Was Entscheidungen kosten können…
Epilog:Was Entscheidungen kosten können…
Zwei Tage später kam Oscar sichtlich müde vom Dienst zurück. Die letzten beiden Nächte hatte sie kaum geschlafen. Ganz so einfach wie sie sich das vorgestellt hatte war es dann wohl doch nicht. Zu wissen dass Rosalie in der Nähe aber nicht bei ihr war machte das ganze viel unerträglicher als sie es erwartet hatte. Vermutlich war es für Rosalie auch nicht einfacher. Wahrscheinlich war es für sie sogar noch schwerer, so wie sie daran festgehalten hatte. Sie hatte beschlossen ihr dabei zu helfen einen anderen Arbeitsplatz zu finden. Vielleicht brauchte eine befreundete Familie noch ein Hausmädchen. Es wäre besser wenn sie nicht mehr an ein und demselben Ort lebten. Oscar hatte daraufhin im ganzen Anwesen nach Rosalie gesucht, war sogar ein Stück des Weges abgegangen den Rosalie auf ihren Spaziergängen nahm, aber sie fand sie einfach nicht. Wieder vorm Anwesen angelangt, blieb sie einen Moment stehen und dachte nach. Wo konnte Rosalie nur sein? Das war ja beinahe so als würde sie sich verstecken…Verstecken? Oscar ging ein Licht auf. Natürlich. Wenn es Rosalie auch nur ein bisschen so ging wie ihr, dann wusste sie, wo sie, sie finden konnte. Während der Zeit in der sie beide bemüht ihre Bindung versteckt hatten, hatten sie sich oft im Stall getroffen. Der Stall hatte einen Heuboden und dort hatten sie teilweise Stunden damit zugebracht zu reden oder einfach die Anwesenheit des anderen zu genießen. Oscar machte sich also auf den Weg zu besagtem Heuboden. Als sie den Stall betrat sah sie schon das die Leiter nicht an der Wand sondern angelehnt am Heuboden stand. Also war Rosalie wirklich dort.
„Rosalie?“, rief sie hinauf, bekam aber keine Antwort. Das es hier auch so dunkel sein musste, das sie nichts sah. Sie stieg die Leiter hinauf und als sie schlussendlich den Heuboden überblicken konnte, wäre sie beinahe rückwärts die Leiter hinunter gefallen.
„Was…? Verdammt…“ Mit einem weiten Schritt erreichte sie die Mitte des Heubodens und wäre beinahe über einen umgestürzten Schemel gestolpert. Über ihr stützte der gewaltige Querbalken das Dach des Stalles und daran festgeknüpft, ein Seil an dem Oscars einst wichtigster Mensch hing. Zu viele Gedanken stürzten auf Oscar ein, als das sie auch nur einen wirklich zu ende denken konnte. Hektisch stellte sie den Schemel wieder auf, stieg hinauf und löste den Knoten am Querbalken. Mit dem freien Arm hielt sie Rosalie wackelig fest und stieg wieder vom Schemel. Als sie, sie auf den Boden legte war ihr eigentlich schon bewusst das sie nicht mehr zu retten war. Dennoch prüfte sie ob noch irgendwelche Lebenszeichen vorhanden waren. Natürlich vergeblich. Sie war kein Arzt aber dennoch klug genug um festzustellen das Rosalie wenigstens nicht lange hatte leiden müssen. Körperlich zumindest nicht. Als sie ihr die Schlinge über den Kopf entfernte, spürte sie die Feuchtigkeit auf Rosalies Gesicht. Sie hatte geweint. Vermutlich noch als sie den Schemel umstürzte und sich Sekundenbruchteile später das Genick brach. Oscar atmete tief durch. Vermutlich war es das, wofür sich Rosalie 2 Tage zuvor entschuldigt hatte. Für ihre Entscheidung hierfür. Oscar durfte jetzt nicht den Verstand verlieren. Sie musste handeln. Nur was sollte sie tun? Hektisch rasten die Gedanken durch ihren Kopf. Was wenn sie es als Unfall tarnte? Nein. Das würde geprüft werden. Und selbst wenn nicht. Rosalie würde dennoch keine richtige Beerdigung bekommen. Das