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Die letzten Jahre

von

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Zerrissenheit

Sooo~ erst komm ich nicht dazu, letzten Monat das Kapitel hochzuladen, diesen Monat vergess ich es fast ^^° Jedenfalls ist hier das neue Kapitel, Harry ist wie immer im Zwiespalt mit sich selbst =D
 

Kapitel XIX : Zerrissenheit
 

Harry ließ Moodys Leiche auf dem Turm zurück. Sie würde früher oder später gefunden werden und er wollte die Zeit, die ihm womöglich noch blieb, nutzen, um so weit wie möglich vom Tatort wegzulaufen und außerdem das Messer, mit dem er ihn getötet hatte, zu verstecken, damit es nicht bei ihm gefunden wurde. Sein Herz klopfte noch immer aufgeregt, doch sein Geist war ruhig und vollkommen klar. Er musste irgendwie mit Jakob Kontakt aufnehmen, doch leider hatte er keine Zeit gehabt, Lupin danach zu fragen.
 

Er betrat einen Geheimgang, versteckte dort das Messer in einer Mauerritze, in die es perfekt passte und prägte sich den Ort gut ein. Der Gang führte schließlich zu seinem Schlafsaal und von dort aus ging er hinunter in den Gemeinschaftsraum. Hermine und Ron stürmten sofort auf ihn zu.
 

„Harry, wo warst du? Wir haben dich schon überall gesucht!“
 

„Ich war die ganze Zeit oben im Schlafsaal.“
 

„Aber – wir haben da nachgesehen und du warst nicht da!“
 

Harry zuckte zusammen, doch da drängte sich ein Erstklässler an ihm vorbei und er nutzte den Moment, in dem er angerempelt wurde, um der Frage auszuweichen.
 

„Wisst ihr, was eigentlich los ist?“, fragte er unschuldig. „Ich weiß nur, dass wir uns alle in den Gemeinschaftsräumen versammeln sollten, aber warum?“
 

Ron sprang sofort darauf an.
 

„Du wirst es nicht glauben, Harry!“ Er sah betreten drein. „Sie suchen Lupin. Er ... na ja, er soll zur anderen Seite gehören.“ Als er die Worte ausgesprochen hatte, erhob sich Gemurmel um ihn herum, das langsam den ganzen Raum zu füllen begann.
 

Harry wollte ihn schon anfahren, dass es nicht die andere, sondern eine andere Seite war, und zwar die richtige, doch er konnte sich noch rechtzeitig zurückhalten. Gerade in diesem Augenblick kam McGonagall herein. Die Schülermenge verstummte auf der Stelle.
 

„Liebe Schüler!“ Ihr Gesicht war vor Sorge gezeichnet. „Sie wissen alle, weswegen Sie hier sind. Unser ehemaliger Lehrer, Professor Lupin, hat offensichtlich zur Dunklen Seite gewechselt. Es war uns leider nicht möglich, ihn ausfindig zu machen, bevor er die Mauern Hogwarts hinter sich lassen konnte.“ Harry atmete erleichtert aus. „Hogwarts ist wieder sicher, doch die Menschen dort draußen umso weniger. Ich möchte Sie alle zur Vorsicht ermahnen und ...“, sie machte eine Pause, als wisse sie nicht so recht, ob sie das Folgende noch hinzufügen sollte, „und lassen Sie sich nicht von der Schwarzen Seite verführen. Professor Dumbledore sagte einst, dass Hogwarts nur durch eins stark sei: Durch seine Schüler. Merken Sie sich das.“
 

Ihre Katzenaugen streiften Harry so kurz, dass man es auch hätte Einbildung nennen können. Ihm lief ein Schauer den Rücken hinunter. Dann verließ sie den Raum wieder und ließ genug Platz für eine lauter werdende Diskussion.
 

„Lass uns nach oben gehen.“
 

Hermine zog Harry an einer, Ron an der anderen Hand zur Treppe, die in den Schlafsaal führte. Harry bekam ein ungutes Gefühl, als sie die Tür sorgfältig hinter sich schloss und sich dann zu ihm umdrehte.
 

