Aufregung um die Diebische Elster
Die Vergangenheit lässt grüßen
4. Teil der FF
Shinichi hatte recht behalten. Als Kaito am nächsten Morgen bevor er zur Schule ging, wie eigentlich immer, wenn Kaito Kid einen Auftritt hatte Zeitungen besorgte, waren sie voll von Der Diebischen Elster. Und es waren viele Beiträge, die von ihren Auftritten vor 20 Jahren handelten. Am Tag zuvor waren Hibarue und er die alten Zeitungen durchgegangen, die Shinichis Vater zurückgelassen hatte. Zu einzelnen Fällen hatte sie kleine Episoden erzählt. Kaito hatte seine Mutter immer schon als gute Zauberin geachtet, wenn er auch der Einzige gewesen war, der davon gewusst hatte, denn sie zeigte normalerweise nicht, was sie konnte, aber jetzt war seine Achtung vor ihr noch gewaltig gestiegen. Dass sie in ihrer Vergangenheit ebenfalls eine bekannte, maskierte Diebin gewesen war, machte ihn ungeheuer stolz auf sie. Es gab wohl wenige Eltern, deren Kinder so extrem positive Gefühle für das Tun ihrer Erzeuger aufbringen konnten, wie er. Und es war bei ihr ja nicht so, wie bei seinem Vater. Einen Toten glorifiziert man gerne. Doch sie lebte ja noch und hatte für ihn alles aufgegeben.
Als er in den Klassensaal stürmte, sahen ihn alle fragend an. Schließlich war hier allgemein bekannt, wie sehr er Kaito Kid verehrte und nun war eine zweite maskierte Person aufgetaucht, die wohl mit ihm konkurrierte. Zumindest war die Frage in den Raum gestellt worden, ob sie miteinander oder gegeneinander gehandelt hatten. Er setzte sich auf seinen Platz und hatte dieses Mal nicht nur eine einzige Zeitung in der Hand, sondern plötzlich einen ganzen Packen voll auf dem Pult liegen.
Einer seiner Klassenkameraden sah ihn schmunzelnd an, mit einem Seitenblick auf Aoko Nakamori, die wieder vor Wut zu kochen schien. "Was denkst du über Die Diebische Elster? Ist sie wirklich so gut, wie es da..." er deutete auf die Zeitungen "...geschrieben wird?"
Kaito nickte heftig. "Und ob! Shinichi Kudo war an dem Abend in der Goldenen Taube. Er hat mir erzählt, dass er solch ein Zaubererduell noch nie gesehen hat. Wenn sie Kaito Kid nicht gewachsen wäre, hätte es niemals so lange dauern können!" Innerlich musste er grinsen. In Wirklichkeit hatte er sich ganz schön anstrengen müssen um mit seiner Mutter mithalten zu können. Sie hatte einfach die längere Erfahrung und wie er jetzt wusste, waren solche Kämpfe mit seinem Vater früher an der Tages- oder besser gesagt Nachtordnung gewesen. "Sie muss einfach ebenfalls eine außergewöhnliche Zauberin sein!"
Aoko kam zu ihm und fauchte ihn wütend an. "Zauberin? Pah! Sie ist eine Diebin. Und sonst gar nichts. Sie ist ja noch schlimmer als Kaito Kid, denn wenn sie wirklich die, von vor 20 Jahren ist, hat sie ihre Beute nie zurückgegeben, wie es dieser maskierte Lackaffe tut!"
Kaito grinste. "Ja! Schon! Aber wie Shinichi es mir erklärt hat, sind ihre Taten von damals schon lange verjährt. Und ob sie vorletzte Nacht die Perle gestohlen hat, ist nicht bewiesen. Schließlich war außer ich auch Kaito Kid anwesend."
"Dann müsste sie aber bald wieder auftauchen!" fauchte Aoko. "Vater ist jedenfalls stinksauer. Da treibt ihn Kid schon in den Wahnsinn und dann taucht auch noch diese Tussi auf. Und wenn das stimmt, was die Zeitungen schreiben, ist er ja fast ein Waisenknabe gegen sie."
