Zum Inhalt der Seite

Raftel (1)

When Spirits Are Calling My Name ...
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

36 - Kreuzverhör

Die Befreiungsaktion Luffys entpuppte sich dann letztendlich doch eher nach der Nadelsuche im Heuhaufen. Sie waren sofort noch im Morgengrauen aufgebrochen und über die Pfade und Hänge losgestürmt, als Chopper kurz zuvor verwundet und erschöpft seine Nakamas erreicht hatte. Jedoch war es eher ein kopf- und planloses Unternehmen, was ihnen nun einen ziemlichen Irrmarsch über das Eiland bescherte. Nami hatte zwar die Karte der Insel aus dem Gedächtnis vor Augen, musste aber zugeben, dass sich nicht nur die Wege und Buchten im Laufe der Jahrzehnte durch Verwitterung und Naturerscheinungen verändert hatten, sondern auch die Marinebasis gar nicht verzeichnet war. So langsam begriffen sie, warum diese Landerhebung auch die Insel der Labyrinthe genannte wurde. Man konnte zwar von einem Hügelkamm zum nächsten Hügelkamm sehen, doch der Weg dahin war eine verschlängelte Ewigkeit. So verging ein gehintensiver Tag, der an den Nerven der Strohhüte zerrte. Doch als die Abenddämmerung einsetzte und sich das Gesicht der Insel zum Schlaf änderte, hatten sie zum ersten Mal das Gefühl, endlich auf dem rechten Weg zu sein. Es wurde kühler, rauer und nebeliger. Ein fast kreisrunder Mond stieg langsam dunkelrot am Himmel auf und wirkte bedrohlich unheilverkündend, als wüsste er bereits von einer blutigen Nacht, die da folgen würde.

Und plötzlich stoppte der Gummijunge mitten aus dem Lauf von einer zur anderen Sekunde ab. Dort, hinter der nächsten Wegbiegung lugte tatsächlich am Horizont eine vom Meerwind zerrissenen Marineflagge hervor, die schlaff an ihrem zerrosteten Masten hing. Die Gruppe hatten endlich ihr Ziel erreicht. Vorsichtig suchten sie sich eine geschützte Deckung zwischen den Büschen, um die Lage zu inspizieren. Das Haus wirkte wie eine baufällige Baracke. Das Marinehauptquartier schien kein Interesse zu hegen, sich um ihre weit verstreuten Liegenschaften auf der Grandline zu kümmern, denn nicht nur die ergraute Außenfarbe blätterte von der Holzverkleidung herunter wie Herbstlaub, sondern auch die Fenster waren nur notdürftig geflickt, die Tür eingetreten und die Fensterläden hingen schief in den Angeln. Links und rechts neben der Eingangstür war jeweils ein großes, dreckiges Fenster und ließen Büroräume vermuten. Sehr kleine Fenster in der ersten Etage deuteten auf Mannschaftsunterkünfte hin. Mehr schien diese Häuschen dort nicht zu bieten. Allerdings sah es doch recht verdächtig aus, wie es dort so an der Felswand lehnte. Ob es vielleicht das falsche Gebäude war? Luffy wollte sich schon auf den Weg machen, um den Soldaten, der vor dem Haus Wache schob, einfach mal auf seine eigens ganz persönliche Art auszufragen. Immerhin war er Strohhut-Luffy ohne Furcht und Tadel mit hohem Steckbrief. Da müsste schon eine Antwort drin sein. Doch Nami hielt ihn zurück, denn gerade konnte sie noch rechtzeitig erkennen, dass wohl dort unten im Hafen sehr viele Kriegsschiffe vor Anker lägen. Also müssten hier definitiv noch mehr von den Marinesoldaten sein. Es war nur die Frage zu klären, wo diese sich verstecken würden.

Sie blieben also in ihrem Versteck hinter den Büschen und warteten, dass der Mond weiter aufstieg. Das tat er dann auch wie gewöhnlich und strahlte nun mit seiner ruhigen silbernen Farbe herab. Franky pustete einmal erleichtert tief durch. Es wäre schief gegangen, wären sie einfach drauf losgerannt. Zusammen mit Sanji und Robin hatte er sich zwischenzeitlich den Hafen genauer angesehen. Zwei große Schiffe legten gerade an. Es war an den Flaggen nicht schwer zu erkennen gewesen, dass sie in diesem Moment zwei sehr unliebsame Gäste auf der Insel bekommen hatten.
 

