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Wichtelgeschichten

Des einen Freud ist des anderen Lacrima
von

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Viel Glück beim nächsten Mal [Phoenix Wright]

Titel: Viel Glück beim nächsten Mal
 

Fandom: Phoenix Wright
 

Genre: Allgemein / Humor
 

Wichtel: Vauvenal
 

Kommentar: Einerseits wollte ich zum Thema Neuanfang eine Geschichte über Adrians neuen Job schreiben, bei dem auch Franziskas Peitschenunterricht vorkommt, andererseits wollte ich ein bisschen tiefsinniger etwas zu Franziska/Adrian schreiben, leider habe ich mich zeitlich etwas verschätzt, weshalb dieser Aspekt eindeutig zu kurz gekommen ist.
 

-
 

Viel Glück beim nächsten Mal
 

Mit sichtlicher Mühe streckte die klein gewachsene Frau ihre Hand aus, um den Fernseher an der Wand zu erreichen. Als ihr Finger den leicht verstaubten Knopf berührte, gab der alte Videorekorder ein leises Surren von sich und begann, die Kassette abzuspielen.
 

„Frau Andrews, wir haben Ihre Unterlagen erhalten und- ja, nehmen Sie bitte erst mal hier Platz. Wir haben Ihre Unterlagen erhalten und würden uns nun gerne selbst davon überzeugen, ob Sie das nötige Potential für diese freie Stelle haben.“
 

Flackernd zog das Logo einer Adrian unbekannten Firma über den Bildschirm. Eintönige Klaviermusik erklang und der Schriftzug “Wie Sie auf Fragen im Bewerbungsgespräch richtig antworten“ fuhr durchs Bild. Dann war ein Mann zu sehen. Er saß hinter einem Schreibtisch und trug einen dunkelgrauen Anzug und eine blaue Krawatte. Seine Haare glänzten voller Gel und er fing mit monotoner Stimme an, von den Freuden eines erfüllten Arbeitslebens zu erzählen. Adrian griff zur Fernbedienung und spulte vor.
 

Die Frau hinter dem Schreibtisch trug einen braunen Wollpullover und einen giftgrünen Seidenschal. Ihre Haare glänzten fettig und standen in alle Himmelsrichtungen ab. Eindeutig hatte sie gegen Adrian in Sachen Professionalität keine Chance, doch leider saß sie im Moment auf der falschen Seite des Schreibtisches. „Wir bei Veridian Dynamics begrüßen es natürlich, wenn Bewerber bereits in so jungem Alter so viel Erfahrung vorweisen können, allerdings sehe ich hier, dass Sie überwiegend im Showgeschäft angestellt waren, weshalb es uns natürlich interessiert, was Sie dazu bewogen hat, sich bei unserer Firma zu bewerben.“
 

Der dunkelgraue Mann war inzwischen aufgestanden und zeigte auf ein Plakat hinter sich. “PUNKT 2 : DAS UNTERNEHMEN UND SIE“. Der Schriftzug war schwer zu lesen, da die Kassette an dieser Stelle einen Fehler hatte und schwarze Striche durch das Bild hüpften. Die Stimme des dunkelgrauen Mannes jedoch war deutlich genug. „Informieren Sie sich vor einem Bewerbungsgespräch stets über das Unternehmen Ihrer Wahl und bereiten Sie ein paar Gedanken dazu vor, was Sie besonders an dem Unternehmen interessiert und was Sie persönlich zum Erfolg des Unternehmens beitragen können. Oftmals kommt es nämlich leider vor, dass...“
 

„Es freut mich außerordentlich das zu hören, Frau Andrews“, meinte der junge Mann neben der zerzausten, braunen Dame und kaute dabei an seinem Kugelschreiber. Das Video hatte Adrian empfohlen, die Körperhaltung ihres Gegenübers zu imitieren, doch gehörte so ein Verhalten auch dazu? Wenn ja, wo sollte sie jetzt auf die Schnelle einen Kugelschreiber herbekommen? „Frau Andrews, erzählen Sie uns doch nun bitte ein wenig über ihre persönlichen Stärken und Schwächen.“
 

