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Orenji no Taiyou

Ein Vampir namens Kei
von

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Akt I: Ein Vampir namens Kei

„Yuugure ni kimi to mita…“

Das Lied hallte immer noch in Keis Kopf, als er durch die dunklen Gassen des Hafenviertels schlenderte. Mit hängendem Kopf schleifte er sich durch die Dunkelheit. Sein Blick war leer, doch vor seinem inneren Auge sah er den Strand, an dem er am Morgen gewesen war. Er sah Luma, der im Sand kniete, hörte, wie dieser leise sang…

„…orenji no taiyou…“

Er spürte, wie seine Hand unwillkürlich zuckte, als er an den Schmerz auf seiner Haut dachte, den die aufgehende Sonne verursacht hatte. Dann hatte er unter einer Brücke Schutz gesucht, die sich in der Nähe der Bucht befand, in der Luma von ihm gegangen war. Bis die Sonne wieder unterging, hatte er in den weißen Sand gestarrt und den Schreien der Möwen gelauscht. Doch seit sich die Dunkelheit über das Land gesenkt hatte, war er ziellos durch die Gegend geirrt.

„…nakisou na kao o shite…“

Noch immer versuchte er zu verstehen, wieso Luma seinem Leben ein Ende gesetzt hatte. Vor einigen Jahren hatte Luma ihn zu einem Vampir gemacht, wie auch er selbst einer gewesen war. Seit dem war er Keis einziger Freund gewesen. Doch nun war er allein auf der Welt.

„…eien no sayonara…”
 

Regen setzte ein und durchnässte Keis schwarzen Mantel und seinen weißen Pullover. Doch das störte ihn nicht. Alles schien seine Bedeutung verloren zu haben. Kei schleppte sich in eine enge Gasse, die zwischen einer Kneipe und einem baufälligen Hochhaus hindurchschlängelte und anscheinend nur als Müllhalde und öffentlicher Abort diente. Aus den beleuchteten Fenstern des Pubs dröhnte Musik und das Lachen betrunkener Männer.

Erschöpft ließ sich Kei zwischen einige große Kartons fallen und schloss müde seine Augen und legte den Kopf in den Nacken. Der kühle Regen fiel auf sein Gesicht und er versank langsam in einen traumlosen Schlaf.

Plötzliches lautes Gelächter riss Kei aus seiner Ruhe. Langsam öffnete er seine schmerzenden Augen. Der Regen hatte aufgehört, doch hatte er tiefe Pfützen auf dem löchrigen Betonboden hinterlassen. Kei beugte sich nach vorne reckte seinen Nacken. Sein blondes Haar klebte strähnig in seinem Gesicht.

Als er nach links sah, entdeckte er eine Gruppe von etwa sechs Mann, die herumalbernd und lachend aus der Kneipe wankten. Einer von ihnen erblickte Kei, zeigte auf ihn, sagte etwas zu seinen Freunden, das Kei nicht verstehen konnte, und kamen dann auf ihn zu. Kei ließ sich wieder mit dem Rücken gegen die Wand fallen und schloss erneut die Augen. Als er sie nach kurzer Zeit wieder öffnete, standen die sechs Männer in einem Halbkreis um ihn herum.

„Seht mal, der Mantel sieht wertvoll aus.“, sagte einer von ihnen mit einer tiefen, kratzigen Stimme.

„Ja!“, bellte ein dürrer Typ, „Viel zu wertvoll für einen halbtoten Penner!“

Die Männer lachten laut und stampften auf den nassen Boden. Kei sah die Männer nacheinander mit seinen müden Augen an, als verstünde er kein Wort. Ein massiger Kerl kam auf Kei zu und hof ihn mit Leichtigkeit auf die Füße und sah ihm ins Gesicht.

„Na du Penner?“, sagte er herausfordernd, „Wie kommst du an so einen schönen Mantel, hm?“

Kei sah ihn trotzig an und spuckte ihm mitten ins Gesicht. Der Mann war sichtlich erschrocken und blickte Kei fassungslos an, der ihn belustigt angrinste.

„Du jämmerlicher, kleiner…“, raunte der Mann und schlug Kei mit der Rückhand ins Gesicht. Dieser fiel Bäuchlings zu Boden. Er rappelte sich mühsam auf und spuckte Blut auf den Boden. Noch eh er sich weiter erheben konnte, spürte er, wie ihm ein Fuß mit Wucht in den Bauch gerammt wurde, sodass er auf die Seite geschleudert wurde. Gleich danach packte ihn eine kräftige Hand am Kragen und hievte ihn wieder auf die Beine. Der große Mann sah Kei verärgert an, doch dieser grinste ihm immer noch trotzig entgegen. Die Wut des Mannes schäumte über und schlug mit der Faust in Keis Gesicht, der wieder auf den Boden geworfen wurde.

