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Camp Seafire

von

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Rot wie der Mond

Und hier kommt der nächste Teil mit ziemlich viel Gefühlen...

also wie immer viel Spaß beim Lesen. Darc Angel
 

2. Rot wie der Mond
 

Wer ist da, erklang ihre Stimme von hinter der Tür. Doch niemand antwortete, stattdessen klopfte es noch einmal. Hermine zog verwundert die Augenbrauen hoch. Wer würde sie an einem Samstagmorgen um diese frühe Stunde besuchen kommen?

Den Termin mit Minerva hatte sie erst in ein paar Stunden, dann wollten sie die Woche und Hermines Arbeit besprechen. Hermine war extra früh aufgestanden, um bei dem Gespräch richtig wach zu sein und sich so alles gut merken zu können. Denn sie wollte die einmalige Chance auch vollständig nutzen, die man ihr hier in Hogwarts geboten hatte. Sie wollte alles lernen, was Minerva ihr an Hand ihrer Erfahrungen beibringen konnte. Mit 17 Jahren war sie wohl die jüngste Lehrerin der gesamten Schule, die Siebtklässler waren ja kaum jünger als sie. Dennoch erfuhr sie auch von ihnen den nötigen Respekt.

Die Schule und ihre Schüler hatten sich durch Voldemort verändert, nichts war mehr wie früher. Doch nicht alles war negativ, wie sie herausgefunden hatte. Die Zahl der Schüler hatte sich verändert, das Haus Slytherin war so leer wie noch nie, während die anderen Häuser wieder gefüllt waren, wie zu Zeiten von Voldemords Machtlosigkeit. Der Rückgang der Slytherins war dadurch zu begründen, dass viele an Voldemords Seite im Kampf gefallen waren, andere wurden von ihren Eltern nach Durmstrang geschickt, da ihre Eltern nur zu genau wussten, dass nach Voldemords endgültigen Tod in Hogwarts kein Schwarzmagier mehr existieren konnte. So waren nur noch die Schüler Slytherin verblieben, welche zwar die von ihm geschätzten Eigenschaften inne hatten, jedoch der guten Seite angehörten. Durch den Krieg waren die Häuser sowieso zusammen gewachsen, sie hatten es regelrecht gemusst um zu überleben, durch die gemeinsamen Verluste und Erfolge, durch das Kämpfen Seite an Seite waren die Schüler zu einer Gemeinschaft geworden. Selbst das Verhältnis zwischen Gryffindor und Slytherin hatte sich grundlegend geändert. Wie einst Salazar und Godric Freunde gewesen waren, so entstand auch zwischen den Häusern ganz allmählich ein zartes Band. Blaise und ihre Freundschaft war nichts Einmaliges mehr, etwas das auch Blaise sehr gefreut hatte. Eben aus diesen Gründen wurde Hermine selbst von ihren Schülern aus dem Hause Slytherin geachtet. Allgemein verehrten besonders die jungen Schüler alle ihre Lehrer auf Grund ihrer Leistungen im Krieg, da die Kleinen selber nicht im Krieg gekämpft hatten. Wohingegen jeder wusste, dass Hermine, einst Harrys beste Freundin, soviel für den Frieden getan hatte.

Langsam ging sie zur Tür. Die Neugier hatte sie gepackt. Wollte einer der Erstklässler ein geheimes Gespräch mit ihr? Es war schon ein paar Mal vorgekommen, dass die Kleinen sie ausfragten. Nicht selten wollten sie auch über Harry Potter reden, ihre ehemals besten Freund. Doch wenn es zu diesem Thema kam, wurde Hermine gefühllos, und scheuchte ihr Schüler nach ein paar sachlichen Angaben meist freundlich davon.

Sie legte die Hand auf die kalte Klinke. Das Berühren des kalten Metalls ließ ihr einen Schauder durch den ganzen Körper fahren, von dem sie sich noch nicht erholt hatte, als sie die Gestalt vor ihrer Tür sah. Es war keiner der Schüler und auch nicht Minerva. Vor ihr stand Harry Potter persönlich, ganz in Schwarz gekleidet wie fast immer. Sie erstarrte.