Von einer Befreiungsaktion vor den Toren weit draußen durch die Strohhutbande ahnte Tashigi im inneren des Marinegebäudes nichts. Erst hatte man sie im Polizeigriff über die halbe Insel gestoßen, dass sie dachte, ihr Rücken würde nachgeben und brechen. Mehrere Male war sie dabei gestürzt. Zum Teil über ihre eigenen linken Füße, zum anderen durch das vorwärtstreibende Schubsen der Soldaten, die sowohl Hände als auch Gewehrkolben dafür nutzen. Viele blaue Flecke und Abschürfungen hatte sie sich dabei zugezogen und sogar die Hose an den Knien zerrissen. Sie war eine Gefangene, eine Hochverräterin. Da konnte sie sich wohl nicht über eine derartige Behandlung beschweren. Den ganzen Weg dachte sie darüber nach, ob sie ihre Gefangenen auch jemals so behandelt hätte und wusste, dass es nie so gewesen war. Dafür hatte sie sich oft von Vorgesetzten anhören müssen, sie wäre viel zu weich und naiv. Aber ihre innere Stimme bestätigte ihr, richtig gehandelt zu haben. Sie wollte Verbrecher bestrafen und die Welt beschützen. Doch dreckig behandeln für solche Missetaten müsste man niemanden. So würde man sich nur auf dieselbe Stufe stellen, befand sie und tröstete sich, dass sie sich nichts vorzuwerfen hätte. Aber das alles war nun Vergangenheit.

Immer wieder hatte sie versucht, sich unauffällig umzudrehen, um zu schauen, wo Zoro stecken könnte. Doch dieser war weit am Ende des Trosses in Gefangenschaft und in der Dunkelheit nicht zu sehen. Es wurde ihr aber auch kaum Gelegenheit gegeben, auch nur einen einzigen Blick zu erhaschen. Irgendwann tauchte die wohlbekannte Marinebasis auf, die sie damals selbst spöttisch „Pflaumenkiste“ genannt hatte. Sie hatten also nun alle ihr Ziel erreicht. Es schauderte sie, als sie an die Anlage weit drinnen im Berge dachte. Doch sie wollte stark und stolz sein und ließ sich ihre Angst nicht anmerken. Innerlich war sie nahezu zerfetzt. Der Faden, der ihre Nerven zusammenhielt, war zum Zerreißen gespannt und wurde mit jedem Schritt dünner.

Der Marsch endete in einem quadratischen, fensterlosen Raum, der sicherlich mal gekachelt war. Doch jetzt waren schon viele der ätzend grünen Kacheln heruntergefallen und lagen zerbrochen auf dem dreckigen Fußboden. Eine grelle Deckenlampe war die einzige Lichtquelle.

Nun saß sie schon seit Stunden auf einem wackeligen Holzstuhl, wo man auf der linken, hinteren Pobacke sein Gewicht verlagern musste, um keine Kippelgeräusche ertönen zu lassen. Das tat sie schon seit ihrer Ankunft den ganzen Tag lang und war mehr als anstrengend, da sie sich keinen Millimeter bewegen konnte. Die verhörenden Soldaten wollten ein Geständnis erpressen. Warum war sie Komplizin der Strohhutbande? Wo waren die Strohhüte? Sie wurde mit einer hellen Tischlampe geblendet, angeschrien, dürsten und hungern gelassen, bis sie zum Schluss von zwei Soldaten als weiteres Druckmittel an den Stuhl gefesselt wurde. Ein Bein an das linke Stuhlbein und das andere Bein an das rechte Stuhlbein. Ihre Hände waren ebenfalls gefesselt und mit einem weiteren Strick so knapp an eines der vorderen Stuhlbeine gezurrt, dass sich ihre Wirbelsäule wie ein gespannter Flitzebogen streckte und sich die Stuhllehne hart in ihr Kreuz bohrte. Das Seil schnitt in ihre zarte Haut an Fuß- und Handgelenken. Sie spürte, wie sich warme Blutstropfen aus den frischen Wunden ihren Weg zum Boden suchten. Flecke würden sich dort unten sammeln und sich mit dem alten, vertrockneten Blut aller Vorgänger mischen. Dennoch waren die Soldaten nicht zu ihrem gewünschten Ergebnis gekommen. Tashigi blieb stumm wie ein Fisch, ließ ihre zerstrubbelten Haare über das blasse Gesicht und die verbogenen Brille hängen und harrte der Dinge aus. Ihr ganzer Körper schmerzte von den Torturen und der unbequemen Sitzhaltung. Sie wartete auf eine Absolution oder ein Zeichen, doch nichts geschah.

