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Erin Erik

Buch Eins: Im Schatten des Wolfes
von

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In der Falle!

Chris war ein einziges Nervenbündel. Er hatte nichts mehr von Erin geschweige denn von den Ermittlungen gehört, die man wegen ihr veranlasste hatte. Anscheinend haben seine Kollegen die Anweisung vom Chef bekommen, ihm nichts zusagen. „Damit ich wohl nicht selber nach ihre suche!“, dachte er verbittert. „Als ob ich wüsste, wo sie steckt!“

Ihm knurrte der Magen und er beschloss sich etwas zu essen zumachen und dabei etwas fernzusehen. So, so hoffte er, würde er sich ablenken können. Er machte sich etwas Warmes und setzte sich auf die Couch und machte den Fernseher an. Gerade liefen die Nachrichten und er wollte wegschalten. Das letzte was er hören wollte, waren irgendwelche Verbrechen oder Morde. Er hatte schon die Fernbedienung in der Hand, als ein Bericht kam. Und auch wenn er nicht wusste wieso, musste er diesen Bericht hören.

„Ein tragischer Todesfall schockiert momentan Rom. Der ehrenwerte Gregor, Leiter einer Archivabteilung des Vatikans, wurde tot in seinem Büro aufgefunden. Alles deutet auf einen Mord hin. Zu Zeit hat die Polizei jedoch keine Spur!“, sagte die Frau gerade und Chris spürte, wie sich sein Magen zusammen zog. „Nach diesem Mord befürchtet man natürlich, dass der Mörder es nun auch auf die Ziehtochter Paters abgesehen hat. Da diese das Amt erbt und das dazugehörige Vermögen!“

Ziehtochter des Kardinals?

Erin!

Erin hatte erwähnt, dass sie Exorzistin ist und dass sie ausgesetzt wurde. Konnte es sein, dass sie diese Ziehtochter war?

Ihm lief ein eisiger Schauer über den Rücken und konnte sich erstmal nicht rühren. Erin war in Gefahr. Er musste etwas tun. Ganz egal, was und es war ihm gleich, was sein Chef ihm danach erzählen würde oder ob er ihn kündigen würde. Er musste ihr helfen. Und jetzt gleich.

Er sprang auf und lief in sein Schlafzimmer. Hastig riss er seine beiden Koffer von dem Schrank hinunter und öffnete die Schranktüren. Wahllos griff er hinein und warf die Klamotten hinein. Er hatte keine Zeit, seine Kleidung ordentlich hinein zulegen. Wer weiß, wie lange er braucht, um nach Rom zu kommen. Ohne das man ihn bemerkt.

Als die Koffer gepackt waren verließ er schnell seine Wohnung und rief ein Taxi. Dabei sah er sich ständig um. Man konnte nie wissen, ob man beobachtet wurde. War zwar etwas übertrieben, aber er wollte lieber auf Nummer sicher gehen. Das Taxi kam und er stieg ein. „Wohin Moinsuier?“, fragte der Fahrer und Chris sagte immer wieder hinausschauend:„ Zum Flughafen!“

Der Fahrer nickte und fuhr los. Chris schaute noch einmal hinter sich, ehe das Taxi die Straße hinunter und auf die Autobahn fuhr.

Kein Auto folgte ihm und er atmete erleichtert auf. Er hatte es geschafft. Nun konnte er sich ganz auf Erin konzentrieren und freute sich, auch wenn die Umstände alles Andere als geeignet waren, sie wieder zusehen.

Der Himmel war voller Wolken und der Regen fiel in schweren Tropfen hinunter. Die Menschen, bestehend aus dem engen Kreises von Vertrauten und Freunden des Paters scharrten sich vor dem Eingang der Kirche und als ein Leichenwagen heranfuhr und dessen Hecklade geöffnet wurde, wischen sie nach links und nach rechts zur Seite. Vier Männer, ganz in schwarz gekleidet, trugen den einfachen Holzsarg und durchschritten die Gasse, die die Menschen gebildet hatten. Schwarze Regenschirme säumten diese und die Menschen schauten unter den Schirmen, mit schwerer Miene dem Sarg nach. Nur Erin hatte keinen Schirm bei sich. Der Regen hatte sie vollkommen durchnässt und ihr dunkles Haar hing wie eine schwere Matte hinunter. Tränen und Regen hatten sich in ihrem Gesicht miteinander vermischt und die Schminke, war zerflossen. Ihre Schultern waren nachunten gesunken und sie fror. Trauernd und mit zitternder Unterlippe blickte sie dem Sarg nach, als dieser in die geheilige Kapelle getragen wurde, um dort beigesetzt zu werden. Mit einem lauten Knarren öffnete sich die Pforte und die Menschen strömten nach dem Sarg hinein, um Gregor die letzte Ehre zu geben. Erin setzte sich ganz nachvorne und hielt stets den Kopf gesenkt. Ihre Hände hatte sie im Schoss verkrampft und ihre Schultern zitterten. Sie schluchzte und wischt sich die Tränen weg. In den letzten Tagen hatte sie nur noch geweint. Als Trauer und auch aus schlechtem Gewissen. An dem Abend, an dem ihr geliebter Ziehvater ermordet wurde, hatte sie nicht gerade nett über ihn gesprochen und nun würde sie niemals die Chance haben, sich bei ihm zu entschuldigen. Das war nicht gerecht!

Hart presste sie die Lippen aufeinander und lauschte den Worten des Pfarrers. Sie blickte hoch und sah zu dem lebensgroßen, gekreuzigten Jesu Christi. In ihrem Kopf gab es so viele Gedanken, Bitten und Verwünschungen. Manche der Verwünschungen galten ihr. Wenn sie doch nur im Vatikan geblieben wäre, wenn sie nur besser aufgepasst hätte.

Eine Hand legte sich warm auf ihre Schulter und das Zittern hörte kurz auf. Sie blickte neben sich und sah Nadir Daroga. Sein Blick war warm und trostspendend. Sie lächelte. Aber nur schwach. Dennoch war sie dankbar, dass er an ihrer Seite war und ihr zeigte, dass sie nicht alleine war. Und trotzdem jemand fehlte. Chris!

Wie gern hätte sie ihn jetzt bei sich.

Als die Trauerfeier schon längst vorbei war, saß Erin immer noch da und schaute vor sich ins Leere. Das Licht der Kerzen war schon fast erloschen und sie saß im Halbdunkeln. Rafael war später, als keiner außer ihr da war, zu ihr gegangen und hatte sich neben sie gesetzt. Winselnd legte er den Kopf auf ihr Knie und legte die Ohren an. Erin legte ihm die Hand auf den Kopf und streichelte ihn. „Er fehlt dir auch oder?“, fragte sie monoton und Rafael gab ein leises Bellen von sich.

„Ich glaube er fehlt allen!“, sagte plötzlich jemand neben ihr und sie drehte den Kopf herum. Nadir Daroga stand neben ihr, wie ein Geist, der aus dem Nichts aufgetaucht war.

„Aber bestimmt nicht so sehr wie mir!“, sagte sie. „Wie kommt es, dass Sie sich so gut an mich heranschleichen können?“

Nadir Daroga lächelte. „Ich kann mich eben gut leise bewegen!“

„Wir müssen hier weg!“

seine Worte ließen sie zusammenzucken und sie schaute ihn verletzt an. „Wieso?“

„Weil es hier nicht mehr sicher ist!“, erklärte er knapp und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Erin runzelte die Stirn. In der ganzen Trauer um ihren Ziehvater konnte sie nicht denken und auch nicht verstehen, was er meinte. Nadir sah ihre Ratlosigkeit und seufzte schwer. „Ich persönlich glaube kaum, dass es sich um einen menschlichen Mörder handelt!“

Erin sah ihn immer noch ratlos an, doch dann wurde in ihr ein Gedanke wach. Kein menschlicher Mörder.

„Soll das heißen, dass Sie einen Dämon dafür verantwortlich machen?“, fragte sie dann und das Gefühl, andere mit ins Unglück zu reißen, kehrte mit solcher Wucht zurück, dass es ihr die Kehle zusammen schnürte. Nadir nickte. „Ja. Dass dieser Dämon hier reinkommen konnte zeigt, dass er sehr mächtig sein muss!“, erklärte er. „Und darum ist es wichtig, dass wir den Vatikan verlassen. Ich bin mir sicher, dass das nur der Auftakt war. Der Dämon ist immerhin hinter Ihnen her. Vergessen Sie das nicht, Erin!“

Erin sagte nichts, sondern schaute zu Boden. Nadir hatte Recht. Sie mussten von hier verschwunden, Auch wenn es hieß, dass sie ihr Zuhause erneut und vielleicht für immer verlassen musste. Sie mussten es. Um nicht noch mehr Menschenleben zu riskieren und zu verhindern, dass weitere Särge durch Rom getragen wurden. Ihr lief es kalt den Rücken hinunter und sie nickte. „Das werde ich bestimmt nicht!“, sagte sie und mit einem Male, wo noch Trauer und Schmerz sie erfüllt hatten, spürte sie nun den Hass und die Wut in sich aufsteigen. Ein Dämon!

