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Dark Age of Camelot

Llienne's Life
von

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Überraschungen in Murdaigean

Athriliath brach ab, und ich starrte ihn gebannt an. "Und dann?" er lächelte fragend. "Mmhh?" ich hob die Hand, formte sie zu einer Klaue und führte sie an mein Gesicht. Er lachte leise. "Er ist natürlich fortgelaufen, so konnte er ja im Schloss nicht bleiben. Er hat sich in den Wäldern versteckt und ist endgültig zum Siabra geworden, eine leere, verfaulende Hülle, die ihre Seele verloren hat. Macht ist eben nicht alles." Meine Augen funkelten, ich hatte einen schlechten Geschmack im Mund. "Aber das ist nicht wirklich passiert?" er musste abermals lachen und legte mir die Hand auf die Schulter. "Habe ich doch schon gesagt, es ist nur ein weiteres Märchen von vielen, das über die Feindschaft zwischen Shar und Elfen und die Entstehung der Siabra erzählt. Kein Wort davon ist wahr, zumindest wäre mir das neu. Es tut mir Leid, wenn ich dich damit aus der Fassung gebracht habe."

"Oh nein, sie war...eh...na ja der Inhalt war neu für mich, aber sonst...sehr spannend. Und dieses Weib hätte ich erwürgen können." Athriliath sagte nichts, sondern lächelte nur still. Brakalu mischte sich unerwartet in das Gespräch ein. Auf seinem Gesicht lag fast so etwas wie Ekel. "Höchst bizarr," sagte er kühl. "Und es ging viel zu viel um..." er räusperte sich, eine Wangen wurden etwas dunkler und er brach mürrisch ab, offenbar ärgerlich mit sich selbst. Keena grinste breit, offenbar hatte sie der Geschichte zumindest doch mit einem Ohr gelauscht. "Ein prüder Fisch, wie köstlich!" Brakalu sah sie ungnädig an und schwieg wieder. Athriliath strich sich ein wenig verlegen über das zerfetzte Wams. "Nein, nein, das ist seine Meinung und ich kann sie durchaus nachvollziehen. Da ist wohl irgendwas mit mir durchgegangen." Keenas Grinsen wurde immer breiter. "Ach? was denn?" Athriliath blieb eine Antwort erspart, denn inzwischen waren wir, ohne es zu bemerken, an eine große, steinerne Festung gelangt. Es war vollkommen still, weder Wachen noch eine zornentbrannte Mikata warteten auf uns. Athriliaths Gesicht wurde ernst, aufmerksam sah er sich um. "Es hat lange gedauert, aber nun sind wir da. Das ist Druim Ligen."

Wir blickten versonnen zu dem mächtigen Gebilde empor, als Brakalu neben mir halblaut murmelte: "Überrhaupt nicht gut." Ich sah ihn fragend an. "Was ist nicht gut?" er zuckte die Achseln, ohne den Blick von dem massiven Eichenholztor zu nehmen. "Die Geschichte. Das Ende derr Geschichte." Athriliath, der sich ebenfalls zu dem Inconnu umgedreht hatte, schenkte ihm ein durch und durch warmes Lächeln. "Ich mache dir einen Vorschlag. Bevor ihr wieder nach Hause zurückkehrt, werde ich dir die Geschichte richtig erzählen, so, wie sie sein sollte. Was hältst du davon?" Brakalu sah den Elfen nun doch an und musterte abschätzend sein Gesicht, ehe er sachte nickte. "Einverrstanden."
 

Auszug aus einem inzwischen fast vergessenen Kriegslied der Skalden:
 

"...Ehre, Ehre

zu dem, der sie verdient,

Brechende Knochen,

für den, der lieber sühnt:

Brüder, Schwestern, hört mir zu:

Im Kampfe verzeiht man nicht,

nur ich oder du,

Wer weicht, der hat verloren,

verdammt und nicht erneut geboren,

denn in Walhalla ist kein Platz

für kriegsmüde Toren..."
 

"Komm, hilf mir mal!"

"Man wird uns meilenweit hören."

"Vielleicht, aber nur durch rumstehen kommen wir nicht weiter. Fass an!"

