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Mondzeiten

Eine Drachengeschichte
von

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Neue Ziele

Seth kontrollierte das Zelt, ob es Jonos Verwandlung heil überstanden hatte. Und siehe da, sein Ansatz war richtig gewesen. Auch wenn Jono sich verwandelte, hielt das Zelt mit. Jedoch die Krause hatte Jono wirklich gut gestanden, fand er. Mit diesem Zelt konnten sie auch wieder Ausflüge außerhalb des Tals machen, und mal wieder Yugi besuchen, oder Ishizu.

Seth war erstaunt über sich, er hätte nicht gedacht, dass er sich noch einmal Gedanken darüber machen würde, andere Menschen zu besuchen. Aber, vor Ishizu brauchte er sich nicht mehr zu verbergen, sie wusste genau, wer oder was er war. Und Yugi, kannte seinen besonderen Freund…Ja, diese Beiden gaben ihm ein wenig den Glauben an die Menschen zurück. Und deshalb würde er sie auch gern einmal wieder besuchen wollen. Und jetzt, nachdem er Jonos Mutter Shizuka kennen gelernt hatte, und ihr Verständnis erleben durfte, hatte der Gedanke daran, einmal bei seinem Zuhause vorbei zu schauen, überhaupt nichts beängstigendes mehr.
 

„Was hältst du davon, wenn wir deine Mutter ab und an besuchen?“, wollte er von Jono wissen.

>Ich weiß nicht.< kam es gedehnt von Jono. >Vielleicht.< Jono machte eine Pause. >Aber vorher will ich deine Familie kennen lernen, du hast es mir versprochen.< erinnerte er Seth an sein Versprechen bei seiner Mutter.

„Aber das wäre nur zu VOLLMOND möglich.“, gab Seth zu Bedenken, und betonte Vollmond dabei so eigenartig.
 

Vollmond – wenn er ein Mensch wäre… Jono schluckte, an Vollmond wollte er doch ganz andere Sachen mit Seth machen…

Aber – es gab ja immerhin noch die Nacht… entschied er.

>Dann müssen wir eben an Vollmond bei dir sein.< meinte Jono zustimmend. >Und wie weit ist es bis zu deinem Dorf?< wollte er von Seth wissen.

„Das kann ich dir leider überhaupt nicht sagen.“, antwortete ihm Seth verschämt. „Ich habe überhaupt keine Ahnung, wo dieses Tal hier liegt. Und vorher bin ich 5 Jahre lang kreuz und quer durch das Land gezogen.“

„Aber ich vermute mal, südlich von hier.“, meinte er nach einer Pause.

>Dann suchen wir es halt eben.< meinte Jono zuversichtlich. >Du kannst mir ja erst einmal ein wenig von der Gegend erzählen, in der du groß geworden bist.< schlug Jono nach einigem Nachdenken vor.

„Keine schlechte Idee.“, stimmte Seth zu. Er lehnte sich zurück, schloss seine Augen und versuchte sich zu erinnern.
 

„Als ich unser Dorf verließ, gab es dort 27 Hütten und eine Schmiede. Die Hütte meiner Eltern lag etwas abseits, da wir einige Kühe hielten und aus der Milch Käse und Butter herstellten. Und so brauchten sie etwas mehr Platz.“, erzählte Seth.

>Und wie sah die Gegend aus, in der euer Dorf lag?< forschte Jono nach.

„Das Dorf selbst lag an einem Hügel, etwas oberhalb war ein Wald.“ Seth schauderte, er dachte nicht gern an den Wald zurück. „Dort wurde ich von meinem Geheimnis überrascht und auch gleich entdeckt. Östlich vom Dorf waren ausgedehnte Wiesen, auf denen die Tiere des Dorfes gehalten wurden: Kühe, Schafe, Ziegen und Schweine. Westlich des Dorfes waren die Äcker, die von allen gemeinsam bewirtschaftet wurden.“

>Und andere Dörfer? Gab es in der Nähe noch andere Dörfer?< wollte Jono weiter wissen.

„4 Tagesreisen südlich gab es eine kleine Stadt, dazwischen waren drei oder vier Dörfer, in denen man übernachten konnte. Die Hauptstadt war sogar 10 Tagesreisen entfernt. Aber dort war ich nie.“, erzählte Seth weiter.

>Weißt du denn, in welcher Richtung die Hauptstadt lag?< erkundigte sich Jono.

„Ich glaub es war südöstlich von der kleinen Stadt aus, aber sicher bin ich mir nicht.“, antwortete Seth. „Weißt du denn wo die Hauptstadt liegt?“

>Als ich meine Kolonie verlassen musste, bin ich ein oder zwei Mal darüber hinweg geflogen, man kann sie aus großer Entfernung recht gut erkennen. Und daran können wir uns ja orientieren.< meinte Jono.

