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Wie das Leben so spielt

von

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Kapitel 5

Habt Spass mit dem Kapitel! Und für alle, die die FanFic fast nur wegen Tuomas lesen: er kommt bald wieder mehr vor. =) Um einiges mehr... ;)
 

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Kapitel 5
 

Sie war, wie erwartet, die Erste, die am nächsten Morgen erwachte. Durch die nur angelehnte Balkontür konnte sie die Vögel draussen singen hören und ein Streifen hellen Sonnenlichts fiel auf den Boden.

Träge streckte sie die Beine aus uns drehte sich auf den Rücken. Sich gähnend strecktend blinzelte sie zur Decke. Dann liess sie schläfrig die Arme wieder auf das Kopfkissen fallen und dämmerte noch etwas mit halb geschlossenen Augen vor sich hin. An der gegenüberliegenden Wand schnarchte Jyri leise. Wie so oft nach einer Sauftour, lag er auch diesmal in einer total merkwürdigen Position da. Ein Bein war angewinkelt, das andere hing aus dem Bett. Den Oberkörper hatte er auf die Seite gedreht, sodass sein Kopf auf seinem rechten Oberarm lag, während sein Arm halbwegs aufgestützt wirkte und die Hand sich in seinem zerwühltem Haar verlor. Der andere Arm verschwand unter dem Kopfkissen, in das er sich gekuschelt hatte.

Swentje drehte den Kopf und sah über ihren Arm hinweg zu ihm hinüber. Wiedermal fragte sie sich, warum er davon nie mit einem mörderischen Muskelkater aufwachte... Wahrscheinlich bemerkte er ihn nur nie, weil die Kopfschmerzen ihn am nächsten Morgen jedes Mal fast umbrachten...

Sie unterdrückte ein erneutes Gähnen und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Dann warf sie die Decke zurück, starrte noch einen Augenblick an die Decke, bevor sie sich schliesslich mit einem tiefen Seufzer aufrichtete. Sie hoffte stark, dass die Jungs die Probe wenigstens nicht ganz versauen würden.

Sie schob die Beine vom Bett und stand auf. Leise ging sie ans Kopfende ihres Bettes, um die dort an der Wand stehende Kommade zu öffnen. Sie griff sich wahllos einen neuen Satz Unterwäsche und ein paar Socken. Dann suchte sie sich eine schwarze Kunststoffhose heraus, die auf Survivallook gemacht war, und ein schwarzes Oberteil mit ¾ Ärmeln, schulterfreiem Ausschnitt und silbernem Tribaldrachen auf der Brust. Alles zusammen landete auf dem Bett, als Swentje sich ihr zu grosses Wacken T-Shirt, mit dem sie meistens schlief, über den Kopf zog und es in der gleichen Bewegung aufs Bett pfefferte. Sie angelte nach der frischen Unterwäsche und kurz darauf war sie komplett angezogen. Sie warf die Bettdecke unordentlich über ihre Schlafstätte und zog im Hinausgehen ihre Kette enger, sodass die beiden Knoten, mit denen sie die Weite des Bandes einstellen konnte, sich vorne am Anhänger trafen, der nun in der Senke unterhalb ihrer Kehle lag. Sie warf dem schlafenden Jyri einen letzten Blick zu, als sie das Zimmer verliess und nach unten ins Bad ging, um sich frisch zu machen.

Mitten beim Zähneputzen hielt sie plötzlich inne und blickte sich selbst einen Moment lang kopfschüttelnd im Spiegel an. Warum hatte sie sich angezogen, wenn sie doch eigentlich duschen konnte und wollte!? Der Unialltag hielt sie echt noch in seinen Klauen...

Überprüfend warf sie einen Blick auf den Display ihres Klapphandys, das sie heute morgen hier abgelegt hatte, nachdem sie ihre nassen Sachen neben Jyris aufgehangen hatte. 08:12 Uhr... Sie liess geknickt kurz den Kopf hängen und bekleckterte sich fast mit Zahnpasta. Mit einer schnellen Bewegung konnte sie das Unglück allerdings abwenden und es landete im Waschbecken.

