Der Hauptmann
Damals...
In einem blassgelben Licht geht die Sonne auf, kein schöner Tag für einen Spaziergang. Die düsteren Wolken am Horizont verheißen nichts Gutes. Doch Sesshomaru kümmert das nicht, es ist kein Spaziergang den er unternimmt. In dieser Nacht hat er sich keine Ruhe gegönnt. Zu viel geht ihm durch den Sinn. Außerdem ist jetzt jederzeit mit einem feindlichen Angriff zu rechnen.
Gerade folgt er einem kleinen Flusslauf. Nach außen hin ist er die Ruhe selbst, jedoch im Inneren ist er hellauf wachsam. Schon den ganzen Morgen über spürt er ein unheilvolles Kribbeln im Nacken, als würde ihn jemand beobachten, doch so sehr er seine Sinne auch anspannt, kein Verfolger ist auszumachen. So begleitet ihn nur sein stets kritischer Instinkt und zwingt ihn dazu, wachsam zu bleiben.
Nichtsdestotrotz versucht der junge Youkai trotzdem, die Reise zu nutzen, um sich Gedanken darüber zu machen, wie er den Ostfürsten von seiner Dominanz überzeugen kann. Angestrengt ruft er sich alles ins Gedächtnis was er über den Osten und seinen Fürsten weiß.
Die Hunde des Ostens sind ein verschlagenes Volk, erinnert er sich. Sie scheuen die offene Auseinandersetzung und lösen ihre Probleme lieber mit Ränkeschmieden, wenn es sich einrichten lässt. Schlau und gerissen sind sie, jedoch zählt auch fast schon sprichwörtliche Feigheit zu ihren Charakterzügen. Wenn ein Kampf zu vermeiden ist, ist das nur in ihrem Interesse
Ihr Fürst Arashitsume bietet da keine Ausnahme. Nur ein einziges Mal hat er ihn bisher zu Gesicht bekommen und das ist schon viele Jahre her. Damals hatte Inu Taishou mit ihm die Grenze überquert um seinen Thronfolger mit den anderen Fürsten bekannt zu machen. Obwohl Sesshomaru damals erst zwei Jahre alt war, kann er sich dennoch an die feindlichen und missgünstigen Blicke erinnern. Aber ebenso erinnert er sich auch an den Geruch von Angst und Respekt vor dem größten Youkaifürsten den es je gab. Auch der Fürst des Ostens hatte gute Mine zum bösen Spiel gemacht und notgedrungen den Fürsten des Westens willkommen geheißen, doch Sesshomaru spürte schon damals den Hass und die Verachtung die hinter seinen Worten steckte.
Dieser Tage wird es sicher nicht anders sein, vermutet der junge Fürst. Arashitsume ist ein verschlagener Taktiker und ein redegewandter Diplomat, doch wenn ich auf seine Schmeicheleien nicht hereinfalle und mich offen herausfordernd verhalte, habe ich gute Chancen meine Machtposition klarzustellen. Sicher lässt er es nicht offen zum Kampf kommen, wenn er es irgendwie vermeiden kann. Schließlich bin ich Inu Taishous Sohn! Schon alleine das sollte genügen um ihn abzuschrecken! Sesshomaru seufzt innerlich. Ich hoffe Arashitsume ist davon mehr überzeugt als ich.
Doch sogleich ruft er sich erneut zur Ordnung. Nein, Zweifel sind hier im Moment gänzlich fehl am Platz. Zweifel bedeuten immer Schwäche und Schwäche kann er sich nicht erlauben. Verdammt noch mal, er ist Inu Taishous Sohn! Inu Taishou hatte niemals Zweifel! Inu Taishou war niemals schwach und er hatte auch gute Gründe dafür. Er war stark gegenüber seinen Gegnern, er war weise gegenüber seinen Untertanen und er war fürchterlich in seinem Zorn! Es gelang nicht leicht ihn zu reizen, doch wenn ihn einmal die Wut packte, tat man gut daran ihm tunlichst aus dem Weg zu gehen. Sesshomaru bleibt stehen. Gedankenverloren blickt er an sich herunter. „Ach, Chichi-ue“, murmelt er, „Wie gewaltig sind doch eure Fußstapfen!“
In diesem Augenblick spürt er das nervöse Kribbeln erneut, mit einer solchen Intensität, dass es augenblicklich seine gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Hinter den Bäumen ein Stück entfernt vernimmt er ein kaum hörbares Geräusch; ein Geräusch, das nicht von den üblichen Bewohnern des Waldes stammt.