Irgendwann standen die Protokollanten auf, verließen den Raum und löschten das Licht. Stockdunkel war es nun um sie herum und mucksmäuschenstill. Es war ein unangenehmes Gefühl. Einerseits war sie froh, endlich allein zu sein, andererseits bekam sie Angst. Sie fühlte sich blind, kalt und lebendig begraben. Ihr Nervenfaden war nur noch eine dünne Faser.

Minuten zogen sich wie Stunden, als die Tür krachend aufflog und sich gegen das Licht vom Flur eine Silhouette eines Mannes abzeichnete. Das hatte ihr gerade noch gefehlt! Der Kotzbrocken von einem Marineoffizier latschte breitgrinsend herein, stellte einen der Stühle direkt vor ihren und hielt eine Taschenlampe so unter sein Kinn, dass es wohl einen furchterregenden Eindruck in seinem Gesicht ergeben sollte. Doch es war mehr als lächerlich. Lange saßen sie sich so gegenüber, bis der Befehlshaber den Soldaten vom Gang den Befehl gab, die dicke Eichentür von außen zu schließen. Augenblicklich wurde es wieder dunkel in dem Verhörraum. Nur die Taschenlampe spendete schwaches Licht. Der Kerl grinste noch immer und wagte es nun gar, seine schmierigen Griffel an den Innenflächen ihrer Oberschenkel zu reiben.

„Vielleicht wird es ja nun doch noch etwas mit uns beiden? Das würde dich vor dem sicheren Tod morgen früh bewahren!“ Der heiße Atem des Ekelpakets benetzte ihre Wange und flüsterte nun hinterlistig in ihr Ohr:

„Gib es auf! Das Fünkchen Leben deines Mitstreiter hat es bereits vor einer guten Stunde getan ...“

Dann packte er sie am Kinn, so dass sie geschockt die Augen aufreißen musste. Doch es war nicht der Befehlshaber, der ihren Willen brach, sondern das schwarze Etwas, was nun vor ihren Augen aus seiner Hand fiel und im Scheinwerferkegel der Taschenlampe wie totes Laub zu Boden sank. Das schwarze Tuch schwebte leise wie eine Feder in Zeitlupengeschwindigkeit zu ihren Füßen und legte sich dort lautlos nieder.

Sie kniff die Augen zusammen und sah nicht mehr hin. Nein! Sie biss sich die Lippen blutig und blieb stumm. Ein übler Geschmack machte sich in ihrem Mund breit. Ekel stieg auf. In ihren Augen sammelten sich verzweifelte Tränen. Zoro konnte nicht tot sein! Das war nicht sein Kopftuch! Das war doch nur ein böser Trick! Der letzten Fasern ihres Nervenfadens lösten sich auf. Alles in ihre schrie bestialisch und wartete auf den Moment, wo ihr Gehirn diese Botschaft so weit verarbeitet hätte, dass alles aus ihr herausbrechen würde. Nein, niemals! Das war alles nur ein Lüge. Er konnte nicht tot sein. vollkommen unmöglich! Und dann brach der Damm. Es war ein hysterisches Heulen, wie sie es selbst noch nie aus ihrem eigenen Mund gehört hatte. Sie fühlte sich, als würde sie neben sich als Geist stehen und selbst fassungslos auf ihren Körper starren, der eben unkontrolliert sich gegen die Fesseln bäumte und nur noch schrie und schrie. Das Ekel hingegen lachte und lachte. Es ergötzte sich an ihrer Hilflosigkeit und Verzweiflung. Ein Außenstehender hätte beim Anblick der beiden an Patienten eines Tollhauses gedacht, doch die Wahrheit war bitterer.

Irgendwann versagte ihre Stimme, denn sie war heiser und nur noch ein Wimmern erfüllte den Raum. Die Striemen von fünf Fingern schwollen dick auf ihrer Wange an. Es war der Handabdruck des Offiziers, der dann doch chancenlos das Gebrüll der jungen Frau beenden wollte. Gerade, als sie nun doch die ganze Geschichte gestehen wollte, um den ungenierten Berührungen des Offiziers zu entgegen, sprang die Tür ein zweites Mal auf. Jedoch war es wohl auch ihr letztes Mal, denn sie zerbarst krachend zu Boden in unzählige Splitter. Tashigi musste nicht raten, wer da nun eben ihre Rettung gewesen war. Es gab keinen Zweifel. Als hätte sie eine Erscheinung gehabt, stierte sie zum Licht und zu der Person. Sie wusste es, denn sie kannte den Geruch von beißendem Tabak seit jeher und es war einer der wenigen Augenblicke, wo sie eben diesen Zigarrenrauch nicht hasste. Der Qualm suchte sich langsam seinen Weg über den dreckigen Fußboden und hüllte alle Füße ein wie Nebel. Doch der Dunst war nicht weich, sondern wie aushärtender Beton, der alles in ihm stecken ließ.

