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Erin Erik 2

Buch Zwei: In den Klauen der Krähe
von

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Momente des Zweifelns!

Hart krachte Branca zu Boden und keuchte. Die Luft wurde ihr aus den Lungen gepresst und sie blieb einige Minuten reglos liegen. Wie ein Fisch auf dem Trockenen schnappte sie nach Luft und schaute hoch zu Erin. Sie blickte abwartend auf sie hinunter und als sie sich nicht rührte, streckte sie ihr die Hand aus, um ihr hochzuhelfen. „Daran musst du noch üben. Bei einem echten Kampf hättest du schon längst ein Dolch oder Zähne in deinem Hals!“, sagte sie und stellte sich wieder in Angriffsposition. Branca seufzte und tat es ihr gleich.

In den folgenden Wochen und Monaten trainierte Erin mit Branca. Brachte ihr bei, wie sie sich mit Händen und Füssen verteidigen konnte und wie sie mit Waffen umzugehen hat. Wobei das erste ziemlich schmerzhaft war und sie mehr als nur blaue Flecken bekommen hatte. Mit den Waffen, besonders mit dem Messer war sie wirklich geschickt.

Noch zum Training gehörte, dass sie lernt, die dunkle Seite in sich zu kontrollieren und sich nicht von ihr so leicht beeinflussen zulassen. Das erwies sich jedoch als sehr schwer. Da die dunkle Seite in ihr immer öfter nach ihr verlangte und sie einnehmen wollte. Und Erin und Branca alles versuchten, diese endlich zum Schweigen zu bringen. Besonders in der Nacht war es schlimm. Dort suchten die Träume sie wieder heim. Doch sie zeigten nicht die Zukunft sondern, die Vergangenheit. Und damit das Masaker in der Lagerhalle. Es ließ sie immer wieder erschaudern, wenn sie aufwachte und der Traum einen ekelhaften Beigeschmack auf ihrer Zunge hinterließ.

Und Erin bekam das mit. Eines Morgens saßen sie am Tisch und frühstückten. Branca schaute aus dem Fenster und knabberte an ihrem Brötchen. Fragte sich, wieso sie immernoch diese Träume hatte, jetzt. Wo sie aus London war und der Unheimliche angeblich keinen Einfluss auf sie hatte.

Erin sah sie nur an und nippte an ihrem Kaffee. Minuten lang sagten sie nichts und das Schweigen lag wie ein schweres Tuch über ihnen. Schließlich brach Erin dieses und holte Branca aus ihren Gedanken. „Hast du sie noch immer?“, fragte sie und setzte die Tasse ab. Branca, die immernoch an ihrem Brötchen rumnagte, nickte bloss und schaute nach draußen. Helles Sonnelicht ließ die Stadt Vatikan in einem sanften Glanz aus Gold erstrahlen und sie fragte sich, wieso sie nicht auch, sowie Erin hier ausgesetzt wurde. Denn dann hätte sie eine weitaus bessere Kindheit gehabt. Hier war es soviel anderster, als in London. Hier fühlte sie sich wohl. All das hatte eine, ihr unbekannte, Aura und diese hier war, in diesem mächtigen Gebäude, so beruhigend und so wohltuend, dass es sie wunderte, dass es überhaupt so einen Ort gab.

Erin las ihre Gedanken, auch wenn es reiner Zufall war und sie sich etwas dafür schämte. Die Gedanken eines anderen gingen einem nichts an, daszumindest sagte sie sich immer wieder, aber sie fragte sich auch, was in ihr vorgeht. „Ja, und ich frage mich, wieso?“, fragte sie und strich sich eine löse Strähne aus dem Gesicht. „Ich habe doch London verlassen, wieso also träume ich noch?“

Erin hätte gerne dafür eine Antwort gegeben, doch sie konnte sich selber darauf keine geben. „Tja, eine gute Frage!“, murmelte sie und nippte an den Kaffee. „Stimmt, aber das hilft mir nicht weiter!“, sagte Branca und lehnte sich zurück.
 

Am Mittag hatte sich Branca etwas hingelegt. Nach ihrem kleinen Gespräch am Frühstückstisch, hatte Erin es für besser gehalten, nicht gleich mit dem Training anzufangen und ihr eine kurze Weile Zeit zulassen, um sich selber darüber Gedanken zu machen. Das war unfair, keine Frage. Aber auch Erin musste nachdenken. Es gab vieles, zuvieles, was ihr durch den Kopf ging und Erin musste sich erstmal darüber Gedanken machen. Wie es nun weitergeht und was sie tun konnte. Natürlich quälte sie die Frage, wieso dieser Dämon immernoch Macht über Branca hatte, am meisten.