Nun stürmten alle sechs Männer auf ihn los und traten nach ihm. Kei fühlte wie, jemand seinen Mantel auszog und seine Uhr vom Handgelenk riss. Doch es war egal. Es bedeutete nichts. Nach einiger Zeit ließen die Männer von ihm ab.

„Jetzt hast du wohl nicht mehr so eine große Fresse, was?“, keifte der Große und lachte. Seine Freunde stiegen in das Gelächter mit ein und zogen dann ihren Weges.

Keis weißer Pullover war durchnässt mit Regen und Blut und an einigen Stellen aufgerissen. Auch seine Hose hatte einige Löcher abbekommen. Doch seine Wunden waren längst wieder geheilt, während er regungslos am Boden gelegen hatte. Er stützte sich auf seine Hände und stand mühselig auf, als er plötzlich einen Blick in seinem Nacken spürte. Wankend drehte er sich um und sah einen kleinen Mann, der ihn mit großen Augen anblickte. Sein Haar war grau und zerzaust, seine Kleidung schmutzig und kaputt. Er war eindeutig ein Obdachloser.

„Ach herrjemine…“, brabbelte der Alte und tippelte auf Kei zu, „Diese Monster…“

Er zog ein dreckiges Taschentuch aus seiner Manteltasche und versuchte Kei damit das blutverschmierte Gesicht abzutupfen, doch dieser wich wankend zurück.

„Ist schon gut.“, murmelte der alte Mann und hob die Hände zum Zeichen, dass er Kei nichts tun wollte.

„Man nennt mich Kouhei. Normalerweise bin ich das Opfer dieser Männer…“, sagte er leise und Trauer trübte seine Stimme, „Aber dieses Mal hat es wohl dich erwischt, lass mal seh’n.“

Kouhei betrachtete Keis Gesicht, Arme und den Brustkorb.

„Du hast wirklich wahnsinniges Glück gehabt junger Freund.“, sagte er lächelnd, „Ich kann keine ernsthaften Wunden finden.“

Das liegt daran, dass ich ein verfluchter Vampir bin, dachte Kei, doch schwieg.

„Komm mit mir, lass uns hier verschwinden.“, schlug der Obdachlose vor und humpelte davon. Kei sah ihm nach und taumelte ihm dann hinterher. Sie gingen zu einem kleinen Verschlag am Hafen, von wo aus man die großen Schiffe sehen konnte. Kouheis Haus bestand aus Wellblech und einigen Holztrümmern, doch bot es Schutz vor Regen und Wind.

„Eines Tages…“, schwärmte der Alte, „Werde ich auf so einem Schiff hier verschwinden.“, er wies auf die großen Frachter und Passagierschiffe, die in der Bucht ankerten. Ein verträumtes Lächeln umspielte seine Lippen.

„Du bist wohl eher der schweigsame Typ, hm?“, fragte er, an Kei gewand.

Doch dieser sah nur zu den Schiffen hinüber. Hier hielt ihn nichts mehr. Also wieso nicht Japan verlassen? So weit weg von hier, wie es geht.

„Wen haben wir denn da?“, hallte eine tiefe Stimme durch die Dunkelheit.

Kei schnellte herum und sah die sechs Männer auf ihn uns Kouhei zukommen.

„Oh nein…“, raunte der Alte panisch, „Offenbar haben sie nur eine Runde gedreht und sind nun hier gelandet!“

Lautes Lachen hallte über den Pier, als sich die Männer auf Kei zu bewegten.

„Lauf!“, rief Kouhei, der seinen eigenen Rat sofort in di Tat umsetzte und die Beine in die Hand nahm. Doch einer der Männer kam ihm zuvor, schnitt ihm den Weg ab und ergriff ihn. Kei sah zu ihm hinüber, dann wieder zu dem großen Mann, der breit grinsend vor Kei stehen blieb.

„Hast dich ja gut erholt.“, ließ er verlauten.

„Lasst ihn los.“, forderte Kei unvermittelt, woraufhin der Mann wieder anfing zu lachen.

„Lasst ich los, oder ihr werdet es bereuen.“, drohte Kei nun.