Keena stand vor einem schweren, massiven Hebel, der das Tor öffnen sollte. Sie zog daran, doch der Hebel rührte sich nicht. Wütend starrte sie mich an, und ich trat gehorsam an ihre Seite. Zu zweit zerrten wir mit aller Kraft, ehe ein leises Knarren uns verriet, dass wir Erfolg hatten. Entgegen meiner Prognose quietschte weder uraltes Eisen, noch klirrten irgendwelche Ketten: das Tor schwang völlig lautlos auf und präsentierte uns einen verlassenen Burghof, der dem meiner Teleporterfestung Svasud nicht unähnlich war. Athriliath zögerte einen Moment, ehe er entschlossen in den Hof trat und sich umschaute. Es war beinahe beunruhigend still. "Sehr seltsam," murmelte der Elf und winkte uns heran. Keena hielt ihren Stab etwas fester, bereit, sich beim kleinsten Anzeichen von Gefahr ins Getümmel zu stürzen. Doch der große Hof blieb unverändert friedlich, mein Gefühl von Unbehagen hingegen wuchs. Ich hatte mich schon mehr oder weniger darauf vorbereitet, mich mit einer erzürnten Mikata auseinandersetzen zu müssen oder gar die Waffe gegen unbeteiligte Bürger zu richten. Und nun schien es, als könnten wir gemütlich und ohne weitere Scherereien nach Hause spazieren. Wo sich mir gleich der naheliegendste Gedanke aufdrängte: Wie kommen wir hier weg?! Athriliath drehte sich zu uns um und musterte unsere Gesichter. Das junge Morgenlicht präsentierte ihm erschöpfte Züge und ich war mir bewusst, dass mein Körper ein Bad dringend nötig haben musste. Doch das war es nicht, was ihn nun nachdenklich auf der Unterlippe kauen ließ. "Ihr fallt sofort auf, sollte jemand kommen. Vor allem ihr beide werdet aus der Masse stechen wie bunte Hunde," er nickte Keena und Brakalu zu, die seinen Blick ratlos erwiderten. Plötzlich musste Athriliath grinsen. Er löste die Spange, die seinen Mantel hielt, und trat mit dem Kleidungsstück auf Keena zu. Die war ein wenig misstrauisch zurückgewichen, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte. "Was?" fragte sie argwöhnisch. Athriliath bemühte sich, das freche Grinsen zurückzuhalten und verbeugte sich leicht vor ihr. "Mutter, Euch ist sicher kalt, legt das hier an. Und drückt Euren armen, kleinen Sohn an Eure Brust, damit auch seine Gesundheit keinen Schaden nimmt." Keena starrte ihn einen Moment sprachlos an, ehe sie herrisch nach dem Umhang griff. "Sehr witzig! und Llienne, hör auf zu lachen oder es setzt was!" ich war bei Athriliaths Vorstellung in haltloses Gekicher ausgebrochen und griff mir bei Keenas Worten an den von der vergangenen Nacht noch immer schmerzenden Schädel, ohne auf ihre Forderung einzugehen. "Bitte nicht, Mutter." Ihr Blick machte deutlich, dass sie mir das irgendwann mit Freuden heimzahlen würde, doch sie widersprach nicht mehr, schlang sich den Umhang um die Schultern und stülpte sich die Kapuze über den Kopf, ehe sie Brakalu am Arm packte und zu sich heranzog. "Also komm schon her, mein Sohn," sagte sie ironisch. Der Inconnu, der offenbar der Meinung war, dass wir alle drauf und dran waren, den Verstand zu verlieren, seufzte nur ergeben und drückte sich unter dem Mantel gehorsam an ihren Körper. Athriliath räusperte sich. "Fein. Und du senk einfach den Kopf, Llienne. Ich werde nachsehen, ob Lady Glasny anwesend ist. Wenn alles gut geht, sind wir in zwei Minuten in Murdaigean." Ich sah ihm mit gemischten Gefühlen nach, wie er eine hölzerne Treppe erklomm, die zu einem Wehrgang führte, von dem man den gesamten Hof und das Tor im Auge behalten konnte. "Das ist wirklich komisch, so viel Aufregung und dann kein würdiger Empfang," brummte Keena unter ihrer Kapuze, wobei in ihrer Stimme beinahe so etwas wie Bedauern mitschwang. Ich seufzte nur tief und massierte meinen verspannten Nacken. "Ich bin für die nächste Zeit bedient. Wenn wir in Murdaigean waren, kann Athriliath allein nach Hibernia zurückkehren und sagen, dass ich im Kampf gefallen bin und euch die Flucht gelungen ist. Das wird der königlichen Hoheit vermutlich nicht gefallen, aber sie werden sich damit zufrieden geben, vor allem Mikata. Hoff ich zumindest," setzte ich trocken hinzu und behielt die Treppe im Auge. Und tatsächlich...ich senkte hastig den Kopf, als ich Athriliath in Begleitung einer kleinen Gruppe Elfen die Treppe hinunterkommen sah. Mein Herz begann vor Erwartung ein wenig schneller zu schlagen. Würde unser Schwindel auffliegen? verstohlen beobachtete ich die Elfen durch die Wimpern hindurch. Die Anführerin war eine junge Frau mit einem silbrigen Zopf und einer bodenlangen, türkis schimmernden Robe. Ihre männlichen Begleiter steuerten still auf den steinernen Kreis zu, auf welchem sie gleich ihre Magie wirken würden. Athriliath flüsterte leise mit der Fremden und deutete auf eine leere Ecke des Hofes. Glasny, die Elfe, zuckte die Achseln und drückte ihm vier dünne Silberketten in die Hand. Er verbeugte sich vor ihr, griff nach der Hand, die ihm die Schmuckstücke reichte, und küsste sie formvollendet. Glasny errötete leicht, gab ihm einen sanften Klaps und mit einem Auflachen drehte sich Athriliath zu uns um. "Kommt, wir wollten doch in den Schnee. Nirgendwo bekommt man einen klareren Kopf als an der frischen Luft von Odins Tor." Ich ging auf sein Spiel ein, gähnte herzhaft und schlurfte auf den Steinkreis zu. Jetzt...jetzt würde es sich entscheiden. Meine Handflächen wurden feucht. Unsere Maskerade war mehr als lächerlich, es konnte gar nicht gutgehen...Athriliath beugte sich vor, warf mir einen eindringlichen Blick zu und reichte mir eine der Ketten. "Guck nicht so entsetzt," wisperte er. Ich nickte nur und streifte mir das Schmuckstück über. Er hatte ja gut reden, ihn als Hibernianer würden sie im Falle einer Entlarvung sicher nicht allzu hart bestrafen. Was bei solch einer Unverschämtheit aber aus Keena, Brakalu und mir werden mochte, darüber wollte ich nicht einmal nachdenken. Ich hielt mich dicht hinter Athriliaths Rücken, ließ meine ungleichmäßigen, zerzausten Haare ins Gesicht hängen und schickte ein Stoßgebet zu Bragi. Hinter mir stand Keena, ließ zwei Ketten unter ihrem Umhang verschwinden und täuschte gleichzeitig ein krächzendes Husten vor. Als unter dem Mantel keine Reaktion erfolgte, trat sie Brakalu nachdrücklich auf den Fuß, woraufhin er ein nicht besonders überzeugend kindliches Wimmern ausstieß. Glasny bedachte uns mit einem schiefen Blick, doch vermutlich hatte sie während ihrer Zeit als Portalmeisterin schon seltsamere Gestalten gesehen, so dass wir ihr nicht übermäßig auffällig erschienen. Auf ihren Wink hin spreizten die Magier die Beine und unwirkliches, blaues Licht explodierte, was unsere Körper vollkommen einhüllte und mich wieder einmal nahe an den Rand eines Zusammenbruchs brachte.
 

"...frage mich, wann sie sich das endlich abgewöhnt..."

"Ist sie in Ordnung?"

"Ja, ihr ist nur mal wieder schlecht."