Sie hatten doch London verlassen, wieso also?

„Du kennst die Wahrheit!“, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf und Erin erschauderte. Es war nicht die Stimme von Erik gewesen, sondern die ihrige. Die ihrer Vernunft und Erin knurrte. Ein kleiner Teil von ihr konnte es sich wirklich denken und sie brachte diesen schnell zum Schweigen. Sie wollte nicht daran denken. Und dennoch kam die Antwort immer wieder, wie ein Echo und ließ sie innerlich vereisen. Sie wischte sich über das Gesicht und lehnte sich zurück.

Warme Sonnenstrahlen fielen ihr aufs Gesicht und Erin lächelte. Schloss die Augen um diese zugeniessen. Erin lächelte etwas niedergeschlagen. Wenn es doch immer eine Zeit geben könnte, in der sie mal abschalten und sich ganz und gar ihrer Ruhe widmen konnte?

Obwohl, gab es überhaupt so etwas wie Ruhe in ihrem Leben?

Hatte sie diese jemals gehabt?

Nein!

Diese Antwort fiel sie an, wie ein wildes Tier und grub genauso hart und schmerzhaft eine Wunde in ihr Herz. Wenn sie ehrlich sein sollte, war ihr ganzes Leben ein wahrer Alptraum, der durch den Pakt mit Erik umso schlimmer geworden war. Und wieoft hatte sie dieses Leben verflucht und gehasst. Wieoft hatte sie die Menschen beneidet, die ein Leben führen konnten, wie es Ihnen passte. Nur sie nicht!

Und dann kam ihr ein, nicht bisher gekommener Gedanke.

Was wenn sie es ändern könnte?

Der Gedanke kam in ihr hoch, wie ein Vulkanausbruch und brannte sich tief in ihr hinein und sie sponn diesen immer weiter.

Vielleicht könnte sie es ändern, in dem sie ihrem Leben selbst ein Ende setzte. Erik schützte sie zwar davor, von anderen getötet zuwerden und gab ihr neues Leben, aber wie sah es aus, wenn sie die Waffe auf sich selbst richtete?

Auch wenn sie wusste, dass das alles andere als eine gute Idee war, wollte diese dennoch nicht verwerfen. Es gab nur eine Möglichkeit, um dies rauszufinden.

Erin griff nach einer der Schuppladen und holte eine kleinkalbrige Pistole raus. Schaute sich diese kurz kritisch an und setzte sie sich dann an die Schläfe. Sie schloss wieder die Augen und legte den Finger auf den Abzug. Nun gab es kein Zurück und sie wollte auch nicht mehr zurück.

Lange genug hatte sie wegen ihrer Bestimmung gelitten und auch für sie, die zahlreiche Dämonen vernischtet hatte, Tränen und Trauer den Rücken zugekehrt hatte, kam mal der Zeitpunkt, in dem sie einfach keinen Sinn sah, noch weiterzuleben. Bis jetzt hatte sie nur versagt. Sie konnte nicht die Menschen beschützen, für deren Leben und Schicksal sie verantwortlich war und konnte weder Chris halten, noch Branca vor dem Einfluss der Krähe bewahren. Chris…!

Ihr geliebter Chris!

Was machte er wohl gerade. Vermisste er sie, suchte er sie, oder hatte er es vielleicht aufgegeben, weil sie einfach nicht zufinden war?

Weil sie von ihm fernbleiben wollte…?

Die Antworten auf diese Fragen schnürrten ihr die Kehle zu und ließen ihr Herz schmerzhaft zusammenziehen. Erin presste die Lippen zu einem blassem Strich zusammen und merkte, wie sie anfing zu weinen.

Etwas in ihrem Herzen regte sich mit einem Mal und rief ihr zu, es nicht zutun. Doch der Wunsch, endlich diesem Schicksal zu entkommen, war viel größer und lauter, als das zwarte Stimmchen in ihrem Herzen. Trotz all den Kämpfen und ihrer Coolness und der dunklen Seite in sich, war sie ein Mensch und wenn jemand das gleiche Grauen erleben würde, wie sie es tat, so würde man sie sicher verstehen. Würde ihren Entschluss begreifen…

Es musste einfach so sein. Seit ihrer Geburt hatte man sie in eine Welt gezogen, in der es Nichts gab, außer Schmerz, Blut und Grauen. Und in dieser Welt konnte und wollte sie nicht mehr leben. Nicht ohne diejenigen, die sie über alles liebte und verlor. Dafür hatte sie kaum noch Kraft!

