der Wüstenwind, mit welchem er seit Jahren wanderte – der Wüstenflausch zwischen sie platziert, und statt Sunnys liebenswerten Zügen sah er nun in die anmaßende Visage dieses missratenen Traumfängers, als hätte der sich fest vorgenommen, bis zu ihrem Tod dort zu verharren – und sein abartiges Grinsen schien diesen nur noch herbeizubeschwören! Sunnys Finger streckten sich aus, auf der Suche nach ihrem scheußlichen Stofftier, doch ehe sie es berühren konnten, packte ihr Beschützer es an den Haaren und warf es in die Ferne. Wirbelnd wie ein zotteliger Spielball sauste es durch die Luft, deren Saum am Horizont schon hell glomm, und war just nicht mehr auszumachen. So weit hatte er es keinesfalls schleudern wollen; Sunny würde ihm das übelnehmen… Aber er würde ihr einfach erzählen, dass es wohl über Nacht abgehauen wäre.

Mit einer Spur von Genugtuung sank er wieder hinab, um endlich mit dem Gesicht des nichts ahnenden Mädchens vor den Augen einzuschlafen… Doch stattdessen griente ihn die überdimensionale Wollmaus an, die er soeben ohne Rückporto zum Mond versandt hatte! Sunny ertastete sie. Genüsslich quiekte sie in der innigen Umarmung und labte sich an Corsas triefender Wut. Der gönnte ihr nicht lange Zeit dazu: Schlagartig wach schwang er sich auf die Beine und wollte diesem Wüstenfussel ein- für allemal den Mitreisepass entziehen! Das Teil nahm daraufhin die Haare in die Hand. Unvorstellbar flott hopste es über die Dünen und ließ seinen hartnäckigen Verfolger es quer durch die vereinsamte Gegend jagen, bis es einen steilen Hügel erreichte, den es ohne Mühe erklomm. Corsas Schuhe hingegen fanden im leicht nachgebenden Sand nicht genug Halt. Blasiert glotzte das explodierte Kissen von oben auf ihn herab, verfolgte feixend seine kontinuierlichen Misserfolge, seinen jetzigen Versuch, die Höhe auf allen Vieren zu bewältigen, sowie die Tatsache, dass dies erstaunlich gut funktionierte. Erschrocken wirbelte es herum und rutschte den Abhang auf der anderen Seite hinunter, derweil Corsa sich auf die Spitze zog.

„Na? Was sagst du dazu?!“, rief er atemlos, aber voll Triumph, und lugte über den Rand des Hügels nach dem davon Verscheuchten. Augenblicklich sank seine Kinnlade hinab. Selig grinsend trieb dieser unfertige Wollpullover auf dem funkelnden Wasser des Sandora-Flusses dahin.
 

„Wir sind da, Sunny… Wir haben’s endlich geschafft.“

An der Grenze seines Blickfeldes sprossen die Gebäude Nanohanas aus dem Sandmeer. Ein paar Meilen lagen noch vor ihnen, doch die würde er schaffen. Der Wüstenflausch hüpfte voraus, als könnte er es kaum erwarten, in den von Händlern und Passanten überfüllten Gassen der Stadt verloren zu gehen. Nach kurzer Zeit war er verschwunden und hinterließ eine nahezu vollkommene Stille. Corsa setzte Sunny ab, um ihr die Sicht auf ihr gemeinsames Ziel zu ermöglichen. Sie stützend, erwartete er ihr überraschtes Luftholen, ihr aufgehendes Lachen, emporfliegende Hände und ihre glücklichen Schreie, doch er wartete vergebens. Da war nichts: Keine Freude, keine Skepsis, keine Erleichterung, keine Niedergeschlagenheit. Einfach nichts.

„Sunny?“

Wie auf Kommando kippte sie nach hinten um. Ein schmerzhafter Blitz jagte durch den Rebellen, dessen Schatten eine fürchterliche Ahnung war, aber es wäre die grässlichste Ironie, wenn sie sich bewahrheiten würde.

Corsa warf sich auf die Knie, suchte nach der Seele in ihren Augen. Versessen darauf, ans Ziel zu gelangen, hatte er kaum Rücksicht auf sie genommen. Wäre eine Rast doch angebracht gewesen? Hätte er mehr mit ihr sprechen sollen, um ihren Geist wach zu halten? Hätte er ihr irgendetwas zu trinken verabreichen müssen, und wenn es nicht anders gegangen wäre: Blut?