Sicher der, den sie unter der Oper getroffen hatte. Das Phantom!

Erin verzog das Gesicht zu einer hasserfüllten Fratze und knurrte. Rafael hob den Kopf und wich etwas zurück. „Wissen Sie, wer es gewesen sein könnte?“, fragte Daroga und Erin blickte zu ihm hoch. „Ja, und ich schwöre, dass ich ihn nicht nur töten, sondern auch quälen werde. Ich werde ihn solange mit geweihtem Silber bearbeiten, bis er mich anfleht, ihm den Gnadenstoß zu geben!“

Nadir sah sie nur an und in seinem Gesicht spiegelte sich so etwas wie Missmut und Empörung. „Ist Rache nicht eine der sieben Todsünden?“ fragte er und Erin fchte und stand auf. „Todsünden nichts weiter als Gerede. Und außerdem ist es nur ein Dämon. Kein Mensch!“, sagte sie fauchend. „Wieso also sollte ich nicht diese Todsünde begehen!“

Damit schob die sich an ihm vorbei und ging.
 

2 Tage später
 

Schwacher Sonnenschein schien in das Büro des Verstorbenen. Feine Staubkörnchen tanzen in der Luft und leuchteten, als das Sonnenlicht auf sie traf. Erin saß am Schreibtisch und strich liebevoll über die polierte Oberfläche, die sich glatt und weich unter ihren Fingern anfühlte. In Gedanken ließ sie den Blick über den Schreibtisch wandern und ihr Blick blieb an einem Bild haften. Das Licht der Sonne schien darauf und verlieh dem goldenen Rahmen einen glänzenden Schimmer. Fast so als würde es im Licht Gottes glänzen. Erin lächelte wehmütig und nahm das Bild in die Hand. Sie erkannte sofort, was darauf abgebildet war. Das Bild zeigte sie und Kardinal Gregor. Der Kardinal um einiges jünger, ebenso wie sie. Damals, als das Bild aufgenommen wurde, war sie Achtjahre alt. Und grinste, mit ihren beiden geflochtenen Zöpfen in die Kamera, wie ein Honigkuchenpferd. Damals wusste nichts von der Aufgabe, die ihr bevorstand und es erschreckte sie, wie schnell diese Zeit der Unbekümmertheit vorüber war. Dennoch erinnerte sie sich ganz genau an das, was Gregor ihr meist über den Herren gesagt hatte.

„Wir sind alle Kinder Gottes. Er hat uns die Kraft gegeben, selbst die schlimmsten Zeiten zu überstehen. Und wenn wir einmal nicht weiterwissen, wenn uns die Kraft fehlt, so sollen wir beten!“

Erin spürte, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte, als sie sich diese Worte immer wieder ins Gedächtnis rief und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, sah als alles wie durch einen verschwommen Schleier. Und sie wischte sich die Tränen weg. Dann stellte sie das Bild zurück an seinem Platz und blickte erneut auf den Schreibtisch. All die Jahre hatte er hier gesessen und sie zu Recht gewiesen nicht unüberlegt zu handeln. Hatte ihre dummen Sprüche ertragen müssen und ihre seltene Arroganz. Ohne dass sich Erin bewusst war, wie sehr es ihn zu schaffen machte. Doch nun war er nicht mehr auf dieser Welt war, wurde sie sich das allzu sehr bewusst und sie seufzte gequält. „Ich hätte ihm eigentlich dankbar sein sollen. Dass er sich meiner annahm und mich aufzog, wie sein eigen Fleisch und Blut!“, dachte sie voller Reue und das schlechte Gewissen, was sie erfasste hatte, nahm ihr die Luft zu atmen. Zittrig holte sie tief Luft und hob die Faust. Sie ließ sie einige Minuten in der Luft schweben und bewegte sie hin und her. „Ich hätte ihm sagen sollen, wie viel er mir bedeutet...!“, sagte sie und musste gegen die neuen Tränen krampfhaft ankämpfen. „Verdammt!“

Mit diesem Wort ließ sie die Faust auf die Oberfläche des Schreibtisches nieder sausen und ignorierte den darauf folgenden Schmerz, der sich in ihrer Hand ausbreitete.

Da hörte sie etwas poltern und schaute auf. Zunächst dachte sie, es wäre etwas runter gefallen, doch als sie nichts auf dem Boden sehen konnte, schaute sie wieder den Schreibtisch an und sah, dass eine der dunklen Schubbladen hinausgerutscht waren. Erin runzelte die Stirn. Gregor pflegte doch immer, seine Schubbladen sorgfältig ab zu schließen. Wieso war dieser also offen?

Neugierig streckte sie die Hand aus und verharrte kurz in der Bewegung. Eigentlich sollte sie nicht in den privaten Angelegenheiten ihres Ziehvaters herumschnüffeln.

Aber was ist wenn dort ein Hinweis auf seinen Mörder versteckt war.

Als ob das nötig gewesen wäre, da sie ja wusste, wer ihn getötet hatte. Erin rang mit sich. Es war zum verrückt werden. Einerseits achtete sie das private eines Verstorbenen und es ging sie auch nichts an. Aber andererseits...war sie von Natur aus neugierig und ein einziger Blick in die Schublade konnte ja nicht schaden. Entschlossen griff sie nach dem Knopf und zog mit einem Ruck die Schubblade auf. Nichts!

Keine Papiere, keine Notizen, die ihr irgendwie geholfen hätten. Enttäuscht seufzte sie und wollte schon die Schubblade schließen, als sie etwas helles Rechteckiges sah. Ein Brief. Ungeöffnet.

„Nanu?“, fragte sie sich und nahm den Umschlag heraus. Es war weder ein Absender noch ein Empfänger drauf. Erin drehte den Umschlag und sah, dass auf der Seite, an der man den Brief konnte, nur einziges Wort stand. Oder vielmehr ein Name.

Erin!

Erin schluckte. Sie erkannte die Handschrift. Es war die Schrift von Kardinal Gregor und Erin glaubte einen dicken Kloss im Halse zuhaben. Alles in ihr schrie danach den Umschlag einfach wieder wegzulegen oder ihn gar zu zerreißen. Doch eine Stimme wisperte ihr immer wieder zu, dass sie den Brief lesen sollte.

Vorsichtig öffnete sie diesen und holte den Brief hervor. Die Schrift war schon fast verblasst. Dennoch konnte sie alles genau entziffern und schon einziger Blick auf das Datum reichte aus, sie in die schwarze Tiefe zu werfen.
 

18. August 1999
 

Das war an dem Tag, als sie diesen Brief von diesem X. bekommen hatte. Erins Herz klopfte, als sie las, was Kardinal Gregor in diesem Brief verfasst hatte.
 

„Erin, meine liebe Erin. In all den Jahren, in denen ich dich aufwachsen gesehen und erlebt habe, hatte ich es niemals bereut, mich als deinen Vater zusehen. Und auch wenn wir nicht blutsverwandt sind, solltest du wissen, dass du immer meine Tochter sein wirst. Leider habe ich dir etwas verschwiegen. Du weißt, dass wir dich vor den Toren des Vatikans gefunden haben, aber nicht von wem. Ich habe mich erkundigt und den Namen deiner Mutter, Gott habe sie selig, erfahren. Ihr Name war Caroline Esperance!“
 

Erin riss die Augen weit auf. Esperance- Hoffnung!
 

„Sie kam aus Frankfreich und wuchs in mittelschichtigen Verhältnissen auf. Es gab Gerüchte, dass sie etwas mit einem Adeligen hatte und ein Kind dabei hervorkam. Ich fürchte Erin, dass du dieses Kind warst und bist. Es war mir nicht möglich noch mehr darüber in Erfahrung zu bringen, da die Familie des Adeligen alle jeglichen Fragen auswich und es keine anderen Quellen gab. Das einzige, was ich dir sagen ist das, was du liest und das einzige, was ich dir geben kann, was deine Mutter dir vermacht hat, ist diese Maske. Ich hoffe du kannst mir vergeben!“
 

Erin legte den Brief nieder und schaute nur vor sich hin. Das was sie da gelesen hatte schien ihr bekannt vorzukommen und sie erinnerte sich daran, was Louis de Chagny kurz vor seinem Ableben berichtet hatte.