„Das klingt gut.“ Seth war von Jonos Verschlag überzeugt.

>Und wenn wir das Zelt mitnehmen, können wir ja auch ein paar Tage unterwegs bleiben. Wir brauchen uns ja nicht anderen Menschen zu zeigen, es gibt überall abgelegene Plätze.< Wenn Seth nicht in ein Dorf zu anderen Menschen wollte, dann hatte er auch keine Probleme damit, mit ihm unterwegs zu sein. Und auch ihm haben die Begegnungen mit Ishizu, Yugi und Tea, und auch mit seiner eigenen Mutter Mut gemacht.

>Es ist doch ganz geblieben?< fragte Jono ängstlich.

„Ja.“, lächelte Seth. „Sei ganz unbesorgt, du hast das Zelt diesmal nicht zerstört. Ich hab es doch so gebaut, dass es auseinander fallen kann.“

Jono war beruhigt. „Aber eigentlich brauchen wir das Zelt nicht, ich schlaf doch sowieso am liebsten unter deinem Flügel.“
 

So waren Seth und Jono sich einig, sie wollten die nächsten Tage dazu nutzen, das Heimatdorf von Seth ausfindig zu machen, damit sie an Vollmond leicht dorthin gelangen konnten.
 

~~~
 

Shisara hatte gut geschlafen, doch jetzt weckte sie ihr hungriges Bäuchlein. Sie bewegte sich und versuchte ein wenig mehr Platz zu bekommen und weckte damit Shizuka auf.

„Guten Morgen, meine Kleine.“, begrüßte Shizuka sie. „Und, hast du schon Hunger?“

Shisara nickte.

„Weißt du noch, wo du dich erleichtern kannst?“, fragte Shizuka nach.

Shisara nickte ein zweites Mal.

„Schaffst du es schon alleine?“, erkundigte sich Shizuka fürsorglich.

>Ich glaub schon.< Shizuka erschrak, als Shisara ihr auf diese Weise antwortete. Es würde noch eine Weile dauern, bis sie sich daran gewöhnt hatte.

„Ich könnte in der Zwischenzeit jagen gehen, oder soll ich lieber noch so lange bleiben?“, wollte Shizuka wissen.

>Bleib bitte noch da.< bat Shisara leise.

„Gut, dann warte ich, bis du fertig bist.“, sagte Shizuka zärtlich.
 

Als Shisara sich erleichtert hatte, kam sie in die Höhle zurück und krabbelte in ihr Nest. Dort kuschelte sie sich zufrieden ein und Shizuka konnte sich auf die Jagd machen. Nach einiger Zeit kehrte sie mit einem Kaninchen und einem Reh zurück und Shisara konnte ihren Hunger stillen. Shizuka schaute ihr dabei zu, denn sie hatte bereits beim jagen ein Kaninchen verspeist. Nach dem Essen schaute sich Shisara die nähere Umgebung der Höhle an und Shizuka beobachtete sie dabei.

Um die Mittagszeit ruhte sich Shisara wieder ein wenig in ihrem Nest aus und löcherte später Shizuka mit allerlei Fragen über ihren Bruder. Sie konnte nie genug von ihm hören, Shizuka musste ihr immer wieder von seiner Kindheit erzählen. Sie mochte ihren Bruder, nein sie liebte ihn jetzt schon, auch wenn sie ihn noch nie gesehen hatte. Sie konnte den Tag kaum erwarten, an dem er endlich einmal vorbeikommen würde.
 

Nach drei Tagen fühlte sich Shisara stark genug, Shizuka jagen zu lassen während sie sich erleichterte und anschließend auf sie wartete. Die ersten zwei Tage verbrachte sie noch in ihrem Nest, aber am dritten lief ihr, als sie gerade zur Höhle zurückkehren wollte, eine Maus über den Weg. Aufmerksam folgte sie ihr mit ihren Augen und schaute wohin sie lief. Die Maus verschwand in einem kleinen Loch, das wohl zu ihrem Bau führte. Am vierten Tag schaute sie, ob sie die Maus wieder sah, und sie hatte Glück. Am fünften Tag begann es in ihr zu zucken, und am sechsten konnte sie der Versuchung nicht widerstehen und versuchte die Maus mit ihrem Maul zu fangen. Doch sie hatte keinen Erfolg damit, und die Maus verschwand wie der Blitz in ihrem Loch.

Ihr Hunger wurde immer größer, und so ging Shizuka dazu über, auch am Abend noch zu jagen. Shisara verbrachte weiter ihre Zeit damit, zu versuchen die Maus zu fangen. Sie wurde mit der Zeit zwar immer schneller, aber sie schaffte es immer noch nicht die Maus mit ihrem Maul zu fangen. Also änderte sie ihre Taktik und versuchte auf die Maus zu springen und sie mit ihrer Pfote zu erwischen. Und siehe da – sie hatte Erfolg damit. Als sie 14 Tage alt war, hatte Shisara ihre erste Maus gefangen und präsentierte sie stolz ihrer Mama.
 

Shizuka war stolz auf ihre kleine Tochter, sie hatte sich ganz allein das jagen beigebracht, und auch aus ihrem Fehler gelernt. Rund um ihre Höhle waren die Mäuse vor Shisaras neu entdeckter Jagdleidenschaft nicht mehr sicher. Und es dauerte nicht lange, da beklagte sich Shisara darüber, dass sie keine Maus mehr fangen würde. Also brachte ihr Shizuka lebende Kaninchen mit, damit Shisara ihrer neuen Leidenschaft frönen konnte.
 

Als nächstes machte sich Shisara daran das fliegen zu lernen. Jeden Tag sah sie ihre Mutter davon fliegen, und wieder ankommen. So versuchte sie auch hierbei ihr Glück. Als erstes probierte sie ihre kleinen Flügel aus, sie schlug sie fleißig auf und ab und rannte dabei in der Höhle herum. Aber mit dem Ergebnis war sie äußerst unzufrieden. Mama musste nicht herumrennen, sie breitete ihre Flügel aus, schlug einmal kräftig damit und hob vom Boden ab. Aber bei Shisara klappte das nicht so. Frustriert verzog sie sich in ihr Nest und grübelte nach. Shizuka schaute ihren Bemühungen lächelnd zu. Nein, sie würde ihr nicht helfen – ihre Tochter war ehrgeizig, sie würde es allein herausfinden, und auch allein herausfinden wollen. Außerdem war sie so beschäftigt, und hatte keine Zeit für Nörgeleien. Aber auf eines verzichtete Shisara nie: auf ihr Mittagsschläfchen in ihrem Nest und auf ihre Nachtgeschichte, die natürlich über ihren Bruder gehen musste.
 

Das Leben in der Kolonie interessierte sie hingegen überhaupt nicht, und Shizuka war froh darüber. Noch stellte sie keine Fragen darüber, warum sie hier alleine lebten, ohne andere Drachen… Auch nach ihrer Mutter fragte sie kein zweites Mal.
 