Ein letztes Mal öffnete sie die Augen schaute in die warmen Sonnenstrahlen. Glaubte in diesen die sanften Züge ihres Ziehvaters zusehen, der sie davon abzuhalten versuchte. Sie anflehte es nicht zutun.

Erin lächelte traurig. „Tut mir leid, Vater. Aber ich kann wirklich nicht mehr!“, flüsterte sie und drückte ab.

„Nein!“, wie aus dem Nichts war sie aufgetaucht und hatte Erin die Waffe aus der Hand geschlagen. Mit einem lauten Poltern fielen sie beide zu Boden und Erin starrte überrrascht zu dem jungen Mädchen hoch. Branca hatte gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war und war in das Zimmer gegangen, in das ihr Instinkt geführt hatte. Als sie Erin sah, wie sie sich die Pistole an die Schläfe hielt und abdrücken wollte, hatte sie keine einzige Sekunde vergeudet und war auf sie zu gesprungen. Im allerletzten Moment hatte sie ihr die Waffe entrissen und der Schuss verfehlte die beiden nur knapp. Nun lagen sie auf dem Boden. Erin unter ihr und mit einem kalkweissen Gesicht und Branca über ihr, mit hochrotem Kopf und vor Angst schlagendem Herzen. Minuten dehnten sich, wie zäher Sirup und das Schweigen, was zwischen ihnen lag wurde unerträglich.

Es dauerte ewig, bis Branca endlich dieses bedrückende Schweigen brach. „Mach das niewieder, kapiert“, schrie sie und Wut mischte sich in ihre vor Angst zitterner Stimme. Nie hätte sie gedacht, das Erin sich selbst umbringen wollte. Sie hatte immer den Eindruck gehabt, dass sie stärker war, als sie. Sie aber nun mit einer Waffe auf sich gErikhtet zusehen, ließ sie erkennen, dass auch sie schwach werden konnte. Und genau das begriff sie nicht und machte sie zeitgleich wütend.

„Branca!“, keuchte Erin und sah sie ungläubig an. „Wieso tust du das. Warst du es nicht, die mir gesagt hat, es sei Unsinn sich umzubringen!“, rief sie und Brancas Augen schimmerten.

Erin sagte nichts, sah sie nur an und sah in ihren Augen sich selbst. Wie sie sie anschrie, es nicht zutun und sie davor warnte. Es war seltsam. Vor wenigen Tagen war sie es, die Branca retten wollte und nun hatten sie die Rollen getauscht. Ein trauriges Lächeln legte sich um Erins Lippen. Sie hob die Hand und streichelte sanft Brancas Wange. Branca, die immernoch wütend und fassungslos war, zuckte etwas zurück und sah sie verwirrt an. „Tut mir leid, aber ich…!“, sagte Erin leise und Tränen liefen ihr Wangen hinunter. In diesem Moment kam sie sich vor, wie der letzte Dreck. Für eine kurze Zeit hatte sie sich gehen lassen und ihre Pflicht, ihre Lebensaufgabe vergessen und von sich gestossen. Nun rächte sich dies und sie merkte, wie sich ihr Herz verkrampfte. Wie konnte sie denken, dass, wenn sie sich umbrachte, sie erlöst sei. Ihr Leben war zwar ein wahrer Alptraum gewesen, aber sich zutöten, würde sie nicht davon befreien. Nichts würde sie davon befreien.

Erin seufzte und machte Anstalten aufzustehen. Branca rutschte etwas zurück, um ihr etwas Platz zumachen und schaute sie aufmerksam an. Fragte sich ob sie sie davon wirklich abgehalten hatte, oder ob Erin ihr nur etwas vorspielte. „Was ist nur in dich gefahren?“, fragte sie leise und Erin schüttelte den Kopf. Sie konnte es sich selbst nicht erklären und schaute sie dann wieder an. Noch immer liefen ihr die Tränen. Hart presste sie die Lippen aufeinander und senkte wieder den Kopf. Und dann…

Dann umarmte sie sie. Branca völlig überrumpelt, schaute sie nur an und wollte schon fragen, was nun los sei. Doch ihr fehlten die Worte. Auch Erin, dennoch fand si die richtigen, um ihren Schmerz und ihrer Verzweifelung auszudrücken zuverleihen. „Ich weiss es selbst nicht…!“, sagte sie und schüttelte den Kopf. Branca immernoch unfähig etwas zusagen, sah sie nur an, dann erwiederte sie die Umarmung, um ihr Trost zuspenden und zu zeigen, dass sie nicht allein mit dieser Verzweifelung war. Da sie diese selbst nur allzugut kannte. Sie blieben so eine Weile sitzen. Arm in Arm. Und jede wusste was in der anderen vorging. Es hatte für beide schon etwas Tröstliches, so verrückt es auch war. Es machte sie zu etwas, dass man nicht mehr als Freunde bezeichnete, sondern als…Schwestern.