wollte sie nicht zulassen. Nur was jetzt tun? Zuerst musste sie, sie hier raus schaffen. Selbst wackelig auf den Beinen hob sie die Leiche ihrer Geliebten auf ihre Arme und brachte sie mühsam vom Heuboden, hinunter in den Stall. Sie musste sie weg bringen. Sie sah sich um. Ihr Pferd stand in der Box. Keine Zeit es zu Satteln. Streichhölzer, Lampenöl. Oscar packte ein was sie fand und für nützlich hielt. Mühselig stieg sie auf das Pferd, den Beutel so hingelegt das sie ihn später greifen konnte. Zitternd hob sie Rosalie auf das Pferd, hielt sie so im Arm, als ob sie einfach nur mit ihr ausritt. Den Beutel klemmte sie zwischen sich und Rosalie, lenkte das Pferd an der Mähne aus dem Stall und gab ihm dann die Sporen. Während des Ritts waren ihre Gedanken mindestens so tot wie der Mensch in ihren Armen. Erst tief im Wald hielt sie an. Eine kleine Lichtung. Nie kam jemand hierher. Der Perfekte Ort um zu tun was sie tun musste. Mit Rosalie in ihren Armen sprang sie vom Pferd, der Beutel landete neben ihr im Gras. Die Leiche lehnte sie an einen Baum. Sie musste Holz suchen. Eine halbe Stunde dauerte es bis sie die nötige Menge zusammen hatte. Jetzt, wesentlich ruhiger, bettete sie Rosalie auf den angehäuften Ästen und Zweigen. Lange sah sie, sie einfach nur an.
„Du hättest eine richtige Beerdigung verdient…“, meinte sie leise.
„Nein. Du hättest verdient zu leben. Glücklich zu sein. Warum hast du diesen Weg gewählt?“ Oscars Stimme zitterte mindestens so sehr wie ihre Hände. Langsam ging sie hinüber zu ihrem Pferd und holte den Beutel. Das Lampenöl daraus goss sie über den Scheiterhaufen aus den sie da gebaut hatte. Den leeren Behälter, schmiss sie achtlos zur Seite.
„Es tut mir leid…Mehr kann ich für dich nicht tun.“ Oscar zündete ein Streichholz an.
„Adieu Rosalie…Ich liebe dich…“ Das brennende Streichholz warf sie in das Holz das sofort Feuer fing und auf Rosalies leblosen Körper übergriff. Oscar blieb solange wie das Feuer loderte. Der Rauch und der beißende Gestank von verkohltem Fleisch, bissen in ihrer Nase und ihren Augen. Aber was machte das? Sie weinte sowieso schon. Was war jetzt? Konnte sie je wieder glücklich sein? Je wieder so weiterleben wie sie es bisher getan hatte? Nein, mit Rosalies tot war gar nicht mehr so wie es gewesen war. Plötzlich sah für Oscar die Welt und ihr Leben ganz anders aus als zuvor. Es war mit einem Schlag trostlos und leer geworden. Nichts hatte mehr Wert. Nicht das Geld, nicht ihr Beruf, nicht einmal ihr Leben. Die Erkenntnis, dass sie hätte Rosalie nie vergessen können, auch wenn sie weiter gelebt hätte, war plötzlich da, als Oscar in das lodernde Feuer sah. Hätte sie es nur vorher gewusst. Nachdem der letzte Funken erloschen war, stieg Oscar auf ihr Pferd, sah noch einmal auf den verbrannten Haufen Asche. Ein stummer Verabschiedungsgruß der aus ihren Augen blitzte, dann das aufgeregte Wiehern ihrer Stute. Oscar wollte nur weg. Irgendwohin, nur nicht hier bleiben oder zurück nach hause. Immer mehr Tränen verschleierten ihre Sicht. Es war egal. Wohin auch immer sie ihr Pferd bringen würde, es würde in Ordnung sein. Solange sie nicht hier bleiben musste.
Autorennachwort:Ende, Schluss, Aus, Vorbei. Wer hätte mit so was gerechnet? Aber es ist wie es ist. Tut mir leid, dass ich euch, die auf ein Happy End gehofft haben, enttäuscht habe. Ich bedanke mich hiermit bei den Lesern und Kommischreibern. Dafür das ihr es bis hierhin gelesen habt und euch habt von mir die Zeit stehlen lassen.