„Caroline war die Affäre meines Bruders. Er starb vor ein paar Jahren. Auf jeden Fall, war er bereits verheiratet, aber dies hielt ihn nicht davon ab, sich eine zweite Frau zu suchen. Oder zumindest eine Geliebte. Soviel ich erfuhr, wurde sie schwanger und seine Ehefrau, meine Schwägerin bekam es heraus. Sie können sich ja vorstellen, was das für ein Chaos gab!“
 

Es war als stürze eine Welle bitterer Wahrheit über sie ein. Nun hatte sie auch den letzten Beweis. Wobei sie sich wünschte, ihn niemals gefunden zu haben. Tränen tropften auf die Fläche des Schreibtisches und Erin versuchte erst gar nicht, diese wegzuwischen. Es würde sowie nichts bringen.

Und weinen war ja bekanntlich das beste Mittel gegen Kummer.

Nadir Daroga klopfte an den Türrahmen und Erin schaute auf. „Sind Sie soweit?“, fragte er, ohne dass sie etwas gesagt hatte und Erin zögerte kurz. Sie blickte noch einmal zu dem Bild, auf dem sie und er ihr Ziehvater waren und griff danach. Wenn sie ging, so wollte sie immerhin etwas dabei haben, was sie an ihr Zuhause und an die Liebe, die sie für ihren Ziehvater empfunden hatten erinnerte. „Ja, bin ich!“, sagte sie und stand auf.
 

Die Fahrt war lang und alles andere aus angenehm. Sie mussten wahre Schleichwege fahren und sich durch die Zölle schmuggeln. Rafael lag auf dem Rücksitz und Erin musste ihn mehr als einmal ermahnen still zu sein
 

Es war schon spät, als sie das Hotel erreicht hatten und Erin sich aufs Bett warf. Sie war müde, verschwitzt und ziemlich hungrig. Rafael torkelte neben sie und lief sich zu Boden sinken. Nadir Daroga schloss die Tür.

„Und ich dachte, meine Schleichwege seien schlimm!“, grummelte sie und vergrub das Gesicht in den Kissen. Nadir ließ sich auf einen kleinen Sessel nieder und legte den Kopf zurück. Auch er war müde. Er musste stets darauf achten, sich nicht zu verraten und dafür zu sorgen, dass man Erin nicht sah. Er ahnte schon, dass die französische Polizei sicherlich die Suche ausgeweitet hatte, um sie zu finden. Und das die Polizei von Russland ebenso nach ihr suche. Er seufzte schwer und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es würde mit Sicherheit nicht leicht werden, Erin vor der Polizei versteckt zu halten.
 

Hart prallte der Kopf des Bruders gegen die Wand und statt nachunten zu rutschen, wurde er eisern hochgehalten. Die Hand, die sich um seinen Hals schloss drückte unbarmherzig zu und schnürte ihm die Luft ab. Bruder

Gilmore versuchte sich aus dem Griff zu befreien, doch die Frau grinste nur. „Dummer kleiner Mensch!“, höhnte sie.

Es war ganz leicht gewesen hier einzudringen. Nichts was man dem Vatikan nachsagte, stimmte. Die Macht Gottes hatte hier für sie keinen Einfluss. Dafür war sie zu mächtig, zu überlegen. „Was...was wollen Sie von mir?“, würgte er. „Die schwarze Bestie!“, platzte es aus Ramona und die Frau, die den Mann gepackt hielt drehte sich zu ihr herum. Ungehalten blickte sie sie an und wandte sich wieder dem zappelnden Menschen zu. „Wo ist sie?“

Bruder Gilmore schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht!“, keuchte er.

Die Frau legte den Kopf schief und die weiße Schlange schlängelte sich durch ihr Haar hindurch und umschlang sanft ihren Hals. Der Ordensbruder verzog verängstigt das Gesicht. Die Schlange kroch weiter vor, sodass ihr Kopf nahe an dem Gesicht des Mannes war und öffnete ihr Maul, entblößte dabei ihre spitzen Giftzähne. Die Frau grinste. „Du lügst!“, sang sie förmlich und die Zunge der Schlange schnellte hervor. Leckte über die Wange des Bruders. „Du weißt sehr wohl, wo sie ist. Also...wo?“

Der Griff um seinen Hals wurde stärker. Dennoch sagte er nichts und drehte den Kopf zur Seite. In seinem Gesicht machte sich ein Ausdruck unüberwindlicher Sturheit breit. Hart presste er die Lippen aufeinander. Aus ihm würde sie kein Wort herausbekommen.

Die Frau, mit den weißen Haaren schnaubte und drückte zu. Sie sah keinen Grund ihn noch länger am Leben zulassen. Bruder Gilmores Augen weiteten sich und versuchte ihre mörderischen Klauen von seinem Hals zu ziehen, doch die Hände lagen so eng an seiner Kehle und waren so hart, dass diese wie aus Stein zu sein schienen.

Die Frau drückte weiter zu, wollte ihm schon das Genick brechen. Als Ramona aufschrie. „Argh!“

Ruckartig drehte sich die dämonische Frau um. „Was ist?“, fragte sie verächtlich und sah zu ihr. Ramona stand hinter dem Schreibtisch und hatte einen Zettel in der Hand. Ihr Gesicht war voller Wut und Hass. Ihre Hände zitterten und sie fletschte die Zähne. „Das...das gibt es nicht!“, fauchte sie und ließ den Zettel sinken. „Was soll es nicht geben?“, fragte sie und hielt immer noch den Mann fest. „Diese...diese Schlampe...wie konnte sie,...das...das werde ich ihr niemals verzeihen!“, keuchte sie und schlug mit den Fäusten auf den Tisch. Die Frau rollte die Augen. „Was denn...spuck es endlich aus!“, grollte sie.

„Sie...sie ist meine Schwester. Dieses Luder Erin ist meine Schwester!“, fauchte sie. „Oh, wirklich. Das ist interessant!“, höhnte die Schlangenfrau und grinste. „So findest du. Glaubst du es ist interessant, das mein Vater meine Mutter wirklich mit einer billigen Nutte betrog!“, tobte sie. „Nun das könnte doch von Vorteil sein. Für dich natürlich. So kannst du deinem Rachedurst noch mehr Nahrung geben!“

„Bah, was bringt mir das!“, fauchte Ramona und zerriss den Brief. „Eine Menge!“
 

Chris stand vor dem imposanten Gebäude, dessen Zinnen sich Meter hoch in den Himmelstreckten. Es hatte es beruhigendes und auch heiliges. Und hier sollte Erin leben?

Er konnte es nicht glauben. Fast schon dachte er, er hätte sich geirrt. Aber doch dann verwarf er den Gedanken wieder. Immerhin hatte Erin selbst erzählt, dass sie hier lebte. Mehr oder weniger.

Chris stieg die Stufen empor und klopfte an die kleine Pforte. Sofort machte ein Mönch auf und schaute ihn neugierig an. „Ja, bitte?“, fragte er und Chris nickte höflich. „Bonjour. Mein Name ist Chris Adea. Ich möchte gerne zu Mademoiselle Erin!“

Der Mönch runzelte die Stirn. „Was möchten Sie von Seniorina Erin?“, fragte er und schaute ihn nochmals aufmerksam an. Offensichtlich hatten diese Mönche nicht oft Besuch. Und besonders nicht wenn dieser Besuch für Erin war. „Ich...ich bin ein guter Freund. Und würde sie gerne treffen!“, erklärte er. Der Mönch schaute ihn immer noch skeptisch an und Chris konnte deutlich spüren, dass der Mönch misstrauisch wurde. „Woher wissen Sie überhaupt, dass sie hier ist?“, fragte der Mönch und Chris wurde es allmählich zu dumm. Immerhin schwebte Erin wahrscheinlich in großer Gefahr. Und er musste ihr helfen. „Das ist nicht so wichtig. Bitte, ich muss sie sehen. Ich muss wissen, ob es ihr gut geht!“, drängte Chris und drückte etwas die Pforte auf. Doch der Bruder wich nicht zurück, sondern blieb standhaft stehen. „Es geht ihr gut, und sie ist zu Zeit auf Reisen!“, sagte er und wollte schon die Pforte schließen, als Chris die Hand gegen das Holz drückte und die Tür aufdrückte. „Kann ich mich wenigstens umsehen. Es geht um den Mord. Ich möchte der Sache nachgehen!“, bat er ihn und der Mönch runzelte die Stirn. „Woher...!?“

„Ich bin Polizist. Man hat mich damit beauftragt!“, log er schnell und zog seine Polizeimarke hervor. Der Mönch machte große Augen und sah dann Chris an. „Sind Sie wirklich damit beauftragt?“, fragte er und Chris war drauf und dran, ihm ins Gesicht zu springen. „Ja!“, knurrte er und er wollte dem Mönch schon sagen, dass es strafbar sei, deinen Polizisten bei den Ermittlungen zu stören, als der Mönch zurückschritt und ihn hinein treten ließ.