Na endlich!, denkt Sesshomaru bei sich und ist augenblicklich voll konzentriert. Es dauert kaum zwei Sekunden, da hat er die Bäume auch schon erreicht, mit gezückten Klauen, rotfunkelnden Augen und der wilden Entschlossenheit jeden niederzumachen, der es wagt ihm so hinterrücks aufzulauern.
Doch kaum, dass er die Lichtung erreicht, die hinter den Bäumen liegt, hält er auch schon völlig entgeistert inne. Das hier ist es ganz sicher nicht gewesen was er vorzufinden erwartet hatte. Auf der Lichtung verstreut liegen sechs Youkais, grauenvoll zugerichtet in ihrem eigenen Blut. Einigen ist die Kehle herausgerissen worden, anderen fehlen zusätzlich noch diverse Gliedmaßen. Alle haben ihren letzten Atem ausgehaucht. Sesshomaru steht da wie vom Donner gerührt. Alle sechs sind Youkai des Ost-clans gewesen und jeder von ihnen trägt eine Waffe bei sich.
Bedächtig zieht Sesshomaru die Luft ein. Ohne Zweifel, die schwache Witterung dieser sechs ist es gewesen, die ihm schon den ganzen Tag einen Schauer nach dem anderen über den Rücken gejagt hat. Anscheinend sind es Späher gewesen und sie haben ihn bereits den ganzen Tag im Augen behalten, ohne von ihm bemerkt zu werden. Sie müssen wirklich gut gewesen sein.
Mit gemischten Gefühlen starrt Sesshomaru auf die Leichen. Einerseits macht es seinem Stolz sehr zu schaffen, dass er sie nicht früher bemerkt hat. Andererseits macht ihm noch mehr zu schaffen, dass sich offenbar jemand anders um diese Späher gekümmert hat, jemand der es mit Leichtigkeit mit sechs von ihnen aufnahm. Jemand, der dafür offenbar keine fünf Sekunden gebraucht hat. Dem Geruch nach sind die Kadaver kaum ein paar Minuten alt. Wer oder was ist in der Lage eine Gruppe von sechs Soldaten innerhalb kürzester Zeit so zuzurichten und das ohne das leiseste Geräusch. Und noch viel schwerer wiegt die Frage: Warum?
Ohne Frage waren diese Soldaten beauftragt worden ihn im Auge zu behalten und wohlmöglich auch anzugreifen, wenn sich die Gelegenheit bot. Jeder bei Verstand würde nun annehmen, dass der Fürst des Westens kurzen Prozess mit ihnen gemacht hat. Geht es hier darum ihm einen Mord anzuhängen oder gar einen Krieg auszulösen? Sesshomarus Mine verfinstert sich. So etwas kann er nicht auf sich sitzen lassen! Nicht nachdem er den festen Entschluss gefasst hat, den Rat von seiner Führungsqualität zu überzeugen. Wer immer ihm hier ins Handwerk pfuscht, wird bitter dafür büßen!
Urplötzlich steigt ihm ein schwacher Geruch in die Nase. Sofort sind alle seine Sinne im höchsten Maße konzentriert. Sein Kopf fliegt herum und aus den Augenwinkeln erkennt er gerade noch eine flüchtige Bewegung zwischen den Bäumen.