„Also.“
 

„Also was?“
 

„Ich lasse das nicht länger durchgehen. Du kommst nicht eher hier raus, als bis du uns alles erzählt hast.“
 

Er hatte es gewusst. Hermine und ihre verdammte Spürnase für solche Sachen. Ron hätte er diese Sache noch lange verheimlichen können, ohne dass er auch nur den leisesten Verdacht geschöpft hätte.
 

„Es ist nichts, was ich euch einfach erzählen könnte.“ Es zu leugnen hatte keinen Zweck mehr.
 

„Warum nicht?“ Hermine bedachte ihn mit einem scharfen Blick.
 

„Weil ... ich kann es nicht erklären, ohne es zu verraten.“
 

„Versuch es.“ Sie kam einen Schritt auf ihn zu und drückte ihn auf sein Bett. Flankiert von Ron und Hermine wusste er nicht mehr, was er tun sollte. In den letzten Monaten hatte er viel über Kampf und Überleben gelernt, so viel, dass er vergessen zu haben schien, wie er mit seinen Freunden umgehen konnte.
 

„Es ... es ist etwas ... was ihr nicht akzeptieren würdet.“
 

Ron runzelte die Stirn, doch Hermine gab nicht auf.
 

„Bist du dir da sicher? Du kannst es nicht wissen, ohne es uns gesagt zu haben. Und außerdem – wir sind immer noch deine Freunde, auch wenn wir nicht in allen Dingen übereinstimmen.“
 

„Es ist etwas sehr Wichtiges.“, sagte Harry gepresst.
 

„Du bist uns auch sehr wichtig, Harry.“ Hermine legte ihre Hand auf seine, federleicht. Harry schluckte. Er wusste nicht mehr, was er tun sollte. Würde er es ihnen verraten, verriet er den Clan, wenn nicht, seine Freunde, und Hermines Worte klangen so vertraut und wahr, dass er ihnen einfach Glauben schenken wollte. Und er brauchte jemanden, an den er sich anlehnen konnte.
 

„Was ist, wenn ich ...“, er presste die Lippen fest zusammen, sein Herz schlug hart gegen seine Brust, „euer Feind wäre?“
 

Er spürte das Zusammenzucken Rons, spürte Hermines Hand, die sich fester um die seine schloss. Stille. Anspannung. Dann:
 

„Du bist nicht unser Feind, Harry. Egal was passiert sein mag. Ich bin sicher ... du hast deine Gründe.“
 

„Ja ...“ Harry kam sich dumm vor. Dumm und verzweifelt. Er wollte ihnen alles erzählen, wollte, dass sie um sein Geheimnis wussten. Doch Jakob würde das nie akzeptieren. Er würde seine letzte Chance verspielen. Und Jakob war auch sein Freund. - Obwohl er dich töten wollte?, flüsterte eine Stimme in sein Ohr. Es gibt keine Freundschaft im Clan. Jeder ist vom anderen abhängig, und tanzt einer aus der Reihe, ist es aus und vorbei.
 

Harry erinnerte sich noch zu gut an Jakob Warnung an Richard, damals, in der Küche, wo er ihn umbringen wollte. 'Verbannung'. War er nicht bereits ein Verbannter? Verbannt nicht nur vom Clan, sondern auch von Hogwarts. Er hatte sich selbst sein Zuhause gestohlen. Oder war es doch einfach nur Snape gewesen? Sollte er nicht etwa aufhören, sich selbst die Schuld an allem zu geben, sollte er nicht einfach das Opfer in sich selbst sehen?
 

Sein Blick schwankte zu Hermine, die ihn aus dunklen Rehaugen ansah. Sie waren so echt. Ihr Lächeln, nur angedeutet. Ihre Hand auf seiner. Ihre Wärme.
 

„Hermine ...“ Er lehnte sich an sie und spürte, wie Ron ihm einen Arm um die Schultern legte, spürte ihre Wärme, seine Wärme, die Wärme seiner Freunde. Wieso war ihm nicht aufgefallen, wie sehr er sie vermisst hatte?
 

„Es wird euch schocken.“, fing er an. „Und ich bin mir wirklich nicht sicher, ob ihr danach noch meine Freunde sein wollt. Und ihr müsst mir zwei Dinge versprechen, deswegen: Was auch immer ihr jetzt erfahrt – sagt es niemanden und wenn ihr nicht mehr meine Freunde sein wollt, lasst mich wenigstens aus Hogwarts entkommen.“
 

Sie sahen ihn so erstaunt an. Sie hatten keine Ahnung, sie konnten keine Ahnung haben von dem, was er ihnen nun offenbaren würde. Harry holte tief Luft.
 

