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Your Song

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Do You Remember...? - Erinnerst Du Dich...?

Chapter 3: Do You Remember…? – Erinnerst Du Dich…?
 

*Wo bin ich?? Es ist alles so dunkel.* Tai blinzelte in die Dunkelheit. Er lag einfach nur da und versuchte, seine Umgebung wahrzunehmen. Zuerst war alles vollkommen finster und totenstill. Dann hörte er fern und verzerrt ein leises, regelmäßiges Piepen. Scheinbar war er gefesselt oder ziemlich geschwächt, denn er konnte sich nicht bewegen. Langsam wurden Umrisse und einzelne Lichtpunkte sichtbar. Aber Tai konnte nicht identifizieren, was er da in der Dunkelheit zu sehen glaubte. Oder waren es nur Schatten, die das schwache Licht malte? Das Piepen wurde langsam deutlicher und die verzerrten Umrisse und Schatten gewannen an Beständigkeit.

*Wo bin ich?* Immer wieder drängte Tai sich diese Frage auf. Er wusste noch, dass er an irgendjemanden gedacht hatte und dann hatte er ein ohrenbetäubendes Quietschen vernommen. Und dann war nichts mehr da. Einfach ausgelöscht. "Verdammt!!" Tai ballte eine Hand zur Faust. Ein Schmerz durchzuckte seinen Arm. "Scheiße..." Mühsam versuchte Taichi den schmerzenden Arm anzuheben. Erst beim dritten Mal gelang es ihm. In seinem Arm steckte eine Nadel, die seinen Körper mit der Infusion verband.

"Scheiße, scheiße, scheiße..." leise fluchte er vor sich hin. Er lag anscheinend im Krankenhaus. *Wirklich toll hingekriegt, Yagami.* Das Piepen war anscheinend sein Herzschlag und vermutlich hatte er sich einen Arm und eines seiner Beine gebrochen, weil er sich kaum bewegen konnte. *Wie lang ich wohl schon hier bin?* Tai starrte die weiße Decke über seinem Kopf an. *Hoffentlich kommt da mal jemand, der mir sagt, was eigentlich genau los ist.*

Langsam begann es zu dämmern und die Sonne reckte sich verschlafen über den Horizont. "Wann kommen die denn endlich??" leise vor sich hingrummelnd sah Tai genervt zur Tür. Wie auf Kommando wurde die Klinke herunter gedrückt und eine Schwester betrat den Raum. "Guten Morgen!" "Oh, mein Gott..." Erschrocken blieb die Schwester in der Tür stehen und hielt sich beide Hände vor den Mund, wie um einen Schrei zu unterdrücken. "Was ist denn?" Dieser Satz gab ihr anscheinend den Rest und sie stürzte aus dem Raum. "Was zum Teufel ist denn los?" Langsam wurde Tai wütend. War es denn zuviel verlangt, dass man ihm sagte, was passiert war?? Er wollte doch nur wissen, was ihm fehlte, abgesehen von Arm- und Beinbruch und wann er wieder aus dem Krankenhaus könnte.

Die Tür wurde erneut geöffnet. Diesmal von einem Arzt. Hinter ihm betrat die Schwester von vorhin das Krankenzimmer. "Guten Morgen.", wünschte Taichi. Diesmal bekam er eine Antwort. "Wie fühlen sie sich?" Kritisch begutachtete der Arzt Tai. "Mal abgesehen davon, dass ich eigentlich nicht weiß, was los ist, ich mir meinen Arm und mein Bein gebrochen hab, eigentlich ganz gut." "Aha. Schlagkräftig also auch." Der Doktor gab der Schwester einige Anweisungen und setzte sich dann zu Taichi. "Dann bin ich ihnen wohl eine Antwort schuldig. Aber zuerst: ich bin Dr. Bryant." "Ich bin Yagami. Yagami Taichi. Sie können Tai zu mir sagen. Oder Taichi. Ist mir egal." "Angenehm." Sie gaben sich die Hand. "Also. Was ist nun los??" "Immer langsam. Alles schön der Reihe nach. Du hattest einen Autounfall. Vor 2 Monaten." "Soweit kann ich mich noch erinnern."