„...keine Liste, sondern immer ein konkretes Beispiel, das sich auch auf ihre Arbeitstätigkeit anwenden lässt. Was Ihre Schwächen angeht, versuchen Sie auf keinen Fall, sich als fehlerfrei darzustellen, doch fügen Sie negativen Aspekten auch etwas Positives hinzu oder zitieren Sie Schwächen, die man ebenfalls als Stärke auslegen kann, wie zum Beispiel Überpünktlichkeit oder Perfektionismus.“
 

Adrian seufzte und drehte die Lautstärke etwas nach oben, da der Klang des rinnenden Wassers aus dem Badezimmer es schwierig machte, das alte Video zu verstehen. Nicht, dass sie den Text inzwischen nicht schon beinahe auswendig könnte, doch irgendetwas musste sie schließlich übersehen haben. Perfektionismus. Eine Schwäche des Sprechers war es wohl nicht, seine Krawatte verrutschte nach zehn Minuten jedes Mal und blieb dann so für den Rest des Videos.
 

Sowohl der junge Mann als auch die zerzauste Frau lachten. „Ja, so geht es uns doch allen hin und wieder.“ Mit einem prüfenden Blick durchblätterten beide die Unterlagen vor sich. Die Frau sah zuerst auf. „Nun, ich denke, das wäre dann soweit alles. Ich möchte natürlich keine voreiligen Versprechungen machen, doch mit ihren Qualifikationen-“
 

Der Mann räusperte sich. „Nur eine Sache gäbe es da noch. Natürlich wollen wir das Privatleben unserer Bewerber so weit wie möglich außen vor lassen, jedoch würden Sie in Ihrer Position mit vertraulichen Informationen arbeiten, weshalb wir in der Firma....“
 

Das Wasser hatte aufgehört zu fließen. Die Stimme des grauen Mannes schien plötzlich unangenehm laut, beinahe so, als würde sie aus dem Fernseher schießen und in Adrians Kopf dringen. Sie rieb sich die Stirn und ließ sich seufzend auf ihr Bett fallen.
 

„Wenn Sie diese fünf einfachen Schritte befolgen, steht nichts, ja auch wirklich gar nichts zwischen Ihnen und dem Traumberuf Ihrer Wahl!“
 

„Vielleicht hätte ich mich etwas direkter ausdrücken sollen. Was ich von Ihnen wissen wollte war dies: Haben Sie irgendwelche Vorstrafen, Frau Andrews?“
 

-
 

„Mein Mantel ist zu kurz.“
 

Die junge, weibliche Stimme riss Adrian aus ihren Gedanken. Trotz der Duschgeräusche aus dem Nebenzimmer hatte sie ihren Besuch beinahe völlig vergessen. „Weil es mein Mantel ist, Franziska.“
 

Adrian richtete sich wieder auf. Auf dem Bildschirm war nun nur noch der flimmernde Abspann zu sehen. Neben der Eingangstüre lehnte der Besuch an der Wand. Franziska von Karma hatte sich seit jenem schicksalhaftem Fall nicht mehr in diesem Land blicken lassen, doch zu Adrians Überraschung hatte sie hin und wieder ein Brief erreicht, bis sie eines Tages einfach vor Adrians Türe stand.
 

Sie sei nur auf der Durchreise, sagte sie. Geld für ein Hotel zu verschwenden wäre närrisch, sagte sie. „Es ist mein Mantel, so lange ich ihn trage“, sagte Franziska und stolzierte auf Adrian zu, samt hellblauem Seidenbademantel, der knapp über ihrem Knie aufhörte.
 

„Wenn du schon wie in einer Billigherberge wohnst, könntest du wenigstens ein angemesseneres Programm laufen lassen.“ Adrian warf einen flüchtigen Blick auf die Zeitung auf ihrem Nachttisch. „Wieso? Welchen Sender wolltest du sehen?“
 

Franziska drehte sich um und ließ sich schwungvoll neben Adrian auf das schmale Bett fallen. „Ich mache mir nicht viel aus Fernsehen.“ Adrian blinzelte. „Aber dann... oh.“ Ihre Wangen erröteten. Der Abspann war vorbei und auf dem Bildschirm war nur noch Schwarz zu sehen. Beide schwiegen.
 