Und erzählte alles.
 

Von seiner Ankunft in London, in der Winkelgasse, und wie er in die Nockturngasse geraten war. Erzählte von Jakob und seinem Clan aus Werwölfen. Davon, dass Jakobs Bruder das selbe Schicksal wie er geteilt hatte – und gestorben war. Davon, wie er mit sich selbst gekämpft hatte, auch von seiner unheimlichen Begegnung mit der Stimme, die der von Voldemort so ähnlich geklungen hatte, von dem Kobold und seinem Verrat, wie er Hogwarts vermisst hatte. Und von Lupin. Hier in Hogwarts. Dass er ein guter Mensch war und es immer bleiben würde. Er ließ aus, dass er seine Gestalt wechseln konnte, ließ Richards Anfeindungen außer Acht und dass er es war, der Moody getötet hatte.
 

Es war zu viel. Er sah den Schock in ihren Augen. Das Nichtverstehen, Nichtbegreifen. Er bereute es in dieser Sekunde.
 

Ron stand abrupt auf, marschierte aus dem Raum und knallte die Türe. Hermine hatte seine Hand losgelassen, ihre beiden in ihren Schoß gelegt und sah nach unten, irgendwohin. Er hätte gerne 'Tut mir Leid' gesagt, doch er wusste, dass es das auch nicht besser gemacht hätte. Und so schwieg er und sie auch.
 

Irgendwann hörte er ein leises Kratzen am Fenster und er drehte sich um, rein instinktiv. Hedwig hockte draußen auf dem Fenstersims, ihr grauer Schnabel klopfte gegen die Scheibe. Er stand auf und öffnete das Fenster, sie flog hinein, landete auf einem der Bettpfosten und starrte Hermine neugierig an. Harry seufzte, schloss das Fenster, um die kalte Luft auszusperren und fragte:
 

„Kann ich dir vertrauen, Hermine?“
 

Hermine regte sich zuerst nicht. Dass sie ihn gehört hatte, merkte er nur daran, wie angespannt ihr Körper auf einmal wirkte.
 

„Ich weiß nicht, Harry.“, sagte sie schließlich. „Das ist die Wahrheit.“
 

Harrys Hände ballten sich zu Fäusten. Ihm wurde nicht nur bewusst, dass er einen Fehler gemacht hatte, es wurde ihm regelrecht ins Gesicht geschleudert. Dachte er jedenfalls.
 

„Ich sehe einfach nicht den Sinn dahinter, verstehst du?“, weinte Hermine. „Wieso nicht einfach der Orden? Wieso bist du in die Nockturngasse gegangen und versuchst, etwas Eigenes aufzubauen? Welchen Unterschied macht es denn?“
 

„Der Clan kümmert sich mehr um die Rechte von den Minderheiten.“
 

„Aber Harry ... es gibt noch andere wichtige Dinge, wieso interessieren dich ausgerechnet dir Werwölfe?“
 

„Weil ein guter Freund meines Vaters einer war.“
 

Hermine sah sich zu ihm um.
 

„Professor Lupin ... ja.“
 

„Und es gibt noch andere Minderheiten. Nicht nur Werwölfe. Aber die scheinen bisher die einzigen zu sein, die wenigstens offiziell geduldet sind.“
 

„Harry ...“
 

„Und die Muggel ... ja. Aber eigentlich geht es dem Ministerium doch nur darum, endlich wieder Frieden herrschen zu lassen, was ja auch eine gute Sache ist. Aber wenn Voldemort irgendwann einmal besiegt sein sollte ... dann darf es nicht wieder zu so etwas kommen.“
 

„Aber der Orden-“
 

„Der Orden ist nicht stark genug! Er ist zu abhängig vom Ministerium, wir nicht. Wir – wir haben einen Haufen Todesser besiegt und ich ... ich weiß einfach, dass wir es schaffen können.“
 

Hermine sah ihn verwundert an.
 

„Ich wusste gar nicht ...“ Sie schwieg. „Es scheint dir ja wirklich viel zu bedeuten.“
 

Hedwig pickte ihm ungeduldig in die Hand.
 