Branca löste die Umarmung abrupt als ihr dieser Gedanken kam. Sonst immer war Clear ihre Schwester gewesen und dass sie nun Erin als eine Schwester sah, sorgte für ein schlechtes Gewissen und sie wandte den Kopf ab. „Branca?“, fragte sie sie und wollte sie an der Schulter berühren. Doch Branca rutschte zurück und senkte den Kopf. Erin als Schwester zusehen glich Verrat und sie hatte Clear schon vielzuoft verraten und enttäuscht. Sie wollte ihre verstorben Schwester nicht auch noch ersetzen. Denn das konnte niemand. Nicht mal Erin!

„Ich…sorry!“, sagte sie nur und Erin runzelte die Stirn. Es verwirrte sie, dass Branca pltzlich so reagiert hatte und sich nun von ihr abwandte. Aber ihr Herz wusste, was das zubedeuten hatte. Wollte jedoch nicht nachhacken. Sie schüttelte den Kopf. „Wieso sorry, wenn es hier jemanden gibt, der sich zu entschuldigen hat, dann ich…!“, meinte sie und wischte sich die Tränen weg. „Nein, ich…!“, Branca brach mitten im Satz ab, da sie nicht weiter wusste und auch keinen Sinn sah, weiterzusprechen. Die Situation war sowieso verfahren genug und es würde nichts bringen, noch etwas zusagen. So saßen sie nur da und Erin schaute sie an, während Branca ihrem Blick auswich. Wieder herrschte bedrückendes Schweigen zwischen den beiden und diesesmal dauert es länger, bis es gebrochen wurde. Erin sah Branca einfach nur an und sah ihr deutlich den Schmerz an, der das junge Mädchen fest im Griff hatte. Sie sah ihr an, dass sie sich wünschte, Clear bei sich zu haben und es ihr Tod sie immernoch fertigmachte. Dass nur wegen ihr Clear gestorben war und genauso die Tatsache, dass sie nun in ihr eine Schwester zusehen scheint. Erin biss sich auf die Unterlippe und vorsichtig streckte sie die Hand aus.

Legte sie ihr auf die Schulter. Branca zuckte unter der Berührung zusammen und schaute sie dann an. In ihren Augem schimmerten Tränen und ihre Mimik verriet deutlich, was ihr vorging. „Du vermisst sie, stimmts?“, fragte sie vorsichtig. Branca nickte nur. Und dann musste sie an Will denken. Ihren Big Brother. Sicher machte er sich große Sorgen um sie und bangte um sie. „Ja, aber auch Will. Er… sicher denkt er, mir wäre etwas Schlimmes passiert!“, flüsterte sie und strich sich das Haar zurück. Sie begann zu zittern und Erin verstand.

Sie stand auf, ging zum Schreibtisch und nahm das Handy. Wortlos reichte sie es ihr und als Branca sie verwirrt anschaute, lächelte sie sanft. „Hier, ruf ihn an…ich bin sicher, er wird sich freuen, dich zuhören!“, sagte sie und Branca nahm zögernd das Handy. Sie sah sie noch einen kurzen Moment an und nickte. Langsam wählte sie die Nummer und hielt sich das Handy ans Ohr. Es klingelte einige Male, als Will endlich dran ging. „Will Parker!“

Branca musste einen Weinkrampf unterdücken, als sie seine Stimme hörte. Nach der ganzen Zeit war seine Stimme Balsam für ihre gequälte Seele und nahm die Trauer fort. „Will, ich bins…Branca!“

Am anderen Ende hörte sie Will nach Luft schnappen. „Branca!?“

Nach seinem Aufkeuchen zuurteilen war er überrascht von ihr zuhören. Sicher hatte er gedacht, dass sie tot war und ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie daran denken musste, wie knapp sie dem Tod entronnen war. „Ja, ich bins!“, sagte sie und ihre Stimme fing an zuzittern. Es kostete sie Kraft nicht gleich nicht in Tränen auszubrechen. Erin saß neben ihr, und legte dann wieder die Hand auf ihre Schulter. Versuchte ihr Kraft zugeben, während sie hörte, was Will sagte und Branca nun doch zuweinen begann.