Er realisierte, wie sich in Hermine alles zusammen zog. Sah, dass sie nicht mit ihm gerechnet hatte. Glaubte ein kurzes Zittern ihrer Hand zu sehen, die sie schnell hinter dem Rücken verbarg. Sog tief ihren Duft ein, der ihm irgendwie unbekannt vorkam. Für einen winzigen Moment erblickte er wieder diesen Schmerz in ihren Augen, bevor sie ihm direkt vor der Nase die Tür zuschlug.

Hermine legte noch einen Zauber über die Tür, bevor sie mit dem Rücken zur Tür auf den Boden sank. Sie hörte seine Stimme, die sie freundlich um Einlass bat, hörte ihn gegen die Tür hämmern. Plötzlich erinnerte sie sich wieder an jenen Tag, als sie sich in seinem Schlafsaal verbarrikadiert hatte. Damals hatte Harry auch dringend mit ihr reden wollen. Doch er hatte sich nicht von der verschlossenen Tür beirren lassen, er hatte sie einfach herunter gebrannt. Tränen rannen ihr über die Wangen. Sie hätte das Tagebuch nicht lesen sollen, dadurch waren die Erinnerungen wieder aufgefrischt, wo sie doch vorher schon so nah unter der Oberfläche gewesen waren. Hermine legte ihren Kopf auf ihre Knie und schlang ihre Arme um ihre Beine. Doch irgendwann verschallte das Klopfen und Schritte entfernten sich. Alles hatte sich geändert.
 

Der blaue Himmel war das einzige, das noch über ihm war. Der angenehm kühle Wind wehte ihm ins Gesicht. Die Sonne bräunte seine so bleiche Haut.

Seine hellgrünen Augen glänzten trotz des Sonnenscheins nicht. Das lag jedoch nicht an den Kontaktlinsen, die er seit einiger Zeit trug, sondern viel eher an seiner Stimmung. Nachtschwarz flatterte sein Umhang um ihn herum und dennoch bemerkte ihn niemand, wie er hoch oben auf dem höchsten Turm der ganzen Schule hockte und hinunter auf den tiefblauen See blickte.

Er ballte die Hände zu Fäusten, sodass sich seine Fingernägel in seine Haut bohrten und sein verdammtes Blut auf das Dach des Turmes tropfte. Für einen kurzen Augenblick leuchtete es feuerrot, als wollte es die Dachziegel hinweg brennen. Dann ergab das Blut sich der glühenden Sonne und zerrann. Harrys Blick hing an der Frau, die gerade das Gebäude verlassen hatte. Der Wind spielte mit ihrem glatten Haar und für ein paar Sekunden streckte sie ihr Gesicht der Sonne entgegen. Harry hatte das Gefühl, als würde die Sonne in dem Moment nur für sie scheinen, als würde sie das schönste Geschöpf der Erde anstrahlen. Dann ging Hermine weiter und kurz darauf war sie von einer Herde Erstklässler umgeben. Er hörte ihr Lachen in seinen Ohren, wie sie so mit den Kindern davon zog. Nach ein paar Minuten löste sie sich von ihnen und spazierte alleine weiter. Seine Augen folgten ihr, egal wohin sie auch ging. Den See entlang, wobei sie ihre gemeinsamen Plätze mied, wie ihm auffiel, über die Felder, zu den Gemüsehäusern und schließlich verschwand sie zwischen den Bäumen des Verbotenen Waldes. Was wollte sie bloß da?

Manchmal wünschte Harry sich, er sehe nicht nur aus wie ein Vampir, sondern er wäre auch einer. Dann könnte er einfach vom Turm springen und ihr hinterher fliegen, sie beobachten, sie vor den Tieren des Waldes beschützen.