„Au! Ja, ist ja gut!“ Er band die Pergamentrolle von ihrem Bein. „Ich vertraue dir.“ Er rollte sie auseinander und warf einen Blick darauf. Seine Augen weiteten sich. Dann huschten sie wieder herüber zu Hermine. „Ich muss gehen.“ Er wandte sich zur Tür. „Aber ... bitte, Hermine – such Ron. Bring ihn irgendwie dazu, mir zu trauen. Er muss es nicht gut finden, aber er darf es auf keinen Fall ausplaudern. Du musst dir ganz sicher sein, dass er das nicht wird. Ich will nicht-“ Er führte den Satz nicht zu Ende, doch sie verstand auch so. Ihre vom Weinen geröteten Augen schlossen sich und sie lehnte ihre Stirn an den Bettpfosten.
 

„Mach ich.“
 

Harry fasste die Türklinge.
 

„Bis bald.“
 

„Ja, bis bald.“
 

~~~~~*~~~~~
 

„Was machst du hier?“
 

Harry fror erbärmlich, denn er hatte in seiner Eile nicht daran gedacht, sich eine Jacke mitzunehmen. Der Winter war noch nicht vollkommen vorbei und der Wind, der ihm um die Ohren pfiff, war schneidend kalt.
 

„Eine ziemlich freche Frage für jemanden wie dich.“
 

Ismael musterte ihn von Kopf bis Fuß.
 

Sie standen etwas abseits von Hogsmeade, gar nicht mal so weit entfernt von dem Ort, wo er vor zwei Jahren Sirius immer getroffen hatte. Ismael hatte ihn in dem Brief gebeten, nein, ihm befohlen, sofort hierher zu kommen, er hätte etwas mit ihm zu bereden.
 

„Ich bin nicht auf Jakobs Befehl hergekommen.“, sagte er mürrisch. „Sondern, um dir etwas zu sagen, Harry Potter.“
 

Harry schluckte. Es war ihm unangenehm, als sein wahres Ich vor ihm zu stehen, doch er konnte schlecht als Alexis hier herumlaufen, bekannt war er ja schon genug.
 

„Jakob hat dich nicht ohne Grund aufgenommen. Richard meint, es wäre nur aus Mitleid, aber ich bin da anderer Meinung. Jakob ist ein guter Anführer, und als solcher erkennt er Talent. Du besitzt welches. Und ich rede hier nicht unbedingt von überragenden magischen Kräften, obwohl du sicher nicht schlecht bist. Ich meine – du hast Mut. Und Courage.“ Er starrte ihn aus dunklen Augen an, als müsste er noch über etwas nachdenken. „Aber du lässt dich zu oft fallen. Hast Angst, obwohl du mutig bist. Das ist dein einziger Fehler. Jakob nimmt dich noch einmal auf, so oder so, aber lass dir gesagt sein: Wenn du diesen Fehler nicht bald ausbügelst, werde ich dich genauso wenig akzeptieren wie Richard es tut. Und mein Wort zählt mehr als seines.“
 

Harry wusste, dass er die Wahrheit sprach, und er bekam Angst. Er hatte großes Glück, dass Jakob ihn immer so nachsichtig behandelt hatte und auf einmal begriff er, warum Richard alles darauf setzte, um ihn loszuwerden. Es war seltsam, doch er begann ihn zu verstehen.
 

„Ich verspreche, euch nie wieder zu verraten.“ Seine Worte hingen schwer in der Luft. Er wusste, dass der Clan sie mit Gold aufwiegen würde. Ein Brechen würde zu seinem sofortigen Tod führen.
 

Ismael betrachtete ihn genau. Versuchte herauszufinden, ob er log. Harry versuchte, seinem scharfen Blick stand zu halten, doch er musste schon bald aufgeben. Doch genau das, das Senken seines Kopfes, der Blick, der nun auf den Boden gerichtet war, schien das Zeichen für seine Ehrlichkeit zu sein.
 

„Jakob möchte, dass du in Hogwarts bleibst.“
 

Harry sah verblüfft wieder auf.
 

„Aber was-“
 

