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God's Dark Sabbath

Gott schickt mir einen Engel
von

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Ben

Die späteren Tage des Monats Mai waren regnerisch und dunkel. Die Gewitterwolken hingen bedrohlich schwer über unserer Stadt und dicke Tropfen trommelten gegen das große Fenster in meinem Büro, an dem ich stand und in Ruhe eine Zigarette rauchte. Um mich herum gab es kein weiteres Geräusch. Es war bereits 17 Uhr 38 und unsere Angestellten hatten sich schon in den Feierabend begeben. Ich mochte die Stille im leeren Gebäude. Unsere Bekleidungsfirma, in der ich der stellvertretende Leiter war, war nicht sonderlich groß, besaß nur noch einen Nebenposten in der Nachbarstadt. Die Arbeit gefiel mir, weil sie mich zwar forderte, aber nicht überanstrengte. Mein Chef war Mary Alice Harlander, eine knallharte Geschäftsfrau in ihren frühen Fünfzigern, die jeden Mann in die Knie zwang, egal ob im Job oder im Privatleben. Sie hat gerade ihre vierte Ehe hinter sich. Gatte 2 und 3 hatte sie überlebt, Gatte 1 hatte sich ins Ausland abgesetzt und Gatte 4 hatte eine Klage wegen versuchtem Todschlags am Hals. Ich weiß nicht was Mary angestellt hatte um den armen Teufel soweit zu treiben. Sie selbst nahm das Ganze mit unübertroffenem Humor.

Der kleine Funksprecher auf meinem Schreibtisch piepte und ich schlenderte an den Schreibtisch heran um den blinkenden Knopf zu betätigen.

„Ja, Mary?“, meldete ich mich und setzte mich an meinen Schreibtisch.

„Ich mach mich auf den Weg, Schätzchen“, knackste es aus dem Lautsprecher, „Ich habe noch ein Treffen mit diesem verschrobenen John McLair. Wie sieht es mit deinem Feierabend aus?“

„Ich mache gleich Schluss. Ich warte noch auf ein Fax von Camelchords Corp. Dann bin ich auch weg.“

„Gut. Dann sehen wir uns morgen. Die Konferenz war um zehn?“

Ich grinste. „Nein, um neun. Ich hole dich besser ab.“

„Wenn ich dich nicht hätte, Darling. Hab einen schönen Abend.“

„Du auch, Mary. Bis morgen.“

So war es immer. Knallharte Geschäftsbedingungen, aber ihre Termine hatte sie nie richtig im Kopf. Ich war mehr ihr Privatsekretär als alles andere, aber ich konnte mir keinen besseren Boss vorstellen.

Es klopfte an meine Tür und nach meiner genuschelten Erlaubnis zum Eintreten, öffnete mein Kollege Stuart Cramer und steckte seinen blonden Schopf hindurch. Er grinste.

„Wusste ich doch, dass du noch hier bist“, kommentierte er und trat schließlich ganz ein, „Sagtest du nicht vorhin noch, du seiest fertig?“

Gelassen breitete ich die Arme zu beiden Seiten aus und lehnte mich genüsslich auf meinem Stuhl zurück. „Sieht das nach Arbeiten aus?“, stellte ich die Gegenfrage.

„Nein. Es sieht eher danach aus, als würdest du einen Grund suchen nicht nach Hause zu müssen.“

„Warum bist du kein Hellseher geworden?“

Stuart zog eine Augenbraue hoch. „Hey, ich kann nichts dafür, dass die Handwerker nicht fähig sind deine Heizung wieder in Gang zubekommen.“

„Hast ja recht“, seufzte ich und drückte den Zigarettenstummel in meinem Aschenbecher aus, „Also, was hast du heute vor?“

In diesem Moment piepte mein Faxgerät und das Blatt Papier landete geradewegs in der dafür bereitgestellten Ablage. Ich nahm es zur Hand und warf einen prüfenden Blick darauf. Alles war wie es sein sollte.

Stuart zuckte die Schultern, „Wie wäre es mit einem Bier im Foxxys?“

Angewidert verzog ich das Gesicht, während ich einen Aktenordner zur Hand nahm und das Fax einheftete. Dann stellte ich den Ordner in sein Fach zurück.

„Stu, du weißt genau, dass ich diesen verklemmten Heteschuppen nicht leiden kann. Ich habe nicht wirklich Bock, wieder aus diese Idioten zu treffen, die meinen, nur weil ich schwul bin, könnte ich nichts einstecken. Zur Abwechslung wäre es auch mal ganz toll ein Bier ohne aufgeschürfte Fingerknöchel zu genießen.“

„Das war vor zwei Monaten“, erinnerte Stuart mich.

