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Dark Age of Camelot

Licht und Schatten
von

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Gelüftete Geheimnisse

Dailjuvars Herz klopfte schier zum Bersten. Der frostelfische, sprachkundige Runenmeister, der Alazais am ersten Tag verhört hatte und seitdem manches Mal als Übersetzer fungiert hatte, war vor Nervosität schier grau im Gesicht. Er sah sich verstohlen um, aber auf den Gängen war es ruhig, sah man einmal von dem dumpfen Lachen und Poltern der pausierenden Wächter ab. Es war riskant, in einen Raum einbrechen zu wollen, wenn dieser Raum genau neben den Quartieren von bewaffneten Torwachen lag, aber Dailjuvar wollte, musste es tun. „Odin verdamme dich“, flüsterte der Dunkelelf leise, Schweiß glitzerte auf seiner Stirn. Er legte seine Hand auf das eiserne Türschloss, und dunkelblaue, düstere Magie entsprang seinen Fingern, drang in das Schlüsselloch ein und schmolz das Eisen wie Butter in der Sonne.

Die Tür knarrte, und hastig trat Dailjuvar ein. Seit Alazais ebenso überraschend wie überstürzt wieder aus dem Kerker geholt worden war, war einige Zeit vergangen und im Zimmer war es dunkel. Der Infravision mächtig, verengte Dailjuvar die Augen. „Stellan?“ flüsterte er gedämpft. „Wo steckst du?“ er trat einige Schritte in den Raum hinein und bemerkte dabei nicht die kantige Gestalt, die hinter der Tür gelauert hatte, nun mit einem raschen Schritt bei ihm war und den Runenmeister mit beiden Händen bei der Kehle packte. Metall rasselte, der Mann trug schwere, eiserne Fußfesseln. Dailjuvar keuchte erstickt, als ihm zehn kräftige Finger jegliche Möglichkeit zum Atmen nahmen. „St…Stellan, ich bin es…hör auf…!“ der Griff lockerte sich ein wenig, aber nicht sehr. In Dailjuvars Sichtweise waren Stellans blaue Augen dunkel geworden, ebenso sein blondes Haar. Dafür leuchtete die normalerweise für einen Nordmann untypisch dunkle Haut des Berserkers fischweiß. „Wer ist da?“ zischte Stellan rau und kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Dailjuvar Do’Shazzim“, keuchte der Runenmeister. „Hör auf, d-du erwürgst mich…“

Endlich zog Stellan die Hände zurück und Dailjuvar massierte sich hustend die schmerzende Kehle. „Was willst du?“ fragte der Berserker zischend und wandte sich mit einem Ruck ab, um sich auf das Bett fallen zu lassen. Dailjuvar trat zögerlich näher. „Ich will dir helfen“, erwiderte er gepresst. Keine Antwort folgte, nur ein leises, geringschätziges Schnauben. „Worauf wartest du? Die Wachen haben Schichtwechsel, dir bleiben fünf bis sechs Minuten.“ Stellan schnaubte erneut. „So werde ich nicht weit kommen.“ Dailjuvar verdrehte die Augen. „Das sollte dein geringstes Problem sein“, erwiderte er mürrisch, trat noch näher und schloss seine Hände um die Eisenkette, die Stellans Fußgelenke zusammen hielt. Das Metall wurde weich wie Honig und mühelos zupfte der Runenmeister die keineswegs erhitzten Ringe auseinander. „Bitte“, sagte er und runzelte die Stirn, als der Nordmann immer noch keine Anstalten machte, sich zu erheben. „Worauf, in Odins Namen, wartest du?“ fragte Dailjuvar drängend und spähte zur Tür. Dass er selbst seinen Kopf riskierte, sprach der Frostalf nicht laut aus, es würde den anderen eh nicht interessieren.

