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Loki: Versklavt!

von

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Schuld

Am nächsten Tag war alles anders. Tony spürte es sofort, noch bevor er es sah. Loki war wie erstarrt und tat wortlos, was er von ihm verlangte. Stark musterte ihn scharf und fragte sich im ersten Moment, ob der Asgardianer ein Spiel mit ihm trieb. Doch je länger er ihn beobachtete, desto sicherer war er, dass Lokis Resignation nicht vorgetäuscht war.
 

Nur – was konnte das ausgelöst haben? Gestern war er ihm nicht sonderlich gefügig vorgekommen, auch dann nicht, als er schliesslich (endlich!) gehorcht hatte. Was also war in der Zwischenzeit geschehen, dass Loki so wirkte, als hätte er… aufgegeben?
 

Im nächsten Moment rief sich Stark zur Ordnung: was immer der Grund für Lokis plötzlichen Gehorsam war – es konnte ihm doch völlig egal sein. Er spurte ohne Widerspruch: was wollte man mehr?
 

Zumindest versuchte Tony sich einzureden, dass es ihm egal war, ob es dafür einen Auslöser gab und wenn ja, welchen…
 

Doch seine Intuition täuschte Stark nicht: Loki hatte in dieser Nacht tatsächlich etwas erlebt, was ihn verändert hatte.
 

Wenn man Träume denn als ‘Erlebnis’ bezeichnen konnte.
 


 

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Loki träumte. Zumindest musste es ein Traum sein, denn da er keine Magie mehr besass, war es ja ansonsten unmöglich, dass er sich gerade ausserhalb seines Körpers befand. Dass er auf sich selbst herabsah, wie er da in seinem Gefängnis lag, als wäre es ein Fremder, den er betrachtete. Dass sich alles plötzlich seltsam leicht anfühlte, dass die Schmerzen nur noch einer nebelhaften Erinnerung glichen... Es konnte auch nur in einem Traum geschehen, dass er auf einmal emporgehoben und weggetragen wurde, nur um sich dann auf der Terrasse des Stark Towers wiederzufinden. Ganz flüchtig spürte er Verwirrung, doch dann wurde das Bild klarer, und er sah sich selbst in voller Rüstung dastehen. Sah sich auf New York hinunterblicken, in jenem Moment, als die Attacke auf die Stadt begann. Und eine Sekunde lang spürte er dasselbe Triumphgefühl, das er damals, in diesem Augenblick, empfunden hatte. Doch es verschwand sofort, als er das Zischen unzähliger Chitauri-Flugobjekte hörte, die an ihm vorbeirauschten und die Stadt beschossen.
 

Hätte er es gekonnt, hätte er sich wohl die Augen gerieben. Ja, das musste ein Traum sein...
 

Aber warum wirkte dann alles so furchtbar echt, als würde es gerade in diesem Moment geschehen? Und warum befand er sich auf einmal nicht mehr auf dem Stark Tower, sondern mitten unter den schreienden, völlig verzweifelten Menschen? Warum war er plötzlich einer von ihnen, rannte um sein Leben genau wie sie und wusste in seiner Panik nicht, ob er nach rechts oder links ausweichen sollte? Suchte in haltloser Verwirrung nach einem Unterschlupf, einer Möglichkeit, den tödlichen Laserstrahlen dieser unheimlichen Ausserirdischen zu entgehen? Und wenn es ein Traum war: warum fühlte er die Angst dieser Leute, als wäre es seine eigene? Warum sah er das ganze Inferno plötzlich durch ihre Augen?
 

Ein kleines Mädchen stand auf einmal vor ihm - wie aus dem Nichts erschienen - und starrte ihn an. Fragend, vorwurfsvoll, klagend... Loki hätte beinahe nach Luft geschnappt. Dieser Blick! Er frass sich direkt in sein Gehirn wie ein Dolchstoss. Doch als er die Hand nach dem Kind ausstreckte, verschwand es vor seinen Augen. Löste sich in Nichts auf, als habe es niemals existiert. Und doch blieb etwas zurück: Schmerz. Ein allumfassender, nicht nur körperlicher Schmerz, der das kleine Mädchen völlig umfangen gehabt hatte...
 

