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Heilloser Romantiker

von

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Kapitel 35

Kapitel 35
 

Noch immer brach sich die Stille an den Wänden, die selbst ihre Atemstöße zu verschlucken schien. Alles um sie herum war ruhig, in ein Schweigen getaucht, das die Luft schwer machte. Rick hoffte sehnsüchtig auf irgendeine Art von Reaktion des blonden jungen Mannes, entweder auf ein Wort oder auf ein Seufzen oder eine Berührung. Es war ihm völlig egal was, Hauptsache er würde sich überhaupt einmal regen.
 

/Was mag in dir gerade vorgehen?... In mir wütet ein Nichts, das immer größer zu werden scheint. Schwarze Leere, die mich verschlucken möchte… Ich brauche Erlösung, aber du rührst dich nicht. Selbst wenn ich dich nicht ansehen kann, weiß ich, dass deine Augen auf mich gerichtet sind. Ich spüre deine Blicke auf mir, kann sie aber nicht deuten… Bitte erlöse mich von meiner Ungewissheit! Ich fürchte immer mehr, dich zu verlieren… Hab ich dich denn bereits… verloren?/
 

Keinerlei Geräusche drangen von draußen ins hell erleuchtete Zimmer. Die Sonne flutete den Raum weiterhin mit einem warmen, sanften Ton, der so paradox wirkte, wenn man sich im Gegenzug die gezeichneten Gesichter der beiden Freunde betrachtete. Rick kniete demütig auf dem Boden und Joe hing halb auf seinem Stuhl, das Kinn in seine Hand gebettet.

Kleine weiße Schleierwolken zogen am Himmel entlang, nur langsam, aber mit einer friedlichen Stetigkeit. Das Wetter weckte bei vielen Bewohnern von Veneawer Frühlingsgefühle, selbst wenn die Temperaturen einen warmen Mantel erforderten. Doch in Joes Wohnung herrschte eine beklemmende Atmosphäre, die sich gegen die Gesetze der Natur auflehnte. Auf den knapp fünfzig Quadratmetern waltete bisweilen Kummer, dem tiefsten Inneren entsprungen.
 

/Anscheinend habe ich dich in einem solchen Ausmaß verletzt, dass du nun darüber nachdenkst, wie du mich jetzt von dir stoßen kannst… Mein Herz sticht… Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, es blute… Siehst du das dunkle Rot, das sich unter meinem Herzen sammelt?... Warme, zähe Flüssigkeit, die uns Menschen am Leben halten sollte…/
 

Tief sog Rick die Luft ein und hielt sie für eine ganze Weile an. Als er den Druck in seinem Körper spürte, den die Atemnot mit sich brachte, nahm er das gleichmäßige Atmen wieder auf. Die fleischliche Hülle zeigte ihm, dass er noch am Leben war, doch er hatte das Gefühl, dass sein Herz an Kraft verlor. Mit jedem Tropfen, das sich aus ihm ergoss, schien es schwächer zu werden. Es versinnbildlichte lediglich das, was in ihm vorging, aber es beschrieb dafür seine Situation sehr gut. Allein schon der Gedanke, Joe nun in der Tat von sich entfernt zu haben, war an Grausamkeit nur schwerlich zu überbieten.
 

/Sogar meine Augen entbehren schon den kleinen Perlen, die sich sonst immer ihren Weg aus mir heraus bahnen, wenn ich vor Leid bald zerbreche… Alles in mir zerschellt, wenn du von mir gehst… Bitte,… bitte bleibe bei mir!/
 

„Vor wenigen Wochen habe ich dich in eine Ruine geführt.“ Joes Stimme brannte sich in Ricks Verstand, signierte sein Denken für die Ewigkeit. „Es kommt mir wie in weiter Ferne vor und doch ist es erst kürzlich gewesen. Oben in den alten Gemäuern habe ich dir ein Versprechen abgenommen und ich hoffte die ganze Zeit, dass du seine Bedeutung verstehen würdest.“
 

Das Versprechen? Seine Bedeutung?
 

In Rick begann es zu arbeiten. Deutlich konnte er den staubigen, verwahrlosten Raum vor sich sehen, bedeckt mit Spinnweben und den Folgen vieler Jahre Einsamkeit.
 

’Wenn dir was wirklich wichtig im Leben ist, dann versprich mir, dass du es mit aller Kraft bei dir hältst.’
 

Joes ganze Erscheinung hatte in diesem Moment so unwahrscheinlich geheimnisvoll gewirkt und Rick hatte ohne großes Zögern sein Wort gegeben.
 