~~~
 

Kisara wurde immer trauriger. Es zog sie immer wieder zu Shisaras Platz zurück, so sehr es ihrem Gefährten Gozaburo auch missfallen mochte. Sie schaffte es immer wieder Gozaburo zu entwischen. Aber sie konnte ihre Tochter nicht vergessen, sie musste einfach immer wieder zu dem einzigen Ort, der sie mit ihrer Tochter verband. Und wieder saß sie auf diesem Platz und trauerte.
 

Sie hätte niemals gedacht, wie weitreichend die Folgen von ihrem Tun für sie wären. Sie hatte ein Tabu gebrochen, eine Regel verletzt, genauer gesagt sogar zwei:

1. Sie hatte sich mit einem fremden Männchen gepaart

2. Sie lebte nicht mit dem Männchen ihrer ersten Paarung zusammen

3. Sie hatte ihr Ei ausgesetzt – war dann aber doch dabei, als ihre Tochter aus dem Ei geschlüpft ist und

4. musste sie doch einer Fremden überlassen.

Wenn sie so darüber nachdachte, dann hatte sie jede Regel gebrochen, die für ein Drachenweibchen galten.
 

Sie war davon ausgegangen, dass es nichts ausmachen würde, nicht mit dem Männchen der ersten Paarung zusammen zu leben, aber es war ganz anders.

Sie hatte zwar gewusst, dass Drachenweibchen mit dem Partner, den sie für die erste Paarung auswählten, bis zu ihrem Tod zusammenblieben… aber dass es ihr so schwer fallen würde, mit dem zweiten zusammen zu leben, hatte sie nicht erwartet. Wenn sie jedoch ehrlich war, sie hätte, wenn es noch andere Männchen gegeben hätte, keinem von den Beiden, zwischen denen sie sich entscheiden musste, den Vorzug gegeben. Vielleicht hatte sie auch deshalb geschehen lassen, was geschehen war. Das schlimmste an der ganzen Geschichte war für sie jedoch, dass sie niemanden hatte, mit dem sie darüber reden konnte. In ihrer Kolonie waren einfach alle nur froh gewesen, als sie sich für Gozaburo entschieden hatte, damit jedes der beiden Männchen endlich wusste, wo es hin gehörte, und endlich Ruhe einkehrte.
 