Stellan schloss gereizt die Augen. „Was soll das bringen? Du wirst schon gehört haben, dass ich diesen Schwachkopf Bjarne Haderade getötet habe. Sie würden mich wie ein Stück Wild hetzen.“ Dailjuvar blinzelte, solche nüchternen, kühlen Worte war er von Stellan nicht unbedingt gewohnt. „Du hast mit nur sechzehn Männern ein Relikt für uns erobert, nicht wahr?“ fragte er leise. „Ja, ein paar von den Helden, die mit dir hergebracht wurden, konnten ihre Mäuler nicht halten. Stellan, du magst darüber lachen, aber das ist wahrhaftig eine Heldentat. Und König Eirik wird es nicht wagen, einen frisch gekürten Helden der Grenzgebiete einzukerkern oder gar zu töten. Vielleicht bekommst du Arrest, vielleicht…“ Stellans Faust fuhr wutentbrannt auf die mit Stroh gefüllte Matratze und beendete den leisen Wortschwall. „Hör auf mit dem Schwachsinn“, knurrte er rau. „Was kümmert dich das Ganze überhaupt, mhm!?“ Dailjuvar schloss kurz die Augen. „Ich schulde es dir. Für Myreil und Danifer.“ Bei den beiden Namen sickerte ein Tonfall ungetrübten Schmerzes in die Stimme des Runenmeisters und Stellan lachte hässlich. „Du bedauernswerter, sentimentaler Idiot. Das Ganze ist zehn Jahre her. Ich glaube, du suchst nur nach Ausflüchten, nicht wahr? Es gefällt dir, mir die Stiefel abzulecken, was?“ Dailjuvar wurde aschfahl und wich einen halben Schritt zurück. „Was bist du doch für ein Mistkerl“, murmelte er beinahe erstaunt. „Ich wollte mich bei dir revanchieren, weil du offenbar doch noch jemanden gefunden hast, der in dein erkaltetes, versteinertes Herz vordringen konnte. Oder eher in deinen vom Wahnsinn berührten Verstand?“

Stellans Augen wurden abermals schmal. „Sei vorsichtig“, raunte er und erhob sich drohend. Dailjuvar lächelte bitter und wandte sich ab, zur Tür hin. „Das bin ich“, erwiderte er schroff. „Überleg es dir, Stellan. Der junge Cheres hat gesagt, er will sich für ihn einsetzen. Gut möglich, dass man Alazais zurück nach Hibernia gehen lässt. Und dann wirst du ihn nie wieder sehen. Leb wohl.“

Der Runenmeister verließ schnell und leise das Zimmer, ohne eine Antwort abzuwarten.
 

Alazais erwachte, als er eine kühle Hand spürte, die ihm ungewohnt sanft über die Wange strich. Er blickte in das ebenmäßige Gesicht seines Bruders, welcher neben ihm auf der Bettkante saß. Nachdem er ihn aus dem Kerker geholt hatte, war der ruppige Zwergenheiler ein weiteres Mal gekommen und hatte ihm einen Trank gegeben, der Alazais beinahe unmittelbar nach der Behandlung in Schlaf versetzt hatte. Cheres musterte ihn besorgt und beinahe beklommen, doch dann wurde sein Gesichtsausdruck wieder fest. „Du hast im Schlaf gestöhnt und gerufen“, erklärte er im eindeutigen Tonfall einer Verteidigung, denn der Jüngere sah blass und entkräftet aus. „Soll ich wieder gehen?“ Alazais schüttelte ganz leicht den Kopf. Der Trank des Heilers hatte ihn nicht vor sehr unangenehmen Träumen bewahrt und ein wenig Schweiß glitzerte auf der Stirn des jungen Elfen, der nun müde die Augen nieder schlug. „Nein…“, murmelte er, um abermals zu schweigen. Was sollte er auch sagen? Cheres war sein Bruder, aber er war dennoch ein völlig Fremder. Und zweimal hatte er ihn in unsäglichen, ebenso abscheulichen wie eindeutigen Situationen vorgefunden. Was sollte er sagen, wie sollte er ihm überhaupt in die Augen schauen?

Alazais zuckte zusammen und wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er Cheres‘ Hand auf seinem Kopf spürte, nicht einmal besonders zaghaft strich ihm der Ältere über das Haar. „Ist schon gut“, sagte der Krieger ruhig, als könne er Gedanken lesen. Alazais lächelte, aber es wurde mehr eine Grimasse daraus. „Natürlich. Einen Tag, vielleicht auch zwei.“ Cheres schwieg, und der Mentalist fuhr fort, auch wenn ihn der weinerliche, klagende Tonfall seiner eigenen Stimme abstieß: „Dein Herr kann mir genau so gut jetzt den Kopf abschlagen lassen, dann muss ich wenigstens nicht mehr…ich…ich will das alles nicht, ich KANN NICHT MEHR, WARUM…“ die letzten Worte schwollen schon fast zum Schrei heran, da fuhr Cheres streichelnde Hand herab und ohrfeigte ihn. Alazais brach ab, schockiert, gekränkt und auf seltsame Weise ernüchtert. Sein Bruder sprach die Sprache der Gewalt also auch.