/Ich versprach damit, dich bei mir zu halten./
 

Kaum hatte der Dunkelhaarige seinen Gedanken zuende gesponnen, schon hob er die Augenbrauen an und anschließend seinen Kopf. Voller Fassungslosigkeit fing er sofort die Blicke seines Freundes ein.
 

„Wusstest du, dass…“ Seine Stimme versagte und er räusperte sich, um seine Frage doch noch beenden zu können. „… dass ich dich damit meinen würde?“
 

Plötzlich umspielte Joes Lippen ein federleichtes Lächeln. „Nein, nun, vielleicht habe ich es mir gedacht, ja, aber das tut nichts zur Sache.“
 

Mit verworrenem Gesichtsausdruck starrte Rick nun sein Gegenüber an. Er konnte ihm nicht mehr folgen.
 

„Was du mir versprachst, war eigentlich etwas ganz anderes, Rick.“
 

Für den Kleineren sprach Joe in Rätseln. Die Puzzleteile fügten sich nicht zusammen. Lauter ungleiche Teile, die sich einfach nicht aneinanderbauen lassen wollten.
 

In Joes Augen hob sich ein Funkeln ab, das der Überlegenheit oder lediglich der Anteilnahme entsprungen war. Rick kam sich vollkommen hilflos vor. Zum einen wusste er nicht, auf was der Blonde hinauswollte, zum anderen kauerte er hier vor ihm und fühlte sich ein klein wenig erniedrigt.
 

/Auf was wartest du? Möchtest du dich an meiner Unterlegenheit laben?... Das entspräche zwar nicht deinem Wesen, doch momentan weiß ich einfach nicht mehr, was überhaupt noch richtig und was falsch ist… Führe mich in das Licht zurück, das mich aus der Finsternis befreit… Die Schatten werden größer und wollen mich in die Tiefe stürzen… Möchtest du, dass ich ihr verfalle? – Nein, das würdest du nicht wollen… oder doch?... Wie kann ich nur so was denken!... Aber diese vielen Fragen, auf die ich keine Antworten finde, machen mich ganz wahnsinnig… Ich weiß wirklich nicht mehr, was Wahrheit und was Lüge ist… Verkrampfe ich mich zu sehr? Was ist es, was mich dermaßen durcheinander bringt? Sag’ mir, was ist der Ursprung für all das Chaos in mir!?.../
 

„Was ist dir wichtig?“
 

Warum stellte Joe mit einem Mal diese Frage?
 

’Du!’, schrie es in Rick. ’Du, verdammt noch mal!’
 

„Was mir wichtig ist?“, wiederholte der Dunkelhaarige jedoch flüsternd die Frage.
 

Die Verwirrung wurde nur noch schlimmer. Die Ratlosigkeit spiegelte sich in seiner gesamten Körperhaltung wider. Seine Finger vergruben sich in dem Stoff seiner Jeans, das Weiß ihrer Knöchel unterstrich die Bleiche in seinem Gesicht. Ebenso fahl wirkte das Meeresblau seiner Augen.
 

„Du hast etwas Entscheidendes in deiner Argumentation vergessen.“
 

Viele Fragezeichen beherrschten sein Denken. Eigentlich waren es abertausende, doch sie verschmolzen alsbald zu einem einzigen, das auf seine Stirn graviert stand.
 

„Hast du nie daran gedacht, dass du dir selbst wichtig sein solltest?“
 

/Ich… mir?.../
 


 

„Du hast mir das Versprechen gegeben, dass du auf dich selbst achtest, dass du dich selbst beschützt, dass du dir dein Herz behältst, nicht nur für jemand anderen, sondern insbesondere auch für dich selbst. Mein kleiner Romantiker,… es macht mich traurig zu sehen, dass du auf dich selbst gar keine Rücksicht nimmst. Dich an mich zu klammern kann dich nicht glücklich machen. Wahres Glück kann dich erst erfüllen, wenn du dich und dein Handeln akzeptierst. Wenn du mit dir selbst klar kommst. Dein ganzes Denken ist von den Ängsten, dass dich andere nicht lieben könnten, geprägt. Ob dies nun deine Eltern sind oder ich.“
 

Mit jedem Satz, den Joe von sich gab, sackte Rick weiter in sich zusammen. Das Organ in seiner Brust pochte wild und rief Wogen wallenden Blutes hervor, die immens waren. Er fühlte seinen Herzschlag in den Ohren und griff irgendwann nach seinem Hemd, in das er sich verkrallte.
 