„Hina lässt den dreckigen Rest hier erst mal in Gewahrsam nehmen, wenn dir das Recht ist! Soll ich den da auch gleich mitnehmen?“ hörte Tashigi Hinas genervte, dunkle Stimme zu Smoker sagen. Ohne eine Antwort abzuwarten, schlossen sich Hinas Teufelskräfte sei Dank, Eisenfesseln um den Marineoffizier.

Smoker nickte zustimmend, kaute ebenfalls genervt auf seinen Zigarren rum und knipste die Deckenbeleuchtung ein. Erst jetzt sah er, wie schlecht seine ehemalige Unterstellte aussah. Verheulte Augen, aufgeriebene Haut von den Fesseln, eine blau geschlagene Wange und dunkle Ringe unter den Augen. Die Schürfungen und zerrissene Kleidung rundete das Ganze noch negativ ab. Der Rauch wurde messerscharf und zerschnitt die Stricke an ihren Armen und Beinen lautlos und fast unmerklich. Sie war wieder frei. Dann setzte sich Smoker mit verschränkten Armen vor der Brust auf einen an der Wand gelehnten Stuhl und betrachteten das Häufchen Elend in der Raummitte. Sicherlich war nun überhaupt nicht der richtige Moment, um eine psychisch labile Person zu verhören, doch es ging nicht anders. Er war zwar froh, dass er sie endlich gefunden hatte, doch das alles hätten sie sich beide gegenseitig ersparen können, wäre sie damals nicht einfach so aus Loguetown verschwunden. Wenigstens hätte sie sich erst einmal irgendwo an einem sicheren Ort verstecken sollen, wenn sie schon weglief. Aber nein, sie musste ja ausgerechnet auf große Abenteuerfahrt gehen. Er kannte sie schon viel zu lange und viel zu gut. Für solche Abenteuer war sie einfach nicht gemacht, obwohl sie sich doch wackerer geschlagen hatte, als er es jemals gedacht hätte. Dennoch war er felsenfest davon überzeugt, dass die Welt, die Tashigi betreten hatte, absolut nicht gut für sie war. Sein Plan sah daher für sie und ihrer weitere Zukunft anders aus. Mit gefälschten Protokollen war er losgefahren. Sie müsste nur unterschreiben und alles wäre wieder wie früher. Sie wäre wieder im sicheren Schoß der Marine.

„Warum bist du abgehauen? Traust du uns nicht mehr?“ klang es mehr beleidigt als vorwerfend vom Qualmer. „Meinst du nicht, wir hätten da schon was geregelt, um dir zu helfen? Die Marine war doch dein ein und alles? Bist du denn nur blöde?“ Eine fast unendlicher Monolog an Vorwürfen und Fragen flossen aus dem Mund des Admirals wie ein breiter Fluss.

Tashigi rührte sich keinen Millimeter und lauschte den Worten mucksmäuschenstill wie von einem anderen Stern. Kaum waren die Seile durchtrennt, hatte sie sich auf dem Stuhl sitzend zusammengerollt und den Kopf zwischen den angezogenen Knien vergraben. Es war ihr egal, was Smoker da von sich gab. Sollte es doch eine Gardinenpredigt von ihm werden. Sie starrte hohl auf das schwarze Tuch am Fußboden. Die Welt um sie herum verschwamm aus ihrer Wahrnehmung. „Zoro ...“, hauchte sie über ihre Lippen. Zeitgleich biss der Raucher vor Wut seine Zigarre durch. Die dumme Kuh hatte ihm doch tatsächlich kein einziges Wort zugehört. Und noch schlimmer befand er die Tatsache, dass sich sein alptraumhafter Verdacht eben bestätigt hatte. Der Grund ihres Verrats war eine alberne Liebelei.