Ich blinzelte, hustete erstickt und riss die Augen auf. Wenig überrascht sah ich die drei Gesichter meiner Gefährten über mich gebeugt. Athriliath wirkte besorgt, Brakalu sah mich an, als wäre ich eine interessante neue Tierart und Keena seufzte genervt. Ich ignorierte ihre hilfreich ausgestreckte Hand und stand in einer einzigen Bewegung auf. "Tut mir Leid, ich hab mir das auch nicht ausgesucht," brummte ich und stimmte, jegliche dumme Bemerkung im Keim erstickend, mein helles Reiselied an. Brakalu konzentrierte sich und machte sich daran, seinen untoten Diener zu sich zu rufen. Keena tat es ihm gleich und Athriliath schulterte seinen Schild. Ernst sah er von einem zum anderen. "Wir machen es so, wie Llienne gesagt hat. Wir schauen nach, was in der Burg los ist und danach helfe ich euch bei der Heimreise. Anschließend kehre ich nach Tir na nOgh zurück und sage, dass der Inconnu und die Valkyn entkommen konnten und du, Llienne, im Kampf getötet wurdest. Es wird alles gut werden." Er lächelte zuversichtlich und ich griff, ohne zu wissen warun, plötzlich nach seiner Hand. Überrascht hob er die Braue, schwieg aber. Ich erwiderte seinen nun ernst gewordenen Blick. "Dir und Zaphykel verdanke ich sehr viel," meinte ich. "Bitte setz dich für ihn ein, wenn du zurückkommst." Er nickte. "Ich verspreche es dir." Plötzlich mischte sich ungefragt eine mir fremde Männerstimme ins Gespräch ein: "Du meinst wohl, wenn er zurückkommen sollte!" wir fuhren herum und brauchten einen Moment, ehe wir den Sprecher ausmachen konnten: Es war ein elfischer Bogenschütze, der sich über uns an die Zinnen lehnte. Auf seinen Lippen spielte ein leichtes, alles andere als vertrauenderweckendes Lächeln. Athriliath legte den Kopf in den Nacken und betrachtete seinen Waffenbruder gelassen. "Wie meint Ihr das?" fragte er. Statt zu antworten, hob der Elfenschütze die Hand, und urplötzlich erschienen auf der Brüstung fünf oder sechs weitere Männer. Sie hatten schlanke Langbögen, die sie alle gleichzeitig spannten und dann zu meinem Entsetzen auf Athriliaths Brust richteten. "Du bist ein Verräter," sagte der Anführer leidenschaftslos, doch in seinen grünen Augen funkelte es bedrohlich, "und Verräter verdienen den Tod." Athriliath blieb ruhig. "Was wirft man mir vor?" der Bogenschütze lachte ungläubig und nun verzerrte sich sein Gesicht doch. "Du hast dich mit Midgardern und einem Albioner eingelassen, du hast deine Prinzessin hintergangen...du hast Hibernia entehrt!" schloss er schneidend und hob die Hand. Doch ehe er einen Befehl aussprechen konnte, erklang ein schlangengleiches Zischen und seine Gestalt wurde für einen Moment von einem schwarzvioletten Licht eingehüllt. Der Elf schrie auf, riss beide Arme in die Luft und schoss, ohne hinzusehen- sein Pfeil flog nutzlos über die Burgmauer. Ich drehte den Kopf und sah Brakalus widerlichen Diener, der sich in eben diesem Moment zu einem weiteren Angriff bereit machte. Und dann brach das Chaos aus. Die Elfen schrien wütend in ihrer Muttersprache durcheinander und feuerten ihre Pfeile auf uns ab. Ich warf mich verzweifelt zur Seite und spürte den Luftzug, als das Geschoss nur wenige Millimeter neben meinem Gesicht funkensprühend auf das Kopfsteinpflaster prallte. Athriliath warf sich vor Keena und hob den Schild, an welchem gleich drei Pfeile abprallten. Der verletzte Elf hatte sich wieder aufgerappelt, ein feines Blutrinnsal floss an seiner Schläfe hinab. "Tötet sie," gellte er, "lasst sie nicht nach draußen!" ich sprang wie der Blitz auf und brachte mich hinter einem hölzernen Pfeiler in Sicherheit, in welchen sich prompt ebenfalls ein paar der tückischen Geschosse bohrten. "Wirr müssen hierr rraus!" rief Brakalu und schwang seinen Stab. Athriliath nickte gehetzt, fasste Keena am Arm und rannte auf das Tor zu. "Llienne," brüllte er, "komm h..." sein Ruf verwandelte sich in einen lauten Schmerzensschrei, als einer der Pfeile seinen Kettenpanzer durchschlug und zwischen den Schulterblättern stecken blieb. Er geriet ins Stolpern und Keena, die geistesgegenwärtig versuchte, ihn festzuhalten, stürzte nach einem kurzen Kampf um die Balance ebenfalls zu Boden. "Lasst den Verräter und das Menschenmädchen leben!" fauchte der Anführer. "Sie gehören dem Herrn. Kümmert euch um die da!" ein reichlich mitgenommen wirkender Bogenschütze kniff die Augen zusammen und zielte. Der Treffer war mehr als kritisch, und mit einem klagenden Laut brach Brakalus Diener zusammen. Schlagartig verließen auch den kleinen Inconnu alle Kräfte und er taumelte kurz, ehe die Beine ihm den Dienst versagten. Unter den Elfen brach Jubel los. "Nein!" schrie ich. "Lauf weg!" Brakalu warf mir einen kurzen, schmerzerfüllten Blick zu, ehe in ein Pfeil mitten in die Seite traf. Mit einem halb erstickten Keuchen stürzte er gänzlich zu Boden und schloss kraftlos die Hände um das Geschoss. Von wildem Zorn ergriffen, brüllte ich mein Schlachtenlied, hob die Axt und stürmte die Treppe hinauf. "Dafür werdet ihr bezahlen!" schrie ich und schlug blind um mich. Die Elfen wichen hastig zurück, doch einen streifte ich dennoch. Der Mann taumelte kurz, schlug beide Hände vor das Gesicht und fiel rücklings über die Mauer, noch immer schreiend. "Ich hab genug von diesem Scheißland! ich hab genug vom Krieg! ich will nach Hause!" warum ich dies sagte, wusste ich selber nicht genau. Und eigentlich sagte ich das auch nicht, sondern brüllte, dass man meinen konnte, es würde mir die Stimmbänder herausreißen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Keena, die sich mühsam aufgerappelt hatte, wieder zu Boden ging. Sie rührte sich nicht mehr. Das löste so etwas wie einen Kurzschluss in mir aus, wie in Zeitlupe ließ ich die Axt sinken und starrte auf ihren zusammengesunkenen Körper. Die Elfen ließen die Chance nicht ungenutzt verstreichen, und einer hob irgend etwas Schweres hinter mir, was mir einen Moment später kraftvoll auf die Schläfen hinabfuhr. Die Welt explodierte in einem rotem Feuerwerk und ich merkte, dass ich fiel...

...und träumte. Was doch eigentlich völlig unmöglich sein musste, denn ich dachte bis dato immer, dass man in einer echten Ohnmacht nicht träumt. Und überdies auch nicht denkt. Der Gedankengang war so bizarr dass ich im Traum in leises Gelächter ausbrach. Ich lag im Wasser, doch meine Kleidung wurde nicht nass. Ich starrte zu einer Sonne hinauf, die mich nicht blendete. Ich hatte das Gefühl, als besäße ich keine feste Form mehr und mein Gelächter erstarb und machte zögerlich einer mir wohlbekannten Furcht Platz. Plötzlich tropfte etwas auf meine Wange und ich wollte die Hand heben, um es fortzuwischen. Mein Ensetzen wuchs, als ich feststellen musste, dass ich nicht einmal imstande war, mit einer Fingerspitze zu zucken. War ich vielleicht die steinerne Brüstung hinuntergestürzt, hatte mir das Rückgrat gebrochen und setzte mich nun mit den Todesgeistern auseinander, die mir den Rückzug aus dem Leben schwermachen wollten? wieder benetzte etwas Feuchtes meine Wange und rann daran hinab, kitzelte mein Ohr. Ich stieß einen wütenden Laut aus, weil es mir auch nicht gelang, wenigstens den Kopf zur Seite zu drehen. Lautlos fiel neben mir ein Tropfen ins Wasser und vermischte sich mit diesem. Mein Mund schnappte wie der eines Fisches, ehe ich mich in einen kraftlosen Schrei befreite, denn nun hatte ich endlich erkannt, was da gnadenlos auf mich niederregnete: Blut.