„Entschuldige“, sagte Cheres ruhig. „Ich dachte, dies ist wirksamer, als deinen Wunsch zu erfüllen und dir den Kopf abzuschlagen. Dafür ist dieser Kopf noch zu jung und ich selbst nicht abgestumpft genug, um meinen kleinen Bruder sterben zu sehen.“ Alazais starrte ihn an und senkte dann den Kopf, Tränen traten ihm in die Augen. „A-aber…“, schluchzte er erstickt, „…ich w-will doch nur…ich…“ der andere Elf nickte. „Das weiß ich. Hör mir mal zu, ich habe heute Abend noch mit einigen Leuten gesprochen.“ Cheres zögerte und hob Alazais‘ Kinn dann behutsam an. „Die Eltern der Kleinen, die du auf diesem Fest in Galplen gerettet hast, auch Zacharel...wir haben uns unterhalten und waren noch einmal bei König Eirik. Ich habe auch herausgefunden, wer dir diesen Mord anhängen wollte.“ Dass Bjarne Haderades schwangere Witwe der Feuertod drohte, sprach der junge Krieger nicht aus. Wenngleich sie auch versucht hatte, Alazais als Verräter verurteilen zu lassen, würde sich der Junge vermutlich dennoch zusätzliche Schuldgefühle machen. Nach einer kurzen Pause fuhr Cheres fort: „König Eirik ist schnell erzürnt und neigt dazu, übereilte Entscheidungen zu treffen, wie du selbst erlebt hast. Aber er hat uns zugehört…und zugestimmt, dich nach Hibernia zu schicken. Morgen schon, wenn du willst.“ Cheres schwieg und auch Alazais war einen Moment still, dann legte er eine zitternde Hand auf den Mund und betrachtete seinen Bruder mit Ungläubigkeit und ganz zaghaft aufkeimender, verzweifelter Hoffnung. „Ist das…ist das wirklich wahr?“ fragte er heiser.

Cheres nickte und der Jüngere schlang ihm warnungslos die Arme um den Nacken. „Ich darf nach Hause?“ stieß er, immer noch ungläubig, hervor und biss sich auf die Lippen, um ihr verräterisches Beben zu unterbinden. Neue Tränen rannen ihm über die Wangen, doch diesmal waren sie nicht verzweifelter Natur. Die Aussicht, seine furchtbare Gefangenschaft beenden zu können, wieder zurück nach Hibernia und zu seiner Familie gehen zu können, war schier überwältigend. Cheres versteifte sich einen Herzschlag lang und legte dem anderen Elfen dann ebenfalls unbeholfen die Arme um den schmalen Rücken. „Ja“, sagte er nur. „König Eirik und die Eltern des Mädchens wollen noch einmal mit dir sprechen und dann bist du frei zu gehen, wohin du willst. Ein paar Leute werden dich begleiten. Zacharel wird unter ihnen sein und dafür sorgen, dass dir keiner…Schaden zufügt.“ Alazais lauschte stumm, das Gesicht an Cheres‘ Brust verborgen. „Und du…?“ fragte er nach einer ganzen Weile, während seine Augen immer noch in dankbaren, lautlosen Tränen schwammen. „Mhm?“ sein Bruder äugte fragend zu ihm herunter, und der Mentalist hob den Kopf und wischte sich über das Gesicht. „Du…willst du nicht mitkommen?“ fragte er zögerlich. „Ich weiß, du sagst, du…lebst hier, aber…“ bei Cheres‘ skeptischer Miene brach er unsicher ab. Dieser schüttelte nun langsam den Kopf. „Nein, ich bleibe hier. Du magst es nicht nachvollziehen können, aber ich gehöre hier her. Levsca, König Eiriks Tochter, wir werden heiraten, wie du weißt…“