Nun gibt es kein Halten mehr. Wie von der Sehne geschossen, setzt Sesshomaru der davoneilenden Präsenz nach. Dabei lässt er sich von seinen Sinnen fast mit traumwandlerischer Sicherheit führen. Jeder Haken den der Flüchtende schlägt, jede Finte jeder Zwischensprint; der junge Fürst des Westens lässt sich nicht in die Irre führen. Er hat die Witterung des Täters aufgenommen, er ist hartnäckig und er ist sauer. Es ist die einzige Fährte die von der Lichtung wegführt und bisher hat er sich noch immer auf seine Sinne verlassen können. Wer immer dort flüchtet, muss für den Tod der Youkais verantwortlich sein und Sesshomaru ist fest entschlossen, dafür eine Erklärung zu erhalten.
Nicht, dass ihm die Youkais irgendwie leid tun würden, so etwas wie Mitleid ist ihm völlig fremd, aber er hat den Verdacht, hier als Sündenbock herhalten zu sollen und das geht ihm ganz gehörig gegen den Strich!
Und trotzdem stellt Sesashomaru fest, dass die Verfolgung des Fremden nicht so einfach ist wie er angenommen hat. Seine Beute ist schnell, sehr schnell und sie versteht es ihre Spuren und ihre Aura geschickt zu verwischen. Innerlich hegt er Zweifel daran, dass irgendjemand sonst, außer ihm, in der Läge wäre dieser Person zu folgen. Wer mag dieser Kerl sein? Sesshomarus Ergeiz ist geweckt und der Abstand zwischen ihm und seiner Beute wird geringer. Es wird nicht lange dauern, bis er ihn eingeholt hat.
Da, auf einmal schlägt der Fremde einen weiten Bogen. Sesshomaru ist ein wenig irritiert, doch schon wenige Augenblicke später dämmert ihm, was damit beabsichtigt ist. Vor ihm tauchen zwei weitere Witterungen auf. Ost-Youkais!
Um ein Haar wäre er in die beiden hineingerannt. Er schafft es gerade noch rechtzeitig vor den verdatterten Ostclan-Kriegern abzubremsen und so würdevoll wie irgend möglich zum Stehen zu kommen. Schon bemerkt er wie die Witterung des Fliehenden sich verflüchtigt. Verdammt!
Doch gerade hat er keine Zeit sich mit diesem Verlust zu befassen, denn die beiden Youkais haben ihre Überraschung schnell abgelegt und erfassen nun recht zügig die Sachlage. Schon hat der erste ihn erkannt. „Das ist der Nishi-aitsu!“, schreit er seinem Kameraden zu. Sofort zückt der andere seine Waffe, einen langen Spieß. „Du wirst dafür büßen was du unseren Kameraden angetan hast!“, grollt er und ohne ein weiteres Wort stürmt er wutentbrannt auf Sesshomaru los. Auch der andere schließt sich dem Angriff an, er schwingt einen Stab an dessen Enden jeweils eine gefährlich scharfe Klinge sitzt.
Doch auf Sesshomarus Reflexe ist Verlass. Mit einer geschmeidigen Bewegung weicht er den niedergehenden Waffen aus, er braucht kaum einen Gedanken daran verschwenden. Obwohl er mit diesem urplötzlichen Ausbruch nicht gerechnet hat, fällt es ihm fast spielerisch leicht darauf zu reagieren. Im Grunde wäre es kein Problem diesen beiden lebensmüden Idioten unverzüglich den Garaus zu machen, besonders in der Gemütsverfassung in der er sich momentan befindet. Er fühlt sich zum Narren gehalten und er ist wütend! Wütend auf seinen entkommenen Flüchtling, der ihn hierher gelockt hat, wütend auf diese beiden voreiligen und dreisten Higashi-aitsu und besonders wütend darüber, dass man ihn offenbar dafür verwendet hat, die Drecksarbeit zu machen. Doch diese Rechnung wird ganz sicher nicht aufgehen! Er ist niemandes Werkzeug!