Na ja, gut. Verschlief sie halt nicht den ganzen Tag und konnte die Zeit wenigstens nutzen. Sie spühlte den Mund aus, wusch sich das Gesicht und trocknete es ab. Dann griff sie nach dem Saum ihres Oberteil und wollte es sich gerade über den Kopf ziehen, um den Gedanken an eine Dusche in die Tat umzusetzen, als ihr ein andere Gedanke kam. Das Oberteil schon halb ausgezogen, lehnte sie sich nach hinten und warf einen Blick durch die halboffene Badezimmertür und das Wohnzimer zum Pool hinüber. Viel bessere Idee!!!

Sie entledigte sich vollends des Oberteils und warf es achtlos in eine Ecke. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, lief sie die Treppe wieder hinauf und in ihr Zimmer. Dort griff sie sich ihren Sportbadeanzug und war fast sofort wieder unten im Bad, wo dem Oberteil der Rest ihrer Kleidung, sowie Kette und lederne Armmanschette folgte. Nachdem sie den Schwimmanzug angezogen hatte und sich die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, ordnete sie ihre am Boden liegenden Sachen etwas, nahm sich ein Badetuch und begab sich zum Pool. Sie warf es auf einen der Liegestühle und schritt den abgerundeten und zum Haus hin eine leichte Rechtsbiegung machenden Pool der Länge nach ab.10 Meter... Gut, um einiges kürzer, als in der Halle, aber na ja. Würde sie halt einige Turns mehr machen müssen.

Kurz darauf tauchte sie am hinteren Ende des Pools mit einem Kopfsprung ins Wasser und war angenehm überrascht, als es sich als wärmer als erwartet herausstellte.

Einen Augenblick lang genoss sie das Gefühl, durchs Wasser zu gleiten, bevor sie mit der ersten Schwimmbewegung begann, ausatmete und mit dem Kopf durch die Oberfläche stiess...

45 Minuten später stand sie unter der Dusche und liess das heisse Wasser auf sich herabprasseln. Sie liebte diese Art von Duschen. Einfach die Halterung des Duschkopfs in der Wand befestigt und gut war. Keine Kabine, kein Vorhang. Sie konnte sich wahrend des Duschens quasi völlig frei im Bad bewegen. Dabei war das grosse Bad angenehm schlicht gehalten. Wenn man denn eine halb in den Boden eingelassene grosse Eckbadewanne als schlicht bezeichnen konnte... Aber immerhin befand sich bis auf das Fenster über einer Ecke der Badewanne und einem breiten Spiegel über den Waschbecken, nichts gläsernes im Raum, was das Putzen ansonsten ziemlich aufwendig gestaltet hätte. An der Wand ihr gegenüber befanden sich zwei Waschbecken, die in eine marmorn aussehende Platte eingelassen waren und unter denen sich vier Schränke befanden. Rechts davon befand sich die Tür und links davon die Toilette. An der Wand zwischen Toilette und Eckbadewanne, welche sich links von der Dusche befand, waren drei Regale angebracht, auf denen sich Handtücher, Badetücher und Duschzeug befanden. Ansonsten war der grosse Raum leer und wirkte gerade deswegen ziemlich beeindruckend.

Nach einer ausgiebigen Dusche setzte sie Kaffee auf und entschied sich für Pfannkuchen mit Obstsalat zum Frühstück.

Wenig später überlegte sie, den Teller mit den eingerollten Pfannkuchen mit teils Obstsalat, teils nur Zucker oder Nutella als Füllung auf dem Couchtisch abstellend, welchen Film sie sich ansehen könnte. Sie stellte den Becher Kaffee daneben und begab sich zum übergrossen Fernseher, um im Schrank darunter die Filmauswahl durchzusehen. Da sie so gut wie alle neuen Filme bereits im Original aus dem Internet kannte, blieb ihr Blick schliesslich bei Matrix und X-men hängen. Beide Reihen hatte sie schon lange nicht mehr gesehen, beide Triologien fand sie gut und so hatte sie einige Probleme, sich für eine zu entscheiden.

Schliesslich machte sie es sich ganz einfach: Sie nahm je einen Schuber in eine Hand, schloss die Augen und drehte sie auf den Kopf. Sie hörte, wie die DVD-Hüllen auf den Boden fielen und griff sich dann, immernoch mit geschlossenen Augen, einen Film, nachdem sie eine Weile in dem Haufen herumgewühlt hatte.

X-Men.

Ok, sah sie sich diese Triologie halt an.