Gozaburo hatte sich, nachdem sie sich für ihn entschieden hatte, als ein ziemlich herrisches Männchen herausgestellt. War er schon immer so, oder ahnte er am Ende etwas? Wen konnte sie nur darüber befragen? Seine Mutter war schon vor einigen Jahren gestorben und sein Vater galt als vermisst… Aber sie konnte ihre Entscheidung nicht rückgängig machen, auch wenn das andere, das abgewiesene Männchen, ihr jetzt als die bessere Wahl erschien. Und selbst wenn es ihr gestattet wäre, Gozaburo würde es nicht zu lassen, er betrachtete sie als sein persönliches Eigentum, und ihre eigentliche Aufgabe war es, ihm endlich sein Ei zu legen.
 

Jeden Abend bestieg er sie, stets wollte er wissen, wann sie endlich sein Ei in sich trug, sie mochte es nicht, wenn er das tat. Immer wieder fragte sie sich, ob er auch so gewesen wäre, wenn nicht…

Aber das würde sie niemals erfahren, denn er war nun mal nicht ihr erster Paarungspartner gewesen… Und nun musste sie immer wieder daran denken, wie nett der Schwarze zu ihr gewesen war, wie zartfühlend er auf sie eingegangen war, und wie wohl sie sich in seiner Gegenwart gefühlt hatte. Sie würde ihn nie wieder sehen, sie kannte weder seinen Namen, noch wusste sie, wo seine Kolonie lag.

Als sie Gozaburo erwählte, erschien ihr sein Besteigen wie ein Triumph über sie, er war ziemlich rücksichtslos. Sie hatte mal gelernt, dass es einem Männchen zur Ehre gereichte, wenn ein Weibchen es erwählte, und dass jede Paarung von neuem von dem Weibchen gestattet werden müsste, doch Gozaburo befahl es ihr einfach und machte sich auch nicht allzu große Mühe…

Wenn ihr Herz nicht so trauern würde, dann würde sie sich sicher seine Behandlung so nicht gefallen lassen, obwohl… er Widerspruch auch höchstwahrscheinlich gar nicht zu lassen würde.
 

Was Kisara nicht wusste war, dass Gozaburo den Brutplatz nach der Abreise der Schwarzen sehr genau unter die Lupe nahm. Er hatte gesehen, wie sie mit dem Jungen davon geflogen war und es erschien ihm für ein Junges von schwarzen Rotaugen ziemlich hell zu sein, und als er an den Eierschalen roch, rochen sie verdächtig stark nach seiner Gefährtin.
 

Oh, er war wütend, so wütend wie schon lange nicht mehr. Nicht nur dieses entwürdigende Werben um das einzige zur Verfügung stehende Weibchen, und die Gefahr der Verlierer zu sein… Kaum das er geglaubt hatte, endlich der Gewinner zu sein, was seinem überzogenen Selbstbewusstsein mehr als nur schmeichelte, musste er erkennen, dass seine Gefährtin ihn nur als das bessere Übel betrachtet hatte. Jeden Abend ließ er seinen Frust und seine Wut an ihr aus, und dass sie es einfach so über sich ergehen ließ, machte ihn noch wütender.