Sesshomarus Blut ist in Wallung. Er muss seinem Ärger Luft machen sonst platzt er. Mit zwei wütenden Handkantenschlägen befördert er die beiden Youkais quer über die Lichtung, so, dass sie an zwei Bäumen zu liegen kommen und schmerzerfüllte Laute von sich geben. Rot funkeln seine Augen und seine Reißzähne treten weit hervor. „Was fällt euch ein mich anzugreifen!“, zischt er bitterböse und mit so viel Verachtung wie er nur in seine Worte legen kann, „Wisst ihr eigentlich wen ihr vor euch habt?“
Ächzend kommen die beiden wieder auf ihre Füße, doch ihr Kampfwille ist ungebrochen. „Wir wissen genau wer du bist, Nishi-aitsu!“, ruft der eine zornig, „Kein Status der Welt gibt dir das Recht unsere Leute nach deinem Gutdünken abzuschlachten. Sie waren nur als Eskorte gedacht! Dreckiger Köter! Aber Verrat ist ja von jeher das einzige was vom Westen zu erwarten ist!“
Diese Worte bringen Sesshomaru gänzlich aus der Fassung: „Du beleidigst das Andenken meines Vaters!“, schreit er zornesbebend, „Dafür stirbst du, du Wurm!“ Mit einem tiefen Grollen in der Kehle, rotglühenden Augen und gefletschten Reißzähnen stürzt sich Sesshomaru auf die beiden aggressiven Youkais. Doch einmal mehr ist sein Angriff vergebens. Noch bevor er sie erreichen kann, fällt vollkommen lautlos eine Gestalt aus einem der Bäume herab und mit tödlicher Körperkontrolle und überaus grazilen Bewegungen packt sie die beiden Youkais an der Kehle, drückt einmal kräftig zu und bringt sie so ein für allemal um das Erlebnis von Sesshomarus gewetzten Klauen zerfleischt zu werden. Und nicht nur das! Schon eine halbe Sekunde später, lässt sie die beiden leblosen Kadaver fallen, greift in atemberaubender Geschwindigkeit an ihren Gürtel, zieht ein schimmerndes Kurzschwert und wehrt damit Sesshomarus ungezügelten Angriff ab indem sie seine Klaue blitzschnell mit der flachen Schwertklinge zur Seite stößt.
Sesshomaru lässt sich nicht dazu hinreißen, von dem erstaunlich kräftigen Schlag zu taumeln. Sofort hat er sein Gleichgewicht wieder. Langsam reicht es ihm! Ständig mischt sich irgendwer in seine Kämpfe ein, damit muss jetzt Schluss sein! Noch immer wutschnaubend starrt er den Neuankömmling an.
Was er nun sieht, überrascht ihn aber doch. Vor ihm steht, aus der Schwungbewegung geschmeidig aufgerichtet, eine drahtige, hochgewachsene Youkai-Frau. Ihre Bewegungen sind kontrolliert und zeugen von trainierten Muskeln, sie trägt bequeme, praktische Lederkleidung die am Saum mit grauem Pelz besetzt ist. Nur über der Brust trägt sie einen verzierten Holzbrustpanzer. Ihre langen Haare glänzen wie dunkler Obsidian in der Sonne und in ihre purpurfarbenen Augen glüht ein faszinierendes Feuer. Über die blasse Gesichtshaut ihrer wohlproportionierten, breiten Wangenknochen ziehen sich die klaren Linien der typisch gezackten Gesichtszeichnung der Ost-Youkais und zu Sesshomarus Verwunderung ist auf ihrer Stirn ein deutliches, türkisfarbenes Blitzsymbol zu erkennen, dass den Anschein erweckt als würde es im fahlen Tageslicht schimmern.
Für einen kurzen Moment ist Sesshomaru ganz einfach sprachlos. Schließlich findet er seine Worte wieder. „Was mischst du dich hier ein?“, ruft er um seinem Ärger Luft zu machen, „Glaubst du etwa, ich hätte diese Köter nicht alleine besiegen können?“ Etwas Besseres fällt ihm im Augenblick nicht ein.