Taichi kam sich komisch vor, dass er im Bett lag und der Arzt auf ihn hinunterschaute. "Gut. Bei dem Autounfall hast du dir unter anderem eine Kopfverletzung zugezogen. Und hast bis jetzt geschlafen. Du hast kein Lebenszeichen von dir gegeben, noch sonst irgendetwas getan. Eine der Schwestern behauptet zwar, dass du einmal geschrieen hättest, aber... nun ja. Lassen wir das. Das Wichtigste ist: wir hatten es nicht für möglich gehalten, dass du noch einmal aufwachst. Es gibt anscheinend doch noch Wunder auf Erden..."

Der Arzt lächelte. "Ansonsten fehlt dir nichts gravierendes. Wir werden dich noch ein paar Tage zur Beobachtung hier behalten, dann denke ich, kannst du wieder nach Hause gehen. Übrigens, den Brief, den wir bei dir gefunden haben, haben wir abgeschickt. Ein Mr. Corlett ist gekommen und hat das Porto bezahlt." Der Arzt verließ das Zimmer. Tai war wieder allein. Er hatte wahnsinniges Glück gehabt. Aber von welchem Brief hatte der Arzt geredet?? Und wer war Mr. Corlett? Wem hatte er denn geschrieben? Und was?
 

Yamato ging in seiner Wohnung auf und ab. Es war wieder einer dieser Tage, an dem er sich Sorgen machte. Eigentlich verging kein Tag, an dem er sich keine Sorgen machte, aber heute war es wieder extrem. Yamato hatte wieder einmal den Brief durchgelesen, den er vor 2 Monaten bekommen hatte. Zurückzuschreiben hatte er sich noch nicht getraut. Warum meldete Taichi sich nicht mehr? Der Brief war nicht fertig geschrieben. Der Absender und seine Adresse stimmte, aber wieso hatte Tai den Brief nicht beendet?? War ihm etwas zugestoßen? Wenn ja, was?? Wie ging es ihm überhaupt? Nervös wanderte Yamato von der Küche ins Wohnzimmer und wieder zurück. Die Wahrheit über das, was vor 2 Jahren geschah... Ihm ging dieser Satz nicht mehr aus dem Kopf. Die Wahrheit, die Wahrheit... *Gott, verdammt...* Wütend kickte er den Mülleimer um. Gut, dass nichts mehr darin war.

Scheppernd kippte der Mülleimer auf den Boden. *Was hast du nur wieder angestellt?* Matt ließ sich an auf den Hocker fallen und begann zu spielen. Das Lied beruhigte ihn einigermaßen. Es war dasselbe, dass er eines morgens bei Sonnenaufgang angefangen hatte zu schreiben. Nur hatte Yamato noch keinen Text. Er seufzte. *Tai...* Sein Blick wanderte durch den Raum und blieb an der Uhr hängen. Sie erinnerte ihn an irgendetwas. Was war es bloß?? "Scheiße!! Die Proben!! Die bringen mich um!"

Matt sprang auf, schnappte sich seine Gitarre und stürzte aus der Wohnung. Tai war für kurze Zeit vergessen. Doch während Yamato in der herbstlichen Abendsonne zu seinen Bandproben lief, erinnerte er sich wieder an ihn. Er dachte daran, wie sehr Tai den Herbst mit seinen vergoldeten Blättern liebte. Während er einen Platz durchquerte, schreckte Yamato ein paar Tauben auf, die am Boden nach Brotkrummen gepickt hatten. *Wenn ich doch nur fliegen könnte... Dann würde ich zu dir kommen und selbst herausfinden, warum du mir nicht mehr schreibst. Was ist nur passiert, dass kein Brief kommt? Gott, verdammt Taichi. Langsam mache ich mir echt Sorgen um dich. Melde dich endlich...*

Nun ja, langsam war nicht so ganz richtig. Inzwischen war er fast verrückt vor Sorge um Taichi. Yamato erreichte den verabredeten Ort und verschwand durch eine schwere, schwarze Tür in dem großem, grauen Gebäude.
 