„Ja, weil ich seitdem nicht mehr hingegangen bin“, unterbrach ich ihn.

„Aber Piet und Damien sind doch bestimmt auch da.“

„Ruf sie an und sag ihnen, sie sollen ins Zodiacs kommen.“

Vorwurfsvoll blickte Stuart mich an. Ich wusste sofort was er sagen wollte. Seit ich ihn vor einer ganzen Weile dazu überreden konnte das Zodiacs einfach mal aufzusuchen, wollte er in keine Schwulenbar mehr. Es war nicht so, dass der Laden dafür bekannt war, besonders tuntig zu sein, vielmehr war er bekannt für seine ziemlich spontanen Mottoparties. Am besagten Abend ist Stuart nach einer halben Stunde geflohen, weil ein paar Dragqueens der mittleren Alterstufe im betrunkenen Kopf ihn dazu überreden wollten für sie zu strippen und ihn dabei nicht gerade zimperlich zu drängten. Es sollte ein Witz sein, nichts weiter. Er hatte es mir nie verziehen, dass ich ihm nicht zur Hilfe gekommen war. Und seither war Stuart nicht bereit mich wieder einen Laden aussuchen zu lassen.

„Dann schlag etwas Besseres vor“, lenkte ich schließlich ein.

„Wir gehen in die Lounge des Imperiums“, meinte er nach kurzer Überlegung.

Ich ließ es mir auf der Zunge zergehen. Das Imperium war unser großes Stadthotel, berühmt für sein gutes Restaurant und seine einmalige Bar. Der Preis zwar auch nicht zu verachten, dafür war der Service aber auch hervorragend und solange man nicht täglich im Imperium speiste, durfte man sich zwischenzeitlich ja auch mal etwas gönnen.

„Ja, gute Idee“, stimmte ich dann endlich zu, packte meine Sachen zusammen und verließ gemeinsam mit Stuart das Bürogebäude durch die Tiefgarage.
 


 

Die Lounge im Imperium war immer gut besucht, aber niemals überfüllt. Stuart und ich ergatterten eine gemütliche Ecke in der Nähe des pompösen Quallenaquariums. Der einzige blaue Farbgeber zu der beige-braunen Garnitur.

Ein Saxophonist und ein Pianist am schwarzen Flügel im hinteren Teil des Raumes gaben gerade „Misty“ zum Besten. Jazzmusik war eigentlich nicht so mein Geschmack, doch verlieh es dem Ort seine ganz eigene Atmosphäre, die ich nicht hätten missen wollen.

Eine junge Kellnerin nahm unsere Bestellungen entgegen, dann lehnten Stuart und ich uns erst einmal zurück und lauschten der sanften Musik. Stuart hatte die Angewohnheit beim Musikhören immer mit dem Zeigefinger auf der nächstbesten Oberfläche zu trommeln. In diesem Fall seiner Sessellehne. Er war äußerst unmusikalisch, besaß keinerlei Taktgefühl und trommelte meistens viel zu schnell. Tanzen konnte er auch nicht, aber darin lag unser gemeinsames Interesse so wieso nicht. Stuart und ich waren schon lange Freunde und er respektierte meine Sexualität vom ersten Augenblick an. Glücklicherweise war er nicht mein Typ, das hätte die ganze Angelegenheit wohl nur erschwert. Außerdem war er viel zu bodenständig für mich. Sein Traum war es schnell wie möglich die richtige Frau fürs Leben zu finden, zu heiraten, zwei, drei Bälger in die Welt zu setzen und ein großes Haus zu bauen, in dem er und seine Geliebte bis ans Ende ihrer Tage ihren Enkeln oder Urenkeln bei Spielen zusehen konnten. Es mag daran liegen, dass ich schwul war, obwohl es ja auch solche Männer gab, die Kinder adoptierten, um eine Familie zu gründen. Für mich war das allerdings nichts. Ich hatte Susan, die den Enkelwunsch unserer Eltern erfüllte. So war es mir gegönnt frei wie ein Vogel zu leben und zu lieben wie ich wollte. Eine größere Beziehung habe ich nach meiner Highschoolzeit geführt. Es lief drei Jahre gut, dann haben wir uns im gegenseitigen Einverständnis getrennt. Daniel war so ein Fall Schwuler, der gerne Kinder hätte. Da unsere Vorstellungen für ein Leben zu weit auseinander gingen, entschieden wir, dass es besser wäre, wenn jeder seinen eigenen Traum lebte. Heute hat er zwei Mädchen, soviel ich weiß. Und einen Koloss von einem Partner, der in der Baubranche tätig ist. Hin und wieder trifft man sich, glücklicherweise ohne im Bett zu landen, obwohl ich zugeben muss, dass ich schon den einen oder anderen Stich spürte, wenn ich sah, wie glücklich er mit George war.

