Seit Nilit denken konnte, wurde es gemieden: Das grüne Haus, in dem die Geister der hausten, die darauf warteten, den Fluch zu entfesseln.
Es hieß, dass früher die Feenkönigin und ihr Gefolge in diesem Haus gewohnt hätten, das nun leer in der Lichtung des Waldes stand. Seit man entdeckt hatte, dass die Flügel dieser zierlichen Wesen unsterblich machen, werden sie gejagt.
Auch die Feenkönigin hatte man gejagt und mit ihrem Tod hatte sich das Haus grün gefärbt...
„Nilit?“ Hinter der jungen Frau erklangen Schritte und Manak trat neben sie an den Rand der Lichtung. „Ich glaube nicht, dass er zurückkommt“, sagte er sanft, doch Nilit schüttelte den Kopf.
„Er wird kommen, das hat er mir versprochen“, antwortete sie leise und richtete den Blick auf das grüne Haus.
Es war nur ein paar Monate her, seit der König des Reiches gekommen war, um die Feenkönigin zu töten und sich selbst unsterblich zu machen. Doch der Wald hatte mit der Königin zu sterben begonnen und verfaulte nun.
„Wir brauchen den Wald zum Überleben, Manak, er ist unsere Existenz. Ohne ihn können wir nicht sein. Epimonos sagte, er würde den Fluch brechen, also wir er das auch tun.
Seufzend setzte sich Manak zu Nilit und legte ihr seine Hand auf die Schulter.
„Er ist jetzt schon zwei Wochen weg, Die Geister haben ihn geholt.“
Nilit schnaubte leise und schüttelte seine Hand ab. „Keiner hat je geglaubt, dass Epimonos es schaffen würde!“, schrie sie wütend und Manak zuckte erschrocken zusammen. „Wobei doch der König an allem schuld ist! Seit Jahren werden wir, das Waldvolk, von der Hauptstadt und dem König ignoriert. Und jetzt raubt er unsrem Wald die Lebensessenz und kommt ungeschoren davon?! Epimonos wollte wenigstens alles wieder gutmachen!“
Wieder spürte sie Manaks Hand auf ihrer Schulter und wieder schüttelte sie sie ab.
„Uns wurde Unrecht getan, das stimmt, aber uns sich die Hände gebunden, Nilit. Wir können nichts tun.“
„Epimonos hat etwas getan und ich warte so lange, bis er wiederkommt oder der Wald untergeht.“
Trotzig wandte Nilit den Blick und starrte so konzentriert das Haus, aus dem Epimonos jeden Moment treten könnte, an, dass sie die Hufschritte gar nicht hörte. Erst als Manak sich beben ihr regte, blickte sie auf.
Der Reiter war ein Bote aus ihrem Dorf und mit betrübter Miene überreichte er Manak einen Brief. Dieser öffnete ihn stirnrunzelnd, doch sein Gesichtsausdruck verblasste mit jeder Zeile, die er las.
„Was ist los?“, fragte die junge Frau, als er den Brief wieder zusammenfaltete und den Boten mit einer Handbewegung entließ.
„Der König wurde heute auf der Strasse niedergestreckt und erlag seinen Verletzungen. Der Attentäter wurde gefasst und sofort hingerichtet“, sagte Manak tonlos und Nilit hob fragend die Augenbrauen, konnte sich ein Grinsen jedoch nicht verkneifen. Der König hatte bekommen, was er verdiente.
„Es tut mir Leid, Nilit, aber Epimonos kommt definitiv nicht wieder.“ Mit diesen Worten reichte er ihr den Brief und schockiert betrachtete sie die Zeilen, die ihr sagten, dass Epimonos heute hingerichtet worden war.
„Er wollte doch zurückkommen“, flüsterte sie leise und blickte zum grünen Haus. „Er wollte etwas gegen das Sterben des Waldes tun.“
„Und das hat er doch getan, nicht? Die Feenkönigin ist gerächt.“