Ich schrie noch immer, als mir der Anführer der Elfen abermals ein paar Tropfen kühles Wasser ins Gesicht spritzte. Die anderen standen furchtsam in einigem Abstand um uns herum und sahen ratlos auf meine Elendsgestalt hinab, offenbar unsicher, was sie von der ganzen Sache halten sollten. Der Elfenschütze rüttelte mich halbherzig an der Schulter und versuchte, meine Stimme zu übertönen: "Nun hör auf zu jaulen, verdammt nochmal, du hast doch überhaupt nichts!" ich ignorierte ihn und wimmerte und stöhnte weiter, noch ganz gefangen von meinem Traum. Dabei wusste ich selbst nicht einmal, was mich so in Panik versetzte. Da hatte ich schon viel schrecklichere Dinge geträumt, der letzte lag gar nicht so lang zurück, nur ein paar Jahre. Die Erinnerung durchzuckte mich wie ein Elektroschock:

Schatten und Feuer. Etwas Gewaltiges regt sich in der Dunkelheit. "Hhaaah..." Anstatt endgültig in Hysterie zu versinken, stellte ich mein Geheul ein und starrte den Elfen über mir nur an. Dieser runzelte halb ärgerlich, halb unsicher die Stirn. Mein Sinnungswandel war ihm offenbar unheimlich. "Bist du jetzt friedlich?" fragte er. Ich nickte nur und fühlte beiläufig meine Schläfen. Es tat weh und vermutlich bildete sich dort nicht zum ersten Mal eine prächtige Beule. Aber als ich meine Fingerspitzen einer eingehenden Untersuchung unterzog, sah ich keine Spur von Blut. Das tröstete mich auf eigentümliche Weise. "Ja, ich bin friedlich," sagte ich mit einiger Verspätung. Dann kamm die Erinnerung zurück und ich spürte einen gallebitteren Geschmack auf der Zunge. "Was ist...mit meinen Freunden?" unwillkürlich drehte ich den Kopf und suchte den Schauplatz des vergangenen Kampfes nach den Leichen von Brakalu und Keena ab, konnte aber weder den einen noch die andere finden. Auch von Athriliath fehlte jede Spur. Der Elf verzog das Gesicht. "Oh, mach dir keine Sorgen, sie alle sind noch am Leben." Ich hörte seine Worte zwar, konnte sie aber im ersten Moment kaum begreifen. Mit gerunzelter Stirn starrte ich ihn an. "Sie...leben noch? aber...die Pfeile, sie..." der Bogenschütze erhob sich und sah kopfschüttelnd auf mich, die ich immer noch wie ein Käfer auf dem Rücken lag, hinab. "Du machst dir zuallererst Gedanken um andere, hm? wie töricht." Ich verzichtete auf eine passende Antwort, dazu fehlte mir ganz einfach die Kraft. "Wo sind sie?" fragte ich nur und versuchte, mich aufzurappeln. Dass ich wie ein Wurm vor ihm im Staub kroch, ärgerte mich. Der Elf öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch ich hörte ihn gar nicht- ein grauenhafter Schmerz explodierte in meinem Schädel, ich rollte mich auf die Seite und erbrach mich kraftlos. Mein Körper hatte sich erst vor kurzem trotzig mit einer deftigen Gehirnerschütterung auseinandergesetzt doch die zusätzliche Belastung des gemeinen Hiebes auf die Schläfen hatte ihn letztlich doch bezwungen. Der Elf seufzte tief und besah sich angeekelt die Sauerei. "Ich wollte dich gerade warnen. Nun ja, du bekommst bald ein heißes Bad, frische Kleider und ein Bett." Ich starrte ihn aus tränenden Augen an und hätte trotz der erbärmlichen Situation beinahe aufgelacht. "Ihr Hibernianer...seid komisch. Erst...schießt ihr mit Pfeilen auf mich...dann zertrümmert ihr mir fast den Schädel...und nun wollt ihr die zuvorkommenden Gastgeber spielen?" der Anführer machte eine ungeduldige Handbewegung. "Beschimpf mich, so viel du willst, ich habe meine Befehle und mir steht´s nicht zu, diese in Frage zu stellen." Seine Stimme nahm einen schneidenden Tonfall an: "Sei versichert, ich hätte es auch vorgezogen, dich mit Pfeilen zu spicken, glaub nicht, ich würde auch nur eine Sekunde zögern wenn man mir freie Hand ließe. Und nun steh auf, wir haben schon genug Zeit vertrödelt." Ich versuchte, den widerlichen Geschmack auf meiner Zunge zu verdrängen und wischte mir den Mund mit dem Handrücken ab. "Wenn meine Freunde nicht tot sind, wo hat man sie hingebracht?" fragte ich abermals, nun schon sehr viel gefasster. Ich würde nicht sterben und meine Gefährten waren noch am Leben, nur das zählte. Alles weitere würde ich irgendwie auch überstehen. Als meine Beine mir trotz gutem Willen den Dienst versagten, winkte der Elfenführer mit ungeduldiger Geste einen seiner Männer heran. Der Bogenschütze packte mich gehorsam unter den Achseln und zerrte mich auf die Füße. Ich schwankte und wäre um ein Haar wieder gestürzt, doch der Elf griff reflexartig nach meinen Schultern und hielt sie fest. Der Führer bedachte mich mit einem kühlen Blick. "Du wirst sie sehen wenn der Herr will, dass du sie siehst. Los Männer, wir gehen zur Festung Murdaigean." Und jegliche Proteste einfach ignorierend, setzten sich mein Bewacher und Helfer und die übrigen Elfen in Bewegung. Mir blieb nicht anderes übrig, als mich ihrem raschen Schritt anzupassen, obwohl ich mich immer noch so elend fühlte, dass ich mich am liebsten irgendwo eingegraben und die nächsten Tage nicht mehr gezeigt hätte. In einer geordneten Zweierreihe passierten wir das Tor, das wie von Geisterhand aufschwang und die hibernianische Teleportfestung blieb still und verlassen hinter uns zurück. Ich riskierte einen schnellen Blick in das Gesicht des Mannes, der mich zwar energisch, aber nicht böswillig vorantrieb. "Ihr verratet Euer Reich, das wisst Ihr, oder?" fragte ich beiläufig. Im Gesicht des Elfen zeigte sich nicht die