„Bevor du dir Gedanken darum machst, wie ich auf deine Gefühle reagieren könnte, solltest du sie erst einmal aussprechen. Vielleicht kommen sie dir dann nicht mehr so beängstigend vor, weil du dich von ihnen befreien kannst. Du solltest nach all der schweren Zeit wissen, dass ich für dich da bin und hinter dir stehe.“
 

Joe beugte sich vor und legte seine Hände behutsam auf Ricks Schultern. Mit sanftem Druck zog er den Kleineren an sich.
 

„Ich liebe dich“, fügte er dann leise an.
 

Zitternd lehnte Rick bereitwillig seinen Kopf an Joes Beine und spürte die warmen Hände, die über ihn strichen. Gewiss musste er erst noch begreifen, was sein Freund gerade gesagt hatte, doch eine Tatsache wusste er bereits: Joe würde bei ihm bleiben! Und das nahm ihm all die Anspannung, wodurch er sich nun vollkommen erschöpft fühlte. Mit halb geschlossenen Lidern genoss er die Streicheleinheiten, die ihm zuteil wurden.
 

War er sich denn selbst wichtig? – Oft hatte er versucht, Kraft auch aus anderen Dingen zu schöpfen, Dingen, die nichts mit Joe zu tun hatten. Er wollte glücklich sein, ganz ohne Beteiligung des blonden jungen Mannes. Aber umso stärker seine Liebe wurde, umso schwerer fiel es ihm. Denn immer wieder waren seine Gedanken zu dem einzigartigen Wesen zurückgekehrt, das sein Herz mit Wärme füllte.
 

/Habe ich mich darauf versteift, dass ich nur glücklich werden kann, wenn du an meiner Seite bist?... /
 

„Deine Sensibilität verstärkt deine Gefühle und lenkt dich sogar ab und an in eine Richtung, die dich der Realität entzieht. Ich meine, du denkst meist gänzlich mit deinem Herzen und verlierst die Objektivität in mancherlei Hinsicht. Ja, wir sehen dennoch alles subjektiv, aber du hast einzig und allein d-e-i-n-e-n Blickwinkel… Rick, du solltest versuchen, dich zu schätzen, damit du mir gegenüber das Vertrauen haben kannst, das uns miteinander verbindet und das ich brauche.“
 

/Auf diese Weise hast du bisher nie mit mir gesprochen. Dein Auftreten zeugt oft nicht von viel Erwachsenheit, aber heute bist du für mich mein Freund, mein Zuhörer, mein Zuredner, mein Kumpel,… Und alles, was du sagst, passt zu mir… Das bin wirklich ich, von dem du sprichst und das ist wie ein Schock… Du kennst all meine Schwächen und ich knie wie entblößt vor dir…/
 

„Ich vertraue dir ja…“ kam es über seine Lippen, ohne dass er die Worte überhaupt gedacht hatte.
 

„Aber du versteckst dich hinter einer Mauer, gezeugt durch deine Angst“, erwiderte Joe leise. Danach hauchte er dem Dunkelhaarigen einen Kuss auf die Stirn. Seine Lippen streiften kaum die warme Haut seines Freundes und doch spürte der Kleinere sie, als ob sie mit ihm verschmelzen wollten. Die Stelle an seinem Kopf begann zu kribbeln und brachte ein wenig von der Lebendigkeit zurück, die ihm abhanden gekommen war. Vorsichtig hob Rick seinen Kopf an, um den Blonden ansehen zu können.
 

„Ich möchte dir vollends vertrauen.“ Obwohl er seine Stimme kaum fand, nickte sein Gegenüber mit einem nun völlig barmherzigen Gesichtsausdruck. Fest nahm Rick ihn nun in den Blick und griff nach einer seiner Hände, um die er seine beide schloss. „Aber ich brauche deine Hilfe.“
 

Des Herzens einz’ger Wunsch

sollt’ die Mauer brechen.
 

Abhanden einer Kund’

gab es ein Versprechen.
 

Des Inhalts wahrer Worte

war’n nur allzu fern.
 

Gedanken einer Horde

und doch noch viel zu lern’n.
 

/Du siehst mich so verständnisvoll an und in mir beginnen die Emotionen wieder zu wallen.
 

Freude darüber, dass du mich nicht allein lässt.
 

Entgeisterung bezüglich der plötzlichen Transparenz meines Seins… du sprachst all das aus, was ich nicht wahrhaben wollte und nun sehe ich all meine Schattenseiten mit einer Klarheit vor mir, die mich… schockiert.
 