Und als er die Eierschalen untersucht hatte, und sie eindeutig nach seiner Gefährtin rochen, musste er außerdem feststellen, dass er auch noch der Betrogene war. Sie hatte gut getan, dieses Ei vor ihm zu verbergen, er würde niemals das Junge eines anderen in seiner Höhle dulden. Er wurde von Tag zu Tag wütender, ließ Kisara täglich seine Wut spüren, und erkannte, dass ihr Herz bei diesem Jungen und diesem Anderen war. Er wollte ihr mit Macht ein Ei einprügeln, sie sollte endlich sein Ei tragen, sein Junges ausbrüten…
 

~~~
 

Sie waren nun seit zwei Tagen unterwegs und hatten noch nichts gefunden, auf das Seth Erinnerungen zu trafen. Es war nicht einfach, in der Nähe der Hauptstadt gab es kein einsames Plätzchen für sie, an dem sie schlafen konnten, ohne von anderen Menschen entdeckt zu werden. Morgen wäre Neumond, da wollten sie zurück in ihr Tal fliegen, Seth hatte große Lust daran gezeigt einmal eine solch weite Strecke zu fliegen. Das lange fliegen hatte ihm schon bei Shizukas Besuch gefallen …

Nördlich der Hauptstadt hatten sie nun schon wirklich alles abgesucht und nichts gefunden, also entschieden sie sich, doch auch noch südlich der Hauptstadt zu suchen.
 

Am Morgen des Neumondes wachte Seth wie gewohnt kurz vor Sonnenaufgang auf, schälte sich aus Jonos Flügel heraus und wartete darauf, sich zu verwandeln. Als er wieder ein weißer Blauaugendrache war, kuschelte er sich noch ein wenig an Jono und wartete darauf, dass auch er erwachen würde. Er erfreute sich immer seines Anblicks, wenn Jono sich im Halbschlaf an ihn drückte und so selig ausschaute. Und richtig, Jonos Nüstern benötigten nur einen kleinen Augenblick, um sich auf den Weg unter seinen Flügelansatz zu machen und behaglich den Geruch einzuatmen.

„Dir gefällt es wohl ebenso unter meinem Flügel, wie mir unter deinem.“, begrüßte ihn Seth lächelnd, als Jono seinen Kopf wieder unter Seths Flügel heraus zog. Jono nickte nur.

„Du riechst einfach zu gut,“ meinte er schwärmend, „ich kann von dir nie genug kriegen.“ Sprachs und begrüßte seinen Weißen erst einmal in aller Ausführlichkeit. Das ließ er sich an Neumond nicht nehmen. Doch als er sich Seths Bauchfalte nähern wollte, wiegelte Seth ab.

„Nicht jetzt, wir haben heute noch etwas vor, und wenn wir zu Sonnenuntergang in unserer Höhle sein wollen, dann sollten wir uns jetzt besser etwas zu Fressen suchen und uns auf den Weg machen.“ Außerdem fühlte Seth sich etwas unbehaglich, sich so in der Öffentlichkeit zu paaren, ganz besonders in Menschengebiet. In ihrem Tal war das etwas anderes, dort waren sie geschützt, aber hier draußen…

Drachen waren zu keiner Zeit angreifbarer und verletzlicher als bei der Paarung, ihre ganze Wachsamkeit war dahin, nur die Paarung hatte noch Raum in ihrem Kopf und alle damit verbundenen Gefühle. Nein, er zog ihre Höhle vor, dort fühlte er sich sicher und geborgen.
 

Jono verstand, und auch wenn er ein klein wenig schmollte, so hatte Seth ja recht. Also machten sie sich auf die Suche nach etwas Essbarem und begaben sich dann in südliche Richtung. Sie wollten das Gebiet südwestlich der Hauptstadt absuchen… Die Heimat Seths musste doch zu finden sein… 10 menschliche Tagesreisen waren von der Luft aus gesehen doch kein so unüberschaubares Gebiet…

Seth zweifelte schon manchmal an seiner Erinnerung, doch da er damals sein Dorf Kopflos und übereilt verlassen musste, und tränenblind davon gelaufen war, nur darauf bedacht allen anderen Menschen aus dem Weg zu gehen, hatte er KEINE Ahnung, in welcher Richtung er überhaupt seine Heimat verlassen hatte.

Doch heute schienen sie endlich Glück zu haben, sie konnten in der Ferne eine hügelige Landschaft ausmachen, und aufgeregt flog Seth darauf zu. Da er sich ja heute niemandem zeigen wollte, und sich so seiner Vergangenheit stellen musste, hatte er keine Angst davor, wie die Dorfbewohner wohl auf ihn reagieren würden.

Je näher sie kamen, umso mehr vertrautes fand er wieder, und schließlich hatten sie das Dorf erreicht. Es schien nicht größer geworden zu sein.
 

„Hier war also dein Zuhause.“, stellte Jono fest. „Eine schöne Gegend.“

„Ja,“ meinte Seth leise, und erinnerte sich an die Ausflüge, die er mit seinem Vater oder auch mit seiner ganzen Familie gemacht hatte. „Es ist eine schöne Gegend.

„Da,“ wies er Jono auf eine größere Hütte hin, die alleine und etwas abseits stand, „das ist mein Elternhaus, dort bin ich geboren und aufgewachsen.“

„Warum steht die Hütte alleine?“, wollte er von Seth wissen.

„Meine Eltern hatten sich entschieden, mehr als nur eine Kuh halten zu wollen, und wollten auch ganz dicht bei ihren Tieren sein, deshalb bauten sie diese Hütte, und etwas abseits,“ Seth zeigte auf eine kleinere Hütte, die in den Hügel hineingebaut war, „bauten sie noch einen Lagerplatz für Käse und Butter. Wenn der Sommer gut war, und die Kühe viel Milch gaben, dann konnte mein Vater einigen Käse in der Hauptstadt verkaufen. Und die Dorfbewohner gaben meinen Eltern von ihren Feldfrüchten ab, dafür dass sie ihren Käse bei uns lagern durften.“, erklärte er Jono.
 

Jono fand diese Aufteilung ziemlich gut, und als er sich weiter umblickte, konnte er noch einige mehr von diesen Hügelhütten erkennen und wies Seth darauf hin. Seth war erstaunt, aber nicht wirklich überrascht, wahrscheinlich hatte die Lagerhütte seiner Eltern nicht mehr ausgereicht. Ohne es zu bemerken flogen sie etwas tiefer, und die Kühe auf der Wiese wurden unruhig, als eine Tür aufging. Eine Frau trat heraus, redete beruhigend auf die Kühe ein und blickte hinauf in den Himmel. Und auch über diese Entfernung wusste Seth, dass sie sich genau in die Augen schauten.

„Ist sie das?“, fragte Jono vorsichtig nach.

„Ja, das ist meine Mutter.“, antwortete Seth seltsam berührt.
 