Die Fremde Youkai schaut ihn mit schmalen Augen an. Dann steckt sie mit einer fließenden Bewegung ihr Schwert zurück in die Scheide. „Ich wollte euch nur davon abhalten eine Dummheit zu begehen.“ Diese Antwort irritiert Sesshomaru ein wenig. Für einen kurzen Moment schweigt er. Dann fragt er: „Ihr meint, damit ich diese zwei nicht töte, habt ihr sie getötet?“ Ohne dass er es merkt ist Sesshomaru zur Höflichkeitsform übergegangen. Die Fremde wirft ihm einen herablassenden Blick zu: „So kann man es nennen.“ Wie beiläufig wischt sie mit ihren noch immer blutigen Händen über ihren Brustpanzer und hinterlässt dort ein paar klebrige, rote Streifen.
Sesshomarus Gehirn arbeitet erfreulicherweise gut mit. Langsam dämmert es ihm. „Ihr wollt nicht, dass ich als der Schuldige dastehe!“, stellt er überrascht fest. Diese Erkenntnis verwirrt ihn noch mehr. Gerade hatte er noch das komplette Gegenteil angenommen. „Ihr habt eine rasche Auffassungsgabe, Ouji-sama (werter Prinz)“, meint die Fremde gelassen.
„Aber das ergibt keinen Sinn!“, spricht Sesshomaru seine Gedanken aus, „Welchen Vorteil könnte euch das bringen?“ „Keinen den ich euch nennen würde!“, gibt sie ernst zurück. Nun wird auch Sesshomaru wieder ernst. Er wird sich bewusst, dass er hier mit einer Dai-Youkai des Osten redet. Auf keinen Fall darf er sie wie ein kleiner, dummer Junge mit unsinnigen Fragen löchern. Das wäre fatal!
Nun strafft er sich und setzt eine gleichgültige Mine auf. „Ich habe euch nicht um Hilfe gebeten und ich benötige sie auch nicht!“, stellt er klar. Ein leicht spöttischer Zug liegt um ihre Mundwinkel: „Daran hätte ich nie gezweifelt!“ „Aber vielleicht war eure Tat doch nicht so wohlüberlegt wie ihr glaubt“, setzt Sesshomaru ärgerlich nach, dem ihr verstohlener Spott nicht entgangen ist, „Was sollte mich schließlich hindern, eurem Fürsten den wahren Täter mitzuteilen?“
Nun lacht die Youkai auf und ihre Augen schimmern vergnügt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Arashitsume die Mühe machen wird, mich für meine Taten zur Verantwortung ziehen zu wollen.“ Sesshomarus Augen funkeln ärgerlich: „Wenn ein Fürst nicht einmal in seinem eigenen Land für Ordnung sorgen kann, wird er nicht lange Fürst bleiben!“
Nun verstummt ihr Lachen. Ernst schaut sie den jungen Youkaifürsten an. „Maßt euch nicht zu viel an, Fürst Sesshomaru! Ja, ich weiß sehr wohl wer ihr seid. Ihr mögt euch selbstsicher und zuversichtlich geben, doch ihr seid noch sehr unerfahren. Arashitsume ist niemand über den man einfach hinweggehen kann. Wenn ihr das tut, werdet ihr eine vernichtende Niederlage erleiden!“
In seinem Stolz gekränkt starrt Sesshomaru sie an. „Ich kenne meine Verantwortung und ich scheue meine Aufgaben nicht. Versucht nicht mich zu belehren!“ Sie schüttelt leicht den Kopf: „Nichts liegt mir ferner. Und nur damit ihr es wisst, nicht ihr seid das Ziel meiner Sorge. Ich hatte nicht vor einzugreifen, doch auch ich habe Verantwortung die es mir unmöglich machte, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen.“
„Wie ist euer Name?“, fordert Sesshomaru nun zu wissen, „Und von welcher Verantwortung sprecht ihr?“ Die schlanke Frau richtet sich würdevoll auf. „Mein Name ist Hanaki (schöne Blume). Und meine Verantwortung, junger Ouji-sama, ist meine Angelegenheit, nicht eure!“ Sesshomaru braust auf: „Tut nicht so herablassend! Ich entscheide selbst was meine Angelegenheit ist. Ich bin kein Kind mehr!“ Die jugendlich wirkende Youkai fängt an leise zu lachen, dann sagt sie: „Gerade jetzt benehmt ihr euch aber wie eines!“
Sesshomaru steigt das Blut ins Gesicht. Verdammt, sie hat recht. Was rede ich hier bloß? Ich klinge in der Tat wie ein trotziges, kleines Kind. Wie demütigend!
