Das Ende der Zeit
Die Ruhe vor dem Sturm war vorbei. Die lange Zeit des Schweigens nahm ihr Ende. Sie erhob sich anmutig von dem Stein auf dem sie saß. Die ersten Sonnenstrahlen des blutigen Tages ließen ihre Rüstung schimmern wie Sterne. Sie wandte sich von dem Anblick des zukünftigen Schlachtfeldes ab und schritt wie eine Königin zu ihrem Gefolge. Das weiße Pferd, auf dem sie in die Schlacht ziehen würde begrüßte sie mit einem Schnauben. Graziös schwang sie sich auf den Rücken dieses prächtigen Tieres. Sie ritt die Reihen ihrer Anhänger entlang und sah in ihre Gesichter. Entschlossenheit und Kampfgeist spiegelte sich in ihren Augen. Der hauch von Hoffnung schwang in der Luft, doch wurde sie von dem Schatten der Angst gedämpft. Sie hielt vor ihnen an und zog ihr Schwert. Sämtliche Blicke waren auf sie Gerichtet, auf ihre Hoffnung, ihre Begleiterin, ihrer Anführern. Lange hatten sie auf diesen Augenblick gewartet, die letzte Schlacht. Die Entscheidung über Licht oder Schatten. Der Sieg von gut oder böse. Die Auferstehung ins Licht oder der tiefe Sturz in den Abgrund der Finsternis.
Ihre Stimme erklang hell wie ein Glockenschlag und wehte durch die Reihen. Mut sprach sie ihnen zu, die Hoffnung niemals aufzugeben und für die Freiheit aller Völker bis zum endgültigen Untergang zu kämpfen. Das Erwartungsvolle Jubeln erklang als Antwort.
Nun war es so weit. Die Schlacht begann.
Sie wandte sich um und sah sich dem übermächtigen Feind gegenüber. Es war Hoffnungslos gegen diese Armee von dunklen Geschöpfen zu bestehen, doch ihre Entschlossenheit trieb sie an, diesen Krieg zu führen und tot oder Siegreich aus dieser Schlacht hervor zu treten. Viele würden sie in der Schlacht verlieren, doch ihr tot wäre nicht umsonst, wenn sie für jeden verlorenen Krieger zwei dieser dunklen Geschöpfe mit in den tot nahmen.
Ihr Schwert gen Himmel gerichtet ritt sie voran und führte ihre Krieger des Lichts in die letzte Schlacht.
Das tiefe Brüllen des Feindes traf sie wie ein Hammerschlag und ein markerschütterndes Krachen wehte übers Feld, als die Armeen aufeinander trafen. Mit den anderen Reitern überrannten sie die ersten Reihen des Feindes. Die ersten fielen doch der Ansturm an Kriegern ließ nicht nach und so kämpfte jeder für sich um sein Leben, für seine Hoffnung und für die Freiheit.
Ein Pfeil traf ihr Pferd und ließ es vor Schmerz sich erheben. Es verlor das Gleichgewischt und fiel. Sie stürzte zu Boden.
Anmutig sprang sie auf die Füße, um nicht von den Armeen niedergetrampelt zu werden, doch der erste Schwerthieb sauste schon auf sie nieder. Nur mit knapper Not entging sie diesem Hieb und trennte dem Feind den Kopf ab. Blut benetzte ihre zu beginn schimmernde Rüstung und ließ sie stumpf werden. Immer weiter kämpfte sie sich durch die feindliche Armee, ohne Aussicht auf Sieg. Die Sekunden wurden zu Minuten und die Minuten zu Stunden. Wie viel Zeit vergangen war wusste sie nicht mehr. Zu lange kämpfte sie schon ohne unterlass. Kein Geräusch des Kampfes drang an ihr Ohr. Zeitlos war dieser Krieg und fernab ihrer Wahrnehmung.
Der Klang eines Hornes zeriss ihre Stille und der Lärm der Schlacht drang durch den Nebel ihrer Blutgier in ihren Kopf. Sie erstarrte für einen kurzen Augenblick. Es war nicht das Horn des Feindes, das den Sieg verkündete sondern der Hoffnungsträger all ihrer Kämpfer. Ein lächeln umspielte ihre blutverschmierten Gesichtszüge und ließ die Hoffnung und den Kampfgeist in ihr neu entfachen.
Wieder auf dem Rücken ihres Pferdes überblickte sie das Schlachtfeld. Eine Blutrote Sonne stand am Horizont und spiegelte das Blutbad des Krieges wieder, das sich auf dem Schlachtfeld befand. Viele gute Männer hatten ihr Leben in diesem Krieg gelassen und wurden mit der größten Ehre bestattet. Die Zahl der Verwundeten war grenzenlos, doch hatten sie gesiegt. Das Licht siegte über die Dunkelheit. Die, die noch lebten Jubelten und sahen einer friedlichen, lichtdurchdrungenen Zukunft entgegen.
Trotz des Sieges und der Freude die ihr entgegen schwang fühlte sie nicht wie die anderen. Zu viel Leid war ihr wiederfahren, zu viel Elend hatte sie gesehen. Sie fühlte nichts mehr. Der Krieg hatte ihr alles genommen und ihre Sinne betäubt. Nie wieder würde Glück oder Liebe empfinden. Ihr einsamer Pfad würde sie in die Berge führen, wo sie auf ihre letzte Reise warten würde. Die Reise zu ihren Ahnen, die voller Stolz auf sie warteten, um ihre verloren geglaubte Tochter zu empfangen. Erst dann würde sie ihren Seelenfrieden finden.
Eine letzte Rede hielt sie vor ihren Brüdern und Schwestern, die ihr Leid des Krieges teilten. Ein letztes mal sah sie in ihre freudenstrahlenden Gesichter und ein letztes mal hörte sie das Jubeln der Menge, ehe sie sich von ihnen abwandte und mit der untergehenden Sonne gen Westen zog.
Dahin ging die größte aller Kriegerinnen, so Spurlos, wie sie aufgetaucht war, verschwand sie auch wieder und nur Legenden, Mythen und Geschichten berichteten von der Frau, die den Frieden brachte.