~~~
 

Kisara hörte die Kühe aufgeregt muhen und ließ ihre momentane Arbeit ruhen, um nach dem rechten zu sehen. In ihrer Rechten hatte sie die Heugabel, als sie vor die Hütte trat. Ob das wieder diese Halbstarken waren, die ihre Kühe ärgern oder gar eine davon stehlen wollten? Erstaunt blickte sie um sich, als sie sah, dass sich kein anderer Mensch bei ihren Kühen befand, und auch kein Wolf zu erkennen war. Doch was hatte ihre Kühe aufgescheucht? Sie schaute hinauf zum Himmel und war überhaupt nicht erstaunt, einen weißen Drachen zu sehen.

Heute war Neumond, und seit 5 Jahren schon blickte sie immer wieder an Neumond zum Himmel, in der Hoffnung ein Lebenszeichen von ihrem Sohn zu erhalten. Sie war sich sicher, dass dies ihr Sohn war, es konnte gar nicht anders sein, etwas anderes ließ ihr Kopf auch gar nicht zu – von ihrem Sohn ging keine Gefahr aus… beruhigend redete sie auf ihre Kühe ein.
 

Es war ihr, als würden sie sich in die Augen sehen, auch über solch eine Entfernung hinweg… und erst im nächsten Augenblick fiel ihr auf, dass der Weiße Drache Begleitung von einem Schwarzen Drachen hatte. Sie schienen zusammen zu gehören, es wirkte auf sie nicht wie ein Kampf oder eine Jagd…

Kisara war glücklich, ihr Sohn lebte, schien eine Gefährtin gefunden zu haben und war nicht einsam… Sie hatte sich solche Sorgen um ihn gemacht, nachdem sie ihren ersten Schock überwunden hatte, aber von ihm war keine Spur mehr zu finden gewesen, so sehr sie und ihr Mann auch nach ihm gesucht hatten.

Sie waren bereit gewesen, mit ihm zusammen das Dorf zu verlassen, wenn sie ihn nur gefunden hätten...
 

Sie blickte den beiden Drachen hinterher, bis sie nicht mehr zu sehen waren und ging nachdenklich in ihre Hütte zurück. Abwesend stellte sie die Heugabel an ihren Platz und nahm ihre Arbeit wieder auf.

„Was ist los, Mutter?“, wollte Moka von ihrer Mutter wissen. Sie war irritiert, die Kühe waren unruhig gewesen, und ihre Mutter kam zurück und erzählte ihr nicht, was los gewesen war.

„Ich hatte grad einen Traum…“, sagte Kisara immer noch abwesend, „dein Bruder lebt, und es geht ihm gut…“

„Wirklich?“ Moka freute sich, ihre Mutter hatte sich alles viel zu sehr zu Herzen genommen, und als ihr Vater vor 2 Jahren aus der Hauptstadt nicht zurückkam, hatte sie sich immer mehr in sich zurückgezogen. Nur die Sorge um ihre Kühe und um sie hatte sie am Leben erhalten, und natürlich die Hoffnung, eines Tages ihren Sohn wieder zu sehen.
 

Natürlich war es am Anfang ein ziemlicher Schock für sie gewesen, als sie erfuhr, dass ihr Bruder sich in einen Drachen verwandelt hatte. Aber heute fand sie es einfach nur toll, einen Bruder zu haben, der sich in einen Drachen verwandeln konnte. Doch das durfte sie nicht laut sagen, ihre Mutter begann zu heulen und die anderen Kinder im Dorf nannten sie Monsterschwester oder Schwesternmonster, und erzählten ihr mit schadenfrohem Grinsen lauter Gruselgeschichten, in denen Drachen Menschen auffraßen, und fragten sie:

„Na, wie viel Menschen hat dein Bruder schon aufgefressen?“

„Wenn du 15 bist, verwandelst du dich dann auch in einen Menschen fressenden Drachen?“

Oh, wie sie das hasste, und dann wünschte sie sich, dass sie sich wirklich in einen Drachen verwandeln könnte, um es all denen heim zu zahlen. Doch das wiederum durfte sie ihrer Mutter nicht erzählen.
 