Ohne jegliche Umschweife geleitete er den jungen Polizisten zu dem Büro des verstorbenen Paters. Er öffnete die Tür und ließ ihn eintreten. „Bitte!“, sagte er und machte ihm Platz. Chris schaute sich aufmerksam um. Er sah nichts Auffälliges und war sich sicher, dass die Kollegen aus Italien schon sämtliche Spuren aufgenommen hatten. „Brauchen Sie mich dann noch?“, fragte der Bruder und knetet nervös seine Hände. Chris drehte sich zu ihm um und sah, dass er ziemlich nervös war. „Nun ich würde Ihnen noch einige Fragen stellen!“, sagte er und der Bruder schaute nervös drein. „So, und was für welche?“

„Wer den Toten gefunden hatte ob man einen Täter gesehen hat!“, erklärte Chris und schaute zu der Tür, die der Bruder sorgfältig geschlossen hatte. „Wieso sind Sie so nervös?“, fragte er. Der Bruder drehte sich kurz zur Tür, so alt würde er befürchten, dass man ihn belauscht. Dann wandte er sich wieder zu dem jungen Mann und kam auf ihn zu. „Hören Sie. Sie sollten nicht hier sein!“, flüsterte er und Chris runzelte die Stirn. Wieso sprach er so leise. Sie waren doch alleine hier.

„Und wieso?“, fragte er, ebenso gedämpft. Der Mönch schaute sich um, als würde sich hier jemand verstecken. „Weil das alles hier...!“, sagte und brach mitten im Satz ab. Chris schaute ihn gespannt an und wartete darauf, dass er weitersprach, doch dann verdrehten sich die Augen des Mönches und er brach tot zusammen. In seinem Rücken steckte ein Doch. Chris wich zurück und starrte entsetzt auf den Toten. Minuten lang konnte er sich nicht rühren und in seinem Kopf herrschte ein Durcheinander. Das hatte ihn vollkommen überrascht und in ihm wurde eine ungute Ahnung wach.

Sie sollten nicht hier sein!

Das der Mönch tot ist, ist sicher kein Zufall.

Weil das alles hier...!

„Ist eine Falle!“, sagte er leise und hörte ein leises Lachen. Ruckartig drehte er sich um und sah zu dem Lehnsessel, der bis jetzt umgedreht war und er nicht sehen konnte, ob jemand darin saß. Doch nun drehte sich der Sessel herum und eine Frau grinste ihn breit an. „Wer...wer sind Sie?“, fragte er und wich zurück. Doch die Frau grinste und entblößte dabei nadelspitzte Eckzähne.

Chris spürte auf einmal, wie es ihm eisigkalt wurde. In seinem Bauch machte sich ein dicker Kloss breit und eine Stimme in seinem Kopf sagte, dass diese Frau alles andere als normal war. Die Frau schaute ihn böse grinsend an und Chris sah, wie sich eine weiße Schlange aus ihrem ebenso weißen Haar schlängelte und sich an sie schmiegte. Böse zischend zeigte die Schlange ihre Giftzähne. Chris machte einen Schritt zurück und tastete nach der Tür. Da erhob sich die Frau, machte jedoch nicht den Versuch ihn aufzuhalten. Sondern grinste nur weiterhin und Chris hatte schon die Türklinke in der Hand, als er plötzlich einen harten Schlag ins Genick bekam. Chris japste nach Luft und vor seinen Augen wurde alles schwarz.
 

Als Ramona den jungen Mann erkannte, den sie K.O geschlagen hatte, wurde sie blass. „Oh verdammt, das ist Chris!“, sagte sie entsetzt und griff sich an den Kopf. „Ja und?“, fragte die Frau und kam um den Schreitisch herum. „Ja und?“, platzte es aus Ramona und sah sie fassungslos an. „Was meinst du, was los sein wird, wenn seine Kollegen nach ihm suchen werden und schließlich den Toten finden werden!“

„Beruhig dich!“, sagte die Frau. „Den Teufel werde ich tun. Uns ist die Sache viel zu heiß geworden. Mir ist sie zu heiß geworden!“, sagte Ramona und schaute auf den bewusstlosen Chris. Die Frau schaute sie kaltgrinsend an, dennoch lag in ihren Augen etwas, was einer Drohung nahekam. „Soll das heißen, dass du aussteigen willst?“, fragte sie und kam auf sie zu. Sofort wurde Ramona unwohl und sie trat nervös von einem Fuß auf den anderen. „Ne-nein, aber...!“, stotterte sie. „Was aber?“, fragte die weiß haarige Frau und schaute ihr direkt in die Augen. Ramona biss sich auf die Unterlippe und schaute hilfesuchend zur Tür, als die Frau sie am Hals packte. „Soll das heißen, dass du aussteigen willst?“, fragte sie wieder und die Schlange zischte warnend. Ramona versuchte sich, genauso wie Bruder Gilmore, zu befreien. Doch es war vergeblich. „Willst du aussteigen, Ramona?“, fragte sie wieder und es war nun mehr als ein Knurren. „Wenn ja, musst du nur etwas sagen!“

Mit diesen Worten kroch die Schlange nachvorne und ihre dünne Zunge zuckte vor, sodass sie Ramona über ihre Haut strich. Ramona erschauderte und wand sich in ihrem Griff. „Ich…ahhh!“, keuchte sie und schaute die Frau flehend an. „Los sag schon. Bist du drinnen oder draußen?“, drohte sie und drückte fester zu. Schon tanzten rote Sterne vor Ramonas Augen und sie spürte, wie ihr die Luft knapp wurde. Am liebsten wollte sie sagen, dass sie draußen ist. Sie wollte nicht noch mehr in Schwierigkeiten geraten. Dass sie gemeinsam den Direktor und ihren Onkel beseitigt haben, hatte ihr schon nicht behagt. Aber das sie nun auch noch den und den Mönch ermordet und Chris in ihrer Gewalt hatten, war zu viel. Doch Nein sagen konnte sie nicht. Sicher würde diese Frau ihr noch schlimmere Dinge antun, als das, was sie mit den Dienstmädchen gemacht hatte.

Also blieb ihr nichts andere übrig, als zu nicken. „Ich...ich bin drin!“, sagte sie stockend und sogleich ließ die Frau sie los.

Schwer nach Luft ringend griff sich Ramona an den Hals und sog tief Luft ein. „Na also, wieso nicht gleich so!“, sagte die Frau und ging einige Schritte zurück. Dann schaute sie auf Chris nieder, der immer noch bewusst los war und grinste böse. „Und nun kommen wir zu ihm!“, sagte sie und stieß ihn mit dem Fuß an. „Du hast ihn ganz schön hart getroffen. Gut gemacht!“

„Tse!“, gab Ramona von sich. „Was machen wir jetzt?“

Die Frau schaute immer noch auf Chris runter und in ihrem Gesicht machte sich ein nachdenklicher Ausdruck breit. „An diesem Mann klebt ihr Gestank!“, dachte sie und verzog angewidert das Gesicht. Außerdem hatte sie in seinen Gedanken etwas gesehen. Ihr Gesicht, gemischt mit vielen Gefühlen. Sorge, Angst. Liebe. Missbilligend verzog sie das Gesicht und musste den Drang auf ihn zu spucken unterdrücken. Wenn sie etwas nicht leiden konnte, dann das die Menschen sich wegen anderen in Gefahr brachten. Und da kam ihr ein Gedanke. Wenn er sich schon Sorgen um sie machte, würde es nicht genauso umgekehrt sein?

Ramona wollte sie schon schubsen. Es reichte ihr, hier nur dumm rumzustehen und Angst zu haben, entdeckt zu werden. „Hey, was machen wir jetzt?“

Die Frau drehte sich zu ihr herum und grinste kalt.
 

Es war dunkel und sie war ganz allein. In der Ferne hörte sie ein Knistern.