„Eine Nordfrau.“ Alazais‘ Stimme klang ablehnend, beinahe abscheuerfüllt. Cheres ergriff ihn bei den Schultern und sah ihn mahnend an. „Du solltest nicht über Dinge reden, von denen du keine Ahnung hast“, sagte er knapp. „Levsca wollte dir helfen und hat dir nie etwas getan. Nicht alle Midgarder sind schlecht, auch wenn es dir schwer fallen mag, das zu glauben.“ Alazais‘ Wangen röteten sich ein wenig. „Aber du bist ein Hibernianer!“ erwiderte er hilflos. „Du kannst doch nicht…es geht doch nicht, dass ein Elf eines Tages über Midgard herrscht?“ Cheres pustete sich eine blonde Haarsträhne aus den Augen. „Die Vorstellung hat schon was für sich, fürwahr“, erwiderte er trocken. „Nein, das geht nicht, vermutlich würde ich kein Amtsjahr lebend überstehen. König Eirik wird weiter herrschen, aber wenn Levsca einen Sohn bekommt, einen Erben, halb Milesier, halb Elf, dann wird er irgendwann die Nachfolge antreten und vielleicht dafür sorgen, dass Midgard und Hibernia in Frieden leben.“ Alazais nickte zweifelnd, auch wenn er die Vorstellung eines Halb-Hibernianers als Herrscher von Midgard nach wie vor grotesk fand. Cheres bemerkte seinen Gesichtsausdruck und lächelte flüchtig. „Ich bin glücklich hier, glaub mir. Hibernia ist für mich noch fremder als Midgard für dich, ich habe das Land niemals von innen gesehen.“ Er zögerte kurz. „Ich wollte dir ja erzählen, warum ich überhaupt hier bin, nicht wahr?“

Alazais nickte neugierig. „Zuhause habe ich einen guten Freund, er trägt deinen Namen“, sagte er scheu. „Und als ich Zacharel danach fragte, machte er nur seltsame Andeutungen, aber…“

„Ich bin ein Pfand, ein Geschenk und ein Bestechungsversuch“, unterbrach ihn Cheres trocken und Alazais verstummte. „Unsere Eltern…nein, eigentlich nur unser Vater hat mich an Midgard verkauft.“ Der jüngere Elf hob eine Augenbraue. „Und Mutter?“ fragte er verständnislos. Cheres musterte ihn nun beinahe traurig. „Man hat dir nichts gesagt? Gar nichts?“ Alazais erwiderte den Blick irritiert. „Was meinst du? Ich verstehe nicht…“

Der junge Krieger seufzte. „Ich bezweifle, dass du mir überhaupt folgen kannst“, murmelte er. „Das Ganze ist…wirklich grotesk. Also schön. Königin Brigit und König Dhanalair hatten schon lange den Plan, ein Kind nach Midgard zu geben, um ein Band zwischen den Reichen zu knüpfen. Sie versuchten es…wirklich lange, aber die Königin wurde nicht schwanger.“ Cheres leckte sich kurz über die Oberlippe. „Unsere Mutter war schwanger und Vater…war ein sehr nahe stehender Vertrauter des Königs. Zu nahe, wie manche fanden. Um nicht unnötig zu tanzen: man munkelte, Vater und König Dhanalair wären ein Liebespaar.“ Alazais blinzelte mehrmals. Soweit er wusste, war sein Vater zwar am Königshof tätig, aber besonders enge Kontakte pflegten er und König Dhanalair nicht. „Und…waren sie das?“ fragte er widerwillig. Von Liebesbezeugungen und Affären, insbesondere zwischen Männern, hatte er für die nächste Zeit gründlich die Nase voll.

Cheres nickte auf die Frage hin knapp. „Ich denke schon. Dennoch waren er und Mutter recht glücklich miteinander und im Gegensatz zur Königin war sie schwanger…nun, Vater bekam die Idee, seine Loyalität und Ergebenheit mit einem ganz besonderen Geschenk zum Ausdruck zu bringen. Mit mir.“ Er lächelte zynisch und Alazais riss schockiert die Augen auf. „Du meinst…“ „…ich wurde der Königin angeboten. Ich sollte als ihr Kind zur Welt- und nach Midgard gebracht werden, ja. Mutter war zunächst schockiert und lehnte ab, aber Vater hat sie überredet, vielleicht auch gezwungen, ich weiß es nicht. Der König und die Königin waren einverstanden und ich wurde geboren. Mutter durfte sich den Namen aussuchen, das war alles, was sie von mir hatte.“ Cheres schmunzelte, obschon an der Geschichte nichts Amüsantes war, wie Alazais fand. „Ich kam in aller Stille an den Königshof und wurde kurz darauf nach Midgard gebracht. Keiner wusste die Wahrheit, abgesehen von der Familie Travincae, die mit Mutter und Vater seit Ewigkeiten befreundet war.“