Angst, mich mir selbst zu stellen.
 

Unendliche Liebe.
 

Dein Blick hält mich fest und fordert mich auf, meine Bitte ernst zu meinen. Deine Hand in meiner ist warm und ich spüre die Kraft, die dir innewohnt. Das Grün deiner Augen umgibt mich, hüllt mich ein in ein seidenes Tuch, das sich beschützend um mich spinnt. Wenn du mich so ansiehst, würde ich am liebsten meine Lider nie wieder schließen noch meinen Blick je von dir abwenden. Du leuchtest wie das Meer im Sonnenschein, birgst ebenso die Weite und die Tiefe.
 

Mit deiner Kraft werde ich meiner gewahr werden und sie für dich… nein für mich wachsen lassen.
 

Tief in mir weiß ich, dass ich es kann.
 

Ich weiß, dass ich es kann.
 

All mein zukünftiges Sein wird sich spalten und doch eins ein./
 

Wie in Trance führte er Joes Hand an sein Gesicht und strich ihre Finger über seine Lippen. Anschließend legte er sie auf seine Wange, legte seine eigene Hand darüber.
 

„Darf ich dir erneut mein Versprechen geben?“
 

„Das ist nicht nötig, weshalb du aber nicht enttäuscht sein musst, denn nun hast du verstanden, was ich von dir fordere.“
 

Nun übernahm Joe die Bewegungen seiner Hand wieder und führte sie zu dem Kinn des Kleineren. Sein Gesicht näherte sich immer weiter dem von Rick und wenig später berührte sein Mund den seinigen. Zuerst war die Berührung hauchzart, wurde aber schon bald intensiver und leidenschaftlicher. Hitze breitete sich in ihrer beider Körper aus, als ihre Zungen begannen, einen kleinen Kampf auszufechten, bei dem Joe die Oberhand behielt. Immer wieder stupste er mit der Zungenspitze gegen die von Rick, um sie gleich darauf gänzlich zu umwerben. Ihre Münder verschmolzen miteinander und ihre Lungen schrieen alsbald nach Sauerstoff. Keuchend ließ Joe nach einer kleinen Ewigkeit von seinem Freund ab und suchte sofort seinen Blick auf. Fast schon hypnotisierend sah er ihn an.
 

„Die Welt verändert sich, wir verändern uns. Du hast mich verändert. Und nun ist es an der Zeit, dass du dich veränderst. Lege deine Zweifel ab und habe Vertrauen in mich und in dich selbst. Unsere Liebe ist stark und sie wird uns helfen, das Kommende zu überstehen.“ Bestimmt griff Joe nach Ricks Rechter und legte sie sich auf die Brust. „Fühl’ meinen Herzschlag, er wird zu einem mit deinem. Wenn du es möchtest, wird uns nichts auseinander bringen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Zeckchen
2007-06-09T19:00:31+00:00 09.06.2007 21:00
boo, bis hier hin bin ich bis jetzt gekommen. und ich muss sagen auch wenn es zur zeit etwas zeh wird, was aber wohl daran ligt das ich schon den ganzen tag lese, ist es echt ne richtig gute geschichte. taucht eigentlich einsame seele noch mal auf oder hast du sie in der wieteren geschichte vergessen?
selbst wenn, mir gefellts^^
morgen les ich weiter
Von:  smily
2007-02-20T17:02:27+00:00 20.02.2007 18:02
Die Stimmung war super!
So... schön und melancholisch... ich weiß auch nicht! Aber wirklich schön!
Joe weiß immer die richtigen Worte zu finden um Rick zu beruhigen und um ihm Kraft zu geben!
Ich bin gespannt auf das nächste Kappi!
Von:  inulin
2007-02-20T13:25:33+00:00 20.02.2007 14:25
*schwärm*
Hach... alles is wieder gut. *seufz*
Kann man sich Joe oder Rick mal ausleihen? Ich möcht auch mal jemanden haben, der so schöne Dinge zu mir sagt und mich aufmuntert.
Das Kapitel ist dir wieder super gelungen. Ich bin guter Dinge, dass Rick das jetzt auch schafft. ^^
Auch wenn das Treffen mit seinen Eltern noch bevorsteht und man ja nicht genau sagen kann, wie die Reaktionen dann ausfallen.
Ich find du beschreibst die Situationen zwischen den beiden immer so, dass man denken könnte man steht daneben und bekommt es hautnah mit.
Ich freu mich auf den nächsten Teil. ^^


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