„Komm mit!“ fuhr er sie barsch an, dass sie zusammenzuckte. Sie zögerte, doch als sich der schneeweiße Dunst um ihren Körper schlängelte wie eine Würgeschlange und sie vom Stuhl sanft anhob, folgte sie wenig überzeugt ihrem ehemaligen Chef. Sie wunderte sich erst, warum sie immer tiefer in die Kerker von ihm geführt wurde. Was sollte sie hier? Auf ihre Hinrichtung morgen früh hätte sie auch oben in dem Kachelraum warten können.

„Ich kenne dich viel zu lange, als das du mich jemals belügen oder mir etwas vormachen könntest!“ hallte die rauchige Stimme des Flottillenadmirals in den schwarzen Gängen ohne Fenster und Frischluft. Es wurde immer stickiger, je tiefer sie in den Berg vorstießen. So weit war nicht einmal sie selbst vor vielen Jahren hier herein gelangt, als sie hier Wache schob. „Ich habe dich durchschaut!“ blubberte Smoker weiter wie ein überkochender Suppentopf und sie war froh, dass er nicht sehen konnte, wie kreideweiß sie in diesem Augenblick wurde. Mit ihrer fahlen Hautfarbe und dem stützenden Qualm um sich herum hätte man meinen können, der Admiral würde von einem Geist mit wehendem Gewand verfolgt werden.

„Er ist nicht tot. Wer hätte den hinrichten sollen? Von den Idioten hat sich ja keiner mehr in die Nähe seiner Zelle gewagt! Alles Versager hier!“ schimpfte der Qualmer weiter vor sich her, aber für Tashigi war es ein absoluter Glücksmoment. Zoro lebte!

Viele Gängen und Treppen weiter und tiefer standen sie dann plötzlich vor einem Seesteingitter. Die kleine Sturmlaterne in Smokers Hand spendete nicht genug Licht, um den Raum dahinter vollständig zu beleuchten. Der Admiral wies die Wachen an zu gehen. Er hätte auch gar nichts sagen müssen, denn die beiden Soldaten vom Dienst direkt vor der Zelle sahen es eher als Erlösung an, endlich von diesem Ort und dem höchst merkwürdigen Gefangenen Abstand zu nehmen, bei dem sich der Boden schwarz verfärbte und die Augen rot wie Feuer geleuchtet hatten. Das war ein Dämon, ein Teufel. Lieber hütete man einen großen Sack voll Flöhe, als so eine gruselige Bestie.

Dabei taten sie Zoro eigentlich Unrecht. Artig hatte er sich im komaartigen Wachzustand über die felsigen Wege schleifen lassen. Er musste jede Möglichkeit nutzen, etwas Schlaf zu finden. Doch die Soldaten stellten sich beim Schleifen selten dämlich an, dass er das Gefühl hatte, kein einziges Schlagloch auf dem langen Weg ausgelassen zu haben. Dann konnte er sich nicht mehr so recht in dieser Finsternis erinnern, wie er die Treppen polternd hinab gekommen war. Da war nur noch der Gedanke, dass es verdammt schmerzhaft war, mit den Gelenke gegen jede einzelne Stufe zu schlagen. Ein Ruck an seinen Armen brachte ihm die recht unbequeme Position an dieser langen Kette ein. Sie hing schwer von der Decke herab und hatte am unteren Ende Seesteinhandschellen. Es war dem Schwertkämpfer schleierhaft, warum es Seestein sein musste, denn er hatte nie Teufelskräfte besessen, doch er spürte die Panik der Soldaten. Er musste grinsen, erhielt aber zur Strafe gleich einen unliebsamen Tritt ins Gesicht. „Na, warte...“, dachte er sich grimmig und sah den Treter unter seinem schwarzen Kopftuch hervor an wie der rotäugige Teufel persönlich. Der Soldat war aber auch nur einer Abreibung Zoros auf dem Fuß entkommen, da nun die lange Eisenkette hochgezogen wurde. Dadurch rissen seine Arme rücklings in die Höhe, so dass er den Oberkörper beugen und auf die Knie sinken musste. Anderweitig hätte er sich durch sein eigenes Körpergewicht wohl die Arme ausgekugelt. Wie reizend! Er schloss die Augen. Es fehlten nur noch ein paar Stunden Schlaf, auch wenn er merkte, dass sich alle seine Kräfte wieder zu sammeln begannen. Dringend brauchte er Ruhe und musste sich deshalb das Marinepack vom Leibe halten. Siedend heiß suchte er nach einer Lösung, die schleichend von ganz allein kam: Der Boden färbte sich schwarz. „Geh weg, du dummes Ding!“ schimpfte er in Gedanken mit seinem zweiten Ich und führte einen sinnlosen Versuch aus, den Schutzkreis unter sich mit den Füßen und Knien wegzuschieben, was in seiner Hängeposition mehr als makaber komisch aussah. Nein, er hatte diesen Hokuspokus absolut nicht im Griff. Aber als er dann sah, dass die Wachen davor Angst bekam und sich panisch auf der anderen Gitterseite an die Mauer drückten, fand er die Situation gar nicht mal so übel und schloss die Augen. Es war der erquickende Schlaf der Genesung. Niemand wagte seitdem, auch nur einen Schritt in seine Nähe zu setzen.

