Loki: Versklavt! von uk ================================================================================ Kapitel 33: Einsichten ---------------------- «Er ist noch in Asgard.» sagte Heimdall und warf Thor und Odin einen bedeutsamen Blick zu. Der Allvater wandte sich ab und trat auf die Terrasse hinaus... oder dem, was davon noch übrig geblieben war. Trübe starrte er auf seine in Trümmern liegende Hauptstadt hinunter. Es würde viel Zeit in Anspruch nehmen, das alles wieder aufzubauen. Aber ohne das Eingreifen seines Adoptivsohnes wäre jetzt vermutlich gar nichts mehr davon übrig – oder zumindest nicht von den Bewohnern! Odin erschauerte innerlich und versuchte, zu begreifen, was gestern geschehen war. Er konnte es kaum. Die ganze Anspannung und Angst der letzten Wochen hatte sich auf einmal aufgelöst, und zurück blieb eine Erkenntnis, die ihn noch weitaus betroffener machte als Helas Gräueltaten. Loki... Der Blick des greisen Königs von Asgard verlor sich in der Ferne. Sein Sohn. Der Sohn, den er zu einem schrecklichen Schicksal verdammt hatte... Und der doch zurück gekommen war, um ihnen zu helfen. Um sie zu retten! Was sollte er nur tun? Und wie konnte er Loki jemals wieder in die Augen blicken? Den blonden Donnergott bewegten ganz ähnliche Gedanken. Auch er hatte Mühe, das ganze Ausmass dessen, was geschehen war, wirklich zu begreifen. Er hatte Loki her gebracht in der sicheren Annahme, ihn dazu zwingen zu müssen, Asgard in diesem Kampf zu unterstützen. Und er hätte ihn sowieso nie geholt, wenn er nicht so völlig verzweifelt gewesen wäre und Sif nicht diese Prophezeiung gefunden hätte. Und dann, als Loki aus seinem Gefängnis geflohen war, war er sicher gewesen – absolut sicher! – dass sein Bruder die Chance nutzte, um sich an ihnen allen zu rächen. Schliesslich gab es mehr als genug Gründe für ihn, Vergeltung zu üben. Doch Loki hatte das pure Gegenteil getan... Sein Bruder – das erste Mal seit Ewigkeiten nannte ihn Thor in Gedanken wieder so. Und das Wissen, dass er ihn nicht so behandelt hatte, wie er es hätte tun sollen, wog schwer. Natürlich: Loki hatte nach der Attacke auf Midgard eine Strafe verdient gehabt. Thor war weit davon entfernt, das zu leugnen. Aber das hatte ihm, Thor, nicht das Recht gegeben, den Bruder wie Dreck zu behandeln... Genauso wenig, wie die Asgardianer das Recht dazu gehabt hatten. Langsam, ganz langsam, sickerte beim blonden Donnergott die Erkenntnis durch, dass Asgards Gesetzgebung nicht so unantastbar und so absolut richtig war, wie er immer geglaubt hatte. «Hey.» Tony Stark riss ihn aus seinen trüben Gedanken. «Was meinst du, solltest du nicht zu ihm gehen?» Der Blonde drehte sich mit einem leicht gequälten Lächeln zu ihm herum. «Er wird mich kaum sehen wollen, mein Freund.» «Und warum ist er dann noch hier? Loki kennt doch Wege aus Asgard raus, ohne dass er den Bifröst dazu benutzen muss. Hätte er also abhauen wollen, hätte er es getan.» Iron Man schenkte ihm ein, wie er hoffte, aufmunterndes Lächeln. «Ich bin sicher, er wartet auf dich.» Thor raufte sich die Haare. Stark, der ahnte, was in ihm vorging, meinte leise: «Falls es dir hilft: ich fühle mich ähnlich schlecht. Ich hab Loki auch ziemlich mies behandelt.» «Du?» Jetzt war Thor ehrlich überracht. «Das stimmt doch gar nicht. Du hast ihm vertraut, als einziger hier. Hast ihm geglaubt, wo ich, sein Bruder...» Er brach ab. Tony wollte etwas hinzufügen, doch dann beschloss er, ihn in Ruhe zu lassen. Thor musste selbst zu einer Entscheidung gelangen. Genauso wie Odin. Nach etwa zehn Minuten, in denen er ruhelos im Raum auf und ab gegangen war, blieb der Donnergott wieder vor Tony stehen und meinte tonlos: «Würdest du mitkommen?» Stark, der seinen eigenen Gedanken nachgehangen hatte, begriff im ersten Moment nicht, was er meinte. «Wohin?» «Zu Loki.» Das kam ganz leise. Der Mann griff sich an den Kopf und lachte flüchtig. «Entschuldige, ich bin eben auch ziemlich weit weg gewesen...» Dann legte er Thor die Hand auf die Schulter und sagte: «Klar komme ich mit.» Er würde ihm da durchhelfen – wie es sich für echte Freunde gehörte. Doch vorher sollte er ihm wohl noch etwas beichten. Er räusperte sich und sagte etwas heiser. «Da wäre noch etwas... Der Stab, den ich von euch bekommen habe...» «Ja?» «Ich habe ihn nicht in New York zurückgelassen, sondern trage ihn bei mir. Tut mir leid, dass ich dich belogen hatte, Kumpel. Ich... konnte nicht anders. Du hättest nie auf mich gehört, wenn ich vorgeschlagen hätte, ihn nicht einzusetzen.» Mit einem ernsten und bittenden Ausdruck in den Augen musterte er den Freund. Thor winkte ab. «Schon gut, Tony. Ich bin dankbar, dass du so gehandelt hast. Andernfalls...» Ihn schauderte. Ja, er hätte darauf bestanden, Loki zu stoppen. Und das wäre Asgards sicherer Untergang gewesen. «Danke!» Iron Man war überrascht. So viel Demut bei Thors ungestümem Temperament war sehr ungewöhnlich. Er atmete tief durch und hoffte, dass der Freund deshalb auch dem Vorschlag, den er ihm jetzt unterbreiten wollte, zustimmen würde. Es wäre immerhin eine kleine Wiedergutmachung an Loki – und seiner Meinung nach das Mindeste, was Asgard dem Magier schuldete. «Wenn wir zu Loki gehen,» begann er gedehnt, «wäre es ein Zeichen deines... guten Willens, wenn du als erstes das Armband entfernst, das mir die Macht gibt, ihn mit dem Stab treffen zu können.» So, jetzt war es raus! Tony hatte nicht vergessen, dass sowohl Odin als auch Thor Loki von dieser Fessel befreien konnten. Nun würde sich weisen, wie ernst dem Freund seine Einsicht war. Thor überraschte ihn. Ernst und beinahe feierlich entgegnete er: «Mann aus Eisen, genau das hatte ich vor!» Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)