"Ich finde sie jedenfalls toll. Das ist doch mal wirkliche Konkurrenz für Kaito Kid und kann seine Auftritte nur aufwerten. Ich hoffe, sie taucht öfter auf und das war kein One-Shot. Wie mir Shinichi erzählt hat, kannten sie sich wohl!"
Der Klassenkamerad sah ihn seltsam an. "Was ich nicht verstehe, ist wieso Kudo keinen Versuch gemacht hat, sie zu verhaften. Normalerweise versucht er doch jedes Mal Kaito Kid zu fangen!"
In dem Moment stand Hakuba hinter ihnen. "Ja! Das würde mich auch interessieren. Ich hatte ja leider den Auftrag einen Mörder zu überführen, was ich auch geschafft habe, aber wenn Kudo anwesend war, wieso hat er nichts getan?"
Kaito schmunzelte. Shinichi hatte vorhergesehen, dass diese Frage auftauchen würde und ihm auch eine Antwort gegeben, die er benutzen sollte. "Ja! Das habe ich ihn auch gefragt. Aber er meinte, er sei dem Meisterdieb genau wie du noch etwas schuldig und solange er seine Schuld nicht zurückzahlen könnte, würde er sich nur noch mit ihm anlegen, wenn er einen Auftrag dazu in seiner Detektei bekäme. Außerdem habe ihm Inspektor Nakamori gedroht ihn zu verhaften, wenn er sich ohne Auftrag in seine Ermittlungen einmischen würde!"
"Ha!" lachte Hakuba auf. "Das hat er mir auch schon öfter angedroht. Aber das hat mich nie davon abgehalten zu tun, was ich einfach tun musste!"
Sein Gegenüber grinste. "Shinichi auch nicht. Aber so konnte er vor der Öffentlichkeit seinen Ruf bewahren. Er hatte ja nicht einmal hingehen wollen, aber sein Vater Yusaku war da und wollte das unbedingt sehen. Der hat die Diebische Elster auch sofort erkannt und wollte wohl nicht, dass sein Sohn auch eingeschläfert wird wie Nakamori und seine Leute!"
"Der bekannte Kriminalschriftsteller?" Hakuba sah erstaunt auf. Dass der anwesend gewesen war, hatte er noch gar nicht gewusst.
"Ja!" lachte Kaito. "Als wir letzte Woche in Shinichis Villa gegangen sind, weil er mir die Videokassetten über Arsene Lupin geben wollte, stand er plötzlich hinter uns. Er wollte sich überzeugen, dass sein Sohn gesund war, nachdem er die Meldungen über das knappe Entkommen aus der Villa über den Klippen gelesen hatte!"
Er blinzelte den Detektiv an. Er hielt es für besser, dieses Thema nun zu beenden und war froh, dass ihm die Uhrzeit dabei hilfreich zur Seite stand. "Aber sag mal, musst du nicht allmählich in deine Klasse gehen? Wenn du dich nicht beeilst, kommst du zu spät!"
Hakuba schaute auf seine Armbanduhr und fluchte auf. "Oh! Verdammt!" knurrte er. "Du hast recht!" Schnell stürmte er aus dem Klassensaal. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Lehrerin erschien.
Kaito musste grinsen. Wenn Hakubas Lehrer genauso pünktlich war, würde er wohl wieder einen Verweiß wegen zu spät kommen einkassieren, denn sein Klassenzimmer lag in einem anderen Stockwerk.
***
Nach dem Schulunterricht begleitete Kaito Aoko Nakamori zu ihrem Vater ins Polizeipräsidium. Er war gespannt, wie Inspektor Nakamori gelaunt war. Er war auf einiges gefasst, kannte er doch die Launen des Polizisten nur zu gut.
"Hallo Vater!" sprach ihn Aoko an, nachdem sie sein Büro betreten hatten.