Sie schob den ersten Teil in den Player, sammelte die anderen Hüllen ein, packte Matrix zurück in den Schrank und legte die beiden anderen Teile von X-Men auf den Tisch. Dann griff sie sich die Funkkopfhörer und liess sich auf die Couch fallen. Sie hatte zwar nicht übel Lust, die Jungs aus den Betten zu schmeissen, aber die Probe würde einfach besser verlaufen, wenn sie sie weiterschlafen liess. Also nahm sie den Teller vom Tisch, platzierte ihn auf ihrem Schoss, ihre Füsse wiederum auf dem Tisch und genoss ihren ersten offiziellen Semesterferienmorgen.
 

Nach dem 2. Teil der Triologie stand sie auf, streckte sich geräuschvoll und stellte das Geschirr in die Spülmaschine. Langsam konnten die vier Schnapsleichen mal auferstehen.

Sie ging nach oben und öffnete lauter, als notwendig war, die vordere der beiden Türen. Sofort schlug ihr der widerlich süsse Geruch von Alkohol entgegen, den die drei Komapatienten ausdünsteten. Mit einem angwiderten Geräusch wandte sie den Kopf ab, um noch einmal Luft zu holen, bevor sie eintrat.

Im Raum war es dunkel, sodass sie Bastian, Kim und Stefan nur als dunkle Schemen auf ihren Betten ausmachen konnte. Schnurstraks ging sie auf die Balkontür zu. Mit Schwung riss sie die dunklen Vorhänge auf und helles Sonnenlicht flutete in den Raum. „Guten Morgen!“, rief sie übertrieben fröhlich und zog die Balkontür ebenso schwungvoll auf, um dann die frische Luft tief in ihre Lungen zu ziehen. Hinter ihr wurde unwilliges und protestierendes Murren laut und das Rascheln von Bettdecken verriet, dass sie sich alle Drei selbige über den Kopf zogen und sich abwehrend darunter zusammenrollten.

Sie drehte sich energiegeladen um. „Es ist halb Zwei, liebe Leute, also raus aus den Federn!“ Doch als Antwort bekam sie nur wieder unwillige Laute zu hören.

„Na los!“ Sie klatschte zweimal in die Hände und ging wieder Richtung Ausgang. „Auf! Auf! Wir wollten proben! Unten warten schon Kaffee und Aspirin!“ Sie schloss die Tür wieder laut hinter sich und ging in ihr Zimmer. Als sie die Tür öffnete, ertönte sofort Jyris rauhe Stimme. „Ich bin wach! Ich bin wach...“ Er wälzte sich stöhnend auf den Rücken.

„Nett hörst du dich an“, grinste Swentje und schloss die Tür hinter sich. Sie ging zu ihm hinüber und blickte auf ihn herab. „Man, siehst du scheisse aus.“ Er blinzelte zu ihr hinauf und versuchte zu sprechen, bekam aber nur ein heiseres Krächzen zustande. Sie zog eine Augenbraue hoch. „Na ich will nicht hoffen, dass Bastians Stimme genauso im Arsch ist...“ Jyri räusperte sich lautstark und seufzte dann. „Gib mir ein paar Minuten...“, bat er und schloss, sich zurücksinken lassend, die Augen. Wieder grinste sie. Gott, war der Junge fertig. „Sicher. Übrigens sehr sexy, diese raue tiefe Stimme.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Steht dir immer wieder.“

Träge öffnete er ein Auge und sah sie abschätzend an. Sie lächelte zurück und zog dann warnungslos den Vorhang auf. Stöhnend kniff er die Augen zusammen und zog die Decke höher, wahrend Swentje die Glastür völlig aufzog, um frische Luft hereinzulassen. Es stank hier zwar bei Weitem nicht so sehr, wie im anderen Zimmer, aber man konnte trotzdem Jyris gestrige Eskapade erriechen. Sie wuschelte ihm kurz durch die zerzausten Haare. „Die Dusche wartet“, meinte sie freundlich und verliess den Raum.

Im Wohnzimmer angekommen, blieb sie einen Moment lang unschlüssig stehen. Bis die Jungs sich wirklich aus den Betten gequält haben würden, würden mit Sicherheit noch an die zwei Stunden vergehen... Wie sollte sie die Zeit bis dahin verbringen!?

Sie könnte zum See gehen, in der Gegend herumwandern, schonmal ihre Parts durchproben, wobei sie diese aber eigentlich beherrschte. Sie war schliesslich der Songwriter.