Taichi ging die weißen langen Gänge des Krankenhauses entlang. Oder besser humpelte. Der Armgips war ihm abgenommen worden, sodass er sich nun auf Krücken fortbewegen konnte. Und weil er sonst nichts zu tun hatte, streifte er durch diesen Flügel des Krankenhauses und durch den kleinen Park, der zu dem großen Gebäude gehörte, in dem er sich befand.

Inzwischen kannte er neben dem behandelndem Arzt auch einige Krankenschwestern und -pfleger. Seine Familie kam zwar jeden Tag zu Besuch und er hatte einen Mitbewohner bekommen, aber er fühlte sich trotzdem irgendwie allein. Er wusste nicht genau, was es war. Oder er konnte sich einfach nicht mehr daran erinnern. Er leide unter Amnesie hatte Dr. Bryant gesagt. Aber seine Erinnerungen würden zurückkommen. Vielleicht nicht vollständig, aber ein großer Teil davon.

Tai betrat sein Zimmer wieder und ließ sich auf das Bett fallen. Sein Mitbewohner war nicht da und er schaltete den Fernseher an.

Die Nachrichten liefen. >...Das vor 2 Monaten abgestürzte Flugzeug konnte nun endlich geborgen werden. Es war auf seinem Flug nach Europa kurz nach dem Start ins Meer gestürzt. Alle Passagiere kamen dabei ums Leben. Unter den Opfern war auch ein siebenjähriges Mädchen. Die Unfallursache bleibt weiterhin ungeklärt. Die Hebung...<

*Sie hat es gewusst. Aiko hat gewusst, dass das Flugzeug abstürzen würde... Oh mein Gott...*

Taichi wurde schwarz vor Augen. Ihm war, als würde ihm das Herz zerrissen. Das Mädchen, von dem der Nachrichtensprecher berichtet hatte, war seine kleine Freundin. Panik stieg in Taichi auf. Verzweiflung, Verwirrung, Angst und vieles mehr. Und all das kam ihm so unglaublich bekannt vor. Wie ein Déjà-vu. Taichi kam es so vor, als hätte er schon einmal den selben Schmerz in seinem Innern gespürt. Aber darüber konnte er jetzt nicht nachdenken. Entgeistert starrte er noch immer den Bildschirm an. Seine kleine Aiko-chan war tot. Einfach so. Verschwunden. Ausgelöscht.

Die Schwester, die Tai als erstes wach vorgefunden hatte, betrat das Zimmer. "Was hast du denn?", fragte sie besorgt. Aber Tai antwortete ihr nicht. "Tai!! Was um Himmels Willen ist nur los??" Sie versperrte ihm die Sicht zum Fernseher und zwang ihn, ihr in die Augen zu schauen. Zwei Tränen liefen über Tais Wangen. "Sie...sie ist... tot... Der Flieger ist... ins Meer gestürzt... Ich... ich werd' sie nicht wieder sehen... Genau... genauso... wie... wie..." Aber ihm fiel nicht ein, wen er nicht wiedersehen würde. Spielte das denn jetzt eine Rolle?? Aiko war ihm genommen worden. Seine süße, kleine, pfannkuchensüchtige Aiko-chan. "Aiko... Aiko-chan..."

Taichi ließ sich von der Schwester in den Arm nehmen und zudecken. Er verstand nicht, was sie sagte. Taichi hörte es nicht. Er war nur noch mit sich beschäftigt. Mit sich und mit dem Schmerz in sich, der erneut ausgebrochen war und in seinem Herzen wütete und dabei tiefe Wunden hinterließ. Irgendwann verließ die Schwester Tai und er lag allein in dem weißen Raum. Tränen schimmerten in seinen leeren Augen und als er einschlief und seine Augenlider sich senkten, liefen sie über sein Wangen. Sie liebkosten seine Haut und kühlten sein erhitztes Gesicht, bevor sie ganz verschwanden.
 

"Wo bleibst du denn solange?? Wir warten schon ´ne halbe Ewigkeit auf dich!" Yamato schlug die Tür hinter sich zu. Wütend auf sich und den Rest der Welt. Und auf Taichi, weil dieser nicht mehr schrieb. "Die fünf Minuten..." grummelte er. Was wussten die schon?? Jeder von ihnen hatte entweder eine Freundin oder war verliebt. Zumindest hatte jeder von ihnen schon mindestens eine feste Freundin gehabt. Bis auf Matt. Ein paar One Night Stands hin und wieder. Mehr war nie dabei gewesen. Bei keinem Mädchen hatte er dasselbe gespürt wie bei Taichi. Keine konnte ihm ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit geben. Es war zum Verzweifeln.