Ohne eine Erlaubnis abzuwarten, öffnete Tashigi die schwere Gittertür und schlüpfte hinein in die Dunkelheit. Vorsichtig tastete sie sich mit ausgestreckter Hand Schritt für Schritt vorwärts. Der Schein ihrer kleinen Lampe wurde vollkommen von dem schwarzen Boden verschluckt. Es schien, als würde sie über eine zeitlose Wolke laufen, anstelle des steinigen Bodens, doch sie wusste es besser: Es war ein Bannkreis. In ihrem Rücken spürte sie den durchbohrenden und beobachtenden Blick Smokers, doch sie missachtete es. Und plötzlich hatte sie Zoro in dem Dunkel gefunden. Bei seinem Anblick schlug sie entsetzt die Hand vor den Mund. Es ist schwer, jemanden so zugerichtet sehen, den man liebt. Wenigstens war die schlimme Halswunde von Mihawk schon sehr gut verschorft und würde nicht so leicht wieder aufbrechen. Ein bösartiger Blick starrte sie augenblicklich an, denn der Gefangene hatte beim Erwachen erst wieder einen der Wärter vermutet. Doch als er Tashigi sah, verschwand das Rot sofort und es war wieder dieses unruhige Grau von wildem Wind.

„Was machst du hier?“ fragte er sie nun doch etwas erstaunt, wusste aber sofort, dass er jedes Wort bedenken musste. Der Marinequalmer stand dort am Gitter und beobachtete jede Bewegung argwöhnisch. Was zum Henker suchte der denn hier?

Die junge Frau sagte kein Wort. Sie schlang einfach nur ihre Arme um seinen Hals und schmiegte weinend ihr Gesicht gegen seines. Der Lichtkegel der Laterne erhellten kurz ihre beiden Gesichter und Zoro sah die Striemen auf ihrer Wange. Wut kochte in ihm hoch, doch er blieb ruhig.

„Du hast dich verraten, dumme Nuss!“ Es lag kein Vorwurf in diesem Satz. Nur eine Feststellung.

„Das ist mir egal. In der Morgendämmerung stellen sie uns eh an die Mauer“, meinte sie emotionslos. Es war keine einzige Regung in ihr. Nur eine große Leere.

„So, ihr Turteltäubchen! Sag’ dem Piraten Lebewohl! Wenn ich dich da so an ihm wie eine Klette klammern sehe, wird mir echt schlecht!“ polterte nun Smoker los, als wäre er extrem unter Zeitdruck. Zu gern hätte er Tashigi am Arm mitgerissen, doch er konnte einfach diesen schwarzen Kreis nicht betreten. Sobald er in die Nähe kam, durchfloss in eine Strömung, wie er sie nur kannte, wenn er Seestein berührte. Was war das? Er kaute auf seinen Zigarren angespannt hin und her, schob sie von rechts nach links und zurück. Kräftig zog er daran, dass er sich sogleich zwei Neue anzünden musste. Dabei beobachtete er das Szenario in der Zelle und den merkwürdigen schwarzen Fleck. Dieser kleine grünhaarige Dämon konnte sich tatsächlich vor Teufelskräften schützen. Na, das würde er sich gut merken. Sehr gut sogar!

Die Schwarzhaarige schüttelte aber nur den Kopf. Sie wollte nicht mehr zurück zu Hina und Smoker und den ganzen anderen. Die letzten Tagen waren die bisher schönsten in ihrem Leben gewesen. Lieber wollte sie diese herrlichen Erinnerungen haben, als wieder im grauen Trott der Marine zu versinken und seelische Qualen zu erleiden. „Geh’ schon!“ flüsterte ihr nun Zoro aufmunternd ins Ohr und der Raucher meinte schon sich verhört zu haben. Er schickte sie weg.

