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Vermilion

von

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Drei Schatten

Drei Schatten
 

„In der letzten Nacht starben bei einem Autounfall zwei Menschen. Das Ehepaar hinterließ eine 12-jährige Tochter, die den Autounfall, leicht verletzt, überlebte. Der Unfallverursacher war ein Betrunkener, der unverletzt überlebte. Die Waise ist jetzt in staatlicher Obhut...“
 

Dieser Bericht sorgte für große Schlagzeilen. Noch eine Weile wurde das gerichtliche Verfahren, in dem der Verursacher des Unfalls zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde, verfolgt. Doch nach und nach verloren die Menschen das Interesse. Neuere, traurigere Geschichten drängten die Berichte aus der Zeitung.

Mich interessierte es nicht. Als meine Eltern starben, ging meine Welt unter und alles wurde grau und schlecht. Nicht einen sonnigen Tag hatte es seitdem für mich gegeben.

Es gab eine Menge Debatten darüber, was mit mir geschehen sollte. Es wurde entschieden, dass ich ins Waisenhaus kommen sollte. Nach meiner Meinung hatte nie jemand gefragt, aber es war mir auch egal.

Ich fühlte nichts mehr.

Die Betreuer des Waisenhauses schickten mich zu einem Therapeuten, doch es war sinnlos. Man verschrieb mir Tabletten und irgendwie ließ ich sie immer wieder verschwinden.

Ob ich lebte oder starb, es war mir egal. Meine Seele war betäubt und träge und ich dachte, es würde sich nie wieder ändern.
 

Wie immer begann ein trüber Tag. Alle um mich herum trugen kurze, bunte Kleidung, einfach grässlich! Ich trug seit dem Unfall nur noch schwarz. Es schien mir angemessen und etwas anderes kam nicht in Frage. Ich fühlte mich nicht mehr dazugehörig und die Menschen um mich herum zeigten mit dem Finger auf mich. Ich war nur noch ein Schatten meiner selbst.

Auf andere wirkte ich wahrscheinlich wie ein kleiner Geist, denn meine helle Haut stand im direkten Gegenteil zu meiner schwarzen Kleidung und meinen dunkelbraunen Haaren.
 

Ich hasste die Sonne. Sie schien mich zu verhöhnen. Auch an diesem Tag schien sie umbarmherzig und verbrannte meine geschundene Seele. Ich hasste solche Tage.

Ich wurde gezwungen in die Schule zu gehen. Ich lernte nichts und hatte dort keine Freunde. Sie schienen alle in einer anderen Welt als ich zu leben.

Jede Minute schien Stunden zu dauern und quälend langsam ging auch dieser Tag zu Ende.

Ich wurde ignoriert, denn mir war es völlig gleichgültig, wenn man mich ärgerte, oder mich bedrohte. Vielleicht war der Tod auch besser, als das Leben. Konnte es eine noch schlechtere Welt, als diese geben?
 

Ich machte mich auf den Rückweg, ich wollte zurück in dieses dunkle Zimmer und an nichts mehr denken.

Plötzlich krachte es. Vor mir wurde ein Mann überfahren. Er blutete stark und die Menschen wurden hysterisch. Sie schrieen und eilten dem Mann zu Hilfe.
 

Ich blieb stehen und sah dem Spektakel ungerührt zu. Wie seltsam. Ich fühlte rein gar nichts, nicht einmal Trauer. Ich beobachtete sie alle. Die Helfer, die geschockten Zuschauer. Jeder Einzelne fühlte sich dem Mann verbunden und wollte helfen. Aber warum? Sie kannten ihn genauso wenig wie ich und doch...
 

Das Ganze dauerte eine halbe Stunde. Die ganze Zeit rührte ich mich nicht vom Fleck. Der Mann wurde im Krankenwagen weggefahren und die Menschenmenge löste sich allmählich auf. Ich blieb stehen und niemand schien mich zu bemerken. So viele Gedanken schwirrten in meinem Kopf herum.