geringste Regung. Unbeherrscht fuhr ich fort: "Euer Herr hat inzwischen zwar Wind davon bekommen, dass irgend etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, doch ich wette, damit hat er nicht gerechnet." Die Mundwinkel des Mannes zuckten leicht, doch er riss sich zusammen. Ohne zu wissen, wieso ich den Hibernianer dermaßen provozierte, sinnierte ich im aufsässigen Plauderton laut weiter. "Das wird sie alle mehr als nur den Kopf kosten. Wie können die sich bei soviel Verrat eigentlich noch ohne Scham im Spiegel betrachten..." nicht mein Begleiter, sondern der Anführer fuhr wie eine wütende Schlange herum und schrie mich an: "Halt endlich dein verfluchtes Maul, oder ich werde es dir eigenhändig stopfen." Ich grinste leicht. "Oh, meldet sich da das schlechte Gewissen eines unehrlichen Eidschwörers?" Llienne, was tust du, sagte eine entsetzte Stimme in meinem Hinterkopf. Schnappst du nun vollends über? und dieses Mal war ich offenbar wirklich zu weit gegangen, denn der Elf starrte mich einen Moment sprachlos an, ehe er ein langes Rapier von seinem Gürtel löste und mit weit ausgreifenden Schritten auf mich zustapfte. Leise pfeifend bohrte sich genau vor seinen Füßen ein schmaler Dolch in die Erde, und er sprang mit einem überraschten Aufschrei zurück. "Wer wagt es...?!" eine junge Frauenstimme erwiderte gelassen: "Hauptmann Delcari, wie mir scheint, ist auf Euch absolut kein Verlass. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass der Zorn gerade Euren Verstand vernebelte und Euch Hand an die Geisel hätte legen lassen, oder etwa nicht?" der Angesprochene sah sich wild um. "Wer seid Ihr? und vor allem, wo seid Ihr?!" fast genau neben mir stand wie aus dem Boden gewachsen eine kleine, schlanke Gestalt mit einem bodenlangen, dunkelgrünen Kapuzenumhang. Ich zuckte überrascht zusammen. Das musste dann wohl einer der Schleicher sein, vor denen Keena mich damals gewarnt hatte. Hauptmann Delcari überwand seine Überraschung schnell. "Und wer seid Ihr, Nachtschatten?" fragte er kalt. "Zeigt Euer Gesicht!" der Neuankömmling, der aufgrund seiner kleinen, beinahe zart anmutenden Gestalt nichts anderes als eine Lurikeen sein konnte, schlug bereitwillig die Kapuze zurück. Ich erkannte ein schmales Gesicht mit sandfarbenem Haar, in dem ein kleines, goldgrünes Abzeichen steckte. "Eine persönliche Späherin von Prinzessin Mikata," rief einer der Elfen überrascht aus. Die Lurikeen nickte knapp. "So ist es. Hauptmann Delcari, Ihr dürft zur Teleportfestung zurückkehren, und Eure Möchtegernhelden nehmt am besten alle mit. Und mir wäre es wirklich lieb, wenn Ihr Euch sofort entfernen würdet." Atemlose Stille trat ein, ehe der Elf wütend die Fäuste ballte. "Persönliche Späherin hin oder her, wie redet Ihr mit mir?!" die Kleine erwiderte seinen Blick unbeeindruckt. "Ihr könnt froh sein, dass Ihr nicht vom Dienst suspendiert werdet, Ihr Narr. Beinahe hättet Ihr eben eine bodenlose Dummheit begangen. Also geht mir schon aus den Augen." Der Elf verlor nun wirklich die Beherrschung. "So sprichst du nicht mit mir, Weib!" fauchte er und tastete nach seinem Rapier. Er führte die Bewegung nicht einmal ansatzweise aus. Fasziniert beobachtete ich, wie die Lurikeen mit beinahe unheimlicher Schnelligkeit auf ihn zuraste und ihm -ohne auch nur eine Miene zu verziehen- in der gleichen Bewegung einen schimmernden Krummdolch in den Bauch trieb. Die Augen des Elfen wurden rund vor Überraschung und Schmerz. Ungläubig tastete er nach der Waffe, die aus seinem Körper wuchs, öffnete den Mund zum Schrei und brachte stattdessen bloß ein rauhes Krächzen hervor. "Ihr...elende...Verr..." er stöhnte dumpf und ging vor der Lurikeen in die Knie, ehe er kraftlos auf die Seite fiel. Die junge Frau betrachtete ihn angewidert, ehe sie sich mit einem Ruck an die vor Schreck erstarrten Elfen wandte. "Wenn ihr euch nicht für den Rest eures Lebens als königliche Gemüseputzer betätigen wollt, nehmt ihr jetzt die Beine in die Hand und bewegt euch zur Teleportfestung zurück. Wer sich beschweren will, kann das später bei Prinzessin Mikata persönlich tun. Und jetzt verschwindet!" die Elfen starrten auf ihren gefallenen Anführer, doch die Aussicht auf das Schicksal als Küchenjungen schien sie weit mehr zu entsetzen als sein rascher, unrühmlicher Tod. Die Philosphie eines Kriegers, dachte ich flüchtig. Nichts ist wichtiger als eine makellose, verdiente Ehre. Und so zögerte keiner der Bogenschützen länger, stattdessen formierten sie sich unaufgefordert wieder in zwei Reihen und stapften mit beinahe fluchtartigen, aber dennoch geordneten Schritten zurück in Richtung Hauptburg. Während ich den Danvonziehenden staunend nachblickte, wurde mir erst klar, was ich da eben gehört hatte. Die Fremde war eine direkte Untergebene von Mikata?! ich drehte mich langsam um und wich einen Schritt zurück. Die Lurikeen verfolgte die Bewegung aus zusammengekniffenen Augen. Ich ballte die Fäuste, doch ich machte mir nichts vor: Würde es zu einer handfesten Auseinandersetzung kommen, hätte ich nicht einmal den Hauch einer Chance. Von der gnadenlosen Präzision des Nachtschattens hatte ich ja eben eine Gratisvorstellung bekommen. "Und jetzt? bin ich schon wieder gefangen?" fragte ich trocken und starrte die andere an. Die Lurikeen hob langsam die Schultern. "Das kommt nur darauf an, wie du dich verhältst, mein Kind. Du kannst ohne