„Wie kannst du nur so ruhig bleiben? Wir sterben morgen!“ fragte sie den Schwertkämpfer erschüttert, erhielt aber als Antwort nur sein freches Grinsen. Sie erhob sich und schlich mit gesenktem Kopf auf ihren ehemaligen Vorgesetzten zu. Gerade war sie bei diesem auf gleicher Höhe angekommen, blieb ihr Blick auf dem kleinen Schreibtisch der Wachposten hängen. Blitze da nicht etwas im Dunklen auf? Vor Smoker verbergend tasteten ihre Finger über die staubige Tischplatte und griffen zu. Sie fühlte einen kleinen, eiskalten Gegenstand in der Faust. Und als sie diese öffnete, lüftete sich sofort das Geheimnis. Der Schlüssel zu den Handschellen!

Von Sinnen drehte sie sich um und rannte die knappen Meter auf Zoro zu. Aber auch Smoker reagierte blitzschnell und schoss eine Rauchsalve los, die Tashigi knapp am Fuß packte. Diese stürzte vorn über, konnte sich aber noch knapp am Seesteingitter festhalten.

„Bist du von allen guten Geistern verlassen?“ brüllte Smoker, dass die Wände widerhallten. Plötzlich war ein Donnern und Beben im Berg zu vernehmen und der Raucher wurde für eine Sekunde unaufmerksam. Sein Qualm berührte den Seestein und löste sich auf. Die Gefangene nutze die Chance, lief weiter und öffnete die Handschellen.

Der Admiral tobte vor Zorn und ließ seine beiden Gegenspieler mit der rhetorischen Frage zurück, wie sie wohl jemals wieder hier herauskommen würden. Dabei drehte er sich um und ging, nicht ohne die Tunnel mit seinen Wolken so zu verstopfen, dass sie versteinerten. Zoro und Tashigi waren hier nun im Kerker lebendig eingemauert.
 

Luffy hatte nun nach seinem eigenen Befinden lange genug gewartet. Es war hell geworden und er hatte bereits eine Mahlzeit verpasst. Das hielt er Sanji unentwegt vor. Dann hatte er zum Sturm auf die Baracke geblasen, die unter Frankys und Usopps Feuerwaffen wie ein Kartenhaus zusammenfiel und lichterloh brannte. Sanji, Robin und Nami beschäftigten sich unterdessen mit Hina, die wütend aus dem brennenden Haus herauskam. Der Koch hatte so seine argen Probleme, nicht vor Liebe zu zerschmelzen und hatte schnell eine Eisenfessel von der Marinekapitänin umgelegt bekommen. So war es an der Archäologin und der Navigatorin, die Situation zu klären. Nach einem zähen Gefecht wurde Hina letztendlich ein Opfer von Namis Klimataktstock. Heftige Gewitterblitze durchleuchteten sie wie ein Röntgenstrahl und sie musste aufgeben. Der Strohhutjunge hatte in der Zwischenzeit alle Soldaten aus dem Weg geräumt. Nun lief er schreiend hinter dem Rentier hinterher, denn er verstand nicht, warum Chopper so willenlos ins Feuer galoppierte. Diese Frage konnte der kleine Arzt auch nicht beantworten. Seit er aus der Bucht letzte Nacht geflohen war, um seine Nakama zur Hilfe zu holen, hatte er sich keine Sekunde von Zoros Schwertern getrennt. Als er nun ins Feuer starrte, durchflutete ihn ein Sog, dem er sich nicht entziehen konnte und seinen Verstand nahm. Wie schon damals suchte Kitetsu den Weg zu seinem Herren und Chopper war der würdige Überbringer.

Während sich die restliche Crew draußen um die Marieneinheiten kümmerten und sie siegreich in Schach hielten, rannten Luffy und Chopper ins Ungewisse. Es wurde kälter, dunkler und enger. Bald wusste das Rentier den Weg nicht mehr und der Gummijunge schon gar nicht.

Ihr Lauf wurde erst gestoppt, als sie vor sich eine schwache Laterne leuchten sahen. Doch schlimmer war der Lampenträger: Smoker!

„Wo sind Zoro und Tashigi, du qualmender Windbeutel!“ tönte Luffy lautdrohend heraus.

„Dorthin, wo der Rauch hinzieht...“ antwortete der Angesprochene und grinste. Der Tag wurde immer besser. Erst hatte er Zoro hinter sich im Berg eingeschlossen und nun würde mit Luffy selbiges passieren. Gummi war gegen Qualm machtlos. Tashigis Schicksal verdrängte er eiskalt. Abstriche musste man einfach machen und schließlich war es ihre eigene Dummheit. Soldat blieb Soldat und Pirat blieb Pirat. Niemals würde er zugeben, dass es seine schwerste Entscheidung war, sie dort im Berg zu lassen.