„Wieso helfen Menschen jemanden, den sie nicht kennen? Warum waren sie so aufgewühlt, traurig oder geschockt?“ Als ich diesen Mann sah, sah ich einfach nur das Geschehen. Ich sah das verbeulte Auto, den verletzten Mann, die Menschen um ihn herum, doch Gefühle hegte ich keine.

Mir wurde erst nach und nach bewusst, dass die Sonne langsam unterging. Endlich war diese grausame Lichtkugel verschwunden. Ich setzte meinen Weg fort.

Die Dunkelheit tat gut. Alles war ruhig und einsam, genau wie ich es wollte.

Die Straße war wie leer gefegt, denn niemand wollte nach Einbruch der Dunkelheit noch hier sein. Bandenkriege machten diese Gegenden unsicher.

Plötzlich sauste etwas über mich hinweg. Ein Vogel? Nein, etwas größeres. Ich hatte keine Angst aber ich war neugierig, ein Gefühl, dass ich schon lange nicht mehr gespürt hatte.
 

Ich folgte dem Schatten und in einer Gasse holte ich es ein.

Die Gasse war umgeben von hohen Mauern, die alte Plattenbauten einschlossen, eine üble Gegend.

Es waren mehrere Menschen dort versammelt. Ich versteckte mich hinter einer Mülltonne und beobachtete diese seltsame Szene.

Eine Laterne in der Nähe fing an zu flackern und dann sah ich es ganz deutlich. Drei Männer in seltsamer Kleidung und mit Schwertern kämpften gegen zwei Wesen, die ich eindeutig als Dämonen erkannte.

In dieser Welt gab es nur noch wenige Dämonen. Diese grausamen Mörder wurden nach und nach von einer geheimnisvollen riesigen Familie Namens „Cage“ gejagt und ausgerottet. Die Menschen verehrten und fürchteten diese Menschen, die rücksichtslos auch Unschuldige töteten, um an ihr Ziel zu kommen.
 

Nun konnte ich mit eigenen Augen sehen, wie Mitglieder der Cage die wahrscheinlich letzten Dämonen auslöschten. Sie taten mir nicht leid, so etwas wie Mitgefühl kannte ich nicht mehr. Doch ich kam nicht umhin zu bemerken, wie menschlich diese Dämonen wirkten. Sie hatten rote Augen und spitze Ohren, doch das war fast das Einzige, was sie von Menschen unterschied.

Die drei Cage griffen das Dämonenpaar, ein Mann und eine Frau, mit ihren Schwertern an. Warum wehrten sich diese Dämonen nicht richtig?

Dann sah ich es. Hinter dem Paar stand ein kleines Kind. Es kauerte im Schatten einer umgefallenen Mülltonne um schaute seine Eltern ängstlich an. Diese wehrten die Hiebe der Cage mit etwas ab, dass aussah, wie ein rötlicher Schutzschild. Die drei Männer schlugen immer kräftiger zu und der Dämonenmann sank auf die Knie. Die Schwerter fingen an zu leuchten. Die Augen der Dämonenfrau glitzerten voller Entschlossenheit. Sie wollten ihr Kind schützen und würden für es sterben, das erkannte ich sofort.

Das Kind kroch aus der Dunkelheit zu seinem Vater und umarmte ihn. Dies schien ihn zu stärken, denn der Dämonenmann stand auf und der Schutzschild, das zu brechen drohte, leuchtete in neuer Kraft.

All diese ungewöhnlichen Dinge, die hier geschahen, überraschten mich kaum. Ich nahm es, wie schon den Unfall zuvor, völlig sachlich auf.
 

Die beiden Dämonen wurden von den flammenden Schwertern immer weiter zurückgedrängt. Sie bewegten sich langsam in meine Richtung. Ich rührte mich nicht vom Fleck. Selbst wenn sie mich entdecken und umbringen würden, es war mir völlig gleich. Vielleicht war es sogar besser so, denn was hatte mein Leben denn schon für einen Sinn?

