Einleitung
Vampir
Hi, mein Name ist Sharon. Ich bin sechzehn und gehe noch zur Schule.
Was ich euch nun erzählen werde, ist vielleicht unglaublich, aber wahr. Nun, ihr müsst mir nicht glauben, aber seid gewarnt, denn in der Nacht lauert schlimmeres, als der Tod!
Es war ein Abend wie jeder andere, und ich ging zur Kirche. Da ich gleich nebenan wohnte, und mir immer das Geld fehlte, hatte ich mich dazu entschlossen, die Kirche jeden Morgen zu öffnen, eventuell die Kerzen und das gesegnete Wasser nachzufüllen, und die Kirche am Abend wieder zu schliessen.
Es ist eine eher kleine Kirche, die schon zwei mal brannte und einmal sogar ganz abgebrannt ist. Obwohl sie neu errichtet wurde, sind noch einige Spuren von den Bränden zu sehen. Die Kirche hat drei Eingänge, einen Seiteneingang, den Haupteingang, welchen ich meist benutze, und noch einen, der auf den Friedhof führt. Die Wände sind mit leicht rosafarbenen Verzierungen bemalt und neben dem Altar befinden sich zwei Bilder, auf welchen die heilige Maria zu sehen ist. Direkt neben dem Haupteingang führen zwei Treppen hinauf. Oben ist eine Orgel, die goldenen Rohre hat. Auf der anderen Seite der Kirche, neben dem Altar, befinden sich auf jeder Seite noch zwei weitere Türen. Die eine trennt ein Nebenzimmer ab, während sich hinter der anderen ein Weg in den Glockenturm befindet.
Ich ging also hinein, um alles zu überprüfen. Wie fast jede Woche, waren auch heute alle Kerzen aufgebraucht, und ich musste in die Hinterkammer um neue zu besorgen. Beide Hände voll bepackt wollte ich gerade zurück gehen, da hörte ich ein Geräusch. Anfangs nur leise, doch dann wurde es lauter, und mir wurde klar, dass jemand auf der Orgel spielte. Die Melodie war tief und traurig und irgendwie hatte ich das Gefühl, den Kummer und das Leid verspüren zu können, welche von dem Spieler ausgingen. Langsamen Schrittes ging ich aus der Kammer, um besser hören zu können. Völlig vertieft stand ich wohl eine ganze Weile da und horchte der Musik, doch plötzlich schwang die Stimmung der Melodie um, und schrille, schnelle Töne erklangen. Mir gefror das Blut in den Adern und ich liess die Kerzen fallen. Der Aufprall hallte in der ganzen Kirche wieder, und erstarrt blickte ich auf den Spieler. Er drehte seinen Kopf und sah mir direkt in die Augen. Panik stieg in mir hoch, denn obwohl ich auf der anderen Seite der Kirche stand, konnte ich die Flammen in seinen Augen erkennen. Ich wollte weglaufen, doch mein Körper bewegte sich keinen Zentimeter.
Dann ging das Licht aus, alles um mich wurde Dunkel. Ich schaute um mich und versuchte den Lichtschalter zu finden, doch als ich darauf drückte, geschah nichts. Mein Blick wandte sich zu der Orgel zurück, doch der Fremde war verschwunden. Nervös suchte ich nach ihm, doch keine Spur. Ich tastete mich rückwärts. Ich musste meinen Schlüssel holen, der noch in der Türe steckte. Noch immer starrte ich auf den leeren Platz vor der Orgel, denn ich konnte genau fühlen, dass da noch jemand war. Plötzlich stiess ich mit einem kalten Gegenstand zusammen, Sofort wirbelte ich herum um zu sehen, was es war.
Es war das grosse Holzkreuz, an welchem Christus getötet wurde. Doch sah ich nicht in das seine Antlitz, sondern in das eines toten Mannes, so glaubte ich zumindest, denn der Mann öffnete seine schwarzen Augen, sah mir ins Gesicht und begann laut zu lachen.
Seine Stimme war tief und rau. Mit einer eleganten Bewegung sprang er herunter und landete direkt vor mir. Ganz deutlich konnte ich seinen heissen Atem spüren. Der Mann neigte sich etwas nach vorne und hob seine Hand. Sanft fuhr er über meinen Hals, meine Pulsschlagader. Mein Puls raste wie wild und ich stand unter Schock. Während er so gierig auf meinen Hals schaute, begannen seine Eckzähne zu wachsen. Ich glaube, in dem Moment raste mein Puls so heftig, dass meine Ader zu platzen drohte. In jedem Winkel meines Körpers spürte ich das Pochen. Der Fremde lehnte sich vor und strich mir mit seiner Zunge den Hals hinunter. Ich begann zu zittern, und meine Knie wurden weich. Ich verspürte nur noch einen kleinen Schmerz, bevor mir Blut über die Haut lief. Abwechselnd wurde mir warm und kalt und alles um mich verschwamm. Meine Sinne liessen nach, und ich nahm nur noch das Blut und den fremden Mann wahr.
Ich war kurz davor mein Bewusstsein zu verlieren, doch das durfte ich nicht zulassen. Ich nahm all meine Kraft zusammen und stiess den Mann von mir weg. Wohl überrascht starrte er mich an, doch ich wartete nicht. Ich drehte mich um und rannte los, so schnell ich nur konnte. Ich wollte nach Hause, wollte alles vergessen und nichts konnte mich davon abhalten.
Als ich die kühle Luft verspürte blieb ich kurz stehen, drehte mich um und erwartete, dass er jeden Moment aus der Kirche kam, doch nichts geschah. Ich ging zu unserem Haus und öffnete vorsichtig die Tür. Bevor ich sie wieder schloss, hielt ich nochmals Ausschau. Nichts. Ohne ein Wort zu sagen ging ich in mein Zimmer, schlüpfte unter die Decke und stellte mir vor, dass alles nur ein Traum gewesen war...