„Dein Bewerbungsgespräch lief nicht gut?“ Es war nicht wirklich eine Frage. Adrian schwieg. Es war eine klare Antwort.
 

Franziska wusste es schon aus den Briefen, die vergangenen Monate waren für Adrian kein Spaziergang gewesen. Die Strafe, die ihre Beweismanipulation von damals mit sich zog war zwar unter den gegebenen Umständen zumindest juristisch nicht die Welt gewesen, doch konnte auch ein kleiner Tropfen einen permanenten Fleck auf dem Lebenslauf einer Person hinterlassen.
 

Allerdings gab es da eine andere Sache, die noch viel schlimmer war. Als Adrian Andrews endlich Frieden mit dem Tod ihrer ehemaligen Mentorin geschlossen hatte, hatte sie auch ihre Fassade, ihre persönliche Imitation von Celeste Inpax fallen lassen, doch stellte sich bald heraus, dass diese Fassade ein Schutzschild war, das ihr nun auf der Suche nach einer neuen Anstellung fehlte.
 

Mit einem Ruck sprang Franziska auf und verschwand im Vorzimmer. Adrian wollte ihr schon folgen, doch dann hörte sie das Klicken eines Koffers und ehe sie sich versah, stand die Staatsanwältin bereits wieder in ihrem Schlafzimmer, in ihrer Hand die allseits bekannte, braune Lederpeitsche.
 

Adrian schluckte. „Wegen... wegen dem Programm-“
 

„Punkt 1 : Die Peitsche und Sie“, unterbrach Franziska dröhnend und warf ihr das Stück Leder zu. Verwundert fing Adrian es auf und sah die junge Von Karma fragend an.
 

„Der perfekte Peitschenschlag setzt sich zusammen aus der richtigen Haltung“, Franziska stellte sich demonstrativ vor Adrian, stellte ihre Beine ein wenig auseinander und winkelte ihren rechten Fuß leicht ab. „Und einer kräftigen Bewegung, die nicht aus dem Oberarm, sondern aus dem Handgelenk-“
 

„Franziska?“ Adrians Stimme war zaghaft, doch hielt Von Karma für einen Moment inne. „Was... was machen wir hier eigentlich?“
 

„Charisma“, antwortete Franziska unbeirrt und führte in ihrer Modelhaltung ein paar Hiebe mit einer Luftpeitsche aus. „Wenn ich mich nicht irre – und ich irre mich nie – dann haben sie das doch in deinem Video gesagt. ‚Ein sicheres Auftreten für einen sicheren Job’, nicht wahr?“
 

„Ja, aber-“

„Charisma!“

„Körperverletzung?“
 

Franziska starrte Adrian mit durchbohrenden Augen an. Diese versuchte standhaft zu bleiben, doch musste sie schließlich aufgeben und ließ sich mit einem Seufzer von Franziska in die richtige Haltung schieben.
 

Als sich die zwei so nahe gegenüber standen und Adrian Franziska direkt in die Augen sah bemerkte Adrian einerseits, dass Franziskas Atem nach Kirschen roch und andererseits, dass der Größenunterschied zwischen den beiden minimal war. ‚Von wegen zu kurzer Mantel. Da hat jemand wohl ein wenig nachgeholfen...’
 

„...als würdest du eine Dose auf ein zu hohes Regal schieben. Verstanden?“

„Ähm, was?“
 

Bevor Adrian protestieren konnte, hatte Franziska sich dazu entschlossen, statt eine erneuten Erklärung zu geben, Adrian einen weiteren Schritt näher zu treten und ihre beiden Arme fest zu ergreifen.
 