jegliche Unannehmlichkeiten mit mir kommen, oder aber auch in Ketten. Deine Entscheidung." Ich entspannte mich nicht. "Und wohin soll ich mitkommen?" fragte ich in unverändertem Ton weiter. "Derzeit bin ich ja richtig gefragt. Sehr gruselig." Irrte ich mich, oder blitzte es in den Augen der Kleinen kurz belustigt auf? sie ließ sich jedoch nichts anmerken, wandte den Kopf und lauschte einen Herzschlag lang. "Wie mir scheint, musst du sogar überhaupt nirgendwo hingehen. Die, die dich erwarten, kommen bereits." Ich folgte ihrem Blick und sah in der Ferne zwei Gestalten im Gleichschritt auf den Nachtschatten und mich zuschlendern. Die eine war klein und schlank und vermutlich ebenfalls ein Lurikeen, die andere konnte ich irgendwie nicht ganz zuordnen: Für einen Elfen war sie zu klein, bulliger und breiter als ein Kelte aber auch wieder kein Koloss von Firbolg. Als ich mich umdrehte, stellte ich verblüfft fest, dass die Lurikeen verschwunden war. Nur einen ganz kurzen Moment dachte ich an Flucht, gab die Idee dann aber auf, noch ehe sie sich wirklich in meinem Kopf materialisiert hatte. Zermürbt, erschöpft und angeschlagen wie ich war, würde ich wohl keine zehn Schritte weit kommen. So ließ ich die Arme baumeln, setzte eine ausdruckslose Miene auf und sah den beiden Fremden gefasst entgegen. Als sie näher kamen, erkannte ich, dass sie beide bodenlange, verhüllende Mäntel mit Kapuzen trugen. Sie waren komplett schwarz gefärbt, ebenso ihre Kleidung. Das verlieh ihnen etwas ungemein Bedrohliches, was von dem völligen Gleichschritt und der Gemächlichkeit, mit der sie sich bewegten, noch unterstrichen wurde. Ich zögerte kurz, ehe ich ihnen mit entschlossenen Schritten entgegen trat- so hilflos im Irgendwo stehend, fühlte ich mich wie ein Lamm, das man zur Schlachtbank zu tragen gedachte. Als uns nur noch wenige Meter trennten, blieben die beiden Fremden und ich wie auf ein lautloses Kommando hin stehen. Eine Weile betrachtete ich die beiden stumm, doch ein Blick unter ihre Kapuzen blieb mir verwehrt. "Du bist also doch gekommen, Kindfrau," sagte die kleinere der Gestalten endlich. Ich zuckte zusammen. Also doch... "Mikata, ich hätte es mir denken können." sagte ich ausdruckslos. "Was soll dieser ganze Firlefanz? warum jagst du mich wie ein Tier, schickst mir diese albernen Warnungen und...", meine Augen blitzten auf und ich fuhr sie laut an: "...fügst meinen Freunden solches Leid zu?! warum das alles, ich kenne dich nichtmal!" meine Stimme steigerte sich zum Schrei, in dem keine Hysterie, sondern nur echte Wut mitklang. Mikata schlug endlich die Kapuze zurück und schenkte mir einen spöttischen Blick. "Du brauchst nicht so zu brüllen, ich verstehe dich durchaus, wenn du in normaler Lautstärke zu mir sprichst. Überdies hast du nicht ganz Recht, die Warnung stammt nicht von mir. Und auch deine sogenannten Freunde sind mir ehrlich gesagt scheißegal. Frag ihn nach dem Warum," sie nickte ihrem Begleiter zu. Ein leises Gefühl von Unbehagen begann in mir hochzukriechen, doch für den Moment war die ungehemmte Wut stärker. "Mir auch recht. Also? antworte mir!" herrschte ich den Mann an. Dieser schwieg nachdrücklich, drehte mir den Rücken zu und machte eine auffordernde Handbewegung. Ich begriff- ich sollte ihm folgen. Dabei hasste ich nichts mehr, als wenn man eine Frage gefliessentlich ignorierte, vor allem wenn sie wichtig war. Doch vielleicht lag der Schlüssel zu all den Ereignissen ja gar nicht in einfachen Worten, und ich versuchte, meinen Zorn zu bezwingen. Mit einem Ruck drehte ich mich ebenfalls um, ignorierte Mikatas höhnisches Grinsen und folgte dem mysteriösen Fremden, der sich jetzt gemächlich auf einen kleinen Hügel zubewegte, ohne auch nur ein einziges Mal nachzusehen, ob ich ihm denn nun folgte oder nicht. Auf dem Hügel angekommen, deutete er stumm nach vorn und winkte mich heran. Ich gehorchte, und schnappte eine Sekunde später entrüstet nach Luft: Vor mir wuchsen eine kleine Anzahl halb verwitterter Säulen und einstmal weißer, nun mit grünlichem Moos überzogener Marmorbrocken in die Höhe. Und an eine dieser Säulen gefesselt, die Augen geschlossen und halb bewusstlos, hing Athriliath. Der Elf bot einen erbärmlichen Anblick: Das Haar hing ihm wirr ins Gesicht, in welchem die Lippen aufgeplatzt und von vielen Schlägen unschön angeschwollen waren, der Umhang hing zerfetzt um die gebeugten Schultern und der Ringfinger der rechten Hand stand in einem grotesken Winkel nach oben, offenbar hatte man ihn gewaltsam gebrochen. "Oh Bragi...ihr Schweine, was habt ihr getan?" ich stürzte zu ihm, um mich davon zu überzeugen, dass er überhaupt noch lebte. Sein Atem war ein leises Keuchen und er zuckte zusammen, als ich sein Gesicht vorsichtig in beide Hände nahm. "Athriliath, was haben sie mit dir gemacht, hörst du mich?" fragte ich leise, aber eindringlich. Er stöhnte dumpf. "...weg."

"Ich gehe nicht weg, Athriliath, ich helfe dir. Was ist passiert? wo sind Keena und Brakalu?"

"L-lauf weg...er wird dich..."