Er schaute grimmig, aber seine Miene heiterte sich ein wenig auf, als er Kaito sah. Er wusste nicht wieso, aber irgendwie mochte er den Jungen, der immer höflich zu ihm war und dem er schon so manches Mal seine Sorgen mitgeteilt hatte.
"Aoko und Kaito! Kommt ihr mich besuchen?"
Seine Tochter hielt ihm eine Box entgegen. "Du hast heute Morgen mal wieder dein Essen vergessen!"
"Ach ja!" winkte er ab. "Stell es einfach auf den Schreibtisch!" Dann wandte er sich Kaito zu. "Dein beliebter Zauberer hat Konkurrenz bekommen!" sagte er im leidenden Tonfall!"
Kaito nickte. "Ja! Ich habe davon gelesen. Die Diebische Elster! Ist sie wirklich die Kriminelle von vor 20 Jahren, wie die Zeitungen schreiben?"
Inspektor Nakamori zuckte die Schultern. "Hundertprozentig sicher wissen wir das auch nicht. Es wäre möglich, aber es könnte auch eine Nachahmerin sein!"
Sein junger Freund schmunzelte. "Das wäre natürlich möglich. Doch ehrlich gesagt, ich wusste gar nicht, dass es sie damals gegeben hat und auch kein anderer schien mehr daran gedacht zu haben. Wieso sollte jemand also eine so lange vergessene Person zum Leben erwecken? Schade, dass ich sie nicht gesehen habe. Ich könnte Ihnen wenigstens sagen, ob sie erfahren war oder eine Anfängerin!"
Der Polizist sah ihn groß an. "Das kann man beim Zusehen erkennen?"
Er nickte. "Ja! Natürlich! Jemand der schon seit Jahren zaubert, strahlt irgendwie eine größere Sicherheit und Routine aus, als jemand, der erst vor kurzem damit angefangen hat. Das kann man fast bei jeder Bewegung bemerken!"
Inspektor Nakamori strahlte. "Das hilft mir vielleicht weiter, denn weist du, ein Gast hatte eine Filmkamera dabei und hat den ganzen Auftritt aufgenommen. Willst du es dir mal anschauen?"
Kaito nickte begeistert. "Auja! Das ist ja super! So sehe ich es doch noch!"
Der Inspektor musste ein wenig über die Begeisterung seines jungen Besuchers schmunzeln und schob eine Videokassette in den Schacht eines Rekorders und schaltete den kleinen Fernseher an, den er für solche Zwecke im Büro stehen hatte. Der Film begann in dem Moment, als die Diebische Elster Kaito Kid ansprach.
Kaito sah sich die Aufzeichnung ganz genau an. Nun! Da er die Szenen als Zuschauer genießen konnte, fiel ihm erst recht auf, dass seine Mutter ihm tatsächlich trotz ihrer langen Ruhepause immer noch überlegen war. Ihre Bewegungen waren unglaublich sicher und harmonisch und ihre Zaubertricks strahlten in seinen Kenneraugen eine Perfektion aus, die er bei aller Übung noch nicht darbieten konnte. Doch das wunderte ihn nicht wirklich. Das war einfach normal.
Als das Video zu Ende war, strahlte er Nakamori an. "Vielen Dank, dass sie mir das gezeigt haben. Das war absolut fantastisch. So etwas habe ich selbst in den Zaubershows, für die man Eintritt bezahlen muss, noch nie gesehen!"
Der Inspektor nickte. Das hatte er auch von anderer Seite schon gehört. Er drückte Kaito den Film in die Hand. "Da! Den kannst du behalten. Ich habe noch eine Kopie davon."
"Super! Vielen, vielen Dank!" Er musste die Begeisterung nicht spielen.
"Also?" kam der Inspektor auf das ursprüngliche Thema zurück. "Was denkst du? Wie erfahren ist sie?"