Der Mann holte aus und schlug Kei ins Gesicht. Doch Keis Hand schoss blitzschnell empor und fing die Faust des Großen ab. Verwundert sah er Kei an, doch nicht lange. Kei holte aus und schlug mit seiner Faust gegen die Brust des Mannes, der daraufhin meterweit zurück geschleudert wurde und mit einem lauten Platschen im Meer landete.

Kei wirbelte herum zu dem Mann, der Kouhei in seiner Gewalt hatte. Alle Anderen machten einen Schritt rückwärts und sahen Kei misstrauisch und angsterfüllt an.

Plötzlich erwachte ein altbekannter Durst in Keis Innerem. Gierig sah er den Mann an, der den Bettler im Schwitzkasten hielt, nun hastig ein altes Klappmesser aus seiner Westentasche zog und es Kouhei an die Kehle drückte.

„Ein Schritt und er ist tot!“, schrie der Mann und seine Stimme überschlug sich vor Angst.

Kei machte einen Schritt nach vorne.

„Ich meine es ernst!“, kreischte Der mit dem Messer, „Ich werde ihn töten!“

Kei machte einen weiteren Schritt auf die beiden zu. Eine frische Brise wehte ihm entgegen und ließ sein mittlerweile wieder getrocknetes Haar wehen. Die Hitze in seinem Innern verdrängte das Frösteln, dass der kühle Wind verursachte, als er durch Keis löchrigen Pullover wehte.

„Ich.. ich…!“, stammelte der Mann entsetzt ob Keis Weigerung, seiner Drohung beizukommen.

Kei atmete tief ein, die kühle, salzige Luft durchströmte seine Lunge und ließ ihn sich lebendig fühlen. Er ging in die Hocke und funkelte den Mann mit dem Messer finster an. Dessen Augen weiteten sich vor Furcht und sein Kiefer klappte herunter als er das Leuchten in Keis Augen erblickte.

Mit übermenschlicher Geschwindigkeit sprang Kei plötzlich los. Er legte die knapp zwanzig Meter bis zu seinem Opfer in weniger als einem Blinzeln zurück und ergriff dessen Kehle. Der Mann ließ Kouhei los, der unbeholfen auf den Boden stürzte. Mühelos hob Kei seinen Gegner empor und grinste ihn mörderisch an. Vor Entsetzen verzerrte sich das Gesicht des Mannes zu einer Fratze des Grauens als Kei ihn zu Boden schleuderte und seine scharfen Eckzähne in seinem Hals versenkte.

Panische Schreie erfüllen die Luft, gefolgt von eiligen Schritten. Die vier übrigen Männer hatten die Flucht ergriffen.

Als Kei sich gesättigt wieder aufrichtete, bemerkte er, dass der Mann, den er getötet hatte, seine Armbanduhr trug. Mit einem Stirnrunzeln zog Kei die Uhr vom Arm des Toten und legte sie um sein linkes Handgelenk, dann sah er nach Kouhei. Der alte Mann rappelte sich mühsam auf und hielt eine Hand an seine rechte Seite gepresst. Blut lief über seinen Handrücken und tränkte seinen zerfledderten Mantel. Das Klappmesser lang auf dem Boden, in einer dunkelroten Pfütze.

Kei trug Kouhei in dessen kleinen Verschlag, der mit Sachen gefüllt war, die andere längst weggeworfen hatten, doch die der Alte noch benutzte.

„Das wird schon wieder…“, murmelte der Alte, als Kei ihn besorgt ansah, „Du hast mit das Leben gerettet… Danke.“

Kei blickte beschämt zu Boden, es war nur seine Schuld, dass sie den Alten als Geisel genommen hatten. Wäre er nicht gewesen, hätte Kouhei vielleicht ein paar blaue Flecken abbekommen, aber keine Stichwunde.

„Bist du Kampfsportler?“, fragte der Obdachlose mit einem gequälten Lächeln, „Ich habe noch nie jemanden gesehen, der mit einem einzigen Hieb einen Gegner so weit weg schlagen kann.“

Hatte der Alte nicht gesehen, dass er einem Mann das Blut aus dem Hals gesaugt hatte? Er hatte auf dem Boden gelegen, vielleicht hatte er das wirklich nicht mitbekommen. Oder aber er verschwieg es absichtlich um Kei nicht zu nahe zu treten.

„Mein Name… ist Kei.“, sagte er leise.

„Freut mich, Kei.“, entgegnete Kouhei und lachte, was jedoch in ein gequältes Husten überging.

„Ruh dich aus…“, sagte Kei ruhig und reichte dem alten Mann einen kleinen Eimer mit einigermaßen klarem Wasser und einige Stofflappen, die er auf einer schäbigen Anrichte gefunden hatte.



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