Crawl von Silberstrich ================================================================================ Kapitel 8: Pain --------------- Die hagere Frau hatte ein schmales Gesicht mit spitzer Nase. Sie war ziemlich groß. Mindestens 1,80. Er schätzte sie auf ungefähr Ende 40. Ihre schwarzen Haare hatte sie streng zurück gebunden. Sie wirkte bedrückt und nicht gerade darauf versessen dieses Gespräch zu führen. "Sind sie Dean Davis?" Dean nickte: "Ja..das bin ich" Sie bat ihn sie ein Stück zu begleiten, sodass Caroline, Lara und Oliver ahnungslos im Wartebereich zurück bleiben mussten. In dem Gespräch erfuhr er, dass er Liam's einziger Notfallkontakt war. Davon hatte er bisher nichts gewusst. Liam schien keinerlei Familie zu haben. Das verwirrte ihn, denn immerhin war Liam doch erst vor kurzem noch auf einem Ausflug mit seiner Familie gewesen. Hatte er ihn angelogen? Was war das wirklich gewesen? Fragen, die jetzt aber erst einmal nicht wichtig waren. Schließlich blieben sie vor einem Fenster stehen. Liam lag blass auf einem Bett. Die grünen Augen waren geschlossen, seine Haare durcheinander. Sie hatten ihm einen Zugang für eine Infusion gelegt und er war an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Dean wurde schwindelig. Er musste tief durchatmen und sich zusammenreissen ehe er die nächste Frage stellte: "Ist er..." Er schaffte es doch nicht es auszusprechen. Würde Liam hier nach noch der selbe sein? Würde er das überhaupt überleben? Die Ärztin verschränkte die Arme vor der Brust. Dann begann sie zu erklären. Dean war so am Ende mit seinen Nerven, dass er sich wirklich anstrengen musste ihr zu zu hören. Sie hatten Liam zu seinem eigenen Schutz und zur besseren Behandlung in ein künstliches Koma versetzt. Wie lange das dauern würde, mochte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht prognostizieren. Weitere Details wie die Spuren einer Vergewaltigung erfuhr er nur, weil Liam vor einigen Monaten bereits einmal teilstationär eingewiesen worden war und unterschrieben hatte dass derlei Informationen an seinen Hausarzt und eben auch an ihn weiter gegeben werden durften. Wieso wusste er davon nichts? Gewisse Dinge, die sie ihm mitteilte hätte er tatsächlich auch lieber nicht gewusst, denn danach war ihm schlecht. Einfach nur schlecht und in seinem Bauch rumorte eine Mischung aus Trauer, Sorge und unglaublicher Wut. Die Operation war allerdings verhältnismäßig gut verlaufen und die Ärztin nahm ihm die Sorge, die ihn bis zu diesem Zeitpunkt fast erdrückt hätte. Sie versicherte ihm, dass er zwar kein perfekter Ersthelfer gewesen war und viele Fehler gemacht hatte, aber er hatte Liam's Situation nicht verschlimmert und in seinem Fall ging es wirklich um Zeit. Hätten die Rettungssanitäter ihn erst aus dem Wald bergen müssen, wäre es vielleicht zu spät gewesen. Für diese Auskunft war Dean so dankbar. Alles andere hätte er sich nie verziehen. Es war schon schwer genug zu akzeptieren wie lange er nicht nach Liam gesucht hatte weil er davon ausgegangen war, dass dieser ihm fremd ging. Während er wütend auf seinen Freund gewesen war hatte dieser sonst was durchgemacht. Dean stützte sich an der pastell farbenen Wand neben sich ab. Er wirkte so fertig, dass die Ärztin ihn zwang sich hin zu setzten und ihm noch etwas zu trinken brachte. Er durfte nicht bleiben. Wäre es nach ihm gegangen hätte er sich hier wo er war quer über eine Stuhlreihe gelegt und gewartet aber er wurde freundlich rausgeschmissen. Vor der Tür.. "Wie keine lebende Verwandtschaft?". Caroline sah ihn mit großen Augen an. "Mir hat er aber schon oft von seinen Eltern erzählt..", meinte