Minuten lang passierte nichts, doch dann tauchte ein schwacher Schein auf, der unregelmäßiges aufzuckte. Erin schluckte und machte, ohne es richtig zu wollen, einen Schritt nachvorne. Ging auf den schwachen schein zu und streckte die Hand aus. Das Knistern wurde mit einem Male laute und auch der Schein wurde heller. Erin kam näher und sogleich schlug ihr kaum aus zu haltende Hitze entgegen. Der Schein wurde heller und blendete sie. Sie wandte sich ab und hielt schützend die Hand nachvorne und schrie. Etwas hatte ihr die Hand verbrannt und sie blickte auf diese. Ihre Haut war verbannt und schmerzte entsetzlich.

Ein Lachen erscholl und sie blickte nach vorne. Schlagartig wurde sie nach hinten gerissen und konnte sich gerade noch fangen. Vor ihr war eine meterhohe Flammenwand und Erin konnte deutlich die Hitze auf ihrer Haut spüren. Sie glaubte dabei selbst in Flammen zu stehen. Es war einfach unerträglich. In dem Knistern des Feuers mischte sich das Wehklagen ein und Erin wagte es, in die Flammen zu schauen. In ihnen sah Erin die schmerzerfüllten Gesichter der gepeinigten Seelen und sie spürte, wie die Angst sie ergriff. Schnürte ihr die Luft ab und lähmte sie. Da tauchte etwa schwarzes aus der Flammenwand. Es war oval und auf ihrer Höhe. Als es näher kam, schnappte Erin nach Luft. Aus der Flammenwand war die Maske erschienen. Die Maske, die sie im Büro des Paters gefunden hatten.

Flammenzungen krochen aus den leeren Augenhöhlen und schlangen sich um sie, wie eine Schlange. Erin wehrte sich und drehte den Kopf weg. Die Flammen strichen über ihre geschlossenen Augen. Wie Finger griffen die Flammen nach ihren Augen und zwangen sie, diese zu öffnen. Erin schrie. Es schmerzte. Als ihre Augen offen waren, bohrten sich die Flammen in ihre Augen und der Schmerz wurde unerträglich. Erin versuchte sich aus der Gewalt der Flammen zu befreien, doch vergebens. Das Feuer hatte sie fest in seinem Griff und zwang sie in die Flammenwand zuschauen.

Plötzlich tauchten Bilder auf, die wie Blitze vor ihr auftauchten. Der Direktor, Louis de Chagny, ihr Ziehvater. Alle tot.

Und dann noch jemand. Chris!

Er lag auf dem Boden, mit weit aufgerissen Augen und aufgerissene Brust. Eine weiße Schlange schlängelte sich auf ihm und hatte sich aufgebäumt. Hämisch grinsend zeigte sie ihr ihre Giftzähne.

„Nein!“, schrie sie auf und riss die Augen auf. Schwer nach Luft ringend richtete sich auf und wusste zunächst nicht, wo sie war. Doch als sie die Umgebung erkannte, sank sie wieder aufs Bett und legte den Arm über ihr Gesicht. Tief holte sie Luft und versuchte ihr wildschlagendes Herz zu beruhigen.

Erin hatte jegliches Zeitgefühl verloren. In den letzten Tagen waren sie quer durch Europa und außerhalb gereist. Nadir Daroga und sie blieben nicht länger, als einen oder zwei Tage. Sie war müde und hatte dennoch kein Auge in der Nacht zugetan. Ständig wurde sie von schrecklichen Träumen geplagt und sie vermochte es nicht mehr, zu schlafen.

Dass ihr vorhin die Augen zufielen, vor lauter Erschöpfung und Müdigkeit bereute sie bitter. „Wann hören endlich diese Träume auf?“, fragte sie sich. „Erst wenn du sie geschnappt hast!“, sagte Nadir Daroga und Erin nahm den Arm runter. „Dann lassen Sie uns zurückgehen. Je eher ich dieser verdammte Dämonin, oder was auch immer sie ist, kriege, desto besser!“

„Wir können noch nicht zurück!“, sagte er beharrlich und Erin schnaubte. Sie setzte sich auf und schaute grimmig vor sich hin. Wie sehr sie es hasste, hier nur dumm rumzusitzen und darauf zuwarten, dass der Dämon oder was auch immer hinter ihr her war, irgendwann das Interesse verlor, oder irgendwann vor der Tür stehen würde.

„Ich halte dieses Warten aber nicht mehr aus. Dieser Dämon und dieser Bote des Teufels werden wohl kaum das Morden lassen, nur weil sie es auf mich abgesehen haben!“, sagte sie und breitete spöttisch die Arme aus. „Sie werden es auch nicht lassen, wenn du dich gegen sie stellst!“, erwiderte Daroga und in seiner Stimme klang deutlich bitterer Ernst mit.

„Oh, ich hasse es!“, fauchte sie. „Wäre ich bloß in Rom geblieben, hätte ich bloß nicht diesen Brief bekommen, oder gelesen. Dann wäre das alles nicht passiert!“

„Leider kann man die Vergangenheit nicht mehr ändern!“

„Hmpf!“, gab Erin nur von sich und ging im Kopf nochmal die Geschehnisse durch. Alles hatte nur mit diesem Brief angefangen. Nur deswegen, war sie jetzt so tief drin. Und nur deswegen, mussten unschuldige Menschen ihr Leben lassen. So langsam entwickelte sie einen tiefen Hass auf diese Brut. Wieso nur hatte sie sich nach Paris begeben.

Weil ein mysteriöser Mr. X sie bat sich mit ihm zutreffen. Ihr war es schon von Anfang an komisch vorgekommen und sie hätte die Einladung einfach ignoriert. Doch ihre seltene, dafür starke Neugier hat sie nach Paris und somit das Rad des Schicksals in Gang gebracht.

Sie blickte zu Daroga, der in einem kleinen Sessel saß und die Augen geschlossen hatte. Unter diesen waren dunkle Ringe. Er hatte genauso wenig ein Auge zu machen können. Dabei musste er sich nicht Sorgen machen, um das was passieren könnte, wenn nicht bald etwas gegen dieses Morden ein Ende gemacht wird.

Dabei musste sie wieder an den Brief denken und den ganzen Ärger, den er ihr eingebrockt hatte. Aber da war noch etwas. Als sie in Paris ankam, hatte sich dieser Mr. X nicht blicken lassen. Erst als sie in Schwierigkeiten steckte, kam jemand, der ihr half. Nadir Daroga.

Dabei hatten sie sich noch nie gesehen, beziehungsweise, konnte er nicht ahnen, wo er sie finden würde. Genauso wenig konnte er wissen, wo sie lebte. Bis jetzt hatte sie sich keine Gedanken darüber gemacht, da andere Dinge sie beschäftigt hatten. Doch jetzt, wenn sie genau darüber nachdachte, stellte sich ihr schon die Frage, woher er überhaupt von ihr wusste und sie behandelte, als seien sie sich vertraut.

„Woher wussten Sie, wo sie mich finden?“, fragte sie und Daroga öffnete die Augen. „Wieso fragen Sie mich das, Erin?“, erwiderte er. Erin hob die Schultern. „Aus reiner Neugier?!“

lange Zeit sagten sie beide nichts und es schien Erin wie eine Stunde vorzukommen, ehe er weitersprach. „Ich konnte Sie leicht finden, da Gregor mir half!“

Erin schüttelte den Kopf. „Nein, das meine ich nicht. Sie wussten nicht nur, wo ich mich aufhielt, sondern auch wo ich wohne. Sie konnten sonst diesen Brief an mich schreiben!“

Daroga runzelte die Stirn. „Brief?“, fragte er. „Was für ein Brief!“

Erin rollte die Augen. Das konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen. „Hören Sie auf sich dumm zustellen. Ich weiß ganz genau, dass Sie mir diesen Brief geschrieben haben. Wieso konnten Sie sonst mich aufspüren? Da zumal der Treffpunkt in Paris festgelegt war!“

„Erin, ich habe erst später von Ihrem Aufenthalt in Paris erfahren!“, sagte er. „Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht mal, wo Sie sind. Ich habe ganz Europa nach Ihnen abgesucht. Bis ich zum Vatikan kam!“, erklärte er und Erin starrte ihn nur schweigend an. Was hatte er da gerade gesagt?