„Du sollst Remus' Position einnehmen. Ja, wir wissen, dass er fliehen musste, natürlich!“, sagte er, als er Harrys fragende Miene sah, „Was meinst du, wohin er geflohen ist? Jedenfalls brauchen wir einen Spion zu Hogwarts. Und du hast eine ähnlich gute Beziehung zu McGonagall. Sie ist eine wichtige Figur, nicht nur an dieser Schule, sondern auch im Orden. Versuche herauszufinden, was sie vorhaben. Besonders, ob sie gegen uns etwas planen. Remus hatte schon Ansätze herausgefunden, doch es scheint, dass Moody ihn schon länger im Verdacht hatte.“
 

„Moody ist tot.“
 

Ismaels Überraschung war nur durch ein kurzes Blitzen in seinen Augen zu erkennen.
 

„Also hast du es wirklich getan.“
 

Harry sagte nichts. Er fühlte sich wie ein Verbrecher.
 

„Gab es Zeugen?“, hakte Ismael jedoch nach.
 

„Nein. Nicht, dass ich wüsste.“
 

„Ich hoffe, du bist dir deiner Sache sicher. Wo hast du seine Leiche versteckt?“
 

„Ich ... ich habe sie liegen gelassen.“ Harry wurde etwas unsicher; hatte er das Richtige getan? „Früher oder später hätte man ihn eh gefunden, und ich wollte mich nicht zu lange mit ihm aufhalten.“ In Wahrheit hatte er so schnell wie möglich weglaufen wollen, weg von diesen kalten, blauen Augen, die ihn selbst im Tod noch anzublicken schienen.
 

Doch Ismael schien einverstanden zu sein, und wenn nicht, so zeigte er es zumindest nicht.
 

„Gut. Also, du weißt, was du zu tun hast. Jakob will, dass du ihn wöchentlich benachrichtigst.“
 

„Aber – wie? Wenn ich jedes Mal eine Eule schicke, ist das nicht auffällig?“
 

„Du sollst auch keine Eule schicken. Wir kennen einen Geheimgang nach Hogwarts, dort wird dich einer von uns erwarten. Jeden Samstag, um sieben Uhr abends, wenn alle anderen beim Essen sind. Der Eingang befindet sich hinter der Statue des Alten Weisen, ich hoffe, du weißt, wo das ist.“ Harry nickte, er kannte den Gang, der dahinter lag. Doch es schockierte ihn, dass er nicht der Einzige war.
 

„Also dann.“ Ismael zupfte kurz an seinem Bart, als er ihn noch ein letztes Mal anvisierte. „Enttäusch uns nicht wieder.“
 

Er wandte sich um.
 

„Warte!“
 

Ismael sah ihn über die Schulter hinweg an. Misstrauen lag in seinem Blick.
 

„Was ist?“
 

„Andreas – und ... Tüet, ich meine Thomas ... es tut mir Leid.“
 

Schmerz blitzte in Ismaels Augen auf, doch es verschwand wieder und machte Erleichterung Platz.
 

„Sie leben noch. Aber sei dir ihrer Feindschaft sicher.“
 

Er ging und erst, als er hinter einer Hausecke verschwunden war, wagte Harry es wieder zu atmen. Sie lebten noch. Oh Gott, sie lebten noch.
 

Er hatte Glück im Unglück. Gewaltiges Glück im zerreißenden Unglück. Ihm lief es kalt den Rücken herunter, als ihm einfiel, dass er seinen Freunden alles erzählt hatte. Der Clan durfte davon nie erfahren.
 

Nie, niemals.
 

~~~~~*~~~~~
 

Harry war erschöpft, als er abends in den Gemeinschaftsraum zurückkehrte.
 

Er hatte den Rest des Tages draußen auf den Wiesen von Hogwarts verbracht und war am See entlanggelaufen, dort, wo er den Verbotenen Wald schnitt, und er hatte sich an jene dunkle Nacht erinnert, in der Snape ihm über den Weg gelaufen war. Gerade bei ihm hatte er sich auch rächen wollen, doch bisher gab es nicht die winzigste Spur von ihm. Wenn er ihm über den Weg laufen würde, so wusste Harry, würde er sich nicht beherrschen können, egal in welcher Situation er sich gerade befand.
 

Müde ließ er sich in einen der Sessel nahe am Feuer fallen. Um diese Zeit saßen alle Schüler in der Großen Halle beim Abendessen, doch er hatte keinen Hunger und war dankbar für die momentane Stille.
 