Apropos Songwriter…, kam ihr da ein Gedanke. Sie war noch immer nicht wirklich zufrieden mit ihrem Lied >Promised land<. Wurde mal wieder Zeit, dass sie versuchte, etwas an diesem Zustand zu ändern.

Also ab an den See!, entschied sie. Sie ging zum Glastisch und griff in das Fach darunter, um ihre Mappe mit Texten und Entwürfen hervorzuholen. Dann verliess sie das Grundstück durch den Wald und schlug den Weg zum Steg ein, der auf den See hinausführte.
 

Sie wusste nicht, wie lange sie schon an den Noten für den Song herumbastelte, als sie Schritte hinter sich auf dem Steg hörte. Sie verstummte und öffnete die Augen.

„Lass dich von uns nicht stören“, vernahm sie Jyris Stimme. „Mach ruhig weiter“, fügte Stefan gähnend hinzu und liess sich ächzend neben ihr nieder. Sein Kopf sank in seine Hände und er atmete schwer. Leicht besorgt musterte ihn Swentje. „Alles ok?“

Ohne den Kopf aus den Händen zu heben, drehte er diesen etwas und blickte mit einem Augen zu ihr hinüber. „... Geht so... Mein Kopf verträgt das Bier hier nicht so gut...“

„Und das hätte dir nicht gestern Abend einfallen können? Ich mein, ihr seit schon seit ein paar Tagen hier und ich bezweifle stark, dass das gestern die ersten Biere waren, die ihr hier getrunken habt...“, seufzend blickte sie ihn an, die Stirn etwas missmutig in Falten gelegt. „Hey, nun hack nicht noch auf mir rum...“, grummelte er leise. „Ich hab doch gar nicht so viel getrunken... Jedenfalls nicht im Vergleich zu Jyri oder Bastian...“

„Tolles Argument“, murrte sie.

„Ach nun sei nicht sauer“, fügte jetzt auch Jyri hinzu und sie hatte nicht übel Lust, ihm zu sagen, wie sehr sie eigentlich das Recht hatte, sauer zu sein. Aber so normal wie er sich benahm, wusste sie, dass er wirklich alles, was gestern abend passiert war, vergessen hatte. „Lass die Asperin erstmal wirken, dann passt auch alles wieder.“

„Na das will ich doch hoffen“, entgegnete Swentje stattdessen. „Wie gehts dir? Und Bastian? Is seine Stimme ok?“

„Jap.“ Jyri streckte sich und seine Schultern knackten protestierend. Unvermittelt zuckte er zusammen und eine Hand begann über seine rechte Schulter zu streichen. Swentje konnte sich lebhaft vorstellen, wie diese nach der gestrigen Rangelei um die Motorradschlüssel aussehen musste. „Sein Magen ist wohl das grösste Problem...“, riss er sie aus ihren Gedanken und Swentje verdrehte seufzend die Augen. Na wunderbar... „Ich hoffe, das renkt sich auch wieder ein…” „Und meiner fühlt sich auch nicht so prall an...“, fügte Jyri das Gesicht verziehend hinzu. Was für ein Wunder..., dachte Swentje innerlich den Kopf schüttelnd. „Ja, das kann ich mir denken... Autos können ja so mies sein, nicht wahr!?“

Sie legte den Songtext samt Mappe weg und zog die Beine wieder auf den Steg. „Autos?“ Jyri sah sie verständnislos an. „Oh Gott...“ Es schien ihm was zu dämmern. „Sag nicht, ich hab im Rausch schon wieder totale Scheisse gebaut...“ Swentje registrierte belustigt den fast schon verzweifelten Unterton in seiner Stimme. „Tust du das nicht immer!?“, gab Stefan seinen Senf dazu und erntete sofort einen bösen Blick von Jyri.

„Nicht mehr, als normalerweise“, beruhigte sie ihn dann und angelte nach ihren Schuhen.