"Nicht wieder einschlafen! Athriliath!" ich widerstand mit Mühe dem Impuls, ihm eine Ohrfeige zu geben- dafür hatte sein Gesicht schon zu viele unliebsame Bekanntschaften gewalttätiger Hände machen müssen. Ich drehte mich wieder um und starrte Mikata und den Fremden an. "Was wird hier gespielt?" fragte ich heiser, meine Augen glühten vor Zorn. "Was, zur Hölle nochmal? sagt es mir!" statt einer Antwort trat Mikata auf den geschwächten Elfen zu, packte seinen gebrochenen Finger und riss daran. Athriliaths Kopf ruckte hoch und er schrie gequält auf. "Na siehst du, für einen Halbtoten hast du noch eine ziemlich laute Stimme," bemerkte Mikata mit einem spitzen Lächeln. Ohne sich um sein schmerzerfülltes Keuchen zu kümmern, schloss sie ihre schmalen Hände nun um seinen kleinen Finger- und brach ihn mit einem kurzen Ruck, der von einem übelkeiterregenden Knacken begleitet wurde. Athriliath schrie nochmals, nun schon schwächer als zuvor. "Hör auf, du Miststück!" gellte ich und wollte mich auf sie stürzen, als mich plötzlich zwei starke Arme von hinten packten und scheinbar beiläufig festhielten. Ich zerrte und strampelte, doch der Fremde war zu stark für mich. "Lass mich los, du Arschloch, nimm deine Dreckspfoten weg!" brüllte ich. Indes ging Mikata in die Hocke und nahm Athriliaths Schwert auf, das halb versteckt hinter einem der Marmorbrocken lag. "Los, du Weichling, nimm es, und führe es ein letztes Mal," sagte sie angewidert. Ich ächzte vor ungläubiger Wut. "Bist du noch ganz dicht? er kann das Ding nicht mal halten!" Mikata lächelte noch immer, während sie sich abermals hinunter beugte und scheinbar mühelos den Schild des Elfen aufhob. "Das ist dann aber bitter für ihn," verkündete sie unbarmherzig. "Selbst wenn man das bei einem heulenden Krüppel wie ihm kaum glauben mag, ist und bleibt er immer noch ein Krieger, und wenn er sich auch als verfluchter Verräter erwiesen hat, so will ich ihm die Möglichkeit, mit wenigstens ein bisschen Ehre aus dem Leben zu scheiden, nicht vermiesen." Ich starrte sie voll echtem Ekel an. "Oh wie großmütig du doch bist, willst du ein letztes Mal die Klinge mit ihm kreuzen, ja? und um ganz sicher zu gehen, lässt du ihn vorher halbtot prügeln. Du bist so eine feige Ratte, es ist...widerlich." Mikata fuhr zusammen, beherrschte sich aber. "Schon wieder falsch, Schlampe," sagte sie geringschätzig. "Ich werde ganz sicher nicht mit ihm kämpfen..." bedächtig sah sie mich an. Ich erschlaffte förmlich im Griff des Schwarzgekleideten, der mich noch immer ungerührt festhielt. "Du glaubst nicht allen Ernstes, dass ich...?!" sie starrte mich weiterhin an, ehe das breite Grinsen auf ihrem Gesicht sich in ein verächtliches Lachen verwandelte. "Oh ja, ich gebe zu, das hätte einen ganz speziellen Reiz, zumal selbst eine Möchtegernheldin wie du dieses Wrack dort besiegen dürfte. Nein, sei getröstet, vielleicht hetze ich dich mal auf diesen Flohbeutel oder den Fisch, aber heute wartet schon jemand anderes darauf, dir sein Können zeigen zu können. Man könnte sagen..." sie leckte sich genüsslich über die Lippen und waidete sich an meinem Gesichtsausdruck, "du bekommst eine ganz private Vorstellung im größten Kolosseum der Welt. Ein netter Zweikampf in Murdaigean. Du solltest dankbar sein." Ich spuckte ihr vor die Füße. "Fahr zur Hölle." Sie schnellte herum und packte mich bei den kurzen Haaren. Schmerzhaft zog sie meinen Kopf zu sich herunter und fixierte mich aus tückischen Augen. "Vielleicht werde ich das, aber wenn es so weit ist, nehme ich dich mit, verlass dich drauf." Als wäre ich eine räudige Hündin, stieß Mikata meinen Kopf wieder von sich und wandte den Blick abermals Athriliath zu. "Was du aus den letzten fünfzehn Minuten deines verräterischen Lebens machst, bleibt dir überlassen, Elf. Du kannst dich in den Dreck werfen und um Vergebung flehen und damit das letzte bisschen Würde wegwerfen, was du noch hast, oder du stirbst im Kampf mit ihm," sie nickte dem Schwarzen zu. Athriliaths Blick flackerte, doch seine Stimme klang trotz Schmerz und Furcht fest: "Ich ziehe einen ehrenhaften Tod einem Leben in Schande und unter deinen Sohlen vor, falsche Prinzessin," sagte er. Mikata fuhr bei seinen letzten Worten merklich zusammen, doch sie hielt sich noch immer erstaunlich ruhig. "Nicht übel. Aber dafür bist du immer noch ein Hibernianer, alles andere hätte mich fast enttäuscht. Mein Herr," sie nickte dem Schwarzen zu, "bedient Euch. Ich wünsche recht viel Vergnügen." Träge stieß mich der Mann von sich. Ich strauchelte, kämpfte einen Moment um die Balance und fiel dann auf den Hintern. Mikata drehte sich blitzschnell zu mir um. "Und wage es nicht, dich einzumischen, Schlampe," sagte sie mit ihrem abstoßenden, strahlenden Lächeln. "Bedenke, in welchem Zustand du dich befindest. Du möchtest ja sicher nicht, dass man dir noch mehr weh tut, hm?" ich konnte sie bloß entgeistert anstarren. Vor Wut fehlten mir sprichtwörtlich die Worte und ich brachte nur halb erstickte Wortfetzen heraus, die die Lurikeen abermals auflachen ließen. Währenddessen war der Schwarze auf Athriliath zugetreten und hatte ihm mit irgend etwas die Fesseln durchtrennt. Der Elf taumelte und wäre beinahe gestürzt, woraufhin der Mann tatsächlich die Arme ausbreitete und ihn auffing. Sofort wich Athriliath zurück und bückte sich nach seinen Waffen, die Mikata ihm großmütig vor die Füße gelegt hatte. Ich hatte für einen Moment das Gefühl, als würde der verhüllende Mantel des Schwarzen kurz zittern- schüttelte er sich darunter etwa vor unterdrücktem Gelächter? der Gedanke machte mich schier rasend und plötzlich brüllte ich ein rauhes Kriegslied und stand ohne weitere Schwierigkeiten oder Schmerzen auf. "Mach ihm Beine, Athriliath. Los, du schaffst das!" sagte ich beinahe zornig. Der Elf schaffte den Anflug eines Lächelns, doch sein gesundes Auge war groß und dunkel vor Erkenntnis. Er nickte nur leicht, hob endlich Schwert und Schild auf und verneigte sich knapp vor dem Schwarzen. Dieser tat es ihm gleich und stürzte sich dann keinen Herzschlag später auf seinen Gegner. Die Waffen, die er zückte, ließen mich für einen Moment in Missklänge ausbrechen: Zwei gewaltige Streitäxte, so sorgsam poliert und geschliffen, dass sie das schwarz des Mantels förmlich aufzusaugen schienen. Ein einziger kritischer Treffer musste reichen, um selbst einen Ochsen zu fällen, und ich spürte, wie mein Magen sich schmerzhaft zusammenzog. Athriliath stolperte zurück und hob den Schild, und mit einem furchtbaren Krachen prallten die beiden Axtblätter auf das Holz. Es knirschte leise, doch es hielt. Ich hielt den Atem an, zum weitersingen fehlte mir die Konzentration. Los doch, du kannst es schaffen, dachte ich inbrünstig und biss mir auf die Fingerknöchel, hau diesen schwarzen Affen aus seiner Rüstung. Doch Athriliath war zunächst nur damit beschäftigt, zurückzuweichen und nicht von den beinahe perfekt geführten Äxten getroffen zu werden. Er parierte mühsam und ich erinnerte mich daran, was er mir über die Begegnung in Thidranki und die Folgen für sein Augenlicht und seinen Arm erzählt hatte. Entsetzt beobachtete ich, wie der Elf vor Schmerzen den Mund aufriss und mehr durch Glück als Können einer weiteren heimtückischen Attacke entging. Ich konnte da nicht zusehen, ich musste helfen! meine Fäuste ballten und entspannten sich und ich hatte die Lippen fest zusammen gekniffen. Würde ich denn überhaupt etwas tun können, oder brachte ich endgültig Schande über Athriliath wenn ich, ausgerechnet ich halbstarke Skaldin, mich in seinen womöglichen allerletzten Kampf einmischte? so rang ich mit mir selbst, während der junge Elf endlich auch angriff: Er duckte sich ungelenk unter einem vernichtenden Schlag, drehte sich in der selben Bewegung herum und stieß frontal mit dem Schwert zu. Ich stieß einen Jubelschrei aus, um eine Sekunde später feststellen zu müssen, dass ich mich anscheinend zu früh gefreut hatte: Der Schwarze schwankte nicht einmal sichtlich und hatte sich sofort wieder in der Gewalt, Athriliath hingegen wirkte, als könne er sich kaum noch auf den Beinen halten. Nochmals bewahrte ihn sein Schild davor, von den zielsicheren Waffen getroffen zu werden, doch dieses Mal war das gefährliche Knirschen schon lauter, und als eine der Äxte gleich darauf wieder auf das Holz prallte, kapitulierte es mit einem berstenden Laut und Athriliath hielt nur noch einen jämmerlichen Rest in der Hand. Er zögerte nicht sondern warf den zerstörten Schild unverzüglich von sich und umklammerte das Heft seines Schwertes mit beiden Händen. Neben mir lächelte Mikata noch immer, ihre Augen leuchteten vor Begeisterung. Ich wandte mich ab, aus Angst, mich übergeben zu müssen. Praktisch im selben Moment geriet Athriliath abermals ins Stolpern, kämpfte vergebens um sein Gleichgewicht und fiel dann mit einem überraschten Aufschrei auf den Rücken. Sofort war der Schwarze über ihm und hielt ihm eine Axt unter die Kehle, die andere über die Brust. Abrupt trat Stille ein, nur gestört von Athriliaths heftigen, keuchenden Atemzügen. Ich wüsste gern, was für ein Gesicht der Schwarze nun wohl machte, als er ganz langsam zurücktrat und die Äxte hob. Auffordernd nickte er Athriliath zu. Der Elf, halb besinnungslos vor Zorn, Schwäche und Scham, sprang in einem plötzlichen Anflug von Kampfeswillen auf, umklammerte sein Schwert und stürzte sich auf den Schwarzen. Dieser spannte sich, wich halb geduckt zur Seite aus und war in der selben Bewegung hinter Athriliath, um ihm dann -ohne weiter zu zögern- die Äxte in den ohnehin verletzten Rücken zu stoßen. Mein Entsetzensschrei vermischte sich gleichzeitig mit Mikatas höhnischem Gelächter. Ich sah aus geweiteten Augen, wie alle Farbe aus Athriliaths Gesicht schwand, wie er mit fahrigen Bewegungen über seine Schultern tastete, wobei er einen Moment vor- und zurückschwankte und nicht imstande