Der junge Fürst schluckt einmal und atmet tief durch. Dann hebt er den Kopf und erwidert fest ihren Blick. Seine nächste Reaktion wird entscheidend sein. Dann schließlich sagt er: „Spart euch euren Spott! So mancher der Kinder unterschätzte fand sich am nächsten Morgen von seinen Feinden umringt vor, die des nachts durch das geöffnete Tor hereinkamen. Niemand der Verantwortung trägt, kann sich anmaßen auch nur seinen geringsten Gegenüber zu unterschätzen und ich versichere euch, zu den Geringsten zähle ich ganz sicher nicht, verlasst euch darauf!“
Das Lächeln auf dem Gesicht der Youkai verschwindet. Abschätzend schaut sie den jungen Fürsten des Westens an. Dann sagt sie: „Mag sein, dass Yaeba recht hatte als er mir berichtete, ihr wäret reifer als euer Alter vermuten lässt. Ich stimme ihm zu; aus euch könnte tatsächlich einmal ein ernstzunehmender Fürst werden.“ Bei diesen Worten fühlt Sesshomaru sich innerlich sehr aufgewühlt. Er weiß nicht ob er sich durch das Kompliment geschmeichelt fühlen oder über die herablassende Art ärgern soll. Um seine Unsicherheit zu überspielen fragt er: „Ihr kennt diesen Yaeba?“
Hanaki hebt die Brauen. „Natürlich, er ist schließlich mein direkter Untergebener in unserem Rudel.“ Sesshomaru schaut sie fragend an: „Was für ein Rudel meint ihr?“ Sie reckt würdevoll ihr Kinn: „Ich rede von dem Streunerrudel, dessen Hauptmann ich bin.“ Sesshomaru hebt die Brauen: „Ihr seid der Hauptmann? Aber es klang so als ob...“ Sie fällt ihm ins Wort: „Als ob der Hauptmann ein Mann ist. Nicht wahr? Das ist nur ein Mittel der Disziplin. Meinen Leuten fällt es leichter zu parieren wenn sie mir einen männlichen Titel geben können. Wenn ihr hinkommt, könnt ihr ja mal Arashitsume danach fragen. Sicher findet ihr seine Reaktion darauf recht amüsant.“
Sesshomarus Blick wird schmal: „Ich unternehme diese Reise nicht wegen belanglosem Geplänkel. Mich führen wichtige Angelegenheiten hierher!“ Ihr Blick wird wieder ernst: „Ihr habt recht, mich ebenfalls. Nun, ich weiß jetzt alles was ich vorerst wissen muss, deshalb will ich euch auch nicht länger aufhalten.“
Nun wendet sie sich zum Gehen. „Auch wenn ihr es mir vielleicht nicht glaubt, Sesshomaru-sama, ich wünsche von Herzen, dass euer Anliegen von Erfolg gekrönt sein wird. Die Aufgabe, die vor euch liegt, ist nicht einfach. Nur damit ihr wisst womit ihr zu rechnen habt: Die sogenannte Eskorte war in Wirklichkeit eine Meucheltruppe die euch töten sollte“, noch einmal dreht sie sich um und ein eigenartiges Funkeln liegt in ihrem Blick, „Aber das wusstet ihr natürlich! Nehmt diese Warnung an: Unterschätzt Arashitsume nicht, das ist gefährlich!“ Dann einen Augenblick später ist sie mit einem grazilen Sprung in den Bäumen verschwunden und der junge Fürst des Westens bleibt mit den zwei Leichen und seinen Gedanken allein.