Sicher hatte Yamato versucht alte Gefühle zu verdrängen und Taichi aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Aber gelungen war es ihm bisher nicht. Und so hatte er sich schließlich seinem Schicksal ergeben. Anscheinend war er dazu verdammt auf ewig auf Taichi zu warten. Was blieb ihm denn anderes übrig? "Hey, wo bist du mit deinen Gedanken?? Zuerst kommst du zu spät und dann bist du gar nicht bei der Sache. Hast du irgendwelche Probleme?" "Nun ja. Wie mans nimmt..." Er lächelte gequält.

Anscheinend war es der Band schon länger aufgefallen, dass er nicht mehr der Alte war. So war das eben. Jeder bemerkte es, wenn der andere irgendwelche Probleme hatte. "Ist aber nicht so schlimm..." Selbst in seinen eigenen Ohren klang es nicht besonders glaubwürdig. "Das glaub´ ich dir nicht." Yamato seufzte. Was blieb ihm anderes übrig, als es ihnen zu erzählen?

Es ging ihm zwar gewaltig gegen den Strich, aber wenn er ihnen nicht bald davon erzählte, würden sie ihn Tag und Nacht damit auf die Nerven gehen. Und das hasste er mehr als alles andere. Wenn jemand glaubte ihm helfen zu müssen. Er kam doch gut allein zurecht. Warum sollte er sich denn helfen lassen? Das war schon immer so gewesen. Aber irgendwie musste es sein. Außerdem hatte Yamato plötzlich das Gefühl, als könnte er die Worte nicht mehr zurückhalten. Als müsste endlich alles raus. "Ich schlage vor, wir lassen die Proben heute ausfallen."

Dafür erntete er Begeisterung von der Band. Er seufzte erneut und betrat mit seinen Freunden ein kleines Hinterzimmer. In diesem war es behaglich warm. Die große Couch, der dazugehörige Stuhl und der Tisch ließen nur noch Platz für den kleinen Kühlschrank und einer kleinen Stereoanlage. Yamato betrachtete seine Truppe, wie sie nacheinander den kleinen engen Raum betraten und sich auf der Couch bzw. dem Stuhl niederließen.

Die Drummerin Mizael, die trotz ihres Aussehens sich genauso prügeln konnte wie die Gangmitglieder auf der Straße. Den Keyboarder Shinji, der hoffnungslos in Mizael verknallt war, die zwar immer so tat, als sähe sie ihn nicht, aber trotzdem etwas für ihn empfand. Und schließlich Yukiro, der E-Gitarre spielte. Er war inzwischen seit 2 Jahren mit seiner Freundin zusammen. Diese Menschen waren zu Yamatos 2. Familie geworden. Er musste es ihnen erzählen. Es wäre ein Vertrauensbruch, es ihnen nicht zu sagen. Matt seufzte. *Ich sollte mir das Geseufze wirklich mal abgewöhnen. Das ist ja nicht mehr normal*

Er setzte sich zu seiner Band auf die Couch. Alle sahen ihn erwartungsvoll, aber auch besorgt an. "Ihr wollt´s also wirklich wissen, ja?" "Warum würden sonst hier sitzen und die Proben ausfallen lassen?" Mizael ließ die Beine über eine Armlehne des Stuhles baumeln. Sie sah Yamato kurz an, dann suchte ihr Blick wieder einen Punkt, der weit entfernt zu sein schien. "Also... wie soll ich anfangen? Hab ich euch schon von Tai erzählt?" "Das ist doch der, der vor 2 Jahren nach Amerika gegangen ist, oder?" Shinji war aufgestanden und öffnete den Kühlschrank um etwas zu trinken zu holen. "Genau der." "Von dem hast du doch schon ewig nichts mehr gehört, oder? Er hat doch nie geschrieben, soweit ich weiß." "Das... stimmt nicht so ganz, Yukiro... Er hat geschrieben... Vor zweieinhalb Monaten kam ein Brief aus Amerika. Er war von ihm." "Und? Was schreibt er? Hast du zurückgeschrieben?"

