01 - Lebenswerter Ruhestand
Hallöle^^
Ich meld mich nur kurz, damits keine Missverständnisse gibt: Diese FF ist eine erste Reflexion meines Praktikums in der mobilen Altenpflege. Hoffentlich ist damit einiges klarer. ^^'
DJ
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Lebenswerter Ruhestand
Es gab weder Klingel noch Türklopfer. Nur ein neueres Schloss ließ vermuten, dass hier tatsächlich noch jemand wohnte. Hier in diesem verkommenen Haus, das wohl seit Jahren keinen Maler mehr gesehen hatte. Noch irgendeinen anderen Handwerker.
Dunkelschwarze Schlieren zierten die einmal weiß gewesene Wand, von der an allen möglichen Stellen Putzreste bröckelten. Und das war nur der Anblick von außen.
Sobald man durch die niedrige, von Holzwürmern zerfressene Tür das Haus betreten hatte, konnte man sicherlich nicht umhin, dass einen sofort das Gefühl von Depression und Leid überkam. Es gab kaum Tageslicht – das wenige fiel durch ein einziges kleines Fenster. Alles war aufs Äußerste heruntergekommen und verwahrlost. Wann das letzte Mal geputzt worden war, konnte man auf den ersten Blick nicht sagen. Aber der sicherlich einmal rot gewesene Teppich, der mit traurig abstehenden gräulichen Fransen auf dem Boden lungerte, war nun fast schwarz. Das Blumenmuster schimmerte nur noch spärlich durch die dicke Schicht Dreck.
Von dem kleinen Flur aus führte eine weitere weiße Tür, von der einige Splitter abgebrochen waren, in ein kleines Zimmer, das sich wohl Wohnzimmer nannte. Doch nur ein Fernseher, der staubbedeckt in einer Ecke auf einer alten Kommode stand, ließ dies vermuten. Ein Sofa gab es nicht, nur eine Eckbank mit dazugehörigem Tisch.
Ein kleiner Kamin stand in der gegenüberliegenden Ecke und hatte die alten Tapeten im Laufe der Jahre rußschwarz gefärbt. Der Holzboden war weitgehend bedeckt mit einem Sammelsurium alter Teppiche, die aber auch schon bessere Tage gesehen hatten.
Dunkelheit dominierte diesen Raum, nicht zuletzt weil es nur drei kleine Fensterchen gab, vor denen grauschwarze Gardinen hingen und auch noch dem letzten Sonnenstrahl den Weg versperrten. Elektrisches Licht gab es zwar, es wurde aber kaum benutzt. Strom kostete Geld.
Man könnte jetzt vermuten, dass es sich hier um eine Hausbeschreibung aus dem Mittelalter handelt. Aber dieses Haus existiert heute.
Und es wird sogar bewohnt. Von einem alten, vereinsamten Mann, für den es tagtäglich eine Weltreise ist, wenn er sich mit seiner Gehhilfe im Schlepptau auf den Weg zur nicht weit entfernten Essensausgabe macht.
Der wahrscheinlich nur noch von Pflegern und Zivis Besuch bekommt.
Stellt sich einem selbst da nicht die Frage: Sieht so ein lebenswerter Ruhestand aus?
Wenn man alles immer „später“ macht, ist es irgendwann nicht vielleicht „zu spät“?
Sollte man nicht im „heute“ leben?