Das Dämonenkind stand nun genau vor der Mülltonne, hinter der ich hockte. Seine Mutter drehte sich besorgt zu ihm um.
 

Unsere Augen trafen sich nur einen Moment. Ihre roten Augen spiegelten so viele Gefühle wider, es war fast unerträglich, besonders für jemanden wie mich, der zu fühlen verlernt hatte. Sie drehte sich wieder um und ließ sich nichts anmerken. Sie ging einen Schritt zurück und drängte ihr Kind somit zu mir. Ganz plötzlich stürmte sie durch den Schutzschild und griff die drei Männer mit aller Kraft an.

Alle waren gleichermaßen überrascht. Das Kind, ihr Gefährte und die drei Männer. Mir war es egal, sollte sie sich doch umbringen. Der Dämonenmann drehte sich zu seinem Sohn um, jetzt sah auch er mich. So etwas wie erkennen trat in sein Gesicht und er stürmte seiner Frau hinterher. Ich begriff nicht, warum sie das taten. Sie beide drängten die Cage zurück und entfernten sich immer mehr von mir und ihrem Kind, das reglos vor mir stand.

Der kleine Junge ging langsam rückwärts und versteckte sich hinter der Tonne. Erst als er sich zusammengekauert umschaute, entdeckte er mich. Er sah mich überrascht an. Seine Augen waren ebenfalls rot, sie spiegelten Leid und Angst wider. Ich fand sie erträglicher, als die seiner Mutter.

Ein Schrei durchbrach die Stille. Der Dämonenmann sank leblos zu Boden. Der kleine Junge neben mir zuckte zusammen und stumme Tränen rollten an seiner Wange entlang.

Seine Mutter kämpfte, wie ein Löwe. Sie blutete stark und überall waren Pfützen von Blut.

Die drei Männer schnauften erschöpft, doch sie schlugen umbarmherzig weiter auf die Frau ein. Sie hatten es geschafft, ein Schrei und die Frau sank leblos zu Boden.

Die Cage - Männer machten eine Verschnaufpause und sahen sich atemlos an. „Sie hatten noch ein Kind dabei, oder?“ Die Stimme klang rau und tief. Er musste der Anführer des Trupps sein, ging es mir durch den Kopf.

Der Kleine neben mir versuchte seine Schluchzer zu unterdrücken und duckte sich noch tiefer hinter die Tonne. Die Cage – Männer schauen sich um.

„Wahrscheinlich werden sie mich auch töten, wenn sie ihn finden.“ Es war mir egal, ich hatte keine Angst.

Plötzlich regte sich ein Gefühl in mir, Rache. Ich wusste nicht wieso, aber aus irgendeinem Grund wollte ich, dass diese Männer versagten, wollte sie in Rage bringen.

Ich stand auf. Die Männer drehten sich überrascht zu mir um und hielten ihre Schwerter bereit.

Ich stand im Schatten und so sahen sie nur meine Silhouette . Sie hielten mich für das Kind und rannten auf mich zu. Genau das hatte ich beabsichtigt! Ich rannte davon und sie folgten mir. Sie liefen einfach an dem Jungen, der da im Schatten kauerte, vorbei.

Ich musste grinsen. Es war eine Genugtuung sie so herein zu legen. „Sie haben es verdient!“

Ich fühlte mich zum ersten Mal seit Wochen richtig lebendig. Ein seltsames Gefühl.

Ich lief in den Park, die drei Männer hinter mir her.

Plötzlich sauste, wie schon zu Beginn dieses seltsamen Schauspiels, etwas über meinem Kopf hinweg. Wie aus dem Nichts stand einer der Männer vor mir. Er muss über mich hinweg gesprungen sein! Fast wäre ich gegen ihn gerannt, konnte aber noch rechtzeitig stehen bleiben. Sie hatten mich umzingelt. Im Licht der Laterne konnten sie mich erkennen und starrten mich überrascht an. „Das ist nicht das Dämonenkind!“ Der Anführer war entsetzt. Ich grinste innerlich. „Tja, da seid ihr wohl reingefallen!“, schoss es mir durch den Kopf. Diese Gedanken verwirrten mich. Wieso fühlte ich auf einmal so viel?