Sie kann sich auch alleine vor den Wesen beschützen, du Dummkopf, schellte er sich selber, ‚sie ist die beste Magierin, die du kennst. Sie kann sich nur vor Leuten wie dir nicht schützen, denn Gefühle kann man nicht mit Magie abwehren... Harry seufzte und schlug die Augen zu. Der Ausdruck ihrer Augen ließ ihn nicht los. Er bohrte sich in sein Herz, zerriss sein Herz von Innen heraus. Er spürte den Schmerz in seiner Brust, das Ziehen und Reißen. Was habe ich nur getan? Ich wollte sie nie verletzen, wollte immer nur für sie sorgen, sie beschützen, sie retten. Dabei habe ich ihr das einzige zugefügt, vor dem sie sich nicht selber beschützen kann. Sie hat unter mir mehr gelitten, als unter Voldemort... Wie konnte ich nur? Wie konnte ich nur so kurzsichtig sein? Was habe ich ihr nur angetan? ... Ich habe alles immer nur aus meinem Blickwinkel gesehen, nie aus ihrem. Ich war so egoistisch... Bei dem Gedanken sie nie verletzen zu wollen, habe ich dennoch genau das getan, genau das, was ich nie wollte. Er hätte in die Welt hinaus schreien können, doch dann hätten die Schüler ihn für verrückt erklärt und er könnte seine Stelle als Lehrer vergessen. Und der brauchte diese Stelle, sonst könnte er seine berufliche Laufbahn vollkommen vergessen.

Ich habe mich zu sehr von meinen Gefühlen leiten lassen, mein Verstand war beschränkt... ich habe einfach nicht gesehen, was ich da anrichte... es ist unverzeihlich... was habe ich nur getan? Was habe ich getan? Ich kann es nicht fassen, wie konnte ich das nur machen? Was hat mich nur dazu gebracht, dazu getrieben? Es hätte tausend andere Wege gegeben, warum habe ich gerade den gewählt, der für uns beide am schmerzvollsten ist? Wobei mein Schmerz nichts ist, im Vergleich zu ihrem. Mein Schmerz ist mir nicht wichtig. Ich kann leiden. Aber sie, sie hat es nicht verdient. Sie sollte niemals wissen, wie es ist zu leiden. Ich wollte doch nur, dass sie glücklich ist... dass sie glücklich ist... Ich kann das nicht wieder gut machen, es ist unverzeihbar. Ich versteh mich selber nicht mehr. Er fuhr sich durch sein wirres Haar und schüttelte verzweifelt den Kopf.

Unverzeihbar, unverständlich... warum nur habe ich das getan? Wie kann ein Mensch einen anderen Menschen nur unabsichtlich so verletzen? Ich wollte sie nicht verletzen, nie. Es heißt doch immer, dass der menschliche Verstand der beste ist. Wie kann ein Mensch dass so etwas machen? Wie kann der menschliche Verstand das zulassen? Ich versteh das einfach nicht... Verflucht, was habe ich nur getan... Ich habe es nicht verdient, dass sie mir verzeiht. Nein, das habe ich wirklich nicht. Ich kann es ja sogar verstehen, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben will. Ich kann sie verstehen... und doch wünsche ich mir nichts sehnlicher, als wieder zu ihr durch zu kommen. Diese Mauer, die sie umgibt, zu durchbrechen. Ich vermisse sie so sehr... und es ist meine Schuld. Nur meine Schuld. Ich bin Schuld, ich! ... Ich wollte das alles nicht. Ich wollte das nicht... Er schlug die Hände vor sein Gesicht um die Tränen zu verdecken. Die Verzweifelung gewann die Überhand über ihn und schüttelte ihn.
 

Sie wusste nicht warum, doch irgendwas zog ihre Augen hoch zum Himmel. Schwarz wie die Nacht flatterte dort ein Umhang. Sie blinzelte und versuchte mehr zu erkennen. Dort oben saß jemand. Auf die Entfernung war es nahezu unmöglich das schwarze Bündel zu identifizieren, doch das Stechen in ihrem Bauch verriet ihr, dass es Harry war, der dort oben auf dem Turm kauerte.