jetzt auch Lara. "Keine Ahnung...", Dean zuckte mit den Schultern. "Wann wacht er denn wieder auf?" "Das konnte oder wollte sie mir nicht sagen.." Er entschuldigte sich dann schnell und wollte lieber allein sein. Es war ihm alles einfach gerade zu viel. 2 Wochen später.. Dean saß an Liam's Bett. Über die letzten Tage hatten sie dessen Narkosemittel immer ein wenig mehr reduziert und vorgestern hätte er eigentlich aufwachen sollen. "Wieso tust du mir das an...", sagte Dean leise und streichelte über Liam's Arm. Immerhin hatte er jetzt gerade Schulferien. Auf der Arbeit wäre er zur Zeit ohnehin nicht zu gebrauchen gewesen. In seinem Wohnzimmer lag ein riesiger Stapel von Arbeiten, die er noch korrigieren musste bevor die Schule wieder anfing. Es war alles nebensächlich. Hatten sich eben Liams Wimpern bewegt? Hatte er ihn gerade angeblinzelt?? Dean sah aufgeregt aus dem Fenster in der Tür auf den Gang hinaus, ob dort gerade jemand rum lief. Wahrscheinlich hatte er es sich mal wieder nur eingebildet. Plötzlich spürte er eine Berührung an seinem Arm. Liam strich mit seinen Fingerspitzen darüber. Seine Lippen bewegten sich aber kein Ton kam raus. Dean war sofort auf den Beinen. Kurz darauf stand er wieder auf dem Flur während Liam untersucht wurde. Diese verfluchte Warterei. Ein Arzt mit dem er zum ersten Mal sprach versuchte ihn eine ganze Weile später schließlich darauf vorzubereiten, dass Liam noch sehr verwirrt war und dass es in solchen Situationen auch mal vorkommen konnte, dass er ihn nicht gleich erkannte. Dean wollte einfach nur zu ihm. Allerdings dauerte es noch eine ganze Weile. Zu wissen dass Liam aufgewacht war und nicht sofort zu ihm zu können war hart. Allerdings war er wach. Er war endlich wach. Er war absolut kein Mediziner aber selbst er hatte gewusst, dass eine Langzeitnarkose riskanter wurde je länger sie anhielt. Und er hatte einfach große Angst davor gehabt, dass Liam das alles durchgestanden hatte nur um danach im Krankenhaus zu sterben. Erst hatte er es so eilig gehabt aber jetzt wo er das grüne Licht dazu hatte endlich seinen Freund zu besuchen....wurde er nervös. Was wenn er ihn damit noch überforderte. Was wenn er ihn wirklich nicht erkannte. Was wenn er ihn nicht sehen wollte. Dean dachte schließlich immer noch, dass Liam weg gelaufen war. Langsam öffnete er die Tür. Liam sah gerade zur Seite und auf Blumen, die Caroline ihm hatte zukommen lassen. Sein Blick wirkte jedoch ganz weit weg. "Hey...", sagte Dean leise. Liam setzte sich so schnell auf, dass er direkt Kreislaufprobleme bekam und sich abstützen musste. Dean nahm auf dem Hocker neben dem Bett platz. "Ich bin's D-" "Dean..", Liam hatte Tränen in den Augen und streckte die Arme nach ihm aus. Sofort nahm Dean ihn in den Arm. Ganz vorsichtig. Dann sah Liam ihn ängstlich an: "Wir müssen die anderen warnen da läuft ein Verrückter durch den Wald." "Schatz die anderen sind alle zu Hause....das...war vor etwas über zwei Wochen.." Liam sah ihn durcheinander an. Dann kam die Erinnerung an das zurück was die Ärzte ihm vorhin gesagt hatten. Dean wollte Liam einen kleinen Kuss geben, doch Liam drehte den Kopf weg. Er fühlte sich schmutzig und schlecht. Es versetzte Dean einen ziemlichen Stich: "Soll ich lieber morgen wieder kommen..?" Liam nickte nur leicht und legte sich langsam wieder hin. "Alles klar. Das ist in Ordnung. erhol dich einfach...Ich...ich liebe dich.", lächelte Dean. Dann ging er nach Draußen und lehnte die Stirn gegen die Wand im Flur. Drei mal schlug er mit der Faust dagegen. 