Ein Gedanke blitzte in ihm auf, voller Intensität und Schärfe. Moody. Sein bleiches Gesicht. Das magische Auge, das bei seinem Tod aufgehört hatte, sich zu bewegen. Die Hand, in der er seinen Zauberstab gehalten hatte, die nun schlaff auf dem kalten Steinboden des Turmes lag. Er war ein Mörder. Nie hatte er eine Tat so sehr wie diese bereut. Und doch wusste er, dass es nötig gewesen war. Hätte er ihn am Leben gelassen, wäre er aufgeflogen. Moody hatte so viel gewusst, zu viel. Es tat ihm Leid. So Leid.
 

Harry wischte sich über die Wange und wusste, dass sie nass war. Er sollte nicht weinen, wenn jemand hereinkam, schlimmer noch, wenn Hermine oder Ron hereinkamen, würden sie ihn fragen, was los sei. Sie durften es nicht erfahren. Und so wischte er sich die einzelne verstohlene Träne ab, und versuchte sich mit einem Buch abzulenken.
 

Doch lange hielt die Ruhe im Gemeinschaftsraum nicht mehr an. Die Schüler kehrten vom Abendessen zurück und Harry wunderte sich noch, warum sie alle so betrübt aussahen, bis er Hermine sah, die auf ihn zugeeilt kam. Sie zog ihn hoch und aus dem Gemeinschaftsraum, dann in den Schlafsaal. Harry sah Tränen in ihren Augen glitzern.
 

„Hermine ...?“
 

Sie zog geräuschvoll die Nase hoch, sah ihn jedoch unverwandt an.
 

„Du ... du musst es mir sagen, Harry ...“ Sie wischte sich über das Gesicht. „M-Moody ist eben auf dem Nordturm gefunden worden ... und er ist tot!“ Sie schluchzte und Harry wollte ihr einen Arm um die Schulter legen, doch sie wehrte ihn ab. „Harry, du musst es mir sagen“, wiederholte sie, „... hast du ihn umgebracht?“
 

Harrys Herz machte einen Satzer. Wie kam sie darauf? Wieso wusste sie das? Denn er sah, dass sie seine Antwort nur hören wollte, um zu wissen, ob er sie auch anlog.
 

„Hermine ... es tut mir Leid.“
 

Sie schwieg.
 

„Ich musste es tun.“
 

Immer noch Stille.
 

„Hermine ... bitte versteh mich doch ...“ Seine Stimme wurde immer leiser, denn er wusste, dass er verspielt hatte. Eine Seite oder die andere: Er konnte es nicht beiden recht machen. Sein Leben blieb verschont, weil er Jakobs Angebot angenommen hatte, doch dafür musste er seine Freunde aufgeben.
 

Heiße Wut stieg in ihm auf, wie züngelnde Flammen, die sich nach oben fraßen. Er konnte einfach nicht mehr da bleiben, er konnte sie nicht mehr ansehen, und wissen, dass sie ebenso zerrissen war wie er selbst. Rannte raus, die Treppen hinunter, an den überrascht aufblickenden Schülern vorbei, die nicht länger seine Mitschüler waren, und wenn er noch so lange in Hogwarts blieb. Rannte, hinaus, auf die Wiesen von Hogwarts, die inzwischen schwarz waren, bis die Dunkelheit auch ihn verschluckte. Und weiter, bis an den See, bis zum Wald, bis an die Stelle, an der er gestorben war, an der er eben noch gewesen war und geglaubt hatte, alles könnte vielleicht noch ein gutes Ende nehmen.
 

Erst, als seine Brust so sehr schmerzte, dass er es nicht mehr aushielt, hielt er inne, zwischen den düsteren Bäumen stehend. Atmen fiel ihm schwer. Er schloss die Augen, weil ihm schwindelig wurde und schwarze Punkte vor ihm tanzten.
 

Sei dir ihrer Feindschaft sicher.
 

Hast du ihn umgebracht?
 

Nichts. Leere. Er brauchte jemanden, doch Hermine würde nicht mehr kommen.
 