„... Das heisst, ich will’s lieber gar nicht wissen...!?“, harkte er etwas unsicher nach. „Ach ich könnts dir schon erzählen...“, setzte Swentje an und band sich die Schnürsenkel zu. „Nein!“, unterbrach er sie hastig. „Lieber nicht... Solange ich es nicht weiss, muss es mir auch nicht peinlich sein!“ So einfach war das für Jyri. Swentje schüttelte nur stumm den Kopf. Damit schien das Thema für ihn auch schon erledigt zu sein und er beugte sich vor, um die Änderungen zu studieren, die sie am Song vorgenommen hatte. Er runzelte überrascht die Stirn. „Du hast Grundschlag und Takt beschleunigt?“

„Ja“, antwortete sie, ohne von ihren Schuhen aufzublicken. „Wir sind doch ne Power-Metal-Band, also wollt ich da mal ein bisschen mehr Schwung reinkriegen.“ Nun blickte auch Stefan neugierig auf das Notenblatt und verfolgte die mit Bleistift vorgenommenen Veränderungen in der Takt- und Notengebung. „Sieht gut aus“, meinte er schliesslich und sah wieder auf. “Mal schaun, was draus wird. Ich bin mir noch nicht ganz sicher...“, wehrte Swentje kurz lächelnd ab und verstaute den Papierkram wieder in der Mappe, bevor sich sie erhob. „Woll’n wir zurück? Wird langsam Zeit.“

„Ok...“ Stefan richtete sich umständlich auf und schlurfte dann hinter den Beiden her.
 


 

Er sass vor seinem Keyboard und hatte sich entspannt zurückgelehnt. Die Augen waren geschlossen und seinen Gedanken hatte er freien Lauf gelassen. Er sollte erstmal in sich selbst aufräumen, bevor er sich an die Lieder setzte...

Seine Gedanken kehrten zu ihrer Welttour zurück, die sie gerade hinter sich gebracht hatten. Wer hätte gedacht, dass sie so bombastisch werden würde? Die Fans und die Metalszene hatten Anette überraschend gut aufgenommen und keine ihrer schlimmen Befürchtungen waren eingetreten. Kein Boykott, keine fliegenden Tomaten, kein massenhaftes Ausbuhen. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Im Grossen und Ganzen war die Tour eine der Besten gewesen, die sie bis jetzt gehabt hatten. Sah man von den Pannen an einigen Flughäfen mal ab, wegen denen sie ein paar Konzerte kenzeln mussten...

Trotzdem begann sich ein warmes Gefühl der Zufriedenheit in ihm auszubreiten. Die Band war wieder eine Band. Sehr viel vertrauter und enger zusammengerückt als zuvor, was ihn zusätzlich mit so etwas wie Glück erfüllte.

Das Einzige, dass ihm negativ im Kopf herumspukte, waren einige Meinungen und Ansichten über ihr Album, die sich hartnäckig in der Szene und unter den Fans zu halten schienen.

Stilverlust, Kommerz und die Popigkeit von Dark Passion Play...

Er und die Band verteidigten zwar immer wieder aufs Neue ihr Album, aber das war nunmal die Meinung der Hörer... Und er konnte nicht leugnen, dass es an seinem Ego kratzte, dass sie es so sahen.

Gut, eigentlich konnte es ihm egal sein, was die Massen vom Stil des Album hielten. Er machte Musik um der Musik willen und nicht, um irgendwelche Erwartungen zu erfüllen. Wenn ihnen nicht passte, was er fabrizierte... Keiner zwang sie, es sich anzuhören!

... Er wünschte, er könnte das wirklich so distanziert sehen... Die vielen Interviews, in denen er immer wieder Anettes Stimme verteidigen durfte und in denen er gegen den Vorwurf der Popigkeit anargumentieren musste, sollten ihn genug genervt haben, dass er eigentlich echt darauf pfeiffen können müsste.

Dummerweise hatte genau dieser Umstand auch bewirkt, dass sich diese Statements und Urteile in seinem Kopf festgesetzt hatten und nun doch irgendwie an seinem Ego und seiner Überzeugung nagten... Ihn in einen gedanklichen Strudel zogen, der ihn immer wieder mit sich in die Tiefe zu reissen versuchte...

Das Hochgefühl war verschwunden und hatte wieder einer Art Ärger und Unzufriedenheit Platz gemacht. Er hasste es, an sich selbst zu zweifeln... An seiner Arbeit... Warum nur konnte er nichts wirklich schätzen, was er machte??? Warum konnte er nicht einfach kompromisslos hinter dem stehen, was er erschuf oder tat und die anderen einfach reden lassen!? Warum war sein Selbstwertgefühl nur so dermassen im Arsch... Er wusste die Antwort, aber trotzdem... Man musste doch etwas daran ändern können...