1 Stunde später klingelte er bei Oliver. Der öffnete in Boxershorts und sah ihn verwundert an. "Hey was machst du denn hier?" Dean lehnte sich einfach gegen ihn und war erleichtert als Olli ihn in den Arm nahm. "Ich glaub ich schaff das nicht..", sagte Dean leise. Oliver tat instinktiv das richtige, hielt seinen Freund einfach nur fest und hörte zu. "Er hat sich von mir weg gedreht und wollte dann dass ich gehe..." Er hatte es wirklich lange durch gehalten aber jetzt ging es einfach nicht mehr. Jetzt hatte Dean einfach einen Punkt erreicht an dem die ganze Anspannung der letzten Wochen zu viel wurde. Er lehnte gegen Oliver's Schulter und weinte. Dean war jetzt 37. Und zu letzt geweint hatte er mit 15. In jeder anderen Situation hätte Olli ihm dafür einen Spruch reingedrückt aber jetzt stand er einfach nur da und hielt eine Hand in Dean's Nacken und die andere auf dessen Rücken und wartete bis dieser sich wieder beruhigte. "Ich schaff das nicht..", wiederholte er. Das vorhin im Krankenhaus war noch nicht wieder sein Liam gewesen und er hatte einfach Angst, dass dieses Ereignis etwas in ihm kaputt gemacht haben könnte. Etwas das eventuell für immer blieb. Den Psychopathen, der seinem Freund das angetan hatte, hatte man auch noch nicht gefunden. Allerdings das Tunnelsystem und den unterirdischen Raum in dem Liam gefangen gehalten wurde. Dean wusste nicht was er tun würde, würde er dieses Monster in die Finger bekommen. Wieso der Mann ausgerechnet Liam entführt hatte oder ob es schlicht und ergreifend Willkür gewesen war, konnte man bisher ebenso wenig sagen. Und dann hatte das ganze noch so viele andere Fragen aufgeworfen, die er um Liam zu schützen, alle noch für sich behalten musste. Und das war hart. "Komm rein, wir bestellen Pizza und du ruhst dich hier erstmal aus, okay?" Dean nahm das dankend an. Und als er kurz ins Bad verschwand. Stürzte Oliver ins Schlafzimmer, drückte einer ziemlich attraktiven Blondine ihre Klamotten in den Arm und scheuchte sie aus seiner Wohnung. "Sorry. Notfall. Ich ruf dich an.", erklärte er schnell und schloss vor ihrer Nase die Tür, sodass sie in Dessous und mit ihrem Kleid und Schuhen im Arm im Treppenhaus stand. Oliver drehte sich erleichtert um und sah direkt in Dean's Gesicht, der in der Badezimmertür lehnte: "Olli ...ernsthaft? Hätte ich gewusst dass du Besuch hast wäre ich doch wieder gegangen." "Eben deswegen wollte ich dass dus nicht merkst." "Und was ist jetzt mit ihr?", fragte Dean mit schlechtem Gewissen. Oliver zuckte mit den Schultern: "Bros before-" "Sags nicht.", grinste Dean. Oh man...hoffentlich würde Caroline nichts davon erfahren. "Das war nichts ernstes..." "Trotzdem....du hast die Arme in Unterwäsche vor die Tür gesetzt." "Hey sie hat ihre Klamotten dabei." "Alles?" "Scheiße...", fluchte Oliver und rannte ins Schlafzimmer und dann mit einer kleinen Leoparden Print Handtasche aus der Tür. Dean sah ihm hinter her und versuchte nicht zu lachen. Das war so typisch Olli. Ungefähr 15 Minuten später kam er außer Atem wieder rein. "Und?" "Sie hat mir eine Ohrfeige verpasst mir die Tasche weggerissen und ist wütend weg gestöckelt." "hast du verdient.." "Ich weiß..", seufzte Oliver und lies sich zu Dean auf die Couch fallen. "Würdest du vielleicht morgen zu Liam gehen...? Ich weiß das ist viel verlangt aber nach Heute..." "Na klar." Dean dachte daran wie Liam sich von ihm weg gedreht hatte und konnte gar nicht mehr abwarten, dass seine Pizza kam und Oliver endlich sein Bier raus rückte. "Dean..." "Hm?" "Du schaffst das. Glaub mir. Ihr schafft das." Wie hätte Oliver auch wissen können, dass das ganze längst noch nicht zu Ende war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)