Mit einem Male griff etwas in seine Brust und umschloss sein Herz mit eiserner Faust. Er keuchte auf und griff sich an die Stelle, unter der sein Herz gegen die Attacke kämpfte, die seinen gesamten Körper verkrampfen ließ. Alles Blut wich aus ihm und zu seinem Herzen, er konnte jede Ader heiß unter seiner Haut fühlen. Die schwarzen Punkte leuchteten gelb und lila auf, wurden größer, bis sie sein gesamtes Sichtfeld in ohnmächtige Schwärze hüllten.
 

~~~~~*~~~~~
 

Er spürte Wärme. Seine linke Seite war so warm, während die rechte kalt blieb. Er zuckte mit den Augenlidern, fand jedoch noch nicht die Kraft oder den Willen, sie zu öffnen. Stattdessen konzentrierte er sich auf dieses wunderbare Gefühl, dass sich in ihm ausbreitete. Ihm fiel ein, weswegen er hier lag. Die Attacke, so schmerzhaft wie nie zuvor, hatte ihm das Bewusstsein geraubt. Neue Verzweiflung stieg in ihm hoch, da er wusste, dass er langsam, aber stetig auf seinen Tod zuschritt.
 

Etwas regte sich neben ihm und es war die Wärme, die sich bewegte.
 

„Harry ... Harry, bist du wach?“
 

Er blinzelte, doch als er die Augen öffnete, blieb um ihn herum alles so schwarz wie zuvor. Einen Moment erlag er dem Schock, plötzlich erblindet worden zu sein, da begriff er, dass es Nacht sein musste. Als sich seine Augen ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er unscharfe Konturen erkennen, Schemen, und er sah, dass jemand neben ihm lag. Die Stimme sprach erneut.
 

„Harry ... ist alles okay mit dir?“
 

Er nuschelte ein Ja, sein umnebelter Verstand rätselte jedoch immer noch, wer neben ihm war.
 

„H-Hermine?“, flüsterte er schließlich.
 

„Ja“
 

Hermine, so begriff er, war es, die die Wärme ausstrahlte. Sie lag dicht neben ihm, an der Seite, an der sein Herz lag. Aber wieso? Hasste sie ihn nicht?
 

„Was machst du hier?“
 

„Nach dir sehen natürlich.“ Doch ihre leise, zögerliche Stimme sprach Bände: Sie wusste, dass sie eigentlich keine Freunde mehr sein konnten. Nicht, nachdem was geschehen war.
 

„Wo sind wir?“, fragte er stattdessen.
 

„In der Heulenden Hütte.“ Er fühlte ihre warme Hand, die nach seiner Wange tastete. „Ich dachte mir, dass es dir lieber ist, wenn ich dich nicht in den Krankenflügel bringe.“
 

Dann Stille. Harry horchte in sich hinein, als wollte er sichergehen, dass noch alles an ihm dran war. Dann versuchte er Hermine in der Dunkelheit auszumachen, doch er erkannte sie nur an den Stellen, an denen sie ihn berührte.
 

„Wieso bist du mir nachgelaufen?“ Er hatte die Frage nicht beabsichtigt. Sie floss von seinen Gedanken über seine Zunge und blieb zwischen ihnen in der kühlen Luft hängen. Hermine lachte leise, aber traurig.
 

„Ist das denn nicht klar? Weil ... weil wir Freunde sind.“
 

„Sind wir nicht.“
 

Das stimmte.
 

„Nicht mehr, Hermine. Mach dir nichts vor. Wie soll das noch funktionieren? In Wahrheit ... verachtest du mich jetzt doch-“
 

„Nein!“ Hermine packte seine Schultern, er konnte sie ganz nah an sich spüren.

„Nein! Ich – du hast Recht, ich weiß selber nicht, wie das funktionieren soll, aber – aber ich will, dass wir Freunde bleiben! Egal, was du auch tust, ich bin mir sicher, dass alles einen Grund hat, auch wenn ich ihn nicht sehe. Du bist ein guter Mensch, Harry, das weiß ich! Ich habe es erkannt, als ich dich damals im Zug gesehen habe und du hast es jedes Jahr auf's Neue bewiesen! Du bist stark, und ich weiß, dass du das alles schaffen kannst! Harry – ich-“
 

„Ich habe dir nicht alles erzählt.“
 

Hermine schwieg. Harry wartete, und als er begriff, dass sie auch wartete, begann er, ihr alles, ausnahmslos alles zu erzählen.



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