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the greatest P...

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the greatest P...

The greatest P...
 

Als Joshua Jerry zum ersten Mal traf, befand er sich an einem entscheidenden Punkt in seinem Leben.

Woran erkennt ein Mann, dass er schwul ist? Josh war eigentlich davon ausgegangen, dass man so etwas etwa um das 14. Lebensjahr herum feststellte - so wie die Jungs im Fernsehen-, sich dann in seinen zufällig ebenfalls schwulen Freund verliebte und eine heimliche und dramatische Beziehung anfing. Aber Joshua Bennet war schon immer etwas vorsichtiger gewesen. Es hatte geschlagene 36 Jahre gedauert bis er seiner Neigung auf die Schliche kam- aber dann auch richtig. Als Anwalt verlangte es ihn nach Beweisen und Erkenntnissen um seine Theorie zu untermauern. Während er diese Dinge suchte, fand er Jeromé Montanièr als Antwort.

„Was tue ich hier eigentlich?“, fragte er sich schon zum unzähligsten Mal, seit er in diesem anstößig roten Sessel Platz genommen hatte. Das Kino hatte den Namen The greatest P… , wobei niemand wirklich wusste, wofür das P… stand, und es war für Joshua der Inbegriff eines Schwulen-Kinos: rote Sessel, ein dünner Latino-Bengel an der Kasse und ein armseliges Sortiment an Getränken. Josh selbst hatte sich dem Anlass entsprechend gekleidet (also, der Anlass war eine diskrete Überprüfung seiner Neigung): ausgewaschene Jeans, ein Pullover mit hohem Kragen, der viel zu warm war, ein Basecap und als Abrundung eine Sonnenbrille. Der Bengel an der Kasse hatte sich fast weggeschmissen vor unterdrücktem Lachen, als er hineingekommen war.

„Ich habe jedes Recht, mich so anzuziehen. Ich bin ungeoutet und verklemmt.“ Josh beschloss die Situation mit Humor zu nehmen. Allerdings versagte sein Humor bei dem Gedanken, jemand, den er kannte, würde herausfinden, was er hier tat.

Außer Joshua saßen noch drei weitere Männer im Kino, der Laden war nicht sonderlich beliebt, wie es schien. Das Pärchen in der Dritten Reihe –eine furchtbare Sitzposition im Kino- waren eindeutig mit sich beschäftigt und nicht am Film interessiert. Josh versuchte lieber nicht hinzusehen. Und dann war da noch der Typ hinter ihm. Der hatte schon hier gesessen als Josh reinkam, und war damit beschäftigt auf sein Handy einzutippen, während er mit der anderen Hand versuchte eine Packung Tublerone aufzumachen. Er trug eine ausgewaschene Jeans und ein Sweatshirt mit einem Bild von Bob Marley darauf. Josh erinnerte sich, dass ihm auch mal jemand so ein Teil geschenkt hatte. Doch im Gegensatz zu einigen anderen seiner damaligen Freunde, hielt er Bob Marley nicht für einen wesentlichen Bestandteil der afroamerikanischen Kultur.

Als Josh sich in die Reihe vor ihm setzte, widmete der Kerl ihm einen interessierten Blick seiner dunkelblauen Augen- dann fiel seine Schokolade runter und er verschwand fluchend unter dem Sitz.

Josh nahm schnell Platz, es war schon aufreibend genug überhaupt hier zu sein, ein Flirt wäre nun doch zu viel für ihn.

Das erste Gespräch mit dem Mann hinter ihm hatte jedoch nichts von einem Flirt. Kurz nachdem der Film angefangen hatte, war Josh schon mit brennendem Gesicht tief in seinem Sitz verschwunden. Er hatte schon früher Pornos gesehen, aber das hier war die absolute Härte- im wahrsten Sinne des Wortes. Es war doch rein biologisch gar nicht möglich, dass… Egal, ich werde es nicht näher beschreiben, denn es ist eigentlich nicht wichtig.