Ginny senkte den Blick, noch bevor jemand ihren Augen folgte. Trotz der Entfernung spürte sie die Monster, die Harry zerfraßen. Sie fühlte seinen Schmerz. Doch sie konnte ihm nicht helfen. Wenn er so weit war, musste er zu ihr kommen. Sie konnte nicht immer den ersten Schritt machen. Sie war einfach nicht so stark. Sie konnte sich vorstellen, dass es hart für ihn war, doch er war selber Schuld. Es war gemein, doch sie konnte ihm einfach nicht noch weiter entgegen gehen. Sie schaffte es nicht. Sie war auch verletzt. Doch sie wusste, nein, sie hoffte, dass er irgendwann einfach vor ihr stand, irgendwann. Und hoffentlich würde dann wieder alles besser werden. Sie vermisste seine Freundschaft, sie vermisste ihn.
 

Hermine streifte durch den Verbotenen Wald. Nach Voldemords Tod hatte er für sie eigenartigerweise seine Gefahr eingebüßt. Für sie strahlte er nichts Bedrohliches mehr aus. Sie hatte alles Schlimme in diesem Wald schon gesehen und noch viel mehr. Sie fürchtete sich nicht mehr, vor nichts außer vor Gefühlen. Alle Wesen der Natur, alles Wissen, alles Sachliche konnten ihr keine Furcht mehr einjagen.

Hier im Wald hatte sie ihre Ruhe, hier war sie allein. Für die Schüler war der Wald weiterhin verboten und außerdem traute sich auch sonst kaum einer der Schüler hierein. So schlenderte sie gerne durch die Finsternis, welche sie wie Seide umfing. Die Waldgeister pfiffen ihre Lieder, die Sonne blickte vereinzelt durch kleine Lücken herein und spielte mit dem feuchten Grün.

Es war nicht das Gespräch mit Minerva, das ihr im Kopf herum spukte. Das Gespräch war sehr gut für sie verlaufen. Minerva hatte sie gelobt und ihr Ratschläge gegeben, wie sie noch besser werden konnte. Sie hatte sogar mit ihr den Stoff für die nächste Woche durchgesprochen. Hermine fühlte einen leichten Stolz in sich aufsteigen. Ihre Eltern würden sich freuen.

Doch es war Harry, der ihr ständig vor ihrem inneren Auge erschien. Sie war wütend auf sich selber, dass sie nicht damit gerechnet hatte, dass er einfach irgendwann vor ihrer Tür stand. Sie wollte ihm nie wieder so schutzlos und ausgeliefert entgegen treten wie damals und doch war sie heute Morgen schwach gewesen, weil sie nicht damit gerechnet hatte. Harry durfte ihre Schwäche nicht sehen, nicht sehen wie weh es ihr immer noch tat, ihn zu sehen. Wie konnte Dumbledore ihr das nur antun? Sie liebte, verehrte den Mann, doch manchmal hasste sie ihn auch. Harry sollte ihr nie wieder begegnen. Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie hier oben im Norden weit genug von ihm entfernt gewesen wäre. Doch dem war nicht so. Was spielte das Leben ihr da nur für einen Streich?

Seine Augen, seine Lippen, seine Hände, seine Stimme, seine Narbe, seine Haare, alles erinnerte sie an damals, daran was er ihr angetan hatte. Es schmerzte, wenn sie nur seinen Namen hörte und doch kreiste eben dieser durch ihre Gedanken. Sie konnte ihn nicht hören, ihn nicht riechen, ihn nicht sehen. Denn wenn das geschah, glaubte sie, ihr Herz müsste zerspringen oder eher der Rest von ihrem Herzen, der noch da war. Die Tränen schienen immer nur darauf zu lauern, dass er um die Ecke bog. Ihr Tränenvorrat schien unerschöpfbar zu sein. Eigentlich dachte sie, es wären keine Tränen mehr da, doch ständig liefen ihr neue aus den Augen. Beinahe hatte sie schon Angst auszutrocknen. Sie hatte schon lange nicht mehr so viel geweint, wie in den letzten paar Wochen, die sie gemeinsam mit Harry hier in Hogwarts verbracht hatte. Sie hasste es, wenn sie weinte, sie wollte nicht schwach sein. Doch hier im dunklen Wald sah niemand die Tränen, die ihr heimlich über die Wangen liefen und den fruchtbaren Waldboden bewässerten. Hier war ihr nichts peinlich. Hier konnte sie alles machen, alles denken. Hier war sie sicher.