„Sprich, Mädchen! Wer bist du?“ Der Anführer hielt mir sein Schwert entgegen.

Trotz des Laufens war ich nicht aus der Puste. Ich stand völlig ausdruckslos und gelassen vor ihm. Ich hatte seit dem Unfall nicht mehr gesprochen, warum sollte ich das nun tun?

Der Mann schwang sein Schwert, ich rührte mich nicht und blinzelte nicht einmal.

Das Schwert stoppte Millimeter vor meinem Hals.

„Die ist ja völlig zurückgeblieben!“, rief einer der Männer aus. Der Anführer sah mir in die Augen. Ich hielt seinem strengen Blick völlig emotionslos stand.

„Sie scheint wirklich irgendwie zurückgeblieben zu sein! Suchen wir das Dämonenkind!“

Der Jüngste der drei Männer sah mich an. „Shit, es ist bestimmt über alle Berge! Dieses dumme Mädchen!“ Er packte mich an den Armen. Es hätte bestimmt wehgetan, wenn ich etwas hätte fühlen können, aber so schaute ich ihn bloß gleichgültig in die Augen. Er wurde wütend, ich amüsierte mich köstlich. Diese überheblichen Mörder würden mich nie verletzen können, während ich sie völlig aus der Fassung brachte.

Der Mann ließ mich los. „Wir müssen uns beeilen! Was machen wir mir ihr?“

Der Anführer ging an mir vorbei. „Wir lassen sie hier, ist doch klar! Die kann eh niemanden etwas erzählen. Los jetzt!“

Im nächsten Moment waren sie verschwunden.

Ich blieb einen Moment stehen. Sollte ich nach Hause gehen? Meine Neugierde siegte, ich machte mich auf die Suche nach dem Kind.

Ich ging zurück in die Gasse. Er war nicht mehr hinter der Tonne, wäre ja auch ziemlich dumm gewesen. Ich ging weiter und plötzlich regte sich neben mir etwas. Die Tonne bewegte sich. Sicher nur eine Katze. Ich schaute hinein und der kleine Dämonenjunge sprang mir fauchend entgegen.

Er kauerte sich in die Ecke der Mauer und starrte mich völlig verängstigt an. Er wirkte wie ein Rehkitz. Ich ging einen Schritt auf ihn zu und er fauchte mich erneut an und versuchte noch weiter in die Ecke zu kriechen, natürlich erfolglos.

Ich setzte mich auf den Boden und schaute ihn ruhig an. Er fauchte noch immer leise. Ich blieb sitzen und die Minuten vergingen.

Der Junge beruhigte sich langsam und sah mich misstrauisch an.

Aus Minuten wurden Stunden. Es war völlig still um uns herum und der Junge kämpfte mit der Müdigkeit. Ich war weder müde noch hungrig. Ich tat das, was ich am Besten konnte, nichts! Der kleine Dämon fror. Ich hätte ihn, wie alle Menschen, eigentlich hassen sollen, aber auf gewisse Weise waren wir uns ähnlich. Wir waren beide Waise und würden in dieser Gesellschaft nie akzeptiert werden, weil wir uns nie anpassen würden.

Das Kind krabbelte auf mich zu, es zitterte. Seine Hand bewegte sich langsam und zitternd auf mich zu. Ich rührte mich nicht. Er berührte mich und schreckte dann zurück, als er merkte, dass ich lebendig war. Ich schaute ihn nur an. Er berührte mich erneut und schreckte diesmal nicht zurück.

Er setzte sich neben mich, schaute mir ins Gesicht und ich wartete. Es vergingen Stunden und der kleine Junge neben mir schmiegte sich an mich. Er schlief ein.
 