Nach einer Reihe von Orgasmen fing der Typ hinter Joshua an zu lachen, stützte sich auf den Sitz vor ihm und rief: „Mon Dieu, wer dreht diese Scheiße? George Bush?“

Einer der beiden Kerle aus der dritten Reihe hob den Kopf und rief zurück: „Halt’s Maul, Jerry. Du störst!“

„Moi? Hast mal nach vorne geguckt?“ Jerry kicherte vor sich hin und murmelte immer wieder „So eine Scheiße“ oder „Ich will mein Geld zurück“.

„Was haben Sie erwartet? Shakespeare?“, murmelte Joshua gereizt. Er erwartete gar keine Antwort, aber auf einmal lehnte sich dieser Jerry über den Sitz neben ihm.

„Non, natürlich nicht. Aber es gibt gute Pornos und es gibt schlechte Pornos. Das da…“ Er deutete auf die Leinwand. „Ist ein mieser Porno.“

Josh grummelte unverbindlich, er war nicht in der Stimmung dieses Thema auszuweiten. Eigentlich wollte er einfach nur hier raus.

„Ihr erster Besuch in so einem Etablissement ?“ Mit Jerrys französischem Akzent klang diese Frage als würde er von einem Restaurant sprechen, Josh musste grinsen.

„Das ist nicht zu übersehen, oder?“

Jerrys Augen überflogen noch einmal Joshuas Aufmachung. „Sie haben den falschen Bart vergessen.“

So aufgekratzt wie Joshua war, fand er das irrsinnig komisch und krümmte sich vor lachen. Danach war ihm zum Heulen zu Mute. Er nahm die Sonnenbrille ab und sah Jerry wieder an.

„Ich bin erbärmlich, oder?“

Ein verständnisvolles Lächeln huschte über Jerrys Gesicht. Er sah sehr charmant aus, trotz seiner etwas wirren langen Haare. Wieso ist so ein Mann schwul?, fragte sich Josh.

Mit einer entschuldigenden Geste verschwand Jerry kurz und kam mit der Schokolade zurück, die er Josh anbot.

„Sie sind nicht erbärmlich.“, sagte Jerry, „Sie haben sich wahrscheinlich sehr überwinden müssen, um überhaupt herzukommen. Ihre Aufmachung ist merkwürdig, aber erbärmlich ist was anderes.“

Josh nahm sich ein Stück Tublerone und merkwürdigerweise fühlte er sich augenblicklich besser. Was sowohl an der Schokolade, als auch an Jerrys Worten lag.

„Das ist wirklich lecker.“, sagte Josh und ließ den Rest des kleinen Dreiecks im Mund verschwinden.

„Ist aus Europa. Ich bin aus Frankreich müssen Sie wissen.“

„Ach was.“
 

Sie sahen sich den Film doch noch bis zu Ende an. Würde es danach gehen, wäre Joshua unter Garantie schein- Hetero geblieben.

Er und Jerry standen vor dem Kino auf dem Bürgersteig. Es war bereits dunkel und die Nachtschwärmer waren auf den Beinen. Josh hätte sich gar nicht so verkleiden müssen, bei den komischen Vögeln, die hier herum liefen, wäre er gar nicht aufgefallen.

Jerry steckte den Rest Tublerone in seinen Rucksack. „Das Finale war doch echt klasse.“, meinte er.

Josh räusperte sich diskret und setzte seine Brille wieder auf. „Wenn Sie es sagen. Ich hab da keine Vergleiche.“

Jerry zog eine Augenbraue hoch. „Sie glauben doch nicht etwa, dass es bei uns wirklich so abläuft? Im Bett, meine ich.“

Bei uns, hatte er gesagt. Meinte er: bei uns Homos oder… Josh kamen sehr unliebsame Gedanken und ihm wurde wieder heiß. „Ähh, nein… nein, natürlich nicht…“

Jerry beugte sich vor und beäugte Josh kritisch. Josh spürte, dass er Jerry leicht verärgert hatte, was ihm verdammt Leid tat. „Oh doch, das tun Sie.“, stellte Jerry resigniert fest, „Wir sind nicht alle pervers, Mister. Aber wie Sie wissen, leben viele Pornos nicht von authentischen Zärtlichkeiten.“ Bei der Art und Weise wie er das Wort Zärtlichkeit aussprach, durchfuhr es Josh schon wieder heiß. Sssertlischkei-ten, so klang es- diese Franzosen! Ein völlig unschuldiges Wort klang plötzlich wie eine Todsünde!