„Mein Gott. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Wo bist du. Geht es dir gut?“, fragte er aufgebracht und Branca nickte, auch wenn sie wusste, dass er es nicht sehen konnte. „Ja, es geht mir gut. Und ich bin in Italien. Bei…!“, sagte sie und schaute kurz zu Erin. Erin schüttelte den Kopf und legte den Finger an die Lippen. Branca verstand. „Bei Freunden!“, sagte sie schnell, um Will nicht die Gelegenheit zugeben, misstraurisch zuwerden. „Branca, was ist los. Wieso habe ich die ganze Zeit nichts von dir gehört?“, fragte er und Branca biss sich auf die Unterlippe. „Ich…ich hatte einigs zuverarbeiten!“, gestand sie und schaute kurz zu Erin. Sie machte weder eine Andeutung noch flüsterte sie ihr etwas zu. Sondern ließ sie einfach mit ihm reden. „Man, weißt du eigentlich, was für Ängste ich hatte!“, fragte er und Branca hörte einen vorwerfenden Unterton. Branca lächelte schwach. „Tut mir leid. Ich wollte dir keine Sorgen bereiten!“, sagte sie und wischte sich die Tränen weg. Will seufzte. „Schon gut, ich bin es ja gewohnt. Hauptsache, dir geht es gut!“, sagte er. Branca lächelte. „Ja…!“

Nun sagten beide nichts und Branca lauschte seinem Atem. Es tat so gut, ihn zuhören. „Ja, es geht mir gut und…und ich werde dich bald mal besuchen kommen. Das verspreche ich dir!“, sagte sie und schluchzte. „Branca…Kleines…!“, sagte Will und sie hörte an seiner Stimme, dass er erleichtert, aber auch verletzt war, weil sie sich nicht gemeldet hatte und in ihrem Hals bildete sich ein dicker Kloss. „Will, ich.... Sorry nochmal…aber ich muss jetzt Schluss machen. Bei sei nicht böse, ja?“, bat sie ihn und hörte, wie er Luft holte, um etwas zusagen. „Okay, aber melde dich bald mal wieder, ja!“, sagte er matt.

Branca lächelte. „Das mache ich. Und ich komme dich besuchen. Bis bald!“, sagte sie und schmatzte ihm ins Handy. Will lachte und erwiederte dies. „Bis dann, meine Kleine!“, sagte er und Branca legte auf. Sie hielt das Handy fest in der Hand und drückte es an ihre Lippen. Schloss die Augen und rief sich immer wieder seine Stimme ins Gedächtniss. Es war so schön seine Stimme zu hören und sie lächelte etwas. „Will…!“, flüsterte sie. Dann schüttelte sie wieder den Kopf. Nicht weil es wehtat, dass sie nicht bei ihm war, sondern weil sie ihm solch einen Schrecken eingejagt hatte und das schlechte Gewissen sie übermannte. Erin nahm ihr das Handy ab und streichelt ihr den Kopf. „Es wäre besser, wenn wir uns etwas hinlegen und schlafen!“, meinte sie und Branca zog den Kopf zwischen die Schultern. „Nein, auf keinen Fall. Wenn ich schlafe, sehe ich nur wieder ihn, vor mir stehen!“, flüsterte sie erstickt. „Du brauchst aber Schlaf!“, sagte sie und Brancas Kopf sank etwas tiefer. „Das ist das letzte, was ich brauche!“

„Und was wenn ich bei dir schlafe?“, fragte Erin und lächelte etwas verschmitzt. Brancas Augen wurden gross. „Wie?“

„Bei dir schlafen…Keine Angst. Ich bin nicht vom anderen Ufer!“, beruhigte sie sie und klopfte ihr auf die Schulter.
 

Branca lag auf der Seite und hatte Erin den Rücken zugewandt. Den Kopf hatte sie an den Bauch Erins gelehnt und die Augen geschlossen. Trotz dass Erins Abgebot sie etwas schockiert hatte, wollte sie es nicht abschlagen. Sie konnte Nähe jetzt ganz gut gebrauchen. Nachdem sie mit Will gesprochen und aufgelegt hatte, fühlte sie sich einsam. Trotz Erins Gegenwart. Vielleicht lag es auch genau deswegen. Sie vermisste Will und brauchte ihn nun mehr, als denje. Aber sie konnte nicht. Jetzt war es zuspät!