Zum Schluss ihres Spazierganges ging sie wie immer noch zu dem Denkmal, dass zu Ehren der im Krieg verstorbenen Schüler und Lehrer errichtet worden war. Sie legte wie jedes Mal eine einzige Blume, sie aus dem Wald mitgenommen hatte, auf die Steinplatte, auf der bereits einige Blumen und Kränze lagen. Es waren nicht nur Lehrer, die diesen Platz besuchten. Schüler erwiesen ihren ehemaligen Kollegen die letzte Ehre. Es war gut einen Ort zu haben, an dem man Menschen gedenken konnte, die hatten sterben müssen. Wie Dumbledore bereits in seiner ersten Rede dieses Schuljahres gesagt hatte, man durfte nicht vergessen, niemals.

So sehr Hermine die Dunkelheit des Waldes liebte, sosehr hasste sie die stille Dunkelheit der Nacht, wenn sie einsam in ihrem großen Bett lag. Nachts kamen die bösen Geister, Erinnerungen die sie plagten. Sie wurde geschüttelte von Träumen. Nicht selten war das Kopfkissen nass, die Bettdecke vollkommen zerwühlt und sie nass geschwitzt. Stunden lang lag sie wach, aus Angst schon wieder von ihm zu träumen. Sie wollte nicht an ihn denken, nicht von ihm träumen, ihn nicht sehen. Doch es ging nicht. Er verfolgte sie, besonders nachts. Sie hatte schon alles Mögliche versucht um sich die Nächte angenehmer zu machen, doch nicht mal ein Denkarium half. Es fehlte nicht mehr viel und sie würde zu Snape gehen und ihn um einen Schlaftrank bitten. Sie konnte sich den Ausdruck in seinen Augen schon vorstellen und sie schob den Tag immer weiter von sich weg. Es musste auch ohne das Gebräu gehen. Und die Träume, die sie durch einen Schöne-Träume-Zauber bekam, entsprachen auch nicht ihrem Verständnis von schönen Träumen. So wollte sie nicht von einem Harry träumen, mit dem sie lächelnd herum tollte, oder von Harry, Ron und ihr in unbeschwerten Tagen in Hogwarts. Das waren keine schönen, sondern quälenden Träume. Noch nicht einmal nachts hatte sie ihre Ruhe vor Harry. Sie hatte schon daran gedacht sich einen Gigolo zu nehmen, um sich die Nächte zu verschönern. Doch sie war nicht der Typ dafür, sie konnte mit keinem wildfremden Mann im Bett liegen, erstrecht nicht für Geld. Es musste irgendwie besser werden, es konnte auf keinen Fall so weiter gehen. Sie brauchte eine Freundin, mit der sie über all das reden konnte. Nur mit wem? Mit Minerva war das nicht möglich. Professor Sprout, sie hatte sich immer noch nicht angewohnt die Vornamen ihrer Kollegen zu benutzen, würde ihr sicher irgendwas Pflanzliches verschreiben, doch auf Dauer war auch das keine Lösung.
 

Seit Tagen ließ ihn der Gedanke nicht mehr in Ruhe. Sein Schuldgefühl, stärker denn je, folgte ihm überall hin. Er hielt es beinahe nicht mehr aus.

Eines Nachts entschied er sich, dass er sich bei Hermine entschuldigen musste. Nur wie? Sie will ja nicht mit mir reden. So nahm er sich ein Stück Pergament und verfasste mehrmals einen Brief, bis er schließlich mit einem Exemplar einigermaßen zufrieden war.

Liebe Hermine,
 

Ich weiß, du willst nicht mit mir reden. Und ich kann das sogar verstehen. Aber es ist mir sehr wichtig, dass du dir diesen Brief durchließt.
 

Wo soll ich nur anfangen? Ich müsste dir so viel erzählen...
 

Ich verlange nicht, dass du mir verzeihst. Denn es ist unverzeihlich, was ich dir angetan habe. Wie könnte ich dich also nur bitten mir zu vergeben? Nein, das geht nicht. Ich bitte dich um nichts, als mich anzuhören. Mehr kann ich nicht.
 