Er hatte sie gesucht und nicht vorher gewusst, wo sie steckt. Aber das konnte doch nicht sein. „Was?“, keuchte sie und merkte, wie sie blass wurde. Nadir schaute sie für einen kurzen Moment an und schien ihre Fassungslosigkeit geradezu zu spüren. Sein Gesicht machte einen nachdenklichen Ausdruck. „Hm, könnte es nicht sein, dass ein anderer den Brief verfasst haben könnte?“, fragte er mit leiser Stimme und Erin blickte ihn verwirrt an. „Wie meinen Sie das?“

„Nun, kann es nicht sein, dass jemand anderes diesen Brief verfasst haben könnte. Jemand der auch Interesse hatte, Euch in Paris anzutreffen!“

Schlagartig musste sie an den Dämon, an das Phantom denken. Sie hatte sein Zuhause niedergebrannt und nun sinnte er nach Rache. Aber was ist mit dem anderen Dämon. Er ist genauso hinter ihr her, wie das Phantom.

Und was, wenn beide gemeinsame Sache machten?

Erin schauderte. Kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn und sie merkte, wie ihr schwindelig wurde. Wankend stand sie auf und machte langsame Schritte. „Wohin gehen Sie?“, fragte Daroga und schaute ihr nach, als sie sich zu einer Tür begab. „Ich muss ins Bad. Mir ist schlecht. Das war alles zu viel für mich!“, sagte sie und öffnete die Tür. Im Bad war es angenehm kühl und Erin drehte den Wasserhahn auf. Ließ kaltes Wasser in die Hände laufen und schüttete es sich ins Gesicht. Die Kälte tat ihr gut und nahm ihr das Schwindelgefühl. Paarmal klatschte sie sich noch etwas Wasser ins Gesicht und drehte dann den Hahn zu. Sie griff nach einem Handtuch und trocknete sich das Gesicht. Tief atmete sie ein und versuchte, dass soeben besprochene zu verdauen. Noch immer hatte es sie schockiert, dass nicht Daroga den Brief, sondern entweder einer dieser Dämonen, oder beide ihn geschrieben haben könnten. „Was wenn das alles geplant war?“, fragte sie sich und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Wenn ja, dann...

Plötzlich packte sie eine eisige Kälte und sie blickte in den Spiegel. Hinter ihr stand Chris. Sein Gesicht leichenblass, seine Augen leer. Und an seinem Hals klaffte eine tiefe Wunde. Erin blieb wie erstarrt stehen und konnte nicht den Blick von dem Spiegel lassen. An den Kacheln hinter ihr, waren mehrmals mit roter Farbe zwei Worte geschrieben. Mort und Loup!

Tod und Wolf!

Erin wusste, dass sie damit gemeint war. laut Nadir war sie der Wolf und Tod war das, was sie hinterließ. In der Luft hing ein bleierner Geruch. Blut!

Die Worte, deren einfacher Inhalt sie betrafen, waren mit Blut geschrieben. Erin wurde wieder schlecht und sie stürzte zur Toilette um sich zu übergeben.

Nadir blickte zu Tür und in seinem Gesicht machte sich große Sorge breit. Er hatte schon geahnt, dass das alles zu viel für sie war. Er blickte zu Rafael, der ebenso besorgt zu der Tür schaute und leise winselte. Er winkte ihn zu sich heran. Der schwarze Wolf folgte und tabste zu ihm. Ließ sich den Kopf kraulen und legte den Kopf auf Darogas Knie. „Du machst dir genauso große Sorgen um sie. Nicht wahr?“, fragte er und der Wolf bellte leise. Daroga lächelte sanft. „Für jeden ist das nicht leicht, wenn man weiß, dass man, obwohl in den Händen Gottes aufwuchs, eigentlich ein Diener der Finsternis ist. Aber ich bin mir sicher, dass sie wieder zu sich kommt!“, sagte er.

Erin stützte sich am Waschbecken ab und hatte immer noch den ekelhaften

Geschmack von Galle und Erbrochenem im Mund. Hastig drehte sie wieder den Wasserhahn auf und schöpfte sich Wasser in den Mund. Spuckte noch einmal und drehte den Hahn erneut zu. Lange stand sie da und hatte den Kopf gesenkt. Wollte nicht in den Spiegel schauen, aus Angst wieder diesen schrecklichen Anblick zu sehen. Sie schloss die Augen und holte tief Luft. Das alles war einfach zu viel für sie gewesen. Trotz all der Jahre, in denen sie schon so manches Abscheuliches gesehen hatte, hatte sie das doch ziemlich erschüttert. Nach all dem, was geschehen war, hatte sie sich einfach nicht mehr halten können. Und sie schämte sich nicht, dass sie schwach geworden war. Jeder Mensch hatte seine Schmerzgrenze und die hatte sie überschritten. In ihr ging so viel durch. Die Angst um Chris, der Hass auf diese beiden Bastarde und die Trauer um ihren geliebten Ziehvater.

Diese Gefühle schienen wahre Strudel in ihr zu bilden, die sich dann zu einem einzigen vereinten und ein tiefes Loch in ihr rissen. Hass, Angst und Trauer. Drei Gefühle, vollkommen in der Finsternis sich ständig kreisend und immer tiefer bohrend. Erin biss sich auf die Unterlippe. Sie spürte deutlich, wie es sich immer tiefer in ihre Seele bohrte und hineinfraß. Ihre Finger, die den Rand des Waschbeckens umfassten, verkrampften sich und ihre Nägel zerkratzen die Keramik. Lange blieb sie so stehen und der Hass schien immer mehr die Oberhand zu gewinnen. Erin öffnete die Augen wieder und schaute erneut in den Spiegel. Doch statt Chris und die mit blutbeschmierten kacheln, sah sie nun die beiden Dämonen als schattenhaften Gestalten. Hinter ihnen noch einen. Doch dieser war größer, als sie und hatte die Form eines Wolfes. Mit einem gefährlichen Heulen schlang sich dieser um die beiden und die Schatten vergingen, schmerzhaft aufschreiend im Feuer.

Erins Hände lösten sich vom Rand des Waschbeckens und ballten sich zu Fäusten. Finster starrte sie den Spiegel an und spürte, die plötzliche Hitze in sich aufsteigen. Ihre Wangenknochen traten hervor und sie presste die Kiefer aufeinander. Ihr Blick wurde noch finsterer und sie glaubte, ihre Augen würden ganz schwarz werden.

Sie hatte genug. Sie wollte nicht mehr wegrennen und darauf hoffen, dass der Dämon und beide sich selbst zeigen würden. Dafür war es zu spät. Zu viele Menschen waren gestorben und sie würde dem ganzem nun ein Ende setzen. „Es reicht. Ich habe genug!“, knurrte sie und der Spiegel zersprang.

Daroga sprang erschrocken auf, als er das Splittern von Glas hörte und wollte schon zum Bad, als Erin die Tür aufmachte und grimmig vor sich hinstarrte. Er wich zurück, als sie das Zimmer betrat und Rafael senkte augenblicklich den Kopf. Er winselte leise und zog demütigt den Schwanz ein. „Erin, was ist mit Ihnen?“, fragte Daroga und ging auf die junge Frau zu. „Es reicht mir. Ich bin es Leid, mich zu verkriechen!“, sagte sie knurrend und Daroga wich augenblicklich zurück. „Ihre Stimme, sie ist so anders!“, dachte er und es lief ihm kalt den Rücken runter.

Erin drehte den Kopf und schaute ihn über die Schulter finster an. „Ist was?“, fragte sie und Daroga schüttelte den Kopf. Am liebsten hätte er ihr gesagt, dass er das für keine gute Idee hielt. Da immer noch die Gefahr bestand entdeckt zu werden, doch es genügte ein Blick von ihr und sein Versuch, sie zum Blieben zu bewegen, blieb unausgesprochen. Sie drehte sich wiederherum und verließ das Haus. Daroga und Rafael folgten ihr.
 

Es war noch dunkel, als sie im Vatikan auftauchten. Und trotz das Erin noch immer vor Wut und Hass schäumte, spürte sie das wohlige Gefühl endlich wieder zuhause zu sein. Sie ging zuerst in ihr Zimmer und ließ sich nach hinten fallen. Erin streckte alle Viere von sich und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Kurz vergas sie ganz den Hass in sich und fiel in tiefe Müdigkeit.