Der Tag brach an. Die grausame Sonne war im Begriff aufzugehen. Ich konnte mich kaum rühren, meine Arme und Beine waren eingeschlafen, aber es störte mich nicht.

Als ich mich bewegte wachte der Junge auf. In Morgenschein wirkte seine Haut unnatürlich hell und seine roten Augen stachen wie Rubine aus seinem Gesicht hervor.

Ich stand auf, der Junge tat es mir nach und als ich ging folgte er mir. Ich ignorierte ihn und machte mich auf den Rückweg nach Hause. Ich musste zurück ins Waisenhaus.

Sie hatten wahrscheinlich schon die Polizei gerufen, aber was machte das schon.

Hinter mir hörte ich das Tapsen nackter Kinderfüße, der Dämon folgte mir noch immer. Die ersten Menschen waren auf der Straße zu sehen. Ich ging die Gassen entlang und nahm Schleichwege, denn ich wollte nicht unnötig auffallen.
 

Das altertümliche Gebäude des Waisenhauses drängte die Plattenbauhäuser rundherum in den Schatten. Der Zaun hatte hinter einem Gebüsch ein Loch, durch das ich mich zwängte. Hinter mir war der Dämonenjunge.

Mein Fenster war, wie immer, nur angelehnt und mit schwarzen Vorhängen versehen. Ich kletterte durch das Fenster und das Dämonenkind versuchte mir zu folgen, kam aber nicht am Fenstersims hoch. Er blieb vor dem Fenster stehen und sah mich an. Die Sonne stieg immer höher und ich sah, dass der Dämon sie genauso wenig mochte, wie ich.

Ich trug ihn in mein Zimmer, er war erstaunlich leicht. Er sah sich sofort um und untersuchte die wenigen Habseligkeiten im Raum. Ein alter Schrank, ein Stuhl an einem winzigen Tisch, eine schwarze Kommode mit einem alten Kerzenständer darauf und ein großes, zerschlissenes Himmelbett, mit schwarzem Bettbezug. Es hätte genauso gut einem Vampir gehören können und wirkte wenig einladend.

Der Dämon schien sich wohl zu fühlen und kletterte auf das Bett.

Vor der Tür hörte ich aufgeregte Stimmen flüstern. „Ich sag dir doch, ich habe etwas gehört!“ – „Das hast du dir eingebildet! Ich möchte nicht in dieses Zimmer... Es ist so unheimlich.“

Der Dämon und ich sahen uns an. Ich zeigte unter das Bett und er nickte.

Wortlos kletterte er unter das Bett und ich ging auf die Tür zu um sie zu öffnen.

Vor mir standen die zwei Betreuerinnen des Waisenhauses. Sie wichen erschrocken zurück und schnappten nach Luft. „Eve... W-Was machst du denn hier? Wir dachten, du wärst nicht da!“ Sie hatten angst vor mir, denn in ihren Augen war ich unberechenbar. Ich sah sie nur emotionslos an, wie immer. Sie schauten sich gegenseitig an und setzten wieder ihre freundlichen Masken auf.

„Wir haben uns große Sorgen gemacht! Du kannst doch nicht einfach verschwinden... Hast du dich verletzt?“ Das machten sie immer. Sie behandelten mich wie ein zurückgebliebenes Kind. Es kümmerte mich kein Bisschen, denn sie sollten mich einfach nur in Ruhe lassen.

„Soll ich dir etwas zu Essen bringen?“ Sie heuchelten ein freundliches Lächeln.

Ich hatte keinen Hunger, hatte ich schon ewig nicht mehr gehabt, was man auch an meiner Statur deutlich sah. Aber... vielleicht hatte ja der kleine Dämon Hunger.

Die beiden Betreuerinnen schauten mich fragend an. „Na, möchtest du etwas essen?“ Sie erwarteten keine Antwort, denn ich hatte nie auch nur annähernd gezeigt, dass ich sie verstand.

Es war mir zwar zuwider, aber ich nickte.