Seit ihr Vater nicht mehr da war, hatte sich ihr Leben im Dorf gewaltig verschlechtert. Die Halbwüchsigen hatten angefangen sich an ihren Kühen zu vergreifen, und sie zu ärgern, und keiner der anderen Erwachsenen bot ihnen wirklich Einhalt. Daran konnte Moka erkennen, wie alle im Dorf über sie dachten, so lange ihr Vater noch da, wagten sie es nicht, ein Wort zu sagen, er war ein viel zu guter Jäger und Bogenbauer, als dass sie auf ihn verzichten wollten. Aber als er nicht mehr zurückkam, bauten sie sich sogar ihre eigenen Kühlhütten, nur um nichts mehr mit ihnen zu tun haben zu müssen. Moka hatte ihrer Mutter schon mehrmals vorgeschlagen, doch das Dorf zu verlassen, und wo anders neu anzufangen, aber ihre Mutter lehnte immer wieder ab.

„Wo soll Seth dann nach uns suchen sollen?“
 

~~~
 

Kurz vor Vollmond, als Shisara etwa einen Mond alt war, hörte Shizuka, dass sie Besuch bekamen.

„Shisara, sei so lieb und begib dich in den hinteren Teil der Höhle, bis ich dich rufe.“, forderte sie die Kleine auf.

„Ja, Mama, mach ich.“ Shisara fragte nicht, warum, es war ihr klar, dass noch niemand wusste, dass es sie gab, und ihre Mama musste noch ein wenig vorsichtig sein.

„Oh, hallo Katsuya.“, hörte sie ihre Mama erleichtert sagen und lugte neugierig hinter ihr hervor, um zu sehen, wer da gekommen war.

Ohne die Vorstellung ihrer Mutter abzuwarten, lief sie zum Eingang und beschnupperte neugierig das fremde Drachenmännchen.

Nein, das war nicht ihr Bruder, der roch ganz anders.

„Hallo, wer bist du denn?“, begrüßte Katsuya das kleine Wesen zu seinen Füßen. Shisara blickte ihn von unten an und fragte ernst:

„Bist du mein Papa?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  jyorie
2014-08-31T20:23:03+00:00 31.08.2014 22:23
Hey (-‿◦☀)

Das ist fast schon unheimlich, wenn man die Gründe
nicht kennen würde, wie schnell Shisara lernt und
welche Fragen sie über ihre Mama stellt und das sie
die begegnung mit ihrem Bruder nicht abwarten kann.

Kisara tut mir leid, das der blöde Gozaburo es heraus-
gefunden hat, das er jetzt ein gehörtner Drache ist und sie
so schlecht behandelt.

An diesem Kapitel hat mir gefallen, das auch Sehts Mutter
ihre Einstellung geändert hat und sie ihren Sohn gern wieder
gehabt hätte.

CuCu Jyorie

Von:  Kira-no-Lucifer
2008-05-27T16:01:23+00:00 27.05.2008 18:01
oh, man arme kisara hat unter ihren mann ganz schon zuleiden
und das immer wieder aufs neue, das ist doch schon etwas häftig und dazu leidet sie auch noch unter der trennung von ihr kleinen shizara
kisara, tut mir voll leid.
shizara war ja mal wieder gut drauf, bring sich einfach mal eben so das jagen bei, ohne hilfe. okay das fliegen kann sie noch nicht, kommt aber bestimmt noch. so ehrgeizig wie die kleine ist
ihr nörgel über die verschwunden mäuse, ist so typisch kinderhaft, scheint bei drachen ja nicht anders zu seinen. auch wenn shizara von ihren verhalten her älter wirkt. das amcht sie halt aus und das ist einfach nur süß.
oder das sie alles über ihren bruder hören möcht, so bald müsste sie ja alles wissen, wenn shizuka ihr immer wieder neue geschichten erzählt.
*auf das treffen bin ich echt gespannt*
jono und seth haben nun also wirklich das dorf von seth gefunden, bei der beschreibung von seth, warscheinlich auch nicht schwer zufinden, vor allen nicht wenn man in der luft unterwegs ist^^ praktisch einen drachen zum freund zuhaben ^.~
das einzige verwirrende war als ich kisara gelesen hat udn dacht nur hä? was will die den nun hier, die ist doch ganz wo anders unterwegs und sich dann herraus stellt das seth mutter auch so heist.