„Es tut mir Leid.“, sagte Josh, „Ich bin sonst nicht so voreingenommen, aber es ist immer was anderes, wenn es einen betrifft- jedenfalls glaube ich, dass es… mich betrifft. Aber verstehen Sie, das einzige, was ich je darüber gesehen habe, ist so was!“ Er deutete mit einer verzweifelten Geste auf das Kino.

„Hmm.“, machte Jerry, während er in seiner Jackentasche kramte, „Ich schätze, dass ist ein weit verbreitetes Problem.“ Er fischte eine Sonnenbrille aus der Tasche, die er sich umsichtig auf die halbe Länge seiner Nase schob. Es hatte natürlich keinen Sinn im Dunkeln eine Sonnenbrille zu tragen, nicht mal in Hollywood, es handelte sich also um seinen persönlichen Fetisch.

Josh räusperte sich wieder und befingerte seine eigene Brille. „Aber gut, das ist ein Problem, mit dem ich fertig werden muss.“

Jerry lächelte leicht, und kramte eine Zigarette aus der Tasche. „Dann wünsche ich Ihnen viel Glück dabei.“

„Danke.“ Josh blickte auf die Zigarette. „Sie sollten damit aushören.“

Jerry, der gerade sein Feuerzeug gefunden hatte hielt inne. „Was?“

„Das Rauchen. Ist ungesund. Und teuer.“

„Sind Sie meine Mutter?“, erwiderte Jerry trotzig, „Ach, Scheiße, Sie haben ja recht.“ Er nahm die Zigarette aus dem Mund. „Meine Freunde sagen, dass sei ein Ausgleich für Einsamkeit.“

„Einsamkeit sollte man anders bekämpfen.“, meinte Josh. Dabei fiel sein Blick auf das Kino, in dem er seinen Freitagabend verbracht hatte und fragte sich, ob er in der Position war, diesem Mann Ratschläge zu geben. Obwohl er etwas schräg aussah, war Jerry bestimmt nicht so einsam wie Josh.

Jerry folgte Joshs Blick und lächelte. „Hey, gegen das Kino ist nichts einzuwenden. Wissen Sie wofür das P…steht?“

„Nein.“ Josh sah zu der Reklametafel auf der the greatest P… stand, in Anbetracht der sonstigen Aufmachung dieses Etablissements, erwartete Josh keine tiefsinnige Bedeutung.

„Für Penis vielleicht?“

„Nein!“, rief Jerry entrüstet, „Es steht für Power. Die größte Kraft. Also, die Liebe. Das gibt mir Hoffnung eben die hier zu finden.“

„Dann wünsche ich Ihnen viel Glück dabei.“, sagte Josh lächelnd. Unglaublich, dass jemand, der sich solche Filme ansah, noch zu unschuldigen Gedanken fähig war.

„Mit Glück allein hat das nichts zu tun.“, entgegnete Jerry.

Er streckte ihm rechte die Hand hin, die Joshua mit kurzer Verzögerung ergriff. Jerry hatte eine sehr schmale Hand, die fast in Joshuas verschwand. „Einen schönen Abend noch.“

Was für eine merkwürdig gewöhnliche Abschiedsfloskel für diesen Abend. Jerry unterdrückte ein Lachen. „Ja, und Ihnen erst.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Jadeherz
2006-09-30T12:49:37+00:00 30.09.2006 14:49
Ich mag die Geschichte. Oder das Kapitel.
Es ist schön geschrieben, auch wenn ich nicht sagen kann warum ich so empfinde.
Es ist amüsant. (ohne aufgesetzt zu sein) Ich mag den Anfang, den Kommentar zu dem Kartenverkäufer.
Mir gefällt die ruhige Stimmung.
Ich bin jedenfalls gespannt wie es weiter geht und hoffe, dass die Muse dich bald küsst für die nächste Episode.
Aber heißt es nicht Toblerone? ... hmmm... Sollte ich mal austesten und mir demnächt eine gönnen. *g*


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