Auf einmal fühlte Loki noch einen ganz anderen, genauso intensiven Schmerz. Ihm war, als würde er auseinander gerissen, als würde er buchstäblich in seine Einzelteile vergehen. Er sah an sich hinunter, doch er war unversehrt. Als er die Augen wieder hob, erkannte er entsetzt, dass dies allerdings nicht für den Mann vor ihm galt. Den rund fünfzigjähren Mann, der soeben von einer Chitauri-Laserwaffe getroffen worden war und innert Sekunden zu einem Häufchen Staub zerglühte. Loki keuchte. Er wand sich und versuchte verzweifelt, diesem Alptraum zu entrinnen, aber er schaffte es nicht. Der Traum – wenn es denn einer war! – hielt ihn fest und zeigte ihm unbarmherzig seine Opfer... Alle seine Opfer. Zeigte ihm ihre Qualen, ihre Ängste, ihre Verzweiflung... und liess sie zu seinen eigenen werden.
 

Keuchend wachte er auf und brauchte einige Minuten, bis er wieder wusste, wo er war: tief unten im Stark Tower, in einem kleinen, abgesicherten Raum, in dem er jetzt schon die zweite Nacht verbrachte. Schweiss stand auf seiner Stirn, und sein Herz hämmerte wie verrückt.
 

Die Gefühle, die jetzt in ihm tobten, waren derart schrecklich, dass sogar seine immer noch sehr starken Schmerzen in den Hintergrund traten. Er hatte so etwas noch nie empfunden, und er brauchte eine ganze Weile, bis er begriff, was ihn da innerlich auseinander zu reissen schien…
 

Schuld. Grauenhafte, entsetzliche Schuld.
 

Das war der Grund dafür, dass er an diesem Morgen wie betäubt war. Als Stark ihm erneut zu Putzen befahl, tat er es einfach – und nicht einmal die spöttisch hochgezogenen Augenbrauen des Mannes konnten ihn in diesem Moment treffen. Immer wieder sah er die Bilder der vergangenen Nacht vor sich… Bilder aus einem Traum, der kein Traum gewesen war.
 

Damals, als er New York angegriffen hatte, hatte er keinen Gedanken an die Menschen verschwendet, welche die Attacke treffen würde. Sie waren ihm absolut gleichgültig gewesen. Angetrieben von etwas, das er immer weniger überhaupt noch nachvollziehen konnte, war er blind gewesen für die Zerstörung, die er anrichtete. Nur einmal, ganz flüchtig, hatte so etwas wie ein Hauch von Vernunft durch sein von Hass umnebeltes Gehirn geweht: als Thor ihn bei ihrem Kampf auf dem Stark Tower gepackt und beschworen hatte, der Sache ein Ende zu setzen. «Gemeinsam können wir es, Bruder,» hatte er gesagt. Und flüchtig – ganz flüchtig – hatte Loki nachgeben wollen. Eine innere Stimme hatte ihm zugeflüstert ‘lenk ein, tu es’! Doch er hatte sie niedergedrückt und weitergemacht…
 

Vor seinen Augen begann es zu flimmern, und er hörte kaum, dass Stark – zum wievielten Male eigentlich? – darüber spottete, wie brav er heute Morgen doch war. Seine Hand, die den Boden wischte, zitterte… Aber aus weitaus entsetzlicheren Gründen als der Demütigung, der er unterzogen wurde.
 

Diese Schreie. Sie hallten in ihm wider. Vor allem die der Kinder. Er musste sie doch damals auch gehört haben, doch er hatte sie entweder ausgeblendet oder schlicht nicht hören wollen…
 

Jetzt aber hörte er sie so deutlich, als ob sie immer noch erklingen würden. Und am Ende dieses Tages war er soweit, dass er Tony Stark Recht geben musste: er war ein Scheusal und bekam, was er verdiente.
 

Nur nutzte das seinen Opfern leider nicht das Geringste. Denn egal, was Stark noch so alles mit ihm anstellen mochte: nichts davon brachte auch nur einen der Toten zurück, die er auf dem Gewissen hatte.



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