Branca seufzte schwer, als ihr klar wurde, dass sie nicht zurück konnte und somit ihr Versprehen nicht erfüllen konnte. Erin merkte ihren Kummer und sie legte den Arm um sie. Zog sie etwas näher an sich.

„Denkst du noch an ihn?“, fragte sie und durch das Streichen ihrer dunklen Haare auf Erins Wange, wusste sie das Branca nickte. „Ja, es war ein Fehler ihn anzurufen!“, gestand Branca und ihre Kehle fühlte sich kratzig an, als sie diese Worte aussprach. Wieso sollte es ein Fehler gewesen sein, schrie es in ihrem Kopf und sie krampfte sich zusammen. Du warst doch froh ihn zuhören!

Branca biss sich auf die Unterlippe und vergrub ihr Gesicht in den Händen. „Was ist nur los, mit mir?“, fragte sie sich, als sie darauf keine Antwort wusste. Es gab so viele wiedersprüchliche Gefühle und auch Gedanken, die sie kaum richtig ordnen konnte. Was war richtig und was war falsch gewesen?

„Nein, war es nicht. Es war kein Fehler. Einen geliebten Menschen zuverlassen und ihn niemals anzurufen, geschweige nicht den Versuch machen, sich bei ihm blicken zulassen. Das ist ein Fehler!“, hörte sie Erin sagen und schaute hoch. Sie konnte Erins Gesicht nicht richtig sehen. Dass musste sie auch eigentlich nicht. Denn der Kummer in ihrer Stimme ließ deutlich erkennen, was sie in ihrem Herzen spürte. Kummer!

Branca konnte es spüren und wieder glaubte sie in Erin eine Schwester zusehen. Eine Schwester, die den gleichen Schmerz fühlte, wie sie. Sie lächelte. „Danke!“, flüsterte sie und Erin runzelte etwas die Stirn. „Für was…?“

„Dass du mir helfen willst und dass du weißt, wie ich mich fühle…danke…Erin!“, antwortete sie und Erin lächelte nun auch. „Keine Ursache…!“, sagte sie und Branca kuschelte sich an sie. „Trotzdem…danke!“

Dann schwiegen sie und jede hing ihren Gedanken nach. Aber dann musste Branca daran denken, wie Erin sich umbringen wollte.

„Erin?“

„Hm!“

„Wieso wolltest du dich umbringen?“, fragte sie und Erin öffnete die Augen. Blickte leer vor sich hin und sah sich selbst, wie sie die Pistole auf sich richtete. Ihr Magen verknotete sich und sie holte zitternt Luft. „Weil ich es nicht mehr ertrage. Dieses Leben. Ständig andere Menschen zuretten, die dann doch sterben. Ich habe dir ja gesagt, dass die meisten Menschen, die besessen sind und denen ich den Dämon ausgetrieben habe, sterben. Und noch dazu kommt, dass man mich deswegen sucht. Weil ich in ihren Augen eine Mörderin bin, Vielleicht bin ich das auch. Aber das ist eigentlich der wahre Grund. Genauso wie du, bin ich einsam. Ich habe zwar Daroga und Rafael, aber…es gibt etwas, dass selbst sie mir nicht geben können!“, erklärte sie und Branca wusste, was sie damit meinte. „Liebe…!“

„Ja, deswegen wollte ich mich umbringen. Ich wollte nicht mehr. Ich wollte nicht mehr mit diesem leeren Loch im Herzen leben…das klingt verrückt ich weiss. Besonders weil ich dir versprochen habe, dich zu retten. Aber auch ich, die soviele Dämonen zur Strecke gebracht, kann irgendwann nicht mehr!“, sagte sie.

„Das kann ich gut verstehen…sicher fühlst du dich noch einsamer, als ich…Aber bitte versprich mir eins. Mach das niewieder!“, murmelte Branca und Erin lächelte. Strich ihr durch das Haar. „Das werde ich schon nicht. Keine Angst!“, sagte sie und Branca lächelte. Dann schlief sie ein. Erin blieb noch etwas wach und schaute in die Abenddämmerung. Hing ihren Gedanken nach und fragte sich nun selbst, was in sie gefahren war. Die Antwort, die ihr vorhin verschlossen blieb, kam wie ein Blitzschlag. Sie war zufeige, um weiter zuleben. Das war es und obwohl die Antwort so plump, schon fast banal war, war dies die einzige Antwort und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ihre Gedanken gingen weiter und sie kamen an Chris an.