Für mich hatte die Liebe alle Register geöffnet, aber nichts festes mehr hinterlassen. Ich würde wohl der ewige Junggeselle bleiben.

Lächelnd stützte ich bei diesen Gedanken meinen Kopf auf meine Handfläche und beobachtete zwei Männer an einem anderen Tisch, die wohl ebenfalls ihr Feierabendbier genossen.

„Sag mal…wie geht es eigentlich Patrick?“, riss mich Stuart plötzlich aus der Träumerei und schmunzelte mich an.

Ich zuckte die Schultern. „Zuletzt beim Dealen unter der Gallertbrücke gesehen. Müsste ein paar Wochen her sein…wieso fragst du?“

Stuart schüttelte verständnislos den Kopf. „Du suchst dir in letzter Zeit schwierige Jungs aus, oder?“

Unsere Biere kamen und wir prosteten uns zu.

„Den Drogenjunkie hat er ganz plötzlichen heraushängen lassen. Das konnte nun wirklich keiner ahnen“, erwiderte ich und ließ mir den ersten, kühlen Schluck schmecken.

„Das stimmt…allerdings war es doch davor dieser suizidgefährdete Lehrer, oder nicht?“

„Das war ein One-Night-Stand“, berichtigte ich unbeeindruckt, „Es war definitiv nicht meine Schuld, dass er zwei Tage später vor einen Zug gesprungen ist. Zumal er irgendwie überlebt hat…auch wenn er nun im Rollstuhl sitzt.

„Sagen wir doch einfach, du hast einen Hang zum Drama“, versuchte Stuart das leicht abgerutschte Thema zu retten.

„Mag sein“, murmelte ich, betrachtete das Bierglas in meiner Hand und musste dann an Clarissas Konfirmation denken.

„Hast du schon mal einen schwulen Pastor kennen gelernt?“, fragte ich schließlich.

Stuart hielt in der Bewegung inne und starrte mich an. Sein Blick sprach Bände.

„Keine Angst, ich hatte keinen, falls du das denkst.“

Augenmerklich sackten seine Schultern entspannt nach unten. In Momenten wie diesen fragte ich mich, ob Stuart mich auch für einen sexbesessenen Homo hielt, wie meine Schwester es tat. Sicher gibt es dieses Klischeedenken über Schwule. Dass sie alle drei Sekunden an Sex dachten oder so, aber Gerüchte waren in den meisten Fällen eben nur Gerüchte und ich konnte mir nicht vorstellen, dass heterosexuelle Männer nicht auch sofort an Sex dachten, wenn sie eine schöne Frau sahen. Welchen Interessen wir auch frönten, Mann blieb eben Mann.

„Ich weiß nicht, ob der Kerl schwul ist, jedenfalls wirkte er nicht so unschuldig wie es seiner göttlichen Berufung vorschreibt“, erzählte ich weiter.

„Wo hast du ihn denn kennen gelernt?“, wollte Stuart wissen.

„Bei Clarissas Konfirmation. Haben aber nicht viel mit einander gesprochen. Meine liebe Nichte hat scheinbar im Konfirmandenunterricht über mich erzählt.“

Stuart lachte. „Erstaunlich, dass Clarissa noch konfirmiert wurde, obwohl sie ein schwarzes Schaf in der Familie vorzuweisen hat!“, piesackte er mich und ich grinste. Ich wusste, dass er solche Bemerkungen nicht böse meinte. Und schließlich hatte er irgendwie recht. Auch wenn die Protestanten nicht so verklemmt wie die Katholiken waren, warf es nicht gerade das beste Licht auf jemanden, der Homosexuell war. Ich konnte mir allerdings auch nicht vorstellen, dass Clarissa im Unterricht darüber gesprochen hatte, dass ich schwul war.

Stuart hatte sich etwas vorgebeugt. „Und?“

Ich blinzelte ihn verständnislos an. „Was und?“

Er verdrehte kurz die Augen. „Willst du ihn wieder sehen?“

Nun war ich es der auflachte. „Mach mal halb lang. Vergiss nicht, dass er ein Gottesmann ist. Selbst wenn es zwischen uns funken sollte, kann ich mir nicht vorstellen, dass er seinen Beruf für einen Flirt an den Nagel hängt. Außerdem kenn ich ihn überhaupt nicht. Okay, er sieht wirklich verdammt gut aus“, gestand ich immer noch grinsend, „Aber es gibt viele hübsche Männer auf der Welt. Er ist nur einer unter vielen. Und jetzt sieh mich nicht so an, Stu, ich weiß, dass du an die große Liebe glaubst.“

„Ich wollte gar nichts sagen“, beteuerte er scheinheilig und nippte wieder an seinem Bier.
 