Der erwartete Schock blieb nicht aus. Sie starrten mich an. „W-Was? Du hast Hunger?“ Ich nickte erneut.

Die beiden Frauen strahlten sich glücklich an. Sie dachten, es sei ihr Verdienst, dass ich reagierte und fingen an mir etliche Fragen zu stellen. Ich schaltete ab. Sie merkten, dass ich nicht gewillt war noch eine Reaktion zu zeigen und gingen. „Wir bringen dir sofort etwas zu Essen!“
 

Ich hatte Schwäche gezeigt und fühlte mich wie ein Verlierer.

Als ich die Tür schloss, drehte ich mich um. Vielleicht war es die Sache doch wert gewesen, denn als ich in diesem Moment auf dieses kleine Wesen, das da unter meinem Bett hervorschaute, blickte, dachte ich, dass es richtig war.

Ich setzte mich vor den Jungen, der mich jetzt neugierig betrachtete. Nach einigen Minuten klopfte es an der Tür und der Kopf des Dämons verschwand unterm Bett.

Eine der Betreuerinnen kam mit einem Tablett herein. „Ich stelle dir dein Essen hier hin, ist das in Ordnung, Eve?“ Sie versuchte wohl, mich erneut zum Reagieren zu bringen, aber ich reagierte nicht.

„Lass es dir schmecken, O.K.?“ Sie ging mit schnellen Schritten aus dem Zimmer, sie mochte es ja nicht.

Als sich Tür hinter ihr schloss, tauchte der Kopf des Jungen wieder auf. Ich holte das Tablett und stellte es zwischen uns. Die Augen des Dämons blitzten, er hatte offensichtlich riesigen Hunger. Auf dem Tablett waren zum Glück übertrieben viele Speisen.

Der Dämon sah mich fragend an und ich nickte ihm zu. Unsicher kam er aus seinem Versteck und setzte sich vor das Tablett. Ich reichte ihm ein Stück Brot. Er rührte sich nicht.

Ich schaute ihn fragend an, er blickte unverwandt auf das Stück Brot. Hatte er Angst, dass es vergiftet war? Wahrscheinlich musste man als Dämon immer auf der Hut sein.

Ich biss von dem Brot ab und reichte ihm den Rest. Der Junge zögerte aber nach ein paar Sekunden nahm er es und schlang es gierig hinunter. Mit allen anderen Speisen machten wir es genauso. Ich kostete vor und er aß den Rest. Es machte irgendwie Spaß. Schon lange war ich niemanden so nahe gewesen. Uns verband etwas unausgesprochenes und ohne Worte gingen wir aufeinander ein.

Er reichte mir den Rest der Milch aus dem Glas. Ich nahm es, auch wenn ich keinen Durst hatte.

Der kleine Dämon bückte sich zu mir hinüber und flüsterte mir leise ein Wort ins Ohr: „Vermilion.“ Er zeigte auf sich. Offenbar war das sein Name. Seine Stimme klang seltsam zischend.

Er schaute voller Erwartung, in der Annahme, dass auch ich ihm meinen Namen verriet. Ich überlegte kurz. Vor ihm konnte ich Schwäche zeigen, denn er war ansonsten schwächer als ich.

Auch ich beugte mich zu ihm hinüber und flüsterte: „Eve.“

Der Dämon lächelte und auch ich musste unwillkürlich lächeln.

Dieser Moment schien der Beginn von etwas Großem zu sein.

Mit nur einem Wort schlossen wir Freundschaft und schenkten uns gegenseitiges Vertrauen. Nur mit unseren Namen.

Den restlichen Tag über taten wir nichts, als schweigen. Der kleine Dämon schien etwas abwesend zu sein und fing immer wieder zu weinen an. Er dachte anscheinend an seine Eltern. Ich umarmte ihn dann und er weinte sich hemmungslos aus. Die Sonne ging unter und der Abend brach an.