Dich zu verletzen war das Letzte, was ich wollte, und doch habe ich es getan. Heute weiß ich nicht mehr, warum ich gerade diesen Weg gegangen bin...
 

Heute will ich mich bei dir entschuldigen und dir sagen, dass es mir so unendlich Leid tut. Ich kann dir nicht sagen, wie leid es mir tut. Das musst du mir glauben. Bitte.
 

Für den Fall, dass du dich irgendwann doch dazu entscheidest mit mir zu reden, werde ich da sein.
 

dir stets ergeben
 

Harry

Er verschloss das Pergament mit rotem Wachs und tippte mit seinem Zauberstab das Wappen seiner Familie in das Wachs. Einen Siegelring besaß er leider nicht.

Das nächste Problem, das zu bewältigen es galt, lautete: wie bekommt Hermine den Brief. Harry wollte ihn nicht mit der Eulenpost verschicken. Er wollte sie nicht vor allen Lehrern und der gesamten Schülerschar bloßstellen.

Der Brief musste auf anderem Weg in ihre Gemächer gelangen. Doch würde Hermine das Fenster aufmachen, wenn er Hedwig schicken würde? Hermine würde seine Eule sicherlich wieder erkennen. Das war also auch zu gewagt.

So blieb dem Schwarzhaarigen nichts Anderes übrig, als den Brief vor ihre Tür zu legen, zu klopfen und selber zu gehen, sodass nur der Brief zurückbleiben würde. Um sicher zu gehen, dass sie dem Brief auch mit in ihre Gemächer nahm, musste er ihm irgendwas beistellen. Zuerst dachte er an ein Kuscheltier. Aber vielleicht war das zu vertraut? Wollte sie ein solches Geschenk von ihm? Wahrscheinlich nicht. Daher wählte er das Nächstliegenste, ein Buch. Er entschied sich für ein Pädagogik Buch der Muggel, das ihr beim Lehrerwerden vielleicht helfen konnte.
 

So fand Hermines eines Morgens ein Buch ohne Besitzer vor ihrer Tür. Der Brief lag noch nicht sichtbar auf der ersten Seite. Harry lächelte ansatzweise, als er sah, dass sie das Buch mitgenommen hatte.

Wer mag mir ein solches Buch geschenkt haben? überlegte Hermine ahnungslos. Da sie noch ein wenig Zeit hatte, setzte sie sich in ihren Sessel und schlug das Buch auf. Sofort stach ihr der Brief ins Auge. Also, doch ein Absender. Hermine legte das Buch auf den Tisch und betrachte den Brief. Das Siegel war ihr vollkommen unbekannt, was sie doch verwunderte. Hatte sie etwa einen unbekannten Verehrer? Vorsichtig brach sie das Siegel und faltete den Brief auseinander. Die Schreibweise brannte sich förmlich in ihre Netzhaut, sodass sie den Brief fallen ließ. Nicht schon wieder. Unter Millionen hätte sie diese Schrift erkannt. Kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Sie ließ den Brief auf dem Boden liegen und schritt unruhig im Zimmer auf und ab. Schließlich schnappte sie sich ihren Umhang und verließ schnell ihr Zimmer, das gefährliche Ding hinter sich lassend.
 

Den ganzen Tag vermied Hermine es ihr Schlafgemach zu betreten, sie wollte es nicht sehen. Der Versuch es zu verdrängen war jedoch daran gescheitert, dass die Anwesenheit seines Briefes sich wie ein Heuler in ihr Bewusstsein schrie. Seit dem ersten Schuljahr kannte sie die Wirkung von Heulern. Er würde immer lauter schreien und sie konnte es nicht abstellen, außer sie las diesen Brief. Sie weigerte sich. Zu groß war die Angst von alten Gefühlen und Erinnerungen heftiger denn je überrollt zu werden. Sie versuchte das Schreien zu überhören, doch es war stetig bei ihr, es verließ sie nie, verstummte nie.