war, an die Axtstiele zu gelangen, die unbarmherzig aus seinem viel zu schmalen Rücken wuchsen. Dann schloss er mit einem beinahe ergebenen Seufzen die Augen und abermals trat Stille ein. Mikata sah mich triumphierend an. "Wie sagte ich schon, Kindfrau...wenn du herkommst, wirst nicht nur du dafür bezahlen. Du bist schuld an seinem Tod, denn du hast unsere Worte nicht ernst genommen." Sie lächelte dem Schwarzen zu, der gerade dabei war, die blutigen Äxte, die er dem Elfen aus dem Leib gerissen hatte, mit einem dunklen Lederlappen zu reinigen. Ich betrachtete Mikatas grinsende Visage, ihre boshaft funkelnden Augen und dachte nicht weiter nach: Ruhig, beinahe beiläufig schlang ich einen Arm um Mikatas Kehle und drückte sie nachdrücklich, während meine geballte Rechte genau vor ihrem Gesicht schwebte. Ich wusste genau, dass ich sie jetzt töten könnte. Ich musste nur zudrücken oder ihr präzise die Faust zu spüren geben und sie würde sterben. Die Erkenntnis ließ mich zum ersten Mal ebenfalls lächeln, Mikata hingegen war plötzlich erschlafft und starrte fassungslos den Schwarzen an, der mitten in der Bewegung erstarrt war. "Ich schulde dir eine ganze Menge, Prinzessin," sagte ich. Sie machte einen schwachen Versuch sich zu wehren, und sofort übte ich ein wenig stärkeren Druck auf ihre lächerlich kleine Kehle aus. Sie hielt wieder still. "Ich schulde dir wirklich viel, ganz ehrlich. Du warst mitverantworlich, dass ich monatelang in einem stinkenden kleinen Haus wie ein Tier gehalten wurde, du hast mich gedemütigt, du hast meine Freunde gequält und du hast geholfen, Athriliath zu töten, obwohl er dir nie auch nur einen einzigen Schaden zufügte." Ich sah bedächtig auf sie hinab und konnte spüren, wie sie anfing zu zittern. Ein herrliches Gefühl. Plötzlich sagte der Schwarze: "Mach keinen Unsinn, Llienne. Lass sie lieber los." Ich fuhr zusammen und starrte den vermeintlichen Fremdling an. "Du?" flüsterte ich nur, zu geschockt für weitere Worte. Konnte das wirklich wahr sein?



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