Wir gingen zusammen ins Bett und schliefen, aneinander gekuschelt, ein. So etwas wie wärme hatte ich schon ewig nicht mehr gespürt, aber es fühlte sich gut an.
 

Ich wachte auf. Draußen war es dunkel und der Wind rüttelte an dem angelehnten Fenster. Die schwarze Gardine wehte wild ins Zimmer. Vermilion schlief noch immer. Er sah aus, wie ein normales Kind, wenn unter dem schwarzen Haarbüschel nicht die spitzen Ohren hinausgeschaut hätten.

Ich stand auf und ging zum Fenster. Ich wollte das Fenster schließen, hielt jedoch inne, denn ein Schatten im Garten erregte meine Aufmerksamkeit. Der Schatten bewegte sich auf den Lichtschein zu, den die Straßenlaterne in den Garten warf, und ich erkannte den Jüngsten der drei Cage – Männer. Er schien etwas zu suchen und mir wurde schlagartig bewusst, dass er noch immer nach meinem neuen Freund suchte.

Ich drehte mich zu Vermilion um und sah in sein friedliches und sorgloses Gesicht. Er durfte ihn nicht finden!

Doch es war zu spät! Er hatte mich entdeckt und lief auf mich zu. Mein Herz schlug schneller, eine seltene Reaktion. Ich setzte meine emotionslose Maske auf und rührte mich nicht vom Fleck. Der Cage-Mann kam immer näher. Er stand jetzt so dicht bei mir, dass ich seinen Atem hören konnte.

„Du... ?“ Er kniff die Augen zusammen, um mich zu erkennen.

„Du bist doch das Mädchen von gestern Nacht!“ Er sprach leise. Der Wind blies immer stärker.

Sein Gesicht näherte sich meinem immer mehr. Er roch an mir. „Bist du ein Dämon?“

Ich schrak weder zurück, noch antwortete ich. Der Mann richtete sich auf. „Ach scheiße, ich verschwende meine Zeit mit dir! Du riechst nach Dämon, wahrscheinlich, weil du dabei warst, als wir diese Bestien erledigt haben.“

Ich reagierte nicht, aber innerlich ballte ich meine Fäuste. Diese Kerle hatten Vermilions Eltern umgebracht!

Der Mann seufzte und strich sich durch die Haare. „Kannst du mir sagen, wo sich diese kleine Ratte versteckt?“ Ich reagierte nicht. Wenn er gewusst hätte, wer dort in meinem Bett schlief!

Hinter dem Mann tauchten seine beiden Gefährten wie aus dem nichts auf.

Der Anführer sah mich kalt an. Sein Blick war kälter als Eis und härter als Stahl, aber ich hielt ihm stand.

„Was machst du hier, Kohir? Wir müssen diesen Dämon finden!“ – „Ich bin seinem Geruch gefolgt, Meister.“ Der alte Mann sah ihn an. „Und?“ Kohir räusperte sich, er schien sich unwohl zu fühlen. „Na ja, anscheinend hat sie diesen Geruch abgesondert, weil sie dabei war.“ Er zeigte auf mich.

„Das ist ein seltsames Mädchen, Meister!“ Der dritte Mann mischte sich ein. „Sie scheint nichts zu fühlen! Sieh doch mal diese gleichgültigen, leeren Augen. Die macht sogar mir angst!“ – „Red keinen Unsinn, Sheter! Das ist nur ein dummes, hirnloses Menschenmädchen! Wir gehen!“ Er warf mir einen wütenden Blick zu. Von einem zum anderen Moment waren sie verschwunden.

Ich drehte mich um und seufzte erleichtert. Sie hatten ihn nicht entdeckt!