Was wäre passiert, wenn sie s wirklich getan und Branca es nicht verhindert hätte?

Was wäre dann aus ihm geworden?

Wäre er dann nicht mehr das Zielt dieser Dämonen gewesen?

Etwas sagte ihr, dass das nicht sein würde. Chris würde immer das Ziel sein. Egal ob sie lebte, oder starb. Genauso wie all die anderen Menschen. Also machte es keinen Unterschied, ob sie weiterlebte oder sich umbrachte. Nun wurde es Nacht und Erins Gemüt wurde noch trübsinniger. Sie seufzte und richtete sich auf, ohne dabei Branca zuwecken und schaute immernoch hinaus. Was sollte sie machen?

In ihr eigenes Schlafzimmer gehen und dort weiterschlafen. Nein, sie konnte jetzt nicht schlafen. Nicht nachdem was eben passiert war und sie fast getan hätte. Dafür fehlten ihr jetzt die Nerven und in ihrem Inneren hörte sie die Stimme ihres Ziehvaters. „Selbstmord ist eine Sünde…der Herr keinem, der sich selbst tötet nicht gestatten, in den Himmel zu kommen. Solltest du jemals daran denken, dann bete zum Herrn. Bete um Vergebung. Denn dich will ich nicht ans Fegefeuer verlieren!“, hatte er mal gesagt, als sie ihrem Kummer und ihrem Zorn Luft gemacht hatte und zum Herrn zubeten erschien ihr der einzige Weg, die Dunkelheit in ihrem Herzen zu vertreiben.
 


 


 


 


 


 


 

Dreiundzwanzig
 

Branca wurde wach, als sie ein kalter Luftzug streifte. Sie rollte sich zusammen und öffnete die Augen. Da bemerkte sie, dass Erins Arm nicht mehr um sie lag. Und sie schaute hinter sich. Erin war nicht mehr da!

Brancas Stirn bekam tiefe Falten. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie aufgestanden war. Anscheinend hatte sie tief und fest geschlafen und jetzt wo sie nicht mehr da war, fühlte sich Branca wieder allein. Sie richtete sich auf und rieb sich die Augen. Draußen war es schon dunkel und sie wollte nicht mehr schalfen. Wenn sie einschlief, ohne Erin an ihrer Seite, würden wieder diese schrecklichen Träume kommen. Darauf konnte sie gut verzischten.

Also beschloss ei, sich etwas die Beine zu vertrene und sich mal genauer hier umzuschauen. Schließlich hatte sie nicht viel vom Inneren des Vatikans gesehen und war nun neuierig, wie der Rest aussah.

Sie schritt durch viele Gänge und kam an einigen herrlichen Säalen vorbei. Ihr Mund klappte auf, als sie die herrlichen Bauten und architektischen Kunstwerke sah. Und beneidete diejenigen, die sowas sehen konnten. Ihre Tante war zwar eine Gottesvernatikerin und als sie bei ihnen noch lebte, hasste sie Gott. Hasste ihn, weil er ihr nicht half und sie mit solchen grausamen Menschen strafte. Aber nun verrauchte ihr Hass. Es war, als hätte die Aura, die in diesem alten Gemäuer, etwas Beruhigendes auf sie: Gneauso wie Erins Nähe!

Erin!

Diese Frau hatte ihr mehr als einmal den Hals gerettet und ihr erschien ihr Dankeschön immernoch nicht angemessen. Erin war eine außergwöhnliche Frau, dass musste sie zugeben und sie wünschte sich, sie wäre genauso.

Genauso stark!

Glaubst du wirklich, dass sie das ist, raunte eine Stimme in ihrem Kopf und Brancas Gesichtszüge verfinsterten sich. Sie blieb stehen und ballte die Hände zu Fäusten. „Halt die Klappe. Von dir lasse ich mich nicht mehr runterziehen!“, sagte sie finster und ging weiter. „Runterziehen. Wer sagt denn was von runterziehen. Ich sage dir nur, dass selbst die Wölfin nicht so stark ist, wie du glaubst!“, sagte der Unheimliche. „Du irsst dich. Sie ist stark. Stärker als ich…Ansonsten hätte sie sich doch umgebracht. Gleich nachdem ich eingeschlafen bin!“, sagte sie und hörte den Unheimlichen spöttisch lachen. „Du brauchst nicht so zulachen. Sich nicht das Leben zunehmen, auch wenn man nicht mehr kann, zeigt mehr stärke, als sich das Leben zu nehmen!“, sagte sie und ein kleiner Teil in ihr bewunderte sie dafür, dass sie so sprach. Da sie selbst mal über Selbstmord nachgedacht hatte. „Ohhh, jetzt erwartest du wohl, dass ich applaudiere!“, höhnte der Unheimliche. „Nein!“, sagte Branca und blieb erneut stehen. „Ich erwarte, dass du mich in Ruhe lässt. Verschwinde aus meinem Leben!“