Shinji reichte jedem eine Flasche undefinierbarem Etwas, dass er selbst irgendwann mal gemixt hatte. Das Zeug schmeckte verdammt gut. "Nun ja... was er geschrieben hat, ist nicht so wichtig. Aber ich hab zurückgeschrieben. Vor zwei Monaten kam der letzte Brief. Anscheinend hat er ihn nicht zu Ende geschrieben. Der Brief endet einfach so. Der Umschlag und der Brief waren ziemlich zerknittert... Ich mach mir verdammt viele Sorgen um Taichi..." Matts Augen folgten einer Fliege, die ungeniert über die spiegelblanke Glasoberfläche des Couchtisches lief.

"Hast du ihm schon einen Brief geschickt, warum er nicht schreibt?" Yukiro schaute ihn an. Yamato spürte seinen Blick, erwiderte ihn aber nicht. "Das ist es ja. Ich trau mich nicht... Ich hab Angst, dass ihm irgendwas zugestoßen ist oder sonst was..." "Dann solltest du ihm ja erst recht schreiben, meinst du nicht auch??" "Ich denke Shinji hat Recht, Yama. Wenn du ihm nicht schreibst, wirst du es nie erfahren." "Genau, was ist denn so verkehrt daran, wenn..." "Halt den Mund Shinji..." Mizael sah maß ihn mit kritischen Blicken. Ebenso wie Yukiro. "Ihr versteht beide anscheinend nicht, um was es hier geht, oder?" Die beiden Jungs sahen sie verdutzt an. Was meinte sie denn? Sie sagte doch sonst kaum ein Wort.

"Was meinst du damit??" "Männer..." Das Wort klang auf eine gewisse Weise abfällig. Dann lächelte sie. "Ihr seid beide so blind... Ich denke, es geht hier viel mehr um den Inhalt der Briefe, als ihr denkt..." Ungläubig richtete Yamato seinen Blick auf das Mädchen, dass sich lächelnd eine dunkle Strähne hinters Ohr strich. Woher wusste sie etwas?? "Er fürchtet sich davor, das Ende des Briefes zu erfahren, genauso wie er sich das wünscht. Und hinzu kommt noch die Sorge um Tai, von dem er seit Jahr und Tag nix mehr gehört hat... Gott verdammt Matt, wie sehr liebst du den Kerl eigentlich?" Mizael hätte beinahe geschrieen. "Ihr merkt doch wirklich nichts... das ist ja so was von typisch..." Ihre Stimme wurde wieder leiser und verlor sich in der Stille, die sich im Raum ausbreitete.
 

Tai blinzelte. Warum schien die Sonne? Warum schien die Sonne und erhellte die Welt mit ihrem warmen Licht, wenn die kleine Aiko zu Grabe getragen wurde? Warum nur? Taichi trug einen schwarzen Anzug und betrachtete die Menschen um sich herum. Man hatte die Leiche von Aiko gefunden. Bis zuletzt hatten sie alle sich an die Hoffnung geklammert, dass es nicht Aiko sei. Aber wie so oft im Leben wurden Hoffnungen und Wünsche zerstört. Ein leichter Wind spielte mit den Zweigen der großen Trauerweide unter dem Aiko mit ihren Eltern ruhte. Seine dunklen Augen suchten einen Punkt irgendwo am Horizont.

Warum hatte sie sterben müssen? Er war dem Tod entronnen, aber sie war ins Jenseits gegangen. Sein kleiner Sonnenschein. Dieser Tag hätte ihr sicher gefallen. Die Herbstsonne erwärmte die Erde für ein letztes Mal und rote, gelbe und braune Blätter wurden vom Wind mit spielerischer Leichtigkeit über Straßen, Plätze und Gärten geweht. Ein paar letzte Astern erinnerten noch schwermütig an den vergangenen Sommer und einige bereits kahle Bäume mahnten vor dem kommendem Winter. Der Wind zerzauste Tais schwer zu bändigende Haare. Der Kies knirschte unter seinen Füßen, als Taichi nach der Beerdigung nach Hause ging. Tai konnte nicht mehr weinen. Er hatte es in letzter Zeit oft getan. Zu oft. Seine Haut war rot und gereizt. Aber nichts war dadurch besser geworden. Allenfalls nur noch schlimmer.