„Du winkelst deinen Ellbogen ab, drückst ihn an deinen Körper, ziehst deinen anderen Arm leicht zurück...“
 

Franziska formte Adrians Haltung ihrer Erklärung entsprechend und Adrian kam sich vor wie eine Schaufensterpuppe, die man zur Präsentation herrichtete. Das einzig Gute daran war, dass die seltsamen Übungen Adrian tatsächlich vergessen ließen, wie ihr Bewerbungsgespräch am Vormittag den Bach runtergegangen war.
 

Und dann war da noch die Sache mit Franziskas Lippen, die nun so eng vor ihren hingen, dass sie sich beinahe berührt hätten, während ihre Hände sie während der „Peitschübung“ in einer bizarren Umarmung umschlangen.
 

„Und jetzt?“ fragte Adrian, nicht ohne das Körnchen Hoffnung in ihrem Tonfall verstecken zu können.
 

„Jetzt geht mein Flieger nach Deutschland, also machen wir Schluss für heute.“
 

Ungläubig starrte Adrian die andere Frau an, während sich diese ungerührt von ihr entfernte und zügig die letzten Reste ihrer Besitztümer aufsammelte und im Koffer im Vorzimmer verstaute.
 

„Der perfekte Peitschenschlag setzt sich zusammen aus der richtigen Haltung und...?“

Adrian seufzte. „Einer kräftigen Bewegung, die nicht aus dem Oberarm, sondern aus dem Handgelenk kommt.“

„Wenn du bei deinen Bewerbungsgesprächen genauso lustlos klingst, dann kann ich verstehen, wo dein Problem liegt.“
 

Adrian sah sie mit verletztem Blick an. Franziska lächelte nur und packte den Griff ihres Koffers. „Viel Glück beim nächsten Mal, Adrian Andrews.“
 

Dann verschwand sie hinter der Türe.
 

Stille hing in der Luft und Adrian wusste nicht so recht, was sie nun mit sich oder mit der Situation anfangen sollte. Tief durchatmend ließ sie sich wieder auf ihr Bett fallen.
 

„Das war’s?“ fragte sie sich leise selbst. „Das war wirklich alles?“
 

Gerade wollte sie in Gedanken eine Antwort formulieren, da traf ihr Fuß auf dem Boden auf einen leichten Widerstand. Verwundert sah sie nach unten und erblickte sofort das lange, braune Objekt, das ihr nur allzu bekannt war.
 

Eilig sprang sie vom Bett und riss das Fenster auf, doch sah sie nur gerade noch, wie Franziska die Türe eines Taxis hinter sich zuzog und davonfuhr. Zuerst rannte sie sofort in den Gang und griff nach ihrem Mantel, doch als sie gerade die Türe geöffnet hatte, schoss es ihr mit einem Mal durch den Kopf:
 

Franziska vergaß nie etwas. Schon gar nicht so etwas Wichtiges.
 

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„... und ich hoffe, du weißt mein Abschiedsgeschenk richtig einzusetzen.“

„Ich erzähl dir dann später davon, ich muss jetzt wirklich auflegen!“
 

Eilig steckte Adrian das Mobiltelefon in ihre Tasche und nahm auf dem Stuhl in der Mitte des Raumes Platz. Vor ihr saß ein Herr und zwei Damen, die sie bereits mit sowohl ungeduldigen als auch prüfenden Blicken musterten.
 

Der Herr sprach zuerst. „Wenn Sie dann also soweit wären, Frau Andrews, lassen Sie mich gleich zum Punkt kommen: Warum sollten wir die freie Stelle in unserem Kaufhaus gerade mit Ihnen besetzen?“
 

Erwartungsvoll sahen die drei Leute Adrian an. Diese schluckte und schien einen Moment lang zu überlegen. Dann formte sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln und sie öffnete mit einem Klick die Tasche, aus der sie ein braunes Stück Leder zog.
 

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Etwas später am selben Tag saß eine alte Frau auf einer Bank, fütterte die Spatzen und sah dabei verwundert einem Mann auf der anderen Straßenseite zu, wie dieser mit schmerzverzerrtem und verbundenem Gesicht das “AUSSTELLUNGSLEITER GESUCHT“ Schild aus dem Schaufenster des Kaufhauses Lordly Taylor entfernte.
 

Ende



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