„Erin, Erin wachen Sie auf!“

Es kam ihr vor, als hätte sie gerade mal fünf Minuten die Augen zugemacht, bevor Nadir Daroga sie wieder weckte, indem er sie an den Schultern packte und rüttelte. Erin öffnete die Augen und richtete sich auf. „Was...was ist denn los?“, fragte sie schläfrig und wischte sich über die Augen. „Das Büro Eures Vaters...!“, sagte er nur und plötzlich wurde Erin hellhörig. „Was ist damit?“, fragte Erin und sah ihn wach an. Er blickt zur Tür, hinaus auf den Flur. So als könne er die Anwesenheit von etwas spüren. „Kommen Sie, dass müssen Sie selber sehen!“, sagte er und zerrte sie wahrlich auf die Füße. Erin seufzte genervt. Nicht einmal für einen kurzen Moment konnte sie Ruhe haben. „Muss ich das wirklich?“, fragte sie wie ein Kleinkind, das nicht wollte. „Ja!“, gab Nadir Daroga streng zurück und zog sie weiter. Sie kamen am Büro vorbei und sahen sogleich die Absperrung. Erin blieb abrupt stehen und spürte wieder den dicken Kloss in ihrem Bauch. Nadir blieb genauso stehen und hielt die Absperrung etwas hoch, sodass Erin darunter hindurch gehen konnte.

Doch anstatt dort eine Leiche zu finden, war da nichts. Dennoch wurde Erin das Gefühl nicht los, das hier etwas nicht stimmte. Sie konnte deutlich in der Luft einen süßlichen Geruch erkennen. Der Geruch von Tod und Blut!

Sofort schnürte sich ihr Hals zu und sie machte einen Schritt ins Büro. Wachsam ließ sie den Blick durch den Raum wandern und blieb dann an einer Stelle haften. Wie als würde sie noch immer sehen, wer dort gelegen hatte, spürte sie, dass hier etwas Schlimmes passiert war. Ihre Kiefer pressten sich hart aufeinander und sie ballte die Fäuste zusammen. Nadir stellte sich neben sie und sah, wie es in ihrem Gesicht sich verfinsterte. „Sie können es spüren. Nicht wahr?“, fragte er und sie nickte langsam. „Ja, jemand oder etwas war hier!“, knurrte sie leise und trat näher ins Zimmer. Der Geruch wurde stärker und sie schnupperte, wenn auch ziemlich angewidert. Der Geruch des Blutes war hier deutlicher und etwas hatte sich dazu hineingemischt. Es war ein ekelhafter Gestank von getrockneter Haut. Erin rümpfte die Nase und wich zurück. „Bah, was für ein ekelerregender Gestank!“, sagte sie und hielt sich die Nase zu. Nadir nickte. „Der Gestank der Schlange!“, murmelte er und sein Gesicht verfinsterte sich genauso wie das von Erin. Erin blickte ihn an. „Soll das heißen, dass sie hier war?“, fauchte sie gefährlich und sogleich bereute Daroga, was er gesagt hatte. „Sie wussten, dass sie hier auftauchen würde?“

„Ich dachte, sie würde nicht nochmal hierherkommen...nicht nachdem sie Euren Ziehvater ermordet hat!“, erklärte. „Da ich glaubte, dass sie ihr Ziel weiterhin verfolgt!“

„Das tut sie auch. Nur leider zieht sie dabei andere mithinein!“, knurrte Erin und ihre Finger krümmten sich zu Klauen. Nadir entging ihre Reaktion nicht und schaute sie etwas mahnend an. „Reißen Sie sich zusammen!“

Erin schluckte, schloss gepresst die Augen und ihre Finger entspannten sich wieder. „Sparen Sie sich Ihren Hass und Ihre Kraft!“

Erin nickte stumm und schaute sich weiter um. Ohja, sie würde sich zusammen reißen und ihre Kraft und ihren Hass solange zurückhalten, bis sie die Richtige traf, an der sie alles auslassen konnte.

Da erstarrte sie. Sie hatte etwas gespürt und roch automatisch. So langsam kam sie sich wirklich wie ein Wolf vor. Doch daran ließ sie sich jetzt nicht stören. Sie drehte den Kopf und schaute zur Wand, vor der die standen.

In großen, roten Lettern geschmiert, stand dort eine Nachricht und Erins Gesicht verfinsterte sich erneut. Sie brauchte nicht lange, um zu wissen mit was die Nachricht geschrieben war. Blut!

Und sie konnte deutlich riechen, wessen Blut. Bruder Gilmore!

Mit versteinerter Miene las sie stumm die Worte.
 

An den schwarzen Wolf, in Gestalt der schwarzen Bestie.

Ich habe dir schon deinen geliebten Vater genommen und nun auch deinen Bruder. Wenn du nicht willst, dass ich dir auch noch deinen Geliebten nehme, dann komme zurück nach Frankreich. Treffe mich um Mitternacht am Arc de Triumph.

Allein und ohne deine Waffen!
 

Erin bleckte die Zähne. Na toll, ohne Waffen. Dabei hatte sie sie nicht mal. Also was soll es. Aber dennoch wollte sie nicht waffenlos gehen. Nadir räusperte sich und sie schaute zu ihm. „Sie fordert Sie heraus, Erin!“, sagte er nur und zupfte sich an seinem Bart. Erin sagte nichts, sondern schaute wieder zu der Botschaft. „Was anderes hätte ich auch niemals erwartet!“

„Werden Sie die Herausforderung annehmen?“, fragte er dann und Erin schielte zu ihm. „Sagt man nach dem Gebet Amen?“, erwiderte sie und damit war die Sache geklärt.

„Und womit wollen Sie kämpfen?“

„Wohl oder übel, mit bloßen Händen. Meine Waffen scheine ich ja verloren zu haben!“

Nadir Daroga lächelte auf einmal und ehe Erin ihn fragen konnte, wieso er lächelte, drehte sich Nadir um und winkte ihr mit der Hand zu. Sie solle ihm folgen. Erin runzelte die Stirn und folgte ihm. Draußen war es immer noch dunkel, als sie das Gebäude verließen und zum Wagen Darogas gingen. Wortlos schloss er den Kofferraum auf und öffnete den Deckel. Er deutete, wie ein Magier in den Kofferraum und Erin blickte hinein. Hörbar schnappte sie nach Luft und konnte nicht glauben, was da im Kofferraum lag.

Der silberne Koffer, der groß genug war, um Melonen darin zu transportieren lag da, als hätte er schon die ganze Zeit dort gelegen und Erin schaute Daroga verblüfft an. „Sie haben meine Waffen die ganze Zeit mit sich rumgeschleppt?“, fragte sie erschüttert und wusste nicht, ob sie gerührt oder wütend sein sollte. Immerhin hatte sie ihre Waffen drängend gebrauchen können. Sicher hätte sie diesen Dämon viel schneller erledigt und es wäre niemals so weit gekommen. Nadir Daroga hob die Schultern. „Wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn der Zoll oder die Polizei sie entdeckt hätte?“, fragte er, als hätte er ihre stummen Gedanken gelesen und Erin war still. Sie streckte die Hand aus und öffnete den Koffer. Alles lag genauso darin, wie sie es gewohnt war. Die drei Magazine, deren Kugeln gefüllt mit geweihtem Silber waren. Wurfsterne, ebenso aus Silber. Revolver, verschiedener Arten. Eine große Flasche gefüllt mit geweihtem Wasser und ihre beiden Lieblinge. Zwei dreißig Millimeter Ranchasters, die im Licht silbern glänzten. Erin strich sanft über die beiden Schusswaffen. Und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Und welche werden Sie mitnehmen?“, fragte Nadir Daroga. Erin blickte nachdenklich auf die Waffen und schien zu überlegen. Die Ranchasters waren effektiv, aber auch wuchtig und sicher würde man sie sehen. Die Flasche würde sicher zerbrechen, wenn sie sich ungeschickt anstellte. Oder gar keine Wirkung zeigen. Sie wusste schließlich nicht, was für eine Art Dämon es sich handelte. Und die Wurfsterne?

Damit konnte sie sich sehr gut bewaffnen. Die kleinen Dinger konnte sie problemlos in ihren Mantel verbergen und waren stets griffbereit. Kurz entschlossen schnappte sie sich dieser und stopfte sie sorgfältig in die Innenseite ihres Mantels. Sie schaute nochmal in den Koffer und schnappte sich noch ein Butterflymesser und schon es in den Stiefel.

Nadir sah sie etwas zweifelnd an. „Ist das alles, was Sie mitnehmen wollen?“, fragte er und schaute sie noch einmal zweifelnd an. Erin nickte. „Wenn dieser Dämon Chris hat, will ich kein Risiko eingehen!“, sagte sie. Daroga sagte nichts, sondern nickte und ging dann zur Fahrertür. „Wir sollten uns auf den Weg machen. Ich bin mir sicher, dass sie nur ungern auf dich wartet!“

Erin sagte nichts und stieg ein. Nadir startete den Wagen und fuhr los.