lass die beiden nie zusammen treffen, das wäre das reinste schreib chaos XD
aber jetzt wissen wir auch, das kisara seinen sohn vermisst hat und das nicht zuknapp und das sie genau so wie shizuka dadrunter gelitten hat bzw noch leidet.
auf das wiedersehen freu ich mich jetzt schon ^-^
na nun möchte ich aber auch wissen wer dieses schwarzerotaugen männchen ist^^
*weiter les schnell* mal sehen ob die auflösung schon da ist^^
überigs damit ich es nicht vergesse, supi kapi^^ aber das weist du ja schon^^

lg _Kisala_



Von:  night-blue-dragon
2008-05-20T18:06:24+00:00 20.05.2008 20:06
Da hat Shisaras richtige Mama, einen ganz schön fiesen Mann abgekriegt.
Wundert mich eigentlich ein bisschen, das er sie nicht verstößt. Aber sein aufgeblasenes Ego läßt es wohl nicht zu, ich hoffe nur, das er die kleine nie finden wird.

Toll das Jono darauf bestanden hat, Seth Elternhaus zu suchen, so wie es aussieht könnte Seth dahin zurückkehren, wenn er wollte.*grübel*
Sicher macht er es nicht, dann müsste er seinen Jono ja alleine lassen.
Aber besuchen wird er seine Mutter sicher öfter.
Ist sein Vater verstorben oder ist er abgehauen?
Interessiert mich schon ob die Väter da alle irgendwelche Stinkstiefel sind.

Hat es mit der Namensgleichheit eine Bewandtnis?

Jedenfalls wird die Familie immer größer.

Ist es wirklich Shisaras Papa der gekommen ist? *Haare rauf* Fragen über Fragen.

Hilft nichts ich muss weiterlesen.

bis dann
nbd
Von:  Mari_dark
2008-05-18T16:08:37+00:00 18.05.2008 18:08
Hallo ^^
dachte wenn ich schon so fleißig deine Fanfic lese, kann ich mich auch mal schriftlich hier verewigen (Soleil hat mich gerade drauf gebracht XD)
Ich mag die Fanfic wirklich und die zwei sind einfach zu putzig miteinander. Vorallem das sie immer noch so naiv sind wenn sie ihre gestallt wechseln. Hach *schmelz* *schmacht*
Hoffe es geht bald weiter

Mari_dark
Von:  soraya-solan
2008-05-08T11:45:24+00:00 08.05.2008 13:45
Hallo Drachenmama,

tut mir leid bin ein bißchen spät mit meinem Kommi, ging leider nicht eher.
*entschuldigungskeks hinleg*

Shisara ist schon eine ganz große Jägerin. *freu*
Sie ganz allein Mäuse gefangen. *O.o woher kenn ich nur das Thema*
Und vor allem sie hat es sich ganz allein beigebracht.
Das mit dem Fliegen bekommt sie auch noch raus. *ich vertrau ihr da voll und ganz*

Aber ihre Frage am Ende gegenüber dem anderen Drachen fand ich am Besten.
"Bist du mein Papa?" - das schafft auch nur sie. Damit hat sie die ungeteilte Aufmerksamkeit aller. Aber jetzt die Frage: Ist er es oder ist er es nicht? *nachdenklich am Kopf kratzt*

Seth hat sein Heimatdorf gefunden und seine Mutter gesehen. Ob er sich jetzt auch traut sie zu besuchen? Ich hoffe es. Denn vermisst hat sie ihn ja. Denn immerhin ist sie extra wegen ihm im Dorf geblieben, damit er sie findet wenn er zurück kommen will.

Was ist nur aus seinem Vater geworden, das der vor 2 Jahren einfach verschwunden ist.

Bin schon gespannt wie es bei unserer immer größer werdenden Familie weiter geht.

VLG deine Kükenmama
Von:  Ryuichi-Sakuma-
2008-05-07T17:30:16+00:00 07.05.2008 19:30
Och was für ein schönes kapi mal wider *smilie* richtig schön geschrieben und alles so wie immer!
( ^.^~)
Und Seth hatt seine Mutter gesehen wie schön und wie es aus sieht haben ihre beiden Mütter also die von Seth und Jono ihre Kinder doch vermisst
*knuddel*
Freue mich schon drauf wenn es weiter geht also immer schön fleißig sein
( ^.~)

Gruß: Ryuichi-Sakuma-
(~^.^~)/


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