Ich schlich wieder ins Bett und kuschelte mich an Vermilions kleinen Körper. Wie viel Zeit würde noch vergehen, bis die Männer begriffen? Wie lange würden sie uns noch in ruhe lassen? Vermilion wachte auf und sah mich mit seinen großen roten Augen fragend an. Ich lächelte ihn an und wir schliefen wieder ein. Sicher würden sie nicht wieder kommen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: kikischaf
2008-05-22T15:10:16+00:00 22.05.2008 17:10
so da ich auch werbung bekommen hab und es sich vielversprechend anhört dachte ich, ich werde es lesen....
allerdings werde ich etwas länger brauchen zum lesen weil ich momenten echt stess hab^^
so ja also die handlung ist aufjedenfall intressant, am satzbau hackt es an manchen stellen noch leicht..aber die gefühle sind alle super gut rüber gekommen...
der kleine ist sehr süß....eve etwas komisch^^
aber ich bin gespannt wie es weiter geht und werde auch sofort wenn ich zeit hab weiter lesen...

lg kikischaf
Von:  Monsterseifenblase
2008-05-21T20:18:51+00:00 21.05.2008 22:18
Nanana=)
Für dich wurde fleißig Werbung gemacht und weil ich versprochen habe, mir das ganze mal durchzulesen, mach ich das auch^^ Allerdings nicht alles auf einmal, dass schaff ich momentan nicht *selber sseeehr viel zu tun hat*
xD

Also:
Ich fand den Einstieg nicht schlecht=)
Die ersten Sätze waren von der Formulierung her ein bisschen schwach (meiner Meinung nach) Aber dann kam das:
>>Auch an diesem Tag schien sie umbarmherzig und verbrannte meine geschundene Seele.
Geil:D
So was mag ich, da hatteste mich wieder auf deiner SeitexD Nächster Aspekt geht wieder auf die Satzstellung..geht an manchen stellen schöner:
Beispiel:
>>Es waren mehrere Menschen dort versammelt.
Meiner MEinung nach würde sich: Dort hatten sich mehrere Menschen versammelt, besser anhören, aber ich glaube, dass ist wieder ansichtssachexD

Dann noch was was mir aufgefallen ist: Die Männer, die gegen die Dämonen kämpfen, machen das mit SChwertern in einer engen Gasse, mit hohen Mauern....is schwer=) Nur als anmerkung.

>>Mein Fenster war, wie immer, nur angelehnt und mit schwarzen Vorhängen versehen. Ich kletterte durch das Fenster und das Dämonenkind versuchte mir zu folgen, kam aber nicht am Fenstersims hoch. Er blieb vor dem Fenster stehen und sah mich an.<<
Viermal Fenster=) Da hätteste vielleicht mal ein Pronomen einbauen können=)
So was ähnliches haste hier auch:
>>Sie versuchte wohl, mich erneut zum Reagieren zu bringen, aber ich reagierte nicht.<<
Es ist richtig, aber wenn du es laut liest merkste, dass es ein bisschen komisch klingt ( finde ih zumindest) Da kannste ja einfach einmal ein Synonym einbauen^^

>>Auch ich beugte mich zu ihm hinüber und flüsterte: „Eve.“<<
*quietsch*xDDD Die Hauptfigur in meinem Roman heißt auch EvexD
Und ich mag den Namen Kohir...dafür sagt mir aber Sheter nicht so zu^^


Also:
Gesamtfazit:
Alles in allem ein echt schöner Anfang, ich mag es, wie du die Kälte in Eve rüberbringst und ihre Teilnahmslosigkeit gegenüber allem, was um sie herum geschieht.
An manchen Stellen könnte man es besser formulieren, aber so weit gefällt es mir recht gutxD

glg
Biss

(Rest folgt innerhalb der nächsten Wochen...Stück für StückxD Tut mir leid, aber mit einem mal schaff ich es von m einer Zeit her einfach nicht=)



Von:  Mimina
2008-05-20T17:05:59+00:00 20.05.2008 19:05
Ohh!!!*_*
Wie süüüüüüüß!!!!
>/////<
Das ist ein total süßes Kapi!!!
Ein echt toller Anfang!!
Ich muss jetzt leider off, aber ich werde morgen auf jeden fall weiterlesen!!!
Klasse Kapi!!
lg
Mimina


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