Alazais nickte langsam und sein Bruder fuhr fort: „Vater wurde mit seiner Entscheidung nicht glücklich, auch wenn er die Idee hatte. Er wurde schwermütig, grüblerisch und rastlos. Unsere Mutter war genauso unglücklich, vor allem, als Shalys Travincae ein paar Jahre später einen Sohn zur Welt brachte und ihn, unserer aufopferungsvollen Familie zu Ehren, nach mir benannte. Deswegen haben wir den gleichen Namen.“ Cheres zögerte kurz. „Trotz allem wurde auch unsere Mutter einige Zeit später noch einmal schwanger, aber Vater schien das nicht zu trösten, im Gegenteil. Er verschwand fast unmittelbar nach deiner Geburt. Ich denke, Mutter hat dir nichts gesagt, weil sie sich geschämt hat. Als du auf die Welt kamst, hat man mir sofort Bescheid gegeben und ich habe immer gehofft, dich irgendwann mal kennen zu lernen.“ Der Elf lächelte, doch Alazais schüttelte fassungslos den Kopf: „Aber Vater…wer ist dann der Mann, den ich ‚Vater‘ nenne? Mutter lebt nicht alleine zu Hause!“ seine Stimme war laut und klang überfordert und mahnend legte Cheres dem Jungen einen Finger an die Lippen. „Pssst. Lynwe Nevasca ist nicht dein richtiger Vater. Mutter lernte ihn kurz nach deiner Geburt kennen, aber ich denke, im Herzen ist sie immer noch an unseren Vater gebunden. Eigentlich lieben wir Elfen nur einmal richtig, alles andere ist die Suche nach einem zweitklassigen Ersatz, habe ich gehört?“ Alazais nickte fahrig, auch wenn er kaum mehr zuhörte. All das war ein bisschen zu viel auf einmal. Wenn das stimmte, dann hatte seine Mutter ihren Erstgeborenen wie ein Schmuckstück verschenkt, sein Vater war in seinem tiefsten Inneren dem Herrscher des Landes zugetan und hatte seine Frau im Stich gelassen und man hatte ihm verschwiegen, dass der strenge, kurz angebundene Mann, den er immer ein wenig gefürchtet, aber auch bewundert hatte, nicht sein leiblicher Vater war.

Alazais schluckte merklich und Cheres seufzte. „Nach allem, was ich erfahren habe, hattest du dennoch eine gute Kindheit. Nun weißt du Bescheid, aber du solltest sie deswegen nicht verurteilen, es hat dir an nichts gemangelt.“ Der junge Mentalist verzog sarkastisch das Gesicht. „Nein, aber es ist seltsam, morgen zu einer Familie zurück zu gehen, die…ich weiß nicht…“ Cheres verdrehte gereizt die Augen. „Möchtest du lieber hier bleiben?“ fragte er herausfordernd und nicht besonders freundlich. „Ich bin sicher, ein paar Leute würden sich darüber freuen.“ Die Worte brachten Alazais effektiv zum Schweigen, und der junge Krieger erhob sich. „Wenn ich mit all dem leben kann, solltest du es auch können, Bruderherz. Du kennst nun die Wahrheit, so wie du es wolltest. Morgen sprechen wir mit dem König, und dann kannst du heim. Versuche jetzt, noch ein wenig zu schlafen.“ Damit wandte er sich ab, ging zur Tür und verließ das Zimmer.

Alazais sah die ins Schloss fallende Tür noch einen Moment überrumpelt an, und seufzte dann tief. Nun hatte Cheres es auch noch geschafft, ihm ein schlechtes Gewissen zu bereiten: einerseits war der Junge erschrocken, fassungslos und ein wenig gekränkt über all die ganzen Bekenntnisse, von denen ihm seine Mutter niemals ein Sterbenswörtchen eröffnet hatte, gleichzeitig schämte er sich, sich nach allem, was ihm hier widerfahren war, nun noch zu beklagen. Er sollte dankbar sein und morgen mit Freuden nach Hause gehen. Abermals seufzend, schloss der Magier die Augen und versuchte, Cheres‘ Rat zu befolgen und weiter zu schlafen, auch wenn dies angesichts des Gedankenchaos hinter seiner Stirn gerade einem Ding der Unmöglichkeit gleich kam.



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