Ihr Ziel: Frankreich!
 

Chris Kopf schmerzte, als er die Augen wieder öffnete. Ihm war schwindelig und wollte die Hand heben, um sich über die Augen zu wischen. Doch seine Hände rührten sich nicht. „Was...?“, keuchte er und schaute runter. Er war gefesselt. Dicke Seile umwickelten seine Hände und Beine und hielten ihn an einem Stuhl fest. „Was soll der Scheiß?“, fragte er und zog an den Stricken.

„Kein Scheiß, sondern bitterer Ernst!“, hörte er eine Stimme sagen und aus dem Dunkeln kam Ramona. „Du...!“, keuchte Chris erschrocken und konnte erst nicht begreifen, wieso sie hier war. Doch er hatte so eine bestimmte Ahnung. Sein Gesicht verfinsterte sich. „Hast du mir eins übergezogen?“, fragte er wütend und wäre am liebsten aufgesprungen. Hätte sie gepackt und geschüttelt. Doch die Stricke hielten ihn zurück. „Ja, aber ich wollte das nicht!“, sagte sie und kurz glaubte Chris, dass sie das ehrlich meinte. Doch dann, rief er sich wieder in Gedanken, wie sie sich ihm und Erin gegenüber benommen hatte. Und wie sich hinterrücks an ihn herangeschlichen hatte. Wieder wurde die Wut in ihm wach. „Du wolltest das nicht?“, platzte es aus ihm heraus. „Du schlägst mich beinahe tot und du sagst, du wolltest das nicht!“

Ramona sagte nichts, sondern schaute zu Boden. Sie biss sich auf die Unterlippe. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass was wirklich keine Absicht war, aber wer würde ihr glauben?

Niemand!

Chris schaute sie wütend an. Er war schon immer der Überzeugung, dass sie ein durchtriebenes Biest war, aber das sie so weit ging, hätte er niemals gedacht. „Sag mal Ramona, hast du sie noch alle?“, fragte er wütend. Da wurde ihr Gesicht wütend. „Ja, habe ich. Aber du anscheinend nicht. Wieso gibst du dich sonst mit dieser dahergelaufenen Nutte ab!“

„Erin ist keine Nutte. Sie ist bei weitem ein besserer Mensch, als du!“, konterte er scharf und Ramona verzog verächtlich das Gesicht. Sie hob die Hand und verpasste ihm eine schmerzhafte Backpfeife. Doch anstatt zu schreien, machte er ein abfälliges Gesicht und schaute zu ihr hoch. „Du hast dich überhaupt nicht verändert. Du bist genauso arrogant und selbstgefällig, wie eh und je. Deswegen habe ich dich auch verlassen. Ich war es leid, dass du meine engsten Freunde vergrault hast!“

„Das reicht!“, schrie sie und hob erneut die Hand, doch da hielt eine Stimme sie zurück. „Genug jetzt!“

Ramona hielt inne und schaute in die Dunkelheit hinter sich. Chris folgte ihrem Blick und sah in der unendlichen Finsternis etwas aufglimmen.

Sofort wurde Chris so komisch zumute und er beschloss, dass es das Beste, nun nichts mehr zu machen. „Schlage ihn nicht zu fest. Sonst erkennt sie ihn nicht wieder!“

Ramona fauchte und wich einige Schritte zurück. Chris schluckte, als ihm klar wurde, warum er hier war. „Ich bin nur der Köder!“, dachte er und schaute immer noch zu dem glühenden Ding. Nun trat auch die andere Frau hinaus und Chris erkannte sie sofort. Diese Frau konnte man ja auch nicht vergessen. Mit ihrem kalten Blick und dem unheimlichen Grinsen im Gesicht. Nicht zu vergessen die die Schlange, die sich um den schmalen Hals der Frau schlängelte und windete. Das Grinsen wurde breiter, als sie näher an ihn heran trat und ihn sich genauer anschaute. „Er ist hübsch!“, sagte sie nur und Chris wäre dankbar gewesen, wenn er darauf etwas erwidert hätte. Doch sein Hals hatte sich wie zu geschnürt und er konnte nichts anders, als sie anzusehen. Aus der Nähe, sah sie noch unheimlicher aus. Lag es vielleicht daran, dass ihr ein Auge fehlte und sie eine Augenklappe trug. Das andere Auge glühte noch immer und ihm lief ein Schauer über den Rücken nach dem anderen. „Aber leider ist er nicht mein Typ!“, wandte sie ein und drehte sich zu Ramona. „Bedauerlich. Dabei habe ich richtig Hunger!“

Etwas sagte Chris, dass sie damit nicht liebeshungrig meinte und ihm wurde schlecht. „Was...was wollt ihr von mir?“, fragte er würgend und versuchte die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. Die Frau lächelte. „Kannst du es dir nicht denken?“, säuselte sie und strich ihm mit ihren Fingern über die Wange. Sie waren eiskalt. „Doch kann ich, aber ich will wissen, was ihr mit Erin vorhabt!“, entgegnete er und schaute dabei Ramona finster an. Diese erwiderte seinen Blick und die Frau grinste dämonisch. „Das wirst du noch sehen!“

Und Chris ahnte schon, dass nicht nur er, sondern auch Erin das nicht überleben würde.
 

Erin fror und schaute sich immer wieder um. Sie war allein und niemand schien sich um diese Zeit auf der Straße aufzuhalten. Ihr war es recht, da sie es sich nicht leisten konnte, durch einen dritten gestört zu werden und sich vermutlich die Chance entgehen lassen, Chris zu retten. Nadir Daroga war immer noch dagegen, sich auf dieser Herausforderung einzulassen. Er hatte sie ausdrücklich gewarnt, dass sie Gefahr lief, entweder in eine Falle zu tappen oder von der Polizei, die immer noch nach ihr suchte, entdeckt zu werden. Doch das war ihr egal. Sie war schon in vielen Fallen getappt und was die Polizei anging. Ihr würde sicher etwas einfallen.

Aber bis dahin war ja noch Zeit. Erin schaute die Straße entlang und zog sich den schwarzen Hut tiefer ins Gesicht. Um ihr Gesicht trotzdem zu verbergen, hatte sie sich ihr rotes Tuch um Mund und Nase gebunden und nur ihre Augen waren zu sehen.

Sie blickte auf die Uhr und seufzte. Es war schon zehn nach Mitternacht und Erin fragte sich, wo der andere bleibt. Die Kälte kroch trotz des dicken Mantels in ihre Glieder und sie begann zu zittern. Am liebsten wäre sie gegangen, doch der Gedanke, dass Chris womöglich dadurch zu Schaden kam, ertrug sie nicht und sie blieb weiterhin standhaft an Ort und Stelle stehen.

Nach wenigen Minuten, es war schon viertel nach, hörte sie endlich Schritte und drehte sich nur halb herum. Aus dem Schatten, schälte sich eine vermummte Gestalt. Erin versuchte das Gesicht zu erkennen, doch diese war genauso vermummt wie sie und so gab es Erin auf, dieser zu erkennen. Als sie knapp vor Erin stand, drehte sich Erin ganz zu ihr herum und schaute sie fordernd an. „Also, wo ist er?“, fragte sie dann und die Gestalt vor ihr schaute sie nur stumm an. Dann hob sie die Schultern. Ein klares Zeichen, dass es ihr gleich war und Erin knurrte. „Raus damit, wo ist Chris?“

„In der Nähe!“, sagte endlich ihr Gegenüber und Erin erkannte sie. „Du!“, brachte sie wütend hervor und Ramona lüftete ihre Vermummung. Sie sagte nichts, sondern schaute sie nur an und lächelte dann. Wütend verzog sie ihr Gesicht und machte einen Schritt nachvorne. „Ich hätte es wissen müssen. Was hast du mit Chris Verschwinden zu tun?“, fragte sie sie und ballte die Hände zu Fäusten. „Das erfährst du noch!“, sagte Ramona kalt und ehe Erin etwas erwidern konnte, spürte sie einen heftigen Schlag am Kopf.

Erin gab ein überraschtes Keuchen von sich und ihr wurde schwarz vor Augen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hidan_1975
2015-08-15T22:24:54+00:00 16.08.2015 00:24
DAS IST MIT ABSTAND JETZT VIEL ZU SPANNEND ALS NEN KOMMI DAZULASSEN.

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UND AUF'S NEXT KAPI FLIEH

LG SIMI

TIHIHI ♥♡♥♡♥♡♥ HDL


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