Wieder drohte ihn der Strudel hinabzuziehen, doch er nutzte seinen oft gewählten Ausweg. Wäre ne Option, was darüber zu schreiben… Er hatte zwar bereits Ideen, aber die schienen momentan irgendwie blockiert zu sein... Vielleicht löste ja die Arbeit an einer neuen Idee die Blockade...

Er öffnete die Augen und legte langsam seine Finger auf die Tasten. Das Gefühl in Töne fassen.... Er schloss wieder die Augen und konzentrierte sich auf das Gefühl in seinem Inneren... Seine Finger senkten sich und begannen es in eine Melodie zu fassen...
 


 

Sie kochte innerlich.

Die Probe war ein kompletter Reinfall gewesen. Als etwas anderes konnte sie das Szenario nicht bezeichnen. Allerdings aus anderen Gründen als erwartet.

Wütend hieb sie die Faust gegen einen der Bäume, an denen sie gerade vorbeistapfte und trat kurz darauf beherzt einen Ast aus dem Weg. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Was sollte der Scheiss denn!? Wütend und verletzt presste sie die Kiefer aufeinander, konnte einen gekränkten Laut aber trotzdem nicht ganz unterdrücken.

Den Song bis zur nächsten Probe übermorgen umändern! Na klar! Sie schnaubte wütend. Den Text umschreiben! Logisch! Sie ballte die Fäuste. Das Keyboard mehr einbringen! Aber sicher doch! Scheiss drauf, dass durch all das das ganze Konzept über den Haufen geschmissen wird, das ganze Lied die Message nicht mehr rüberbringt! Scheiss einfach auf alles!!! Wieder fing sich ein Baum einen Hieb ein. Ich schüttel ja ein Lied nach dem anderen einfach so aus dem Ärmel! Ein morscher Ast zerbrach laut unter ihrem Fuss. Ich schlag mir mit dem Prozess des Songschreibens ja nicht die Nächte um die Ohren! Nein! Wieder flog ein Stein davon. Ich schnippse einfach mit den Fingern und er liegt fertig vor mir!

Ihr mich auch!

Wieder trat sie heftig nach einem Baum. Ihre Gedanken trieften nur so vor Bitterkeit und Sarkasmus. Wenn das alles so einfach ist, dann macht es doch selber! Schlau daherreden kann ich auch!!!

Sie streunte weiter wütend vor sich herbrodelnd durch den Wald und liess ihren Gedanken freien Lauf. Hier geigte sie ihnen so richtig die Meinung, warf ihnen imaginär all das an den Kopf, was sie ihnen eigentlich hatte sagen wollen, aber nicht gekonnt hatte. Einfach, weil sie sie mit ihren Worten zu sehr getroffen hatten. Sie hatte es wiedermal geschluckt, ihre Gefühle zurückgehalten und einfach nur schlicht und gepresst geantwortet.

Bis jetzt.

Nun stürmte sie schon fast durch den Wald, ohne überhaupt zu wissen, wohin ihre Beine sie trugen. Das Einzige, was momentan interessierte, war, dass die Gefühle irgendwie rauswollten und das am Liebsten in physischer Form. Sie wollte auf irgendetwas einschlagen, irgendetwas kaputtmachen, irgendjemanden erwürgen... Aber die einzige Möglichkeit dazu, bestand in ihren Gedanken. Vor ihrem inneren Augen schüttelte sie Kim grob durch und ohrfeigte Bastian wohl ein gutes Dutzend mal in schneller Abfolge, wobei sie beide lauthals anbrüllte. Den Gesichtsausdruck, den sie bei dieser Vorstellung draufhatte, hätte wohl jeden Menschen, der zufällig ihren Weg gekreuzt hätte, davon abgehalten, sie anzusprechen und vielmehr einen Bogen um sie zu machen. Wenn ihre brodelnde und aggressive Ausstrahlung sie nicht schon vorher dazu angehalten hätte.

Swentje brach ungeachtet eventüller Verletzungen weiter durch das Unterholz und liess sich auch von Brombeerranken nicht aufhalten, die sich über den Waldboden dahinzogen und sich um ihre Füsse zu winden schienen. Ohne auf die Schmerzen zu achten, die die Dornen verursachten, wenn sich losriss, marschierte sie weiter.

Vielleicht waren die Schmerzen sogar etwas willkommen...



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