Doch irgendwann nach dem Abendessen zog ihre Müdigkeit sie dann doch in ihr Zimmer. wo sollte sie denn sonst hin? Man würde sie auslachen, wenn sie erzählte, dass sie Angst vor einem einfach Brief hatte. Es war nur ein einfacher Brief, nicht mal ein Heuler, und doch flößte er ihr mehr Angst ein, als alle Heuler auf der ganzen Welt.

Vorsichtig betrat sie ihr Schlafzimmer, genau darauf achtend, nicht auf jene gewisse Stelle auf dem Fußboden zu schauen. Sie verschloss die Zimmertür und hielte inne. Tief durchatmen, versuchte sie sich selber Mut zu machen. Langsam drehte sie sich um.

Und da lag er, weiß und unschuldig mitten in ihrem Zimmer, unberührt von der Außenwelt. Schritt für Schritt näherte sie sich dem gefährlichen Ding, als wäre es eine hochexplosive Bombe. Einen halben Meter vor dem Brief kniete sie sich hin und betrachtete ihn genau aus ihren braunen Augen. Auf den ersten Blick wirkte er richtig harmlos. Das Pergament hatte sich wieder zusammen gerollt und lag nun vollkommen bewegungslos auf dem Boden. Es schien darauf zu warten, dass es endlich entrollt wurde und seine Botschaft vermitteln konnte. Hermine seufzte.

Sie stand auf und machte einen Bogen um den Brief, während sie zum Fenster ging. Sie öffnete es und ein kühler Wind blies ihr entgegen. Die Augen geschlossen, genoss sie die Berührung des Windes. Als sie diese wieder öffnete, fiel ihr sofort der Mond auf. Doch es war kein normaler Mond, kein weißer, strahlender. Der Vollmond leuchtete rötlich. Als würde er brennen. kam es Hermine in den Sinn. Es war ein ungewöhnlicher Anblick, dennoch konnte sie ihre Augen nicht von diesem Phänomen lassen. Es zog sie in seinen Bann. Früher hätte sie dies als ein böses Zeichen gedeutet, möglicherweise als ein Hinweis auf ein Blutbad Voldemords. Doch es gab diesen Schwarzmagier nicht mehr, der immer wieder in ihren Gedanken auftrat. Nie konnte sie diese feuerroten Augen vergessen. Doch die Farbe des Mondes war nicht wie die Farbe seiner Augen. Der Rot-Ton war weniger stechend, er milder und weicher.

Rot wie Feuer, menschliches Blut, Rons Haar, Rot wie der Mond, Rot wie die Liebe.

Später konnte sie nicht mehr sagen, ob es die Wirkung dieses besonderen Mondes war oder etwas Anderes, dass sie dazu bewegte hatte, den Brief ans Fenster zu holen, ihn auszurollen und ihn im rötlichen Licht zu lesen. Mit glänzenden Augen las sie Letter für Letter, Wort für Wort, Satz für Satz und mit jedem weiteren Wort nahm die Gesamtbedeutung des Briefes zu. Jeder einzelne Buchstabe verlieh der Nachricht einen Sinn. Sie sah beinahe wie Harrys Hand die Feder führte und die Buchstaben mit schwarzer Tinte auf das Pergament malte, seine Gedanken verewigte und sie ihr durch die Sprache mitteilte.

“Dir stets ergeben“, las sie noch mal und noch mal. Tränen rannen aus ihren Augen. Vergebung? Schuld? Wissen? Entschuldigung? Glauben? Lauter Wörter, Wörter über Wörter. Sie verstand den Sinn nicht mehr. Während die Tränen unkontrollierbar und eigensinnig ihr Gesicht benetzten, sank sie auf den Boden und weinte erbärmlich.
 

Fortsetzung folgt



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-08-12T11:26:30+00:00 12.08.2007 13:26
hmm...wann gehts denn weiter?
Bitte weiter schreiben , nich aufhören!bitte =)
Von: abgemeldet
2007-06-13T15:03:59+00:00 13.06.2007 17:03
oh.. sehr schön!
bin ich jetz die einzige die das liest? :P
ich finde überings das du das sehr gut beschrieben hast wie sich harry und hermine fühlen.
Freu mich schon auf die Fortsetznung ;)
bis denne
H_K



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