Kaito beschloss ihm eine ehrliche Antwort zu geben. "Sie ist ihm um einiges voraus! Nicht eigentlich, was die Tricks angeht. Da sind sie fast auf demselben Stand. Aber ihre Sicherheit ist noch größer, als die seine!" Er nickte dem Inspektor zu. "Doch! Ich glaube, dass sie die Zauberkünstlerin von vor 20 Jahren ist. Alles spricht in meinen Augen dafür!"
"Gut!" nickte der Inspektor. "Dann weis ich, nach was ich forschen muss! Wir suchen also eine Magierin, die seit damals auf der Bühne arbeitet. Wahrscheinlich hat sie anfangs kein Engagement gefunden. Das war damals für Frauen auch nicht so einfach. Und hat deshalb gestohlen, doch dann wird sie eine Stelle gefunden haben und ist darum ehrlich geworden. Ich wüsste nur zu gerne, wieso sie ausgerechnet vorgestern Nacht wieder aufgetaucht ist!"
Sein Gast musste innerlich grinsen. Zwar stimmte der Grund für den Beginn der Diebeskarriere der Diebischen Elster, aber der Rest der Schlussfolgerung war eine glatte Fehlinterpretation. Aber Kaito sagte natürlich nichts dagegen. Sollte er doch in diese Richtung weiterforschen. So würde er niemals auf seine Mutter Hibarue Kuroba kommen, da sie niemals eine öffentliche Vorstellung gegeben hatte und außerdem seit damals allen verheimlichte, was sie konnte. Insgeheim aber, wie er wusste, tagtäglich hart trainierte. Also bestärkte er Inspektor Nakamori in seinem Glauben.
"Das ist eine gute Idee. So werden Sie sie bestimmt bald finden!"
"Jaja!" nickte der. "Niemand kann mich lange an der Nase herumführen!" sagte er mit großer Sicherheit und weder Aoko noch Kaito wagten ihn an Kaito Kid zu erinnern, der das immerhin schon seit ein paar Jahren machte.
Schließlich verabschiedeten sie sich von dem Inspektor und gingen jeder für sich nach Hause. Auch Hibarue sah sich später mit Freude die Video-Aufzeichnung an. Und Kaito wusste, dass auch ihr seine kleinen Unsicherheiten auffielen. Aber sie nickte ihm nur anerkennend zu. "Du bist ein gutes Stück besser geworden, seit deinen Anfängen als Kaito Kid!"
Er lachte auf. "Du brauchst mich nicht zu schonen. Wenn ich dich ansehe, weis ich was mir noch fehlt!"
Sie schmunzelte. "Da bist du zu kritisch mit dir selbst. Das einzige, was dir fehlt sind die Jahre. Und die kommen ganz von selbst. Leider!"
Hibarue war wirklich sehr zufrieden mit seiner Leistung.
***
Abends, bevor der Inspektor sein Büro im Kommissariat verließ, legte er wie immer Schriftstücke zu ungelösten Fällen in seinen Schreibtisch. Doch nach dem Öffnen der obersten Schublade zuckte er heftig zusammen.
Da lag - völlig unschuldig und als wäre es nie anders gewesen - Die Rote Perle, die aus dem Aquarium der Goldenen Taube verschwunden war. Dabei lag eine kleine Karte. Auf ihr stand:
Mit Dank zurück!!!!
Und darunter prankte ein Strichmännchen-Kopf mit Zylinder und Monokel. Das Wahrzeichen Kaito Kids.
"Verdammt!" Der Inspektor kochte vor Wut. "Wie hat er das schon wieder geschafft? Irgendwann kriege ich dich, Kid! Und auch diese Diebische Elster werde ich bald verhaften!"
Wütend leitete er alles in die Wege, die Rote Perle seinem Besitzer zurückzugeben, wenn alles Untersuchungen abgeschlossen waren. Aber er wusste jetzt schon, dass sie an dem Edelstein keinerlei Spuren finden würden. So war es schließlich immer.