 

Ich hätte ahnen können, dass mir Andrew Gladson nicht so ohne weiteres aus dem Kopf gehen würde. Seid der Konfirmation waren nun fast drei Wochen vergangen und es kam immer wieder vor, dass sein feingeschliffenes Gesicht mit erotischdüsteren Augen in meinen Träumen erschien.

Ich war nach einem letzten kleinen Snack in meiner Wohnung vor dem Fernseher eingeschlafen. Stuart und ich sind nach einigen Bieren auf Cocktails umgestiegen, die mich zwar nicht umgehauen, aber schläfrig gemacht hatten.

Während der junge Pastor nackt auf allen Vieren auf mich zu gekrochen kam, sich auf meinen Schoß setzte und einen wilden Kampf mit meiner Zunge entfachte, schreckte ich plötzlich ruckartig aus dem Schlaf. Das Erotikprogramm auf der Mattscheibe präsentierte mir ein paar pralle Brüste einer dunkelhäutigen, scheinbar sehr spielwilligen Señorita.

Ich stöhnte enttäuscht darüber, dass dieses Weibsbild sofort mein Traumbild zerstören konnte, schaltete den Fernseher aus und schlich dann zu meinem Schlafzimmer hinüber um gleich genüsslich in das leichte Bettlaken zu kriechen. Mit etwas Glück war mir ja doch noch ein weiterer Traum von dem Engel gegönnt. Mit einem schmutzigen Schmunzeln auf den Lippen, schloss ich die Augen und wartete auf den seligen Schlaf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-05-28T16:29:47+00:00 28.05.2010 18:29
Gut, im Laufe des Wochenendes ist anders, aber ich musste einfach weiterlesen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Auch nach den beiden anderen Kapiteln bin ich der Meinung, dass dies eine der besten Geschichten ist, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Daher wundert es mich, dass du so wenig Kommentare bekommen hast. o.O" Aber doch sicher viele Favos, oder?
Na ja, in diesem Kapitel sind einige Tippfehler, wenn du willst, schreibe ich sie dir auch noch genauer raus, aber wirklich wichtig ist es nicht. Interessant finde ich bei diesem Kapitel besonders die beiden neuen Figuren, Mary und Stuart. Vor allem Mary, die ja eigentlich nur im ersten Absatz wirklich auftaucht und danach nur noch ein kleines Gespräch bekommt, ist mir schnell ans Herz gewachsen. Deine Charaktere sind wirklich fantastisch, weil sie jede eine eigene, starke Persönlichkeit besitzen.
Eigentlich mag ich es gar nicht, nur zu loben, aber mir will gerade einfach nichts Negatives einfallen... =D
Mich stört es auch nicht, dass man nicht weiß, wo die Geschichte spielt, was ja eine Kritik im ersten Kapitel von jemandem war. Es passt einfach irgendwie.

Liebe Grüße,
Hell

Von:  Terrormopf
2010-01-27T17:55:44+00:00 27.01.2010 18:55
Heyho!
So, jetzt hab ich's endlich geschafft as zweite Kapitel zu lesen (und du hast schon das dritte gepostet xD).

Es hat mir wieder gut gefallen. Besonders in den Beschreibungen der Orte zum Beispiel. Ich liebe diese Beschreibungen mit groben Details, wie die beige-braune Garnitur und dazu das blaue Quallenaquarium und mit der Musik hast du die Szene - sozusagen - dreidimensional gemacht =)

Aber irgendwie hat mich das Kapitel so an Queer as Folk erinnert (wenn du es kennst), was nun nicht negativ gemeint ist, weil ich QAF liebe!

So, dann wollte ich noch auf zwei formelle Dinge zu sprechen kommen:
1. Punkt, Gänsefüßchen, Komma geht nicht in der Reihenfolge. Da wird der Punkt dann weggelassen =)

2. Bettlacken... ich bemühe mich in der Regel nicht auf Rechtschreibfehler zu achten, aber der war echt... naja... vielleicht auch nur ein Tippfehler, weil deine Rechtschreibung ja ansonsten astrein ist =)

Also, ich mach mich jetzt ans nächste Kapitel (muss ich jetzt wegen dem "adult" Angst haben?)
LG, Terrormopf

Von:  XxSnowDropxX
2010-01-07T21:53:22+00:00 07.01.2010 22:53
schade das hier der pastor nicht vorkommt =)
aber sonst gut^^

lg


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