„Gomu Gomu no Jet-Gatling“ zimmerte der Gummijunge mit seinen Fäusten in die Richtung seines Feindes, doch er vergrub sich nur immer weiter in den Nebel, der klebte wie Kleber. Hilflos versanken sowohl der Captain, als auch sein Schiffsarzt in den Wolken. Sie raubten ihnen den letzten Atem und umschlossen sie sanft und weich, wie ein dickes Federbett. Dann ging ihnen die Luft aus.

Plötzlich geschah etwas Unerwartetes: Der Nebel wurde wieder gasförmig und sie fielen beide hart zu Boden. Schnell pumpten sie keuchend Luft in ihre Lungenflügel, die sich nun aufblähten wie ein Ballon. Smoker sackte geschwächt in die Knie.

Was war geschehen? Nachdem Zoro frei gekommen war, wollte er keine Sekunde untätig herumstehen, sondern schleunigst diesen Ort verlassen, das war angesichts der Dunkelheit nicht leicht gewesen. Kaum hatte er Tashigi gefunden und an der Hand genommen, damit sie sich nicht wieder verlieren würden, stolperten sie vorwärts durch die Gitterstäbe hindurch zu dem Schreibtisch, wo tatsächlich noch eine Taschenlampe lag. Dann war der Schwertkämpfer einfach wild entschlossen auf die Wolkenfront zumarschiert. Wenn es Teufelskräfte waren, dann müssten diese nun unter seinen dämonischen Kräften nachgeben. Wenn nicht, dann hätten sie ein ernstes Problem. Doch es ging. Zwar schmolzen die Wolken nur langsam, aber immerhin etwas. Innerlich hoffte Zoro, dieser magische Zustand würde noch lange anhalten und nicht einfach so vergehen, wie er vor ein paar Stunden gekommen war. Irgendwann kamen sie auf der anderen Seite beim Raucher an, der jetzt als Verlierer da stand und grimmig zusehen musste, wie sich die Strohhüte aus dem Staub machten. Der Schwertkämpfer nahm seine Katana wieder an sich, als wäre nie etwas passiert. Zusammen mit seinem Captain schlugen sie eine Tunnelschneise nach draußen. Mit Tashigi auf dem Rücken folgte Chopper den beiden in die Freiheit.

Die Crew hatte siegreich auf dem Platz vor der Marinebasis gewartet, von der nur noch Asche übrig war. Erfreut blickten sie auf ihre Mitstreiter, die nun aus dem Berg kamen. Gemeinsam kehrten sie zu ihrer Bucht zurück. Wunden mussten versorgt und nach Luffys Empfinden mittlerweile drei Mahlzeiten nachgeholt werden. Außerdem musste Zoros erfüllter Traum und der jetzt funktionierende Abwaschautomat von Franky und Usopp gefeiert werden. Und dann war da noch das große Fest heute Abend, weshalb sie ja überhaupt erst hergekommen waren. An diesem Tag sollte noch soviel los sein, dass es fast schon in Terminstress ausartete.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yu-
2008-01-20T18:58:08+00:00 20.01.2008 19:58
klasse geschreibselt*knuddelt*
Von:  Soud
2007-12-25T15:15:45+00:00 25.12.2007 16:15
Tolles Kapi! So actionreich und so spannend!
Ein guter Jahresabschluss wenn du mich fragst!
^____________^
Von:  Koenig
2007-12-19T19:36:17+00:00 19.12.2007 20:36
super spannend das Kapitel, yeah und ein angeketteter Zoro ... das stellen wir uns jetzt alle mal bildlich vor >__<
Das Ende war zwar etwas schnell aber trotzdem noch gut
ich freu mich auf das nächste kapitel
mfg
ratti
Von:  einfach_Antonia
2007-12-19T18:29:58+00:00 19.12.2007 19:29
JA!
Alles wieder gut!!!
Ein super Kapitel, bei dir bin ich imer ganz mitgerissen wenn ich lese und sehe alles bildlich vor mir!!!
Mach schnell weiter!!!
Und danke fürs bescheid sagen!!!!
Von:  Joka
2007-12-18T23:20:55+00:00 19.12.2007 00:20
woah *___*
ich kann mir alles genau vorstellen. ^^
smoker hat verloren, richtig so °^°
gefällt mir wieder sehr gut ^___^


Zurück