„Ich sterbe“, sagte Sunny.

„Nein!“, fuhr er sie hilflos an. „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du dieses Wort nicht verwenden sollst?! Halt gefälligst durch!“

„Wir haben… doch beide gewusst, dass es unmöglich sein wird… Von Anfang an.“

Das war nicht gänzlich aus dem Blauen gegriffen. Und dennoch musste er alles tun, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. …Nein. Eigentlich, um sich selbst weiszumachen, dass alles gut werden würde. Er wollte sie nicht sterben sehen. Wollte auf keinen Fall dabei sein, wenn dieses Kind dem langen Kampf erlag. „Aber warum?“, hauchte er, an der Schwelle der Kapitulation.

Pupillen, die wie aus einer anderen Welt zu ihm zurückschauten und nicht verstanden.

„Warum wolltest du unbedingt, dass ich dich herbringe? Wenn du doch vorher gewusst hast, dass es sinnlos ist? Wir hätten dich retten können, Sunny! Wenn du uns begleitet hättest, dann…!“

„…würdest du jetz’ nich’ um mich trauern“, beendete sie den Satz und grinste ein letztes Mal.

Schockiert starrte er sie an.

„Ich hab’ überhaupt… gar keine Eltern mehr“, verriet sie ihm. Anschließend sanken ihre Lider wie eine Nacht über den Tag. Allein würde diese Nacht – das wusste er – eine ewige sein. Kühl streifte ihre Seele zwischen seinen ausgestreckten Fingern hindurch gleich Wasser, das immer einen Ausweg findet, so sehr man es auch zu halten sucht. Am liebsten wäre er weit fortgerannt – bar eines Zieles; bar der Absicht, stehen zu bleiben – doch seine Beine versagten ihm den Dienst. Schwärze spannte sich über sein Bewusstsein… Dann zerrte ihn jemand herum und zwang ihn, etwas zu schlucken. Blut!

„Corsa!“, ermahnte ihn verärgert der blanke Schädel unter einem brünetten Schopf, in dem eine gelbe Haarspange steckte. „Stell dich nicht an! Du wirst das jetzt trinken, hörst du? Zwing mich nicht, unsensibel zu werden, Kumpel! Das ist wichtig! Also trink es“, atmete Kebi besänftigt aus, da er sich endlich fügte. Wasser.

Hinter ihm erstreckte sich ein riesiger, schwarzer Schatten, in dem Corsa seinen treuen Rappen erkannte.

„Dein Gaul hat mich zu dir geführt“, berichtete Kebi ihm mit einer vorwurfsvollen Miene, die Wasserflasche zudrehend. „Das Tier ist klüger als du manchmal. Sieh dich nur an! Wir hätten dich niemals gehen lassen dürfen.“ Er unterfasste den Anführer der Rebellen und zog ihn in die Senkrechte.

„Was ist mit Sunny?“, begehrte dieser plötzlich auf und drehte sich so geschwind herum, dass Kebi ihn auffangen musste.

„Sunny?“

Corsa spiegelte den irritierten Blick seines Freundes, dann ließ er ihn schwenken.

„Du bist fast verdurstet, Leader, und die Sonne hat dir mächtig zugesetzt. Lass uns jetzt besser zurückkehren.“

Keine Spur von ihr. „Wie lange lag ich hier?“, fragte er durcheinander.

Kebi zuckte die Achseln. „Kommt drauf an, wann du zusammengeklappt bist.“

Doch wenn ein Sturm sie wirklich verschüttet hätte, wäre er es dann nicht ebenfalls gewesen…?

„Komm jetzt, Leader.“

Er nickte leer. Doch bevor sie auf den Rücken des Pferdes stiegen, kniete sich Corsa in den Sand und stellte ein kleines Holzkreuz auf.

„Es wird umfallen, ehe dieser Krieg zu Ende ist, wie deine anderen“, meinte Kebi missmutig. Aber er ließ seinen Freund die Angelegenheit geduldig zu Ende bringen.


Nachwort zu diesem Kapitel:

♫ Compass
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