"Bin wieder zu Hause..." Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, verschwand er in sein Zimmer. Dort lag ein großer Briefumschlag für ihn. Sein Name stand in krakeliger Kinderschrift darauf. *Der ist sicher von Aiko...* Tai nahm den braunen Umschlag in seine Hände und sank in die Matratze ein. *Was wohl drin ist?* Seine aufkommenden Gedanken an seine kleine Freundin verdrängte er. Er öffnete den Umschlag und ließ seinen Inhalt auf die Bettdecke neben sich gleiten. Eine CD, ein Poster und ein weiterer weißer Umschlag mit seinem Namen rutschten aus dem Umschlag. Tai drehte die CD in seinen Händen. *Irgendwoher kenne ich sie... Ich hab sie sicher irgendwo in einem Laden gesehen...* Tai faltete das Poster auseinander.

"Oh mein Gott..." hauchte Taichi. Er kannte dieses Poster. Und die Person die darauf abgebildet war. "Yamato..." Dieser Name kam ihm in den Sinn, als er es ein Stück von sich weghielt und den jungen Mann darauf erblickte. *Wieso Yamato?? Woher weiß ich, dass das sein Name ist? Kenn ich ihn etwa? Ausgerechnet einen Star... Das ist sicherlich so einer, der die ganzen Schnulzen in die Welt setzt. Was hat so einer denn mit mir zu tun? Ich kenn doch keine Schnulzensängerfuzzis... Ich bin doch kein Mädchen. Aber gut aussehen tut er. Das muss man ihm lassen. Und erst diese Augen... Moment mal? Was denk' ich denn da?? Das Auto muss bei mir ja mehr Schaden angerichtet haben, als ich weiß... Aber die Augen sind trotzdem schön. Eigentlich ist der ja schon fast richtig süß... Hey... stopp, stopp, stopp, Yagami!! DAS da ist ein Typ!! Ein Schnulzensängerfuzzi obendrein... DU bist auch ein Kerl! Und ein Kerl verliebt sich nicht in einen Schnulzensängerfuzzi. Die Mädels rennen dir die Tür ein und du starrst einem Schnulzenfuzzi in die herrlichen Augen!! Das ist nicht normal, Yagami!! Hör auf damit!* "Ja genau..." Widerwillig faltete Tai das Poster wieder zusammen und öffnete den weißen Umschlag. Er zog einen Brief heraus, der von Aiko war.
 

Lieber Tai,

wenn du diesen Brief bekommst, bin ich nicht mehr da und du wirst dich vermutlich auch nicht an mich erinnern. Ich will auch gar nicht, dass du das tust. In dem Moment, indem du diesen Brief durchliest, bin ich im Himmel und schaue dir zu. Ich wusste, dass es so kommen würde. Ich habe es gesehen. Nein... vielleicht ist sehen nicht das richtige Wort dafür. Ich habe es gespürt, als meine Eltern mir von unserem Urlaub erzählten und du kurz darauf in meinem Zimmer standest und das beigelegte Poster betrachtet hast. Ich schicke es dir mit der zugehörigen CD.

Vielleicht wunderst du dich, dass ein siebenjähriges Mädchen einen solchen Brief schreibt, der eigentlich nicht zu ihrem geistigen Wissen gehören kann. Und erst diese Handschrift, die nur einem Erwachsenem gehören könnte. Vielleicht nicht einmal das. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich es auch nicht. Wahrscheinlich hängt es damit zusammen, dass ich deinen Unfall und meinen Tod vorausgesehen habe. Vielleicht auch damit, dass ich heute ein helles, weißes Licht in meinem Traum gesehen habe. Ich weiß es wirklich nicht.