Der Unheimliche lachte. „Verschwinden…aus deinem Leben? Ich schätze du hast es immernoch nicht begriffen. Du hast kein Leben mehr!“, sagte der Unheimliche und es durchlief sie eiskalt. Schon einmal hatte er soetwas behauptet. Das war als sie ihm die Kontrolle überließ. Und es sorgte für eine Gänsehaut. Branca schüttelte den Kopf, um nicht mehr darüber zudenken. „Ich habe ein Leben…basta!“, knurrte sie und nochmal den Unheimlichen lachen.

Sie ging weiter, das Lachen des Unheimlichen nicht beachtend und sich darauf konzentierend, sich nicht zu verlaufen. Da kam sie an einer großen, offenen stehenden Tür an und blieb an der Schwelle stehen. Drinnen war es gedämpft und Branca musste die Augen zusammenkneifen, um etwas zuerkennen. Erst als sie genauer hinsah, erkannte sie dass der Raum eine kleine Kapelle war. Links und rechts standen Sitzbänke und an der Stirnseite, gegenüber der Tür standen ein einfacher Altar und darüber, an der Wand ein Kreuz. Einige Kerzen brannten und beleuchteten den Raum. Tauchten ihn in ein goldenes sanftes Licht. Und in der fordersten Reihe saß jemand. Schemenhaft und kaum zu erkennen. Doch etwas sagte Branca, dass es sich um Erin handelte, die davorne saß und betete…

Betete?

Wieso tat sie das?

Und wieso konnte das Kreuz ihr nichts anhaben? Immerhin war sie soetwas wie ein Dämon und sie soviel wusste, vertrugen Dämonen die Nähe von heiligen Relikten nicht. Wieso also konnte Erin dort sitzen, ohne auch nur zu zucken?

„Sie wundern sich sicher, wie Erin in so einem Raum sitzen kann?“, riss eine Stimme sie aus den Gedanken und Branca drehte erschrocken den Kopf herum. Im Dämmerlicht des Flures stand Darogas und schaute sie aus seinen wachen Augen aufmerksam an. Branca machte autoamtisch einen Schritt zurück. In diesem difussem Licht wirkte er wie ein Schatten und wenn sie etwas gelernt hatte, in der ganzen Zeit, dann sich vor Schatten in Scht zunehmen. Kurz schaute sie ihn an, dann wandte sie sich wieder der kleinen Kapelle zu und glaubte Erin leise flüstern zuhören. „Wieso betet sie?“

Eine wirklich dumme Frage, dass musste sie zugeben, aber ihr fiel nichts anderes ein. Daroga hob die Schultern. „Das weiss ich auch nicht. Vielleicht um Gottest Kraft und Segen zu bekommen. Vielleicht aber auch Vergebung!“, sagte er beiläufig und Branca konnte sich gut vorstellen, dass es sich um das letztere handelte. Selbstmord ist eine Sünde!

Das wusste selbst sie.

„Und wieso kann das Kreuz ihr nichts anhaben?“, fragte sie weiter und Daroga schien selbst darüber nachzudenken. „Weil sie vielleicht wie jeder andere Dämon ist!“, schlussfolgerte er und Branca runzelte die Stirn. „Nicht wie jeder andere Dämon…soll das heissen, sie ist anders?“

„Nun denkbar wäre es…!“, sagte Draoga nachdenklich. „Vergessen Sie nicht, ihre Kugeln sind aus Silber. Geweihten Silber, wohlgemerkt!“

„Hm, demnach ist sie wirklich anders…Daroga…meinen Sie, ich…ich könnte genauso werden wie sie?“, fragte sie und schaute nun ihn wieder an. Darogas Gesicht schien im Schatten noch dunkler zuwerden und Branca sah den Zweifel darin. „Das, meine Liebe, hängt ganz von Ihnen ab!“, sagte er und mit diesen Worten ging er.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hidan_1975
2015-08-17T22:36:38+00:00 18.08.2015 00:36
Genial und doch einfühlsam.

Lg Simi


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