Aber seit dieser Begegnung fühle ich, wie mich dieser Körper einengt. Sobald meine Seele sich daraus befreit, werde ich auf weißen Schwingen den Himmel durchkreuzen. Ich wünschte, du könntest dann bei mir sein. Dieser Wunsch entspringt tief aus meinem Herzen heraus. Ich will immer bei dir sein. Ich will, dass du mich in den Arm nimmst und mich auch ohne Flügel fliegen lässt. Ich wünschte, dass du meine Liebe erwidern würdest. Aber ich weiß, dass es nicht so ist und es auch nie so sein wird. Du bist nicht mir bestimmt, sondern jemand anderem. Jenem Menschen, den du vor über 2 Jahren verlassen hast. Es ist genau derselbe, der auf dem Poster ist.

All meine Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft wurde zerstört und zersprang wie eine Glaskugel in tausend Splitter, als ich sah, wie du das Poster angesehen hast. Steh zu deinen Gefühlen, Tai. Sei nicht feige und vertraue auf dein Herz...
 

Ich hoffe, dass du glücklich wirst.

Deine, dich liebende,
 

Aiko-chan
 

Wortlos faltete Tai den Brief zusammen und steckte ihn zurück in den Umschlag. Diesen schloss er in seinem Nachttischchen ein. Er sah Aikos lachendes Gesicht vor sich und sah wie ihre Augen gleich Smaragden im Sonnenlicht funkelten. Erneut betrachtete er das Poster. *Seine Augen...* Tai kniff die Augen zusammen. Plötzlich schienen seine Augen aufzuleben und kurz in einem hellem blau zu erstrahlen. *Was zum Teufel...?* doch sosehr Tai sich auch bemühte, das helle Aufleuchten kam nicht wieder.

Kurz danach fragte er sich, ob er es sich vermutlich nur eingebildet hatte. Den restlichen Tag und die ganze Nacht hindurch grübelte Taichi dann darüber nach, ob der Junge auf dem Poster nun grüne oder blaue Augen hätte. Er verdrängte diese Gedanken zwar, aber sie schlichen sich immer wieder bei ihm ein und schließlich verfolgten sie ihn sogar in seinen wirren Träumen in dem sich alles um ein Poster, grüne und blaue Augen und Engel drehte.
 

"WAS?? Du soll das etwa heißen, dass du schwul bist?!" Shinji starrte Yamato regelrecht an. Er forderte eine Antwort. "Nun ja... also ähm... weißt du... ich... äh... also... eigentlich... eigentlich..." "Eigentlich...?" Nun begann auch Yukiro Matt durchdringend anzusehen. Mizaels Blick hatte sich inzwischen wieder irgendwo im Nirgendwo verloren. "Äh...also... wenn man es so konkret... betrachtet... dann...dann denke ich... dann denke ich... ähm... dass das... äh... eigentlich... richtig ist... Aber eigentlich... habe ich mir... darüber noch keine... keine Gedanken gemacht... glaube ich..." Es war raus. Mehr oder minder. Oder doch nicht? Hatten Yukiro und Shinji auch verstanden, was er meinte? Yamato fühlte sich hilflos. Er selbst verstand doch schon lange nichts mehr. Wie sollten es dann andere tun können? Shinji, der noch immer fassungslos seine Flasche in der Hand hielt, setzte sich ihm gegenüber auf die Couch. Sein Getränk stellte er beiläufig auf den Tisch. "Matt... ich denke, dass du selbst überhaupt nicht weißt, was nun abläuft..." "Ach... und du weißt es, ja?" Yamato spürte Wut in sich hochsteigen.

"Nein, aber ich will es herausfinden, verstehen und dir helfen. Es ist mir egal, ob du nun schwul bist oder nicht. Ich denke, dass ich für alle spreche und sage, dass wir voll und ganz hinter dir stehen. Und deshalb wollen wir dir helfen. Klar?" "O...okay." Irgendwie verblüffte Matt diese Antwort. Er hatte etwas anderes erwartet. Zwar wusste Yamato nicht genau, was, aber das hier übertraf all seine Vorstellungskraft. Dass er so tolle Freunde hatte, hätte er niemals geglaubt.

Yukiro wechselte seinen Platz und setzte sich neben Shinji um Matt in die Augen sehen zu können. "Liebst du diesen Tai?" "Ja. Mehr als alles andere." *Wow...* Eine so herausgeschossene Antwort war eigentlich nicht so ganz das, was alle, Matt eingeschlossen, erwartet hatten. "Schön." Yukiro lächelte. "Fühlst du dich... ähm... wie soll ich sagen... sexuell zu ihm hingezogen?" Das Blut schoss in seine Wangen und färbte es rot. "Nun ja... äh..." "Mein Gott Yukiro... Du bringst ihn ja ganz in Verlegenheit... Du bist echt schlimm..." "Ach ja?" "Ja!" "Na wenn du meinst. Yamato. Kannst du dir vorstellen, deinen Taichi zu küssen?"

"Wenn ich ehrlich sein soll... Erinnere ich mich eigentlich nur noch verschwommen daran..." "Also hast du ihn schon geküsst? Wann?? Erzähl doch..." Shinji und Yukiro sahen ihn neugierig an. "Am Flughafen... Aber... nicht so richtig... Eigentlich hat ja er mich geküsst... Im übrigen seht ihr gerade aus wie die Mädels aus unserer Klasse. Die schauen sich auch immer so an, wenn eine verknallt ist." Diese Bemerkung überhörte Shinji vollkommen. "Apropos Mädchen... Fühlst du dich zu einer von ihnen irgendwie... hingezogen? Zumindest körperlich?" "Ich weiß nicht so recht... Wen meinst du denn?" "Nun ja..." Shinjis Blick huschte unauffällig zu Mizael, die noch immer weit, weit weg zu sein schien. "Ich denke da an die Neue aus unserer Klasse. Die sieht doch gar nicht so schlecht aus. Ich mein... lange Beine, Knackarsch, tiefes Dekoltée und so weiter und so fort..."

"Euch Typen geht´s doch wirklich immer nur darum, wer die größten Titten hat. Es ist doch immer so. IMMER!!" Mizael stürmte aus dem Raum. Entgeistert sahen die Jungen sie an. Shinji sprang auf. "Warte doch. Mizael!! Warte...!" Die Tür fiel erneut mit einem lauten Schlag ins Schloss und Yukiro blieb allein mit Yamato zurück. "Das hat ganz schön wehgetan..." Mit traurigen Augen sah Matt die Tür an. "Jaja... es ist nicht immer leicht... Vor allem bei den beiden..."

"Du hast wohl recht. Ich werde dann mal nach Hause gehen. Ich muss schließlich heute noch einen Brief schreiben." Yamato lächelte. "Yamato?" "Ja?" Matt drehte sich in der Tür noch einmal um. "Ich bin froh, dass du es uns erzählt hast. Ich wünsch dir viel Glück. Du schaffst das sicher." "Klar! Ciao!" Noch nie war Matt so optimistisch gewesen. Er war froh, so gute Freunde zu haben. Heute würde er endlich einen Brief schreiben und nach Amerika schicken. Doch als er zu Hause ankam, steckte bereits ein Brief in seinem Briefschlitz an der Tür. Er war eindeutig an ihn adressiert. Und... Er stammte aus Amerika...



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Bando-san
2008-03-07T13:26:40+00:00 07.03.2008 14:26
Oh Gott, wie konntest du die kleine Aiko-chan sterben lassen?
*schnief*
Bei ihrem Brief musste ich richtig heulen Q.Q
Aber ich finde, dass das auch zum Verlauf der Story total gut passt...
Tai tut mir so leid Q.Q
Ich weiß selbst, wie es ist, einen Menschen auf diese Weise zu verlieren. Ich finde, dass du das gut und sehr realistisch rübergebracht hast, es hätte auch ins total kitschige abschweifen können.
Thumbs up!
Ich les gleich weiter^^

Bando
Von: abgemeldet
2007-12-28T09:25:58+00:00 28.12.2007 10:25
Ich bin wirklich beeindruckt. Du kannst verdammt gut schreiben, die FF gefällt mir sehr sehr gut. Mach weiter so, bin gespannt auf das nächste Kapitel.
*lobaussprech*

MfG
The_Dreamer
Von:  Ice_Angel_Kara
2007-12-27T11:46:33+00:00 27.12.2007 12:46
*schnief*
Das istewirklich